© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 114/16 Kostenfreie oder kostenreduzierte ÖPNV-Nutzung für Senioren in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 114/16 Seite 2 Kostenfreie oder kostenreduzierte ÖPNV-Nutzung für Senioren in Deutschland Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 114/16 Abschluss der Arbeit: 25. Januar 2017 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 114/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Beispiele einer zeitlich begrenzten kostenfreien ÖPNV- Nutzung für Senioren 4 2.1. Dortmund 4 2.2. Essen 5 2.3. Landkreis Ludwigsburg 5 2.4. Münster 6 2.5. Rheine 6 2.6. Ulm 6 3. Beispiele einer kostenreduzierten ÖPNV-Nutzung für Senioren 7 3.1. Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) 7 3.2. Donau-Iller-Nahverkehrsverbund (DING) 7 3.3. Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT) 7 3.4. Münchener Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) 8 3.5. Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) 8 3.6. Sonstige 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 114/16 Seite 4 1. Einleitung In Deutschland haben schwerbehinderte Menschen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch darauf, im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) unentgeltlich befördert zu werden (§§ 145 ff. SGB IX). Das betrifft gehbehinderte, außergewöhnlich gehbehinderte, hilflose, gehörlose und blinde Menschen. Eine entsprechende gesetzliche Regelung für Menschen ab einem bestimmten Alter gibt es in Deutschland nicht. Gem. § 8 Abs. 4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG)1 haben in Deutschland Verkehrsunternehmen bzw. Verkehrsverbünde ihre Verkehrsleistungen eigenwirtschaftlich zu erbringen. Eine Genehmigungsbehörde des jeweiligen Bundeslandes prüft, ob die Beförderungsentgelte unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und der lokalen Gegebenheiten angemessen sind (§ 39 PBefG).2 In den einzelnen Bundesländern und Verkehrsverbünden gibt es keine einheitliche Regelung, zu welchen Konditionen ältere Menschen den ÖPNV nutzen können. Jedoch werden Senioren zunehmend von den Nahverkehrsunternehmen als eigene Zielgruppe erkannt, die man mit speziellen Angeboten ansprechen und als Kunden gewinnen möchte. In einzelnen Tarifverbünden können Senioren daher z.B. ihren Führerschein gegen eine zeitlich begrenzte kostenfreie Nutzung des ÖPNV eintauschen. Dauerhaft kostenfreie Angebote konnten nicht eruiert werden. Darüber hinaus gibt es in verschiedenen Regionen preisreduzierte Seniorentickets. Einige Tarifverbünde geben hierbei sogar erhebliche Rabatte. Im Folgenden werden verschiedene Beispiele einer zeitlich begrenzten kostenfreien ÖPNV-Nutzung bzw. einer kostenreduzierten ÖPNV-Nutzung für Senioren in Deutschland aufgeführt. 2. Beispiele einer zeitlich begrenzten kostenfreien ÖPNV-Nutzung für Senioren 2.1. Dortmund Die Aktion „Senioren tauschen Führerschein gegen Ticket“3 wurde in Dortmund im Jahr 2001 eingeführt. Grundsätzlich können alle in Dortmund gemeldeten Bürger unabhängig vom Alter ihren Führerschein bei den Bürgerdiensten der Stadt Dortmund als ungültig markieren lassen und sich im 1 http://www.gesetze-im-internet.de/pbefg/ (zuletzt aufgerufen am 13.12.2016). 