© 2019 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 109/19 Antriebsarten und ihre möglichen Auswirkungen auf die Beschäftigung in der Automobilindustrie Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 2 Antriebsarten und ihre möglichen Auswirkungen auf die Beschäftigung in der Automobilindustrie Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 109/19 Abschluss der Arbeit: 19.11.2019 Fachbereich: WD 5 Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Alternative Antriebsarten 4 2.1. Deutsche Energie Agentur (dena) 4 2.2. Agora Energiewende 8 2.3. Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) 11 2.4. VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V./VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. 13 3. Studien und Veröffentlichungen zur Elektromobilität 14 3.1. Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) 14 3.2. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 16 3.3. e-mobil BW GmbH Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive Baden-Württemberg 22 3.4. Sächsische Energieagentur – SAENA GmbH Kompetenzstelle Effiziente Mobilität Sachsen 24 3.5. Weitere Quellen 25 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 4 1. Einleitung Die folgende Arbeit setzt sich mit den möglichen Beschäftigungseffekten eines Antriebswechsels in der Automobilindustrie vor dem Hintergrund der Zunahme alternativer Antriebe auseinander. Ausgehend von einem Monitoringbericht zu alternativen Antrieben der Deutschen Energieagentur (dena) werden weitere Studien und Veröffentlichungen zum Thema analysiert. Ein aktuell im Handelsblatt erschienener Artikel, der die weitere Ausrichtung des VW-Konzerns widergibt1, sowie die Investitionsentscheidung von Tesla im Land Brandenburg2 verdeutlichen den zukünftig zu erwartenden verstärkten Einzug der Elektromobilität in die deutsche und internationale Automobilproduktion . 2. Alternative Antriebsarten 2.1. Deutsche Energie Agentur (dena) Die dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unterstehende Deutsche Energie Agentur (dena) hat einen Monitoringbericht „Alternative Antriebe in Deutschland“ erstellt. Als Grundlage dienten Pkw-Neuzulassungsdaten vom Kraftfahrt-Bundesamt. Die dena verweist in ihrem Bericht dabei auf folgende grundsätzliche Entwicklung hinsichtlich aktueller Zulassungszahlen: „Die Pkw-Neuzulassungszahlen sind 2018 das erste Mal seit vier Jahren nicht gestiegen. Die Gesamtzahl der Zulassungen ging im Vergleich zum Vorjahr um 0,16 % zurück (-5.501) bzw. blieb damit mit 3,4 Mio. nahezu konstant. Hauptgrund für die Stagnation ist die Umstellung auf das neue Prüfverfahren WLTP („Worldwide Harmonised Light-Duty Vehicles Test Procedure“) im September 2018 (s. Exkurs Fn. 4). Bis September 2018 waren die Neuzulassungen noch um insgesamt 6,4 % gestiegen, im Verlauf der Folgemonate lagen sie hingegen 13,9 % niedriger als im Vorjahreszeitraum. Die Neuzulassungen von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben steigerten sich im Jahr 2018 dennoch um 54,2 % auf 181.787 Fahrzeuge (+63.933). Ihr Marktanteil stieg von 3,4 % im Vorjahr auf 5,3 %. Auch die Neuzulassungen von Pkw mit Benzinantrieb haben um 7,9 % auf 2,1 Mio. Fahrzeuge zugenommen (+156.212). Der Marktanteil der Benziner lag damit 2018 bei 62,4 % (2017: 57,7 %). Der Anteil der neu zugelassenen Diesel-Pkw ging hingegen nochmals um 16,9 % auf 1,1 Mio. Fahrzeuge zurück (-225.646). Damit sank ihr Marktanteil auf 32,3 % (2017: 38,8 %). Im Januar und Februar 2019 konnten die alternativen Antriebe ihren positiven Trend weiter fortsetzen: Erstmals wurden monatlich mehr als 20.000 Pkw mit einem alternativen Antrieb verkauft. Der Abwärtstrend für Dieselfahrzeuge dagegen setzte sich 1 Handelsblatt, 13.11.2019, Stefan Sommer im Interview: VW will nur vorübergehend in Zellfertigung einsteigen – Vorstand kritisiert deutsche Zulieferer https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/stefan-sommer-im-interview-vw-will-nur-voruebergehend -in-zellfertigung-einsteigen-vorstand-kritisiert-deutsche-zulieferer/25217362.html (letzter Abruf: 18.11.2019) 2 Zeit Online, 13.11.2019, Tesla-Fabrik: Das Rennen beginnt https://www.zeit.de/mobilitaet/2019-11/tesla-fabrik-brandenburg-autoindustrie-elektromobilitaet-innovation (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 5 nicht fort: Ihre Neuzulassungszahlen stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,5 %; damit haben sie aktuell einen Neuzulassungsanteil von 33,5 %.