© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 111/16 Mögliche Wachstumsimpulse und Mehreinnahmen durch Anhebung von Sozialtransfers Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 111/16 Seite 2 Mögliche Wachstumsimpulse und Mehreinnahmen durch Anhebung von Sozialtransfers Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 111/16 Abschluss der Arbeit: 20. Januar 2017 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 111/16 Seite 3 1. Fragestellung Es wird die Frage aufgeworfen, ob eine Steigerung der Ausgaben staatlicher Transferleistungen der deutschen Wirtschaft insgesamt zu Gute kommt und ob diese Ausgaben Wachstumsimpulse induzieren und somit das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigern können. Dieser Annahme liegt der keynesianische Gedanke zu Grunde, nachdem eine Steigerung der Ausgaben durch den Staat zu einem höheren BIP und damit zu mehr Wohlstand führt. In dieser Dokumentation wird auf den theoretischen Ansatz von John-Maynard Keynes eingegangen und dieser anhand der Literatur diskutiert. 2. Der theoretischen Ansatz Eine prägnante Einführung in das von Keynes 1936 veröffentlichte Werk mit dem Titel „General Theory of Employment, Interest and Money", (Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes) findet sich zum Beispiel in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen (FAZ) vom 8. Januar 2009, der vor dem Hintergrund der damaligen Finanzkrise die komplexe Theorie in anschaulicher Weise präsentiert.1 Hierin heißt es auszugsweise: „Bringt es etwas, wenn Politiker ein Konjunkturpaket auflegen oder nicht? Wer mitreden will, muss Keynes kennenlernen. Das IS-LM-Modell veranschaulicht Keynes' Ideen grafisch Gewöhnliche Menschen tun das allerdings lieber nicht, indem sie sein Werk lesen, das teils rhetorisch brillant und teils theoretisch hochkomplex ist. Nein, die Nachfolger von Keynes - allen voran John R. Hicks - haben es den Laien leichter gemacht. Sie haben Keynes' Ideen in ein Schema gepresst, das sich grafisch abbilden lässt (in der General Theory selbst gibt es nur eine einzige Grafik). Es ist unter dem Titel IS-LM-Modell bekannt (siehe Grafiken). Mit seiner Hilfe kann man keynesianische Gedanken verstehen. Dazu muss man zunächst die Grundidee des Diagramms begreifen. Sie besagt, dass es in einer Wirtschaft verschiedene Märkte gibt, die alle zu einem Gleichgewicht tendieren - also zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Die zwei Kurven des IS-LM-Diagramms stellen jeweils einen Markt dar: die IS-Kurve den Gütermarkt, die LM-Kurve den Geldmarkt. Im Schnittpunkt beider Kurven ist die gesamte Volkswirtschaft im Gleichgewicht - zu diesem Punkt strebt sie hin. Der Gütermarkt (IS-Kurve) befindet sich dann im Gleichgewicht, wenn ebenso viele Güter angeboten wie nachgefragt werden. Dies ist der Fall - die Herleitung dazu sparen wir uns hier -, wenn die Investitionen den Ersparnissen entsprechen. Die Investitionen der Unternehmen hängen vom Zins ab. Je niedriger der Zins "r", desto billiger sind Investitionen, desto mehr wird investiert. Die Ersparnisse der Bürger hängen laut Keynes nur vom Einkommen ab. Je größer das Volkseinkom- 1 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftswissen/ein-crashkurs-keynes-fuer-anfaenger- 1590559.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 111/16 Seite 4 men Y, desto größer die Ersparnis. Sinkt nun beispielsweise das Volkseinkommen, so wird weniger gespart. Damit auch weniger investiert wird und der Gütermarkt im Gleichgewicht ist, muss der Zins steigen. Deshalb ist die IS-Kurve nach links geneigt… Keynes' Anhänger reden gerne vom Multiplikatorteffekt der Staatsausgaben Dann hilft nach Ansicht der Keynesianer nur eins, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit zu senken: Der Staat muss seine Ausgaben erhöhen. Was er tut, ist dabei relativ egal: Straßen oder Brücken bauen, die Schulen sanieren oder jedem Beamten einen Dienstwagen kaufen. Alles funktioniert. Denn es verändert das Gleichgewicht auf dem Gütermarkt. Die Güternachfrage wird größer als das Angebot. Das heizt die Produktion an. Das Volkseinkommen steigt zu jedem Zins; die IS-Kurve verschiebt sich nach rechts. Die Wirtschaft wächst. Mehr