2 Sachstand des Fachbereichs WD 5: „Kosten eines Nulltarifs im ÖPNV für Freiwilligendienstleistende“ vom 15. Mai 2012 (WD 5–3000–070–12). 3 Siehe auch http://www.bus-und-bahn.de/34612.cbin (zuletzt aufgerufen am 17.1.2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 114/16 Seite 5 Anschluss in einem DSW214-Kundencenter zwei persönliche Monatstickets, die für das gesamte Dortmunder Stadtgebiet gültig sind, ausstellen lassen.5 Die gewünschten Monate sind frei wählbar und müssen nicht zusammenhängend sein. Die Tickets sind nicht übertragbar. Pro Jahr wird dieses Angebot ca. 30 bis 40 Mal in Anspruch genommen. Ein Ticket kostet 83 Euro (Stand: 1. Januar 2017). Finanziert wird diese Aktion über das Jahresbudget.6 2.2. Essen Senioren haben in Essen die Möglichkeit, ihren Führerschein beim Straßenverkehrsamt gegen ein sogenanntes „Ticket 2000“7 einzutauschen. Hierzu muss der Führerschein beim Straßenverkehrsamt abgegeben und ein dort vorliegendes Formular ausgefüllt werden. Das Formular wird an die Essener Verkehrs-AG (EVAG) gesandt, die dann wiederum für einen Monat ein „Ticket 2000“ ausstellt. Die Kosten hierfür trägt die EVAG. Das Angebot wurde 2016 von 15 Personen angenommen .8 2.3. Landkreis Ludwigsburg Im Landkreis Ludwigsburg gibt es derzeit ein Pilotprojekt zur freiwilligen Führerscheinrückgabe, das am 1. Oktober 2015 startete und zunächst bis zum 31. Dezember 2017 laufen soll.9 Senioren, die freiwillig auf ihren Führerschein verzichten und diesen der Fahrerlaubnisbehörde zurückgeben, erhalten einmalig kostenlos ein Senioren-Jahres-Ticket des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS), das im gesamten VVS-Verbundgebiet uneingeschränkt gilt. Nach Ende der Laufzeit des kostenfreien Tickets geht dieses, sofern es nicht gekündigt wird, in ein kostenpflichtiges Senioren-Abonnement über. Teilnehmen können Personen, die im Landkreis Ludwigsburg wohnen und mindestens 65 Jahre alt sind, bzw. mindestens 60 Jahre alt sind und Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Ruhegehalt aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis beziehen. Mit der Aktion soll Senioren die Möglichkeit gegeben werden, das ÖPNV-Angebot über einen längeren Zeitraum zu testen und so gegebenenfalls im ÖPNV eine geeignete Alternative zum PKW zu erkennen. 4 DSW21 ist ein Partnerunternehmen im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, das den Personennahverkehr in der Stadt Dortmund und Umgebung abwickelt. 5 Ist die entsprechende Person bereits Kunde des DSW21, wird alternativ eine Jahreskarte für den Dortmunder Zoo oder Westfalenpark angeboten. 6 Email der Verkehrsabteilung der Dortmunder Stadtwerke DSW21 vom 15.12.2016. 7 https://www.evag.de/tickets/taeglich-unterwegs/1000er-2000er.html (zuletzt aufgerufen am 23.1.2017). 8 Email der EVAG vom 22.12.2016. 9 Email des Landratsamts Ludwigsburg vom 14.12.2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 114/16 Seite 6 Auswertungen haben ergeben, dass die Teilnehmer durchschnittlich 80 Jahre alt und zu 80 Prozent weiblich sind. Bei 70 Prozent der Teilnehmer handelt es sich um Neukunden. Das Projekt steht aber auch Personen, die bereits VVS-Kunden sind, offen. Die Finanzierung des Pilotprojekts wird je zur Hälfte von den VVS-Verkehrsunternehmen und dem Landkreis Ludwigsburg getragen. Die Fahrkarte kostet 546 € pro Jahr (Stand: 1. Januar 2017).10 Im Frühjahr 2017 soll über den Fortgang des Projekts entschieden werden. Hierbei wird auch von Interesse sein, wie viele Kunden durch die Aktion dauerhaft für den ÖPNV gewonnen werden konnten und wie viele lediglich das kostenfreie VVS-Ticket genutzt haben. 2.4. Münster Senioren können in Münster freiwillig den Führerschein mit einer Verzichtserklärung auf die Fahrerlaubnis bei der Fahrerlaubnisbehörde Münster zurückgeben und erhalten dann einen zweimonatigen kostenfreien Nutzerausweis für den ÖPNV von den Stadtwerken Münster. Diese Vereinbarung zwischen der Stadt Münster und den Stadtwerken Münster besteht bereits seit über einem Jahrzehnt. Die Kosten dieses Arrangements tragen die Stadtwerke.11 2.5. Rheine In der Stadt Rheine läuft die Aktion „Führerscheinabgabe gegen Die Blaue“ seit August 2012. An der Aktion, die von der Verkehrsgesellschaft der Stadt Rheine finanziert wird, haben bisher rund 450 Senioren (älter als 60 Jahre) teilgenommen. Hierbei kann der Führerschein gegen Monatskarten für den Stadtbus in Rheine eingetauscht werden. Die Fahrkarten sind für insgesamt ein Jahr kostenfrei. Danach kann das Abo auf eigene Kosten (derzeit 39,60 €/Monat) verlängert werden.12 2.6. Ulm In Ulm lief das Projekt "Bei Führerscheinabgabe ein Jahr gratis mit Bus und Straßenbahn fahren", bei dem ältere Menschen vom Auto auf den Nahverkehr umsteigen konnten, von Oktober 2011 bis Dezember 2013. Die Stadt Ulm und die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) teilten sich die Kosten für dieses Projekt. Im genannten Zeitraum wurden 168 Führerscheine abgegeben.13 10 http://www.regio-news.de/ka/news-karlsruhe/baden-wuerttemberg/187407-vvs-senioren-ticket-gegen-freiwillige -fuehrerscheinabgabe.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2016) 11 Email der Stadtwerke Münster vom 17.1.2017. 12 Email der Verkehrsgesellschaft der Stadt Rheine mbH vom 13.12.2016. 13 http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/rentner-tauschen-fuehrerschein-gegen-seniorenticket- 6781384.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 114/16 Seite 7 3. Beispiele einer kostenreduzierten ÖPNV-Nutzung für Senioren 3.1. Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg bietet für Senioren das „VBB-Abo 65plus“ an. Das „VBB-Abo 65plus“ kann unabhängig vom Einkommen erworben werden, sofern man mindestens 65 Jahre alt ist. Das „VBB-Abo 65plus“ ist rund um die Uhr gültig, personengebunden und ausschließlich im Abonnement erhältlich. Eine Mitnahme von weiteren Personen am Abend oder am Wochenende ist nicht möglich. Das „VBB-Abo 65plus“ kostet monatlich 51 Euro (Stand: 1. Januar 2017).14 Damit liegt das „VBB-Abo 65plus“ mit einem Jahrespreis von 612 Euro im Vergleich zum regulären Jahres-Abo für die VBB-Umweltkarte für Berlin AB mit 761 Euro (VBB-Umweltkarte für Berlin AB) um fast 20 Prozent günstiger. 3.2. Donau-Iller-Nahverkehrsverbund (DING) Der Donau-Iller-Nahverkehrsverbund bietet für Personen ab 63 Jahren für beliebig viele Fahrten im Gesamtnetz das „Ticket 63plus“ mit Partnerkarte an. Das Ticket ist nicht übertragbar und nur in Verbindung mit einem Lichtbildausweis gültig. Das „Ticket 63plus“ kostet derzeit 42,20 Euro (monatliche Abbuchung) oder 506,40 Euro (Jahreszahlung).15 3.3. Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT) Der Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT)16, ein Zusammenschluss von 13 Verkehrsunternehmen , bietet das Produkt „Abo Mobil65“ an, das sich speziell an Fahrgäste ab 65 Jahren richtet. Es ist im gesamten Verkehrsverbund Mittelthüringen gültig ohne zeitliche Begrenzungen. Zusätzlich können jederzeit bis zu 2 Kinder bis einschließlich 14 Jahre und ein Hund mitgenommen werden . Eine Partnerkarte kann zum halben Preis erworben werden. Beide Karten sind personengebunden . Das Abo Mobil65 gibt es derzeit zum Preis von 58 Euro (die optionale zusätzliche Partnerkarte für 29 Euro).17 Im Vergleich zum regulären Ticketpreis in Höhe von 235 Euro ergibt sich hiermit ein Rabatt von 75 Prozent. 14 http://www.vbb.de/de/article/fahrpreise/fahrausweissortiment/fuer-senioren/10791.html (zuletzt aufgerufen am 23.1.2017). 15 http://www.ding.eu/fahrscheine-und-preise/ticket-63plus.html (zuletzt aufgerufen am 23.1.2017). 16 http://www.vmt-thueringen.de/ (zuletzt aufgerufen am17.1.2017). 17 https://www.stadtwerke-erfurt.de/pb/site/swegruppe/alias/abo/Lde/index.html (zuletzt aufgerufen am 17.1.2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 114/16 Seite 8 3.4. Münchener Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) Die „IsarCard60“ ist eine übertragbare Monatskarte für Personen ab 60 Jahren, mit der der MVV - mit Ausnahme einer Sperrzeit von Montag bis Freitag zwischen 6 und 9 Uhr - genutzt werden kann. An Samstagen und Sonntagen sowie in den Schulferien und an gesetzlichen Feiertagen entfällt diese Sperrzeit. Die „IsarCard60“ ist ein ermäßigtes Angebot. Der Rabatt liegt im Vergleich zur „IsarCard“18 bei bis zu 70 Prozent. Für Fahrten in der Sperrzeit von Montag bis Freitag zwischen 6 und 9 Uhr zahlen Inhaber einer „IsarCard60“ im Geltungsbereich der Karte nur den halben Preis.19 3.5. Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) bietet für Senioren ab 60 Jahren die übertragbare Seniorenkarte „Aktiv60Ticket“ an. Die Geltungsdauer beträgt mindestens 12 Monate. Sie ist nur im Jahresabonnement erhältlich. Der Preis richtet sich nach der Zahl befahrener Städte. Besitzer eines „Aktiv60Tickets“ können montags bis freitags ab 19 Uhr bis Betriebsschluss (3 Uhr nachts) sowie an Wochenenden und Feiertagen zusätzlich eine weitere Person über 14 Jahre, bis zu drei Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren und ein Fahrrad kostenfrei mitnehmen.20 3.6. Sonstige Weitere spezielle Seniorenangebote finden sich z.B. in Bielefeld21, Hannover22 und Kassel23. *** 18 http://www.mvv-muenchen.de/de/tickets-preise/tickets/vielfahrer/isarcard/index.html (zuletzt aufgerufen am 18.1.2017). 19 http://www.mvv-muenchen.de/de/tickets-preise/tickets/vielfahrer/isarcard60/index.html (zuletzt aufgerufen am 18.1.2017). 20 https://www.vrsinfo.de/fileadmin/Dateien/downloadcenter/Folder_Aktiv60Ticket2017.pdf (zuletzt aufgerufen am 18.1.2016). 21 Premium 60plusAbo. https://www.mobiel.de/tickets/tickets-ueber-bielefeld-hinaus/sparen-mit-dem-abo/premium-60plusabo/ (zuletzt aufgerufen am 18.1.2017). 22 GVH MobilCard 63plus. http://www.gvh.de/tickets-cards/cards/generation-63plus/gvh-mobilcard-63plus/ (zuletzt aufgerufen am 18.1.2017). 23 Nordhessenkarte 60plus. http://www.kvg.de/tickets/zeitkarten/ab-60-jahren/ (zuletzt aufgerufen am 18.1.2017).