“3 https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2019/dena-Monitoringbericht-Alternative-Antriebe _1_2019.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Weiterhin führt der Bericht wie folgt aus: „Die Neuzulassungen der alternativen Antriebe entwickelten sich im gesamten Jahr 2018, insbesondere bis September 2018, positiv. Die WLTP-Umstellung4 bremste diesen positiven Absatztrend. Die Neuzulassungen von Erdgasfahrzeugen (CNG) erhöhten sich 2018 im Vergleich zu 2017 um 190,2 % auf 10.804 Pkw (+7.081). Dabei war die Produktpalette der CNG-Fahrzeuge besonders stark von der WLTP-Umstellung betroffen – einige Modelle sind bis heute nicht bestellbar. In der Folge brachen die CNG-Neuzulassungen ab September ein und lagen bis zum Ende des Jahres unter denen des Vorjahreszeitraums (Sept. bis Dez. 3 dena-Monitoringbericht 1/2019 Alternative Antriebe in Deutschland https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2019/dena-Monitoringbericht-Alternative-Antriebe _1_2019.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) 4 Seit dem 1. September 2018 müssen alle Neuwagen nach dem weltweit harmonisierten Prüfverfahren WLTP zugelassen werden. Das neue Verfahren soll realitätsnähere Kraftstoffverbrauchs- und CO2 -Emissionswerte liefern als das bisherige Abgasmessverfahren, der Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ). Jedoch konnten viele Automobilhersteller nicht alle ihre Fahrzeugmodelle fristgerecht zum 1. September 2018 nach WLTP zertifizieren lassen, da es zu Engpässen bei den zur Verfügung stehenden Prüfständen kam. https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2019/dena-Monitoringbericht-Alternative-Antriebe _1_2019.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 6 2017). Hybridfahrzeuge (ohne Ladestecker) bleiben nach wie vor die beliebteste Alternative : Ihr Marktanteil an den Neuzulassungen stieg von 1,6 auf 2,9 %. Das Absatzwachstum lag mit 78,9 % noch einmal deutlich über dem Vorjahr (62,9 %). Die Neuzulassungen steigerten sich auf 98.816 Pkw (+43.577). Auch die rein batterieelektrischen Antriebe (BEV) legten erneut zu. Die Neuzulassungen erhöhten sich hier im Vergleich zu 2017 um 43,9 % auf 36.062 Pkw (+11.006). Damit stieg der Marktanteil der BEV auf 1,1 % (2017: 0,73 %). Die Neuzulassungen von Plug-in-Hybriden (PHEV) dagegen stiegen nur um 6,8 % auf 31.442 Pkw (+2.006). Dies liegt u. a. daran, dass auch diese Fahrzeuggruppe von den negativen Begleiterscheinungen der WLTP-Umstellung betroffen ist. Bis August 2018 erhöhte sich die Zahl monatlich, wohingegen die Neuzulassungen von September bis Dezember 2018 32,1 % unter dem Vorjahreswert lagen. Das geringste Nachfrageplus verzeichneten LPG-Fahrzeuge. Sie legten gegenüber 2017 um lediglich 6 % auf 4.663 Fahrzeuge zu (+263) (…). https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2019/dena-Monitoringbericht-Alternative- Antriebe_1_2019.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Die Entwicklung emissionsarmer Antriebe und Kraftstoffe wird durch politische Rahmenbedingungen maßgeblich beeinflusst. Sie sind Treiber für die technologische Weiterentwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Alternativen. Damit nehmen sie auch entscheidenden Einfluss darauf, ob die Fahrzeughersteller in attraktive alternative Fahrzeugmodelle investieren und für diese werben. So kam es infolge der Verlängerung der Energiesteuerermäßigung für Erdgas im Sommer 2017 zu einem kontinuierlichen Anstieg der Neuzulassungen entsprechender Fahrzeuge, bis diese im Zuge der WLTP-Umstellung wieder einbrachen. PHEV-Modelle, die im neuen WLTP-Prüfverfahren mehr als Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 7 50 g CO2 /km ausstoßen, sind über die Umweltprämie nicht mehr förderfähig und wurden infolgedessen teilweise aus dem Angebot genommen. Die Umstellung auf den neuen Prüfzyklus spiegelt sich seit September 2018 auch in der Modellverfügbarkeit aller deutschen Hersteller wider. Eine wichtige Zielgröße für alle Fahrzeughersteller wird in den kommenden Jahren die Einhaltung der europäischen Flottengrenzwerte sein. Bis 2025 sollen die CO2 -Emissionen von Neuwagen um 15 % gegenüber 2021 sinken, bis 2030 um 37,5 %. Dies ist nur zu erreichen, indem die Fahrzeughersteller in den kommenden Jahren ein deutlich breiteres Angebot an elektrifizierten