Menschen kommen in Arbeit. Nach keynesianischen Vorstellungen kann der Staat auf diese Art seine Bürger so lange unterstützen, bis die Krise vorbei ist.Ob die Politik damit Erfolg hat, hängt auch davon ab, ob sie mit ihren Ausgaben die Konsumenten und Unternehmen dazu bewegen kann, ebenfalls mehr nachzufragen. Die Gesamtnachfrage erhöht sich dann nämlich nicht nur um den Betrag der zusätzlichen Staatsausgaben, sondern um einen höheren. Ohne diesen sogenannten Multiplikatoreffekt wären Konjunkturprogramme sinnlos. Keynes begründet die Existenz dieses Multiplikatoreffekts so: Die höheren Staatsausgaben stellen für Unternehmen und Konsumenten Einnahmen dar. Weil deren Nachfrage wiederum von der Höhe ihrer Einnahmen abhängt, steigern sie als Reaktion auf die höheren Staatsausgaben Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 111/16 Seite 5 ihrerseits die Nachfrage. Eine kleine Erhöhung der Staatsausgaben führt dadurch in der Regel zu einer stärkeren Erhöhung des Volkseinkommens. Das kann man sich so vorstellen: Die Bundesregierung gibt für ein neues Stück Autobahn 10 Millionen Euro aus. Davon werden Bauunternehmen bezahlt. Deren Einnahmen erhöhen sich. Sie fragen deshalb mehr Baumaschinen nach. Die Baumaschinenhersteller wiederum kaufen mehr Rohmaterial. Und so weiter. Am Schluss steigt das Volkseinkommen um ein Mehrfaches der ursprünglichen Staatsausgaben.“ Zum Multiplikatoreffekt führt der Wirtschaftsblog der FAZ vom 8. Februar 20132 wie folgt aus: „Worum geht es genau bei dem ominösen Multiplikator? Der technische Parameter zeigt an, um wie viel das Bruttoinlandsprodukt steigt oder sinkt, wenn der Staat seine Ausgaben um einen Euro erhöht oder kürzt. Der Multiplikator drückt in gewisser Weise die Hebelwirkung von Staatsausgaben aus. Ein großer Wert von mehr als 1 bedeutet, dass die Wirtschaft auf Ausgabenerhöhungen (-Kürzungen) stark positiv (negativ) reagiert. Ein kleiner Multiplikatorwert unter 1 sagt dagegen, dass Staatsausgaben die Konjunktur weniger stark bewegen. Dahinter stecken makroökonomische Überlegungen, die als erste die Keynesianer anstellten: Eine Geldeinheit, die der Staat in den Wirtschaftskreislauf schleust, zirkuliert dort. Wird sie mehrfach weitergereicht und regt ein Staatsauftrag noch weitere Aufträge in der Privatwirtschaft an, dann ist der Multiplikator groß. So erwarten es die Anhänger des britischen Ökonomen John Maynard Keynes (1883 bis 1946), die große Hoffnung auf eine staatliche Stimulierung der Konjunktur setzten. Es ist aber durchaus denkbar, dass die Privatwirtschaft auch in der entgegengesetzten Richtung der Staatsausgaben reagiert: Beschließt der Staat zu hohe defizit-finanzierte Ausgaben, erwarten Unternehmer und Bürger künftige Steuererhöhungen. Mit Blick auf den steigenden Schuldenberg werden sie also vorausschauend ihre Ausgaben drosseln, sie werden weniger investieren und weniger arbeiten, weil sie die Steuer fürchten. Das schwächt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Also regt der staatliche Impuls die Wirtschaftsleistung nur schwach an. Der Multiplikator wäre also weniger als 1. Nach dem Krieg bis in die siebziger Jahre, als der Keynesianismus en vogue war, hatten die meisten Ökonomen sehr hohe Erwartungen an den Multiplikator. Nach den enttäuschenden Erfahrungen mit den Konjunkturprogrammen der siebziger Jahre, die nur beschleunigte Inflation, aber keine Wirtschaftsbelebung brachten, nahm die Ökonomenzunft das Konzept kritischer unter die Lupe. Nun wurde die Rolle der Erwartungen betont: Im Idealfall kann es sogar bedeuten, dass staatliche Sparbemühungen die Wirtschaft nicht abwürgen, sondern anregen, weil die Unternehmen und Bürger künftig niedrigere Steuern erwarten.“ 2 http://blogs.faz.net/fazit/2013/02/08/krieg-um-den-multiplikator-915/ Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 111/16 Seite 6 Frank Westermann schreibt in seiner Darstellung „Wie groß ist der Keynesianische Multiplikator in Deutschland“: 3 Eine keynesianische Politik kann die Konjunktur beleben. Staatsausgaben und Steuereinnahmen verursachen nicht nur einen direkten Impuls, sondern lösen auch eine Multiplikatorwirkung aus. Die Erhöhung des Einkommens führt zu einer Ausweitung des privaten Konsums, somit zu einer weiteren Nachfrageerhöhung und einer abermaligen Produktionserhöhung usw. Aus diesem Grund übersteigt die Wirkung der Fiskalpolitik den Wert 1. Das Modell ist in sich schlüssig, aber wie groß ist dieser Multiplikator? Lehrbuchmodelle sehen ihn bei einer Größe von ca. 4 bis 5, je nachdem ob Steuern gesenkt oder Staatsausgaben erhöht werden. Übersehen wird hierbei aber, dass Sekundäreffekte die Größe des Multiplikators wieder verringern. Verdrängungsmechanismen unterschiedlichster Art werden ausgelöst: Steigende Zinsen erdrängen private Investitionen, staatlicher Konsum verdrängt privaten Konsum, und Erwartungen über Steuererhöhungen in der Zukunft verdrängen die Konsumbereitschaft in der Gegenwart zu Gunsten privater Ersparnis. Keiner dieser Sekundäreffekte kann so groß sein, dass der ursprüngliche positive Effekt der keynesianischen Politik sogar ins Negative gekehrt wird. Der Keynesianische Effekt ist in jedem Fall positiv, aber empirisch erheblich kleiner, als häufig suggeriert wird. Empirische Schätzungen zur Größe der Multiplikatorwirkung wurden erstmals von Oliver Blanchard und Roberto Perotti am MIT vorgenommen. Die Ergebnisse zeigen, dass der Multiplikator lediglich zwischen einer Größe von 1 und 2 liegt. Für Deutschland lassen sich diese Ergebnisse anhand von Daten der letzten 40 Jahre zu Staatsausgaben und Steuereinnahmen bestätigen. Eine Erhöhung der Ausgaben von einem Euro führt zu einem positiven Effekt für das Bruttosozialprodukt von 1,37 €. Eine Senkung der Steuereinnahmen um einen Euro wirkt mit einer Verzögerung von etwa einem Jahr und hat einen positiven Effekt von 1,62 €.“ Einen anderen Ansatz vertritt Thomas Döring in seinem Aufsatz: „Staatliche Ausgabenpolitik verhaltensökonomisch betrachtet – Zur Psychologie der öffentlichen Ausgabentätigkeit.“4 Er betrachtet eine verhaltensökonomische Analyse als lohnenswert: „Der Erkenntnisgewinn der Verhaltensökonomik liegt hierbei vor allem darin, die erfahrungswissenschaftliche Grundlage der finanzwissenschaftlichen Ausgabenanalyse systematisch zu verbreitern. Dabei liegt der Fokus allerdings weniger darauf, das traditionelle (neoklassische) Verhaltensmodell, wie es bislang überwiegend in der finanzwissenschaftlichen Ausgabenanalyse zur Anwendung kommt, vollständig zu verwerfen und durch kognitions- und sozialpsychologische Überlegungen zu ersetzen.“ 3 ifo Schnelldienst 11/2004, abzurufen unter: https://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/96878EC0E2094BE6E04400144FAFBA7C 4 http://link.springer.com/article/10.1007/s41025-016-0028-4 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 111/16 Seite 7 Unter der Überschrift: „Einkommens-, Verteilungs- und Anreizwirkungen staatlicher Ausgaben unter besonderer Berücksichtigung von Sozialtransfers“ schreibt er weiter kritisch zum von Keyne beschriebenen Multiplikatoreffekt: „Im Kern liegt der Multiplikator-Analyse damit ein weitgehend „mechanisches“ Verständnis der kurzfristigen Einkommens- und Beschäftigungseffekte staatlicher Ausgabentätigkeit zugrunde. Die verhaltensökonomische Forschung kann hier zu einem differenzierteren Bild der möglichen Verhaltensreaktionen der privaten Akteure im Rahmen einer stabilitätsorientierten staatlichen Ausgabenpolitik beitragen. Ob zusätzliche Staatsausgaben zu nennenswerten Einkommens- und Beschäftigungswirkungen über den Primäreffekt hinaus führen, hängt danach nicht allein von den individuellen Erwartungen ab, auf die bereits in herkömmlicher Sicht verwiesen wird. Vielmehr sind hier eine Reihe weiterer Faktoren zu nennen, die in der Finanzwissenschaft jedoch häufig – wenn überhaupt – nur am Rande thematisiert werden. Dies ist zum einen wiederum eine hinreichende subjektive Merklichkeit ausgabenpolitisch induzierter Einkommensänderungen als Voraussetzung einer zusätzlichen privaten Nachfrage, die im Unterschied zur gängigen finanzwissenschaftlichen Multiplikator-Analyse nicht bereits als vorhanden unterstellt werden kann. Vielmehr sind die subjektive Wahrnehmung und gefühlte Intensität ausgabeninduzierter Einkommensänderungen für das Entscheidungsverhalten der privaten Akteure maßgeblich und nicht allein der staatliche Ausgabeimpuls als solcher… Mit Blick auf die Anreizwirkung staatlicher Sozialausgaben wird aus verhaltens-ökonomischer Sicht von Beaulier und Caplan (2007) des Weiteren das Argument ins Feld geführt, dass diese bei den Zahlungsempfängern ein zeitinkonsistentes Verhalten begünstigen. Die kurzfristig positiven Effekte bewirken, dass auf eigene Anstrengungen zur Einkommenserzielung verzichtet wird, was langfristig jedoch zu einer Schlechterstellung der Sozialtransferempfänger führt.“ Hans-Werner Sinn argumentiert in dem Beitrag „Eine Anmerkung zur Selbstfinanzierungsthese und zum keynesianischen Modell“ im ifo Schnelldienst vom 23. Dezember 20145 wie folgt: „Im klassischen keynesianischen Modell wird eine schuldenfinanzierte Staatsausgabenerhöhung zwar das Sozialprodukt und damit die Steuereinnahmen des Staates steigern, wenn man angebotsseitige Beschränkungen der Wirtschaft außer Acht lässt, doch sind die zusätzlichen Steuereinnahmen stets kleiner als die Erhöhung der Staatsausgaben. Insofern wachsen die Schulden in jeder Periode um das trotz einer partiellen Selbstfinanzierung unvermeidliche Restdefizit an, während der Strom des Sozialprodukts nur einmal eine Niveauerhöhung erfährt. Die Schuldenquote des Staates wächst somit bei dieser Politik über alle Grenzen.“ Franz Seitz und Karl-Heiz Tödter nehmen in einer Replik zu dem Beitrag von Sinn Stellung. In ihrer Darstellung „Zur Selbstfinanzierung höherer Staatsausgaben: „Gibt es den Münchhausen- Effekt und wenn Ja, wie funktioniert er?“6 betonen sie, dass auch relative Größen, wie die Defizitquote des jeweiligen staatlichen Haushalts nicht außer Betracht bleiben dürfen . Die beiden Autoren führen aus: 5 https://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/publications/docbase/details.html?docId=19147965 6 http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs41025-015-0021-3 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 111/16 Seite 8 „…dass bereits bei einer moderaten Staatsverschuldung in der Ausgangslage eine kreditfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben temporär zu einem Rückgang der Schuldenquote führt. Dieser Effekt ist umso größer, je höher die Schuldenquote bereits ist und wird von einer akkommodierenden Geldpolitik unterstützt.“ Und weiter: „Um die Selbstfinanzierungsthese zu widerlegen, ist das einfache keynesianische Modell nur eingeschränkt geeignet, denn isoliert betrachtet und bezogen auf Schuldenquoten funktioniert der Münchhausen-Trick. Bereits bei einer moderaten Staatsverschuldung in der Ausgangslage führt eine kreditfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben zu einem Rückgang der Schuldenquote. Der Rückgang ist zudem größer als bei einer steuerfinanzierten Ausgabenerhöhung. Außerdem ist der negative Effekt auf die Schuldenquote umso größer, je höher die Schuldenquote bereits ist.“ Die Autoren kommen zu dem Schluss: „Der Charme einer schuldenfinanzierten Staatsausgabenexpansion schwindet jedoch selbst im keynesianischen Modell rasch, wenn ein wenig Dynamik mit ins Bild genommen wird. Bereits der definitorische Zusammenhang zwischen Strom- und Bestandsgrößen bei den Staatsschulden macht deutlich, dass eine expansive Fiskalpolitik keine Lösung ist, auch wenn sie einem Land kurzfristige Vorteile verschaffen kann. Nachhaltiges reales Wachstum, das zeigt sogar das einfache keynesianische Modell, kann nicht allein über die Nachfrageseite generiert werden, es erfordert vielmehr Strukturreformen mit Wachstumsimpulsen auf der Angebotsseite. Weder eine expansive Fiskal- noch eine expansive Geldpolitik können auf Dauer durchgehalten werden. Erstere führt zu Überschuldung und endet im Staatsbankrott, letztere führt zu Inflation und endet womöglich in einer Hyperinflation, was auch eine Art von Staatsbankrott ist.“ 3. Empirische Untersuchungen Untersuchungen zur Frage möglicher steuerlicher Rückflüsse bzw. Wachstumsimpulse fokussiert auf eine Betrachtung der Erhöhung staatlicher Sozialtransfers waren nach hiesiger Recherche nicht ermittelbar.7 *** 7 Neben der Literaturrecherche ergab eine telefonische Nachfrage bei dem zuständigen Referat im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 18. Januar 2017, dass dort keine empirische Studien vorliegen.