Fahrzeugen auf den Markt bringen. Gleichzeitig müssen Benzin-, Diesel- und Gasfahrzeuge im Durchschnitt wesentlich effizienter werden. Zum Erreichen der nationalen Klimaschutzziele im Verkehr müssen darüber hinaus auf nationaler Ebene weitere Maßnahmen zur Förderung klimafreundlicher Mobilität und signifikanten Erhöhung des Einsatzes erneuerbarer Energieträger im Verkehr umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund wurde im September 2018 die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) ins Leben gerufen. Diese soll im ersten Halbjahr 2019 konkrete Maßnahmen zur Erreichung des Klimaschutzziels 2030 im Verkehr erarbeiten . Im Verlauf des Jahres 2018 ist das Modellangebot alternativer Antriebe im Neuwagenmarkt gesunken: Waren Anfang 2018 noch 150 Modelle mit alternativem Antrieb verfügbar , sind es Anfang 2019 laut ADAC-Fahrzeugdatenbank nur noch 107. Vor allem der Volkswagenkonzern (-16), Mercedes und Smart (-11) sowie die PSA-Gruppe (-8) weisen ein deutlich gesunkenes Angebot an alternativen Antrieben auf. Honda, Hyundai/KIA sowie Lexus/Toyota bieten jeweils zwei Modelle und Landrover/Jaguar ein Modell mehr an. Eine Ursache des Rückgangs der Modellvielfalt ist die seit September 2018 laufende Umstellung auf das WLTP-Prüfverfahren (siehe Exkurs). Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Situation im Laufe des Jahres entspannen und das Angebot an Modellen mit alternativen Antrieben wieder steigen wird. Die Spezialisierung der Hersteller auf bestimmte Antriebstechnologien ist nach wie vor erkennbar: Toyota und dessen Tochtermarke Lexus bieten mit Ausnahme von einem Brennstoffzellenmodell Modelle mit Hybridantrieben an, der Volkswagenkonzern ist führend bei Erdgasantrieben und die Renault-Gruppe ist, aufgrund des Modellangebots der Tochtermarken Dacia und Lada, einer der wenigen Anbieter von LPG-Fahrzeugen. Eine größere Veränderung zum Vorjahr ist beim PHEV-Modellangebot deutscher Hersteller festzustellen: Mit aktuell 11 Modellen werden zurzeit 13 Modelle weniger angeboten als 2018. Allerdings ist von einer wieder steigenden Modellvielfalt auszugehen. So plant beispielsweise Daimler, bis Ende des Jahres 20 PHEV-Modelle anzubieten . Die größte Auswahl an alternativen Antrieben besteht derzeit bei PHEV (25 Modelle und damit 9 Modelle weniger als im Vorjahr) und BEV (25 Modelle, 2 Modelle weniger als im Vorjahr). Es folgen Hybride (22 Modelle, 13 Modelle weniger als im Vorjahr), Erdgas-Pkw (18 Modelle, 13 Modelle weniger als im Vorjahr) und LPGPkw (15 Modelle, 6 Modelle weniger als im Vorjahr). An Pkw mit Brennstoffzelle stehen wie im Vorjahr zwei Modelle zur Auswahl.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 8 https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2019/dena-Monitoringbericht-Alternative-Antriebe _1_2019.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Weitere Ausführungen/Grafiken sind dem Monitoringbericht der dena unter folgendem Link zu entnehmen: dena-Monitoringbericht 1/2019 Alternative Antriebe in Deutschland https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2019/dena-Monitoringbericht- Alternative-Antriebe_1_2019.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) 2.2. Agora Energiewende Die Agora Verkehrswende eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation sieht in der Verkehrswende und der Gestaltung des Strukturwandels, die eine Chance für Beschäftigung bietet, eine Sicherung des Industriestandorts Deutschland. Die Agora Verkehrswende führt hierzu wie folgt aus: „Wie erfolgreich die Automobilindustrie in Zukunft auf dem Weltmarkt aufgestellt sein wird, wirkt sich unmittelbar auf die Beschäftigung im Inland aus. Mit den größten Beschäftigungseinbußen ist zu rechnen, wenn die Geschwindigkeit des Strukturwandels die Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 9 Anpassungskraft und -bereitschaft der Branche übersteigt. Der Strukturwandel findet statt; darüber, ob Europa zentraler Produktionsstandort für die Automobilindustrie bleibt, wird schon heute mitentschieden. Allerdings hat auch die proaktive Gestaltung des Strukturwandels Arbeitsplatzeffekte. Im Fokus steht vor allem die Herstellung des Antriebsstranges , die in Deutschland momentan rund 250.000 Menschen Beschäftigung gibt. Welchen Einfluss die Energiewende im Verkehr auf diese Arbeitsplätze hat, hängt unter anderem davon ab, ob, wie schnell und durch welche alternativen Antriebstechnologien der Verbrennungsmotor ersetzt wird. Die Erkenntnisse darüber sind noch sehr begrenzt. Fest steht, dass die Herstellung des elektrischen Antriebsstranges weniger arbeitsintensiv ist als die Produktion von Verbrennungsmotoren und Getrieben. Vor diesem Hintergrund kommen die vorliegenden Untersuchungen überwiegend zu dem Ergebnis, dass jedenfalls im Zeitraum bis 2030 die gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungseffekte überschaubar bleiben (vgl. Abbildung 11.1). Allerdings ist dabei auch kein sehr dynamischer Marktanteilsgewinn von batterieelektrischen Fahrzeugen unterstellt. Je früher und je stärker Fahrzeuge ohne verbrennungsmotorische Komponenten im Antriebsstrang sich durchsetzen, desto größer könnten auch die Beschäftigungswirkungen sein. https://www.agora-verkehrswende.de/12-thesen/test/ (letzter Abruf: 18.11.2019) Dennoch erscheint die Annahme plausibel, dass die Beschäftigungseffekte eines geordneten Wandels hin zur Elektromobilität überschaubar wären gegenüber den Beschäftigungseinbrüchen , die für den Fall zu erwarten sind, dass die Autoindustrie den Anschluss an die internationalen Verkehrswendetrends verpasst. Diese Trends sind schon heute auf wichtigen Absatzmärkten zu beobachten, vor allem auf dem chinesischen. Nennenswerte Wachstumspotenziale versprechen dort nur noch Fahrzeuge mit alternativen Antrieben oder Fahrzeugkomponenten, „die für alternativ betriebene Fahrzeuge von hoher Relevanz sind“. Das größte Risiko für die Arbeitsplätze ist deshalb ein Festhalten am Status quo. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 10 Der technologische Wandel in Richtung Elektromobilität trifft neben der Kfz-Industrie selbst in besonderem Maße die Mineralölwirtschaft, die bereits früher als erwartet vom Erfolg batterieelektrischer Fahrzeuge in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Allerdings folgt daraus nicht zwangsläufig, dass die Energiebereitstellung für den Mobilitätssektor in Zukunft netto weniger Arbeitskräfte erfordert. Neue Arbeitsplätze werden für den Aufbau und den Unterhalt der elektrischen Infrastruktur entstehen und/oder für die Herstellung strombasierter Kraftstoffe. Kosten- und Akzeptanzaspekte sprechen allerdings dafür, dass Letztere vor allem im Ausland erzeugt werden. Ökonomische Implikationen hat neben der Energiewende im Verkehr auch die Mobilitätswende: das Weniger an motorisiertem Verkehr , das Mehr an kollaborativer Mobilität und das autonome Fahren. So wird in einer neueren Studie das weltweite Potenzial von Geschäftsmodellen rund um kollaborative Mobilität auf etwa 1,5 Billionen Dollar im Jahr 2030 geschätzt – das wären knapp 30 Prozent mehr Einnahmen zusätzlich zu dem Einnahmestrom, der 2030 aus dem herkömmlichem Fahrzeugverkauf einschließlich Wartung und Ersatzteilverkauf generiert wird. Damit sind Beschäftigungseffekte verbunden. Das autonome Fahren wirkt sich dagegen potenziell negativ auf das Beschäftigungsniveau aus. Selbstfahrende Fahrzeuge können Arbeitsplätze im Transportgewerbe überflüssig machen . Das betrifft Taxifahrer, Lkw-Fahrer und Lokomotivführer ebenso wie Bus-, Tramund U-Bahn-Fahrer. Allein im Fahrdienst des Öffentlichen Personenverkehrs sind mehr als 83.000 Menschen beschäftigt. Die gesamtwirtschaftlichen Effekte der Verkehrswende sind darüber hinaus aber noch von vielen, heute nur schwer kalkulierbaren Faktoren abhängig . Von großer Bedeutung wird dabei vor allem sein, wie sich die Gesamtkosten der Mobilität im Zuge des Verkehrswendegeschehens entwickeln, wie sich Mehr- oder Minderkosten auf das private Konsum- und Sparverhalten auswirken und welche Effekte sowohl der technologische Wandel als auch Verhaltensänderungen auf Lieferketten- und -verflechtungen haben. Da Arbeitsplatzeffekte erfahrungsgemäß von erheblicher Bedeutung für die Akzeptanz politischer Vorhaben sind, ist es eine vordringliche Herausforderung, die Kenntnisse über die möglichen Beschäftigungswirkungen der Verkehrswende zu verbessern . Nur auf der Basis besser gesicherter Erkenntnisse lassen sich unterschiedliche Transformationsstrategien bewerten, nicht zuletzt hinsichtlich ihrer Chance auf gesellschaftliche und politische Mehrheitsfähigkeit. Arbeitsplatzeffekte, die durch die ohnehin stattfindende Automatisierung und Digitalisierung der Produktion verursacht werden (Industrie 4.0), sind allerdings nicht der Verkehrswende anzulasten.“5 Ergänzend bemerkt Agora Verkehrswende in einem weiteren Skript zum Thema Beschäftigung /Strukturwandel: „Den Arbeitsmarkt kann die Verkehrswende über verschiedene Wirkungsketten erreichen: Mit erheblichen Effekten wäre zu rechnen, sollte die Energiewende im Verkehr heimische Anbieter unvorbereitet treffen. In diesem Fall könnten ausländische Anbieter von Elektrofahrzeugen heimische Anbieter von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor vom Markt verdrängen . Deutlich geringer wäre der Arbeitsmarkteffekt, sollten sich heimische Anbieter 5 Agora Verkehrswende, 12 Thesen, Die Verkehrswende sichert den Industriestandort Deutschland, Die Gestaltung des Strukturwandels ist eine Chance für Beschäftigung. https://www.agora-verkehrswende.de/12-thesen/test/ (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 11 dem Strukturwandel proaktiv stellen. Mit welchen Wirkungen im Einzelnen zu rechnen ist hängt von Technologiepfaden ab und davon, ob bzw. in welchem Umfang Wertschöpfung verstärkt ins Ausland verlagert wird. Der Errichtung neuer Infrastrukturen hätte positive Beschäftigungseffekte; neue Formen der Mobilität, insbesondere das autonome Fahren, machten dagegen Arbeitsplätze im Dienstleistungsgewerbe überflüssig.“6 2.3. Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) Europas größter Industrieverband, der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) bemerkt zum Thema Antrieb im Wandel wie folgt: „Beim Wandel der Antriebstechnik bieten geschlossene Wertschöpfungsketten für Deutschland und Europa besondere Chancen. Auch hierbei nimmt der Maschinen- und Anlagenbau eine Schlüsselstellung als Entwickler neuer Technologien ein. Die Brennstoffzelle bietet klassischen Zulieferern des Verbrenners vielfältige Möglichkeiten , ihre Produkte in modifizierter Form einzusetzen und so neue Märkte zu erschließen. Beispiele sind die Dichtungstechnik, die Luftversorgung und -filtration sowie das Thermomanagement . Das bietet auch den Hebel für die notwendige Kostendegression, um die Brennstoffzelle zu attraktiven Preisen auf den Markt zu bringen. Sowohl die Zuliefererindustrie als auch die Produktionstechnologie für die Kernbaugruppen der Brennstoffzelle nehmen in Deutschland eine Spitzenposition ein. Auch bei den für eFuels benötigten Prozesstechnologien gehören deutsche und europäische Anlagenbauer bereits heute zu den leistungsfähigsten Anbietern weltweit. So stammt aktuell jede fünfte weltweit verkaufte Elektrolyse-Anlage aus Deutschland. Bei den Anlagenteilen , die für die nachfolgenden chemischen Prozesse für flüssige Kraftstoffe notwendig sind, besitzt Deutschland derzeit einen Weltmarktanteil von 16 Prozent. Durch den Aufbau von P2X-Produktionsanlagen können hunderttausende Stellen entstehen – unabhängig davon, wo die Anlagen in Betrieb genommen werden. Die Batterie als Kernelement der Elektromobilität macht 40 Prozent der Wertschöpfung eines Elektroautos aus. 70 Prozent entfallen dabei auf die Batteriezelle. Der Maschinenund Anlagenbau spielt auch hier eine Schlüsselrolle, denn er liefert die notwendigen Produktionstechnologien und Prozessinnovationen, um kostengünstigere und qualitativ hochwertige Batterien zu fertigen und letztlich den Antrieb im Wandel mitzugestalten. Der europäische Maschinenbau braucht Fabriken für die aktuelle Batterietechnologie, um die Prozesstechnik wettbewerbsfähig weiterentwickeln zu können. Allein die europäische Nachfrage nach Batteriezellen wird bis zum Jahre 2033 geschätzt etwa 155.000 Arbeitsplätze generieren. Inklusive Modul- und Systemfertigung werden insgesamt Beschäftigungseffekte von 250.000 Stellen erwartet. Der ZEV-Index (Zero Emission Vehicle Index), der im Zuge der VDMA-Studie „Antrieb im Wandel“ von der FEV Consulting GmbH entwickelt wurde, misst die Attraktivität der Elektromobilität im Vergleich zum Verbrennungsmotor. Auf dem europäischen Markt wird für das Jahr 2023 die gleiche Attraktivität von Elektroautos und Autos mit Verbrennungsmotor prognostiziert. In Europa erreichen batterieelektrische Fahrzeuge und Plug-in 6 Agora Verkehrswende, Beschäftigung/Strukturwandel. https://www.agora-verkehrswende.de/themen/beschaeftigung-strukturwandel/ (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 12 Hybride zusammen dann einen Anteil von 42 Prozent an den neu zugelassenen Fahrzeugen . Hierbei zeigt sich, bedingt durch die Entwicklungen in Politik und Wirtschaft der letzten Monate, in der neuesten Überarbeitung der Studie in 2019 ein deutlicher früherer Reife- und Attraktivitätsgrad als in der ersten Fassung von 2018. In den USA wird ein gleicher Attraktivitätsgrad von Elektroautos und Verbrennern erst im Jahr 2028 erreicht, in China dagegen bereits im Jahr 2022. In Europa ist die Infrastruktur die größte Hürde, ihr Aufbau wird noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen.“7 Das Internetportal Antriebstechnik.de verweist ergänzend auf den genannten Wertschöpfungszuwachs bei Pkw-Antrieben der VDMA-Studie: „Zwar erwarten die FEV-Experten in den drei betrachteten Märkten Europa, USA und China eine Verringerung des Absatzes von Verbrennungsmotoren (inklusive Hybridantriebe ) im Pkw-Bereich: Dies um 10 % bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 2016. Dennoch verbleibt für Komponentenhersteller und Maschinen- und Anlagenbauer hier weiterhin ein substanzielles Geschäft. Denn verbesserte Antriebstechnologien – beispielsweise Effizienzmaßnahmen im Verbrennungsmotor und Getriebe – erhöhen auch die Anforderungen an die Fertigungstechnik. Zugleich rechnen die Studienautoren in diesen drei Märkten mit einem Anteil von 22 % an rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen. Die Auswirkungen der Elektrifizierung auf die einzelnen Fertigungsprozesse, welche bei konventionellen Antrieben dominieren, sind erheblich. So reduziert sich deren Wertschöpfung beim batterieelektrischen Antrieb im Durchschnitt um 64 % (ohne Batteriezellproduktion). Im Gegensatz dazu steigt beim (Plug- in-) Hybridantrieb die Wertschöpfung um 24 % – hier wird neben einem Verbrennungsmotor auch ein elektrischer Antrieb verbaut. Entscheidend ist, was unter dem Strich rauskommt: Hier führt die Studie den Nachweis, dass sich die Kombination aus Hybridantrieben, einer höheren Komplexität beim Verbrennungsmotor sowie steigenden Absatzzahlen von Fahrzeugen – vor allem in China – insgesamt positiv auf die Wertschöpfung auswirkt. Die jährliche Wachstumsrate der Wertschöpfung bei PKW-Antrieben beläuft sich bis 2030 demnach auf 1,7 %, kombiniert für die drei Märkte Europa, USA und China und dies sogar ohne Berücksichtigung der Batteriezellproduktion. Die Batteriezellproduktion bietet zusätzlich ein hohes Wertschöpfungspotenzial für den Maschinen - und Anlagenbau.“8 Eine Kurzfassung der VDMA-Studie ist dem folgenden Link zu entnehmen: VDMA Forum Elektromobilität, 2018, Antrieb im Wandel Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs von Fahrzeugen und ihre Auswirkung auf den Maschinen- und Anlagenbau und die Zulieferindustrie https://elektromobilitaet.vdma.org/documents/266699/25065244/Antrieb+im+Wandel+- +Broschuere/51565aac-9629-4504-af6d-0178d6f4bce1 (letzter Abruf: 18.11.2019) 7 VDMA Forum Elektromobilität, Antrieb im Wandel – die besten Lösungen entstehen im Wettbewerb. https://elektromobilitaet.vdma.org/viewer/-/v2article/render/37270649 (letzter Abruf: 18.11.2019) 8 Antriebstechnik.de, VDMA-Studie: Transformation der Mobilität bietet Maschinen- und Anlagenbau Chancen auf mehr Wertschöpfung. https://www.antriebstechnik.de/vdma-studie/ (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 13 2.4. VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V./VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V./ VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. kommen in einer gemeinsamen Studie zu folgender Einschätzung: „Sozioökonomische Faktoren Brennstoffzellenfahrzeuge enthalten einen Teil an Komponenten, die vom konventionellen Verbrennungsmotor bekannt sind; sie können übernommen oder adaptiert werden. Damit ergeben sich neue Geschäftsfelder, Arbeitsplätze entstehen. Brennstoffzellenfahrzeuge werden auch in Zukunft mit (kleinen) Batterien hybridisiert sein. Die Entwicklungen im Batteriebereich kommen damit auch dem FCEV in Hinsicht auf Serienfertigung und Kosten zugute.“9 Die folgenden Quellenhinweise verdeutlichen den mittel- bis langfristigen Trend zum elektrischen Antriebsstrang: Süddeutsche Zeitung, 11.11.2019, BMW, Mercedes, VW, Audi: Diese Autos verschwinden bald vom Markt https://www.sueddeutsche.de/auto/autos-auslaufmodelle-bmw-mercedes-audi-vw- 1.4667209 (letzter Abruf: 18.11.2019) Ifo Institut München, 2017, Auswirkungen eines Zulassungsverbots für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor, ifo Forschungsberichte 87/2017. https://www.ifo.de/DocDL/ifo_Forschungsberichte_87_2017_Falck_etal_Verbrennungsmotoren .pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Zeit Online, 13.11.2019, Tesla-Fabrik: Das Rennen beginnt https://www.zeit.de/mobilitaet/2019-11/tesla-fabrik-brandenburg-autoindustrie-elektromobilitaet -innovation (letzter Abruf: 18.11.2019) Handelsblatt, 15.11.2019, REPORT: Schwache Wirtschaft und knauserige Banken: Warum Autozulieferer zum Problemfall werden https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/report-schwache-wirtschaft-undknauserige -banken-warum-autozulieferer-zum-problemfall-werden/25217706.html (letzter Abruf: 18.11.2019) Spiegel Online, 18.03.2019, Baden-Württemberg: Studie plädiert für langsamen Umstieg auf E-Autos. https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/elektroautos-studie-plaediert-fuer-langsamenumstieg -auf-e-autos-a-1258393.html (letzter Abruf: 18.11.2019) 9 VDI/VDE, 2019, Brennstoffzellen- und Batteriefahrzeuge, Bedeutung für die Elektromobilität, VDI/VDE-Studie Mai 2019, S. 7 https://www.vde.com/resource/blob/1875246/3a4ac5081799af17650c62316c183eb4/studie-brennstoffzelledata .pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 14 3. Studien und Veröffentlichungen zur Elektromobilität 3.1. Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) Am 19.09.2018 wurde die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) basierend auf dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode durch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ins Bundeskabinett eingebracht und dort beschlossen. Sie nahm als Nachfolgerin der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) mit der konstituierenden Sitzung des Lenkungskreises am 26.09.2018 ihre Arbeit auf.10 Die Struktur der Plattform ist der folgenden Grafik zu entnehmen: https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/die-npm/ (letzter Abruf: 18.11.2019) Ein 1. Kurzbericht der AG 2 der NPM kommt zu folgender Einschätzung: „Aus technologischer Sicht bieten alle drei Optionen – Elektromobilität, Wasserstoff- Brennstoffzelle sowie Bio- und synthetische Kraftstoffe – ein Potential zur Verringerung von CO2 -Emissionen im Verkehr (…) 10 Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/die-npm/ (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 15 Bis zum Jahr 2030 gibt es aus heutiger Sicht keine Einzeltechnologie, die die angestrebten Ziele für die Emissionsminderung allein durch eine beschleunigte Einführung erreichen wird. Es sind verschiedene Kraftstoff- und Antriebsoptionen für unterschiedliche Anwendungen im Verkehr erforderlich – abhängig auch von Nutzungsintensität und Reichweitenanforderungen und der im betrachteten Zeitrahmen möglichen Fahrzeugflotten-Erneuerung . Alle betrachteten Optionen sind nicht nur perspektivisch für das Jahr 2030 zu sehen , sondern auf einen darüber hinausgehenden zeitlichen Rahmen mit noch deutlich stringenteren Energie- und Klimazielen auszurichten. Nicht alle Verkehrsträger können antriebsseitig elektrifiziert werden, das gilt etwa für Binnen- und Seeschiffe, Flugzeuge und (teilweise) den schweren Straßengüterverkehr. Bei allen Optionen sind gleichfalls die Effizienzsteigerungspotentiale der fahrzeugseitigen Antriebsstränge in der weiteren Arbeit zu berücksichtigen. Im Ausblick bis 2030 streuen diese aktuell zwischen den Herstellern und verschiedenen Forschungseinrichtungen noch sehr stark, sodass eine Plausibilisierung in der weiteren Arbeit der AG 2 erfolgt. Die Nutzung erneuerbarer Ressourcen im Verkehr muss während der nächsten Dekade technologisch weiterentwickelt und der Markthochlauf begonnen werden. In einem signifikanten Umfang werden neuartige alternative Kraftstoffe jedoch erst nach dem Jahr 2030 im Verkehr etabliert sein.“11 Ein weiterer 1. Zwischenbericht zur Wertschöpfung der AG 4 der NPM kommt hinsichtlich der Wertschöpfungsnetzwerke zu folgender zusammenfassender Einschätzung: „Das Wertschöpfungsnetzwerk Batteriezellproduktion Lithium-Ionen-Zelle ist bisher am wenigsten ausgebaut. Obgleich Kompetenzen für eine Vielzahl von Wertschöpfungsprozessen – von der Herstellung von Anoden- und Kathodenmaterial über die Batteriemodulentwicklung und -fertigung bis hin zum Recycling – vorliegen, wird bisher nicht das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk für die Produktion einer Batterie in Europa abgebildet. Insbesondere eine Batteriezellfertigung im großindustriellen Maßstab durch deutsche oder europäische Unternehmen gibt es bisher nicht. Stattdessen sind europäische Unternehmen aktuell von Batteriezellimporten, die überwiegend von asiatischen Herstellen stammen, abhängig . Die weltweit steigende Nachfrage nach Batteriezellen im Rahmen des Markthochlaufes batterieelektrischer Fahrzeuge sowie potentielle Handelsbeschränkungen bergen das Risiko, zukünftig die Versorgungssicherheit und damit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu gefährden. Es ist deshalb erforderlich, eine bedarfssichernde , kompetitive europäische Batteriezellproduktion im großindustriellen Maßstab aufzubauen und perspektivisch einen bedeutenden Anteil der Batteriematerialien, -zellen und -module in Europa zu fertigen. Zentrale Handlungsfelder liegen vor allem in der Sicherung der Versorgung mit kritischen Primär- und langfristig auch Sekundärrohstoffen (aus effektivem Recycling), in der Herstellung der technologischen Wettbewerbsfähigkeit durch die weitere Förderung von Forschung und Entwicklung sowie im Abbau bestehender Investitionshürden. Im Bereich der Leistungselektronik sind in Summe Kompetenzen entlang des gesamten 11 Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM), 2019, Elektromobilität. Brennstoffzelle. Alternative Kraftstoffe – Einsatzmöglichkeiten aus technologischer Sicht, 1. Kurzbericht der AG 2 „Alternative Antriebe und Kraftstoffe für nachhaltige Mobilität" https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/wp-content/uploads/2019/11/NPM_Bericht _AG2_112019_Web.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 16 Wertschöpfungsnetzwerkes vorhanden. In wenigen Bereichen nimmt die deutsche Industrie bereits Spitzenpositionen ein, jedoch werden nicht alle Kompetenzen entlang der Wertschöpfungsketten abgedeckt und es besteht zum Teil beträchtlicher Nachholbedarf auf den internationalen Maßstab. Die Entwicklung und die Fertigung mancher Komponenten sind bereits ins Ausland abgewandert, da sie nicht mehr profitabel sind. Ein zentrales Handlungsfeld im Hinblick auf das Ziel, bestehende Wertschöpfung in Deutschland zu sichern und Marktanteile aus Asien zurückzugewinnen, liegt hier insbesondere im Ausbau von systemübergreifendem Wissen für integrierte Systemtechnik und Systemlösungen, in der Adressierung bestehender technologischer Defizite (beispielsweise bei der Schnittstelle Fahrzeug-Ladeinfrastruktur) sowie in Forschung und Entwicklung disruptiver Technologien wie Halbleiter der dritten Generation einschließlich Software. Im Wertschöpfungsnetzwerk verbrennungsmotorische Antriebe gilt es, die bestehende Spitzenposition deutscher Hersteller auch bei sinkenden Stückzahlen beizubehalten. Zentrale Handlungsfelder sind der Erhalt von Know-how und Personalbasis sowie die Sicherung der Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Technologiebedarfe bei den Zulieferern, die bei geringeren Auftragsvolumina und sinkenden Renditen nicht über die erforderlichen Investitionsmittel verfügen. Ein eventuell notwendiger Restrukturierungsbedarf muss so gestaltet werden, dass Lieferketten erhalten bleiben.“12 Die weiteren Betrachtungen beziehen sich auf die Elektromobilität, d.h. den zukunftsweisenden elektrisch betriebenen Antriebsstrang unter dem Aspekt der Auswirkungen auf das Wachstum und die Beschäftigung. Hierzu sind bislang mehrere Studien erschienen, die im Folgenden vorgestellt werden. 3.2. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat in einer 2018 erschienenen Studie („Elektromobilität 2035 Effekte auf Wirtschaft und Erwerbstätigkeit durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs von Personenkraftwagen“) einleitend eine Übersicht bislang erschienener Studien zum Thema Wachstums- und Beschäftigungseffekte durch die Elektrifizierung des Antriebstranges erstellt13: 12 Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM), 2019, 1. Zwischenbericht zur Wertschöpfung, AG 4 Sicherung des Mobilitäts- und Produktionsstandortes, Batterie Zellproduktion, Rohstoffe und Recycling, Bildung und Qualifizierung. https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/wp-content/uploads/2019/10/npm-ag4-fg_wertschopfung-berichte -2019-zwischenbericht-2.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) 13 Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), 2018, Elektromobilität 2035 Effekte auf Wirtschaft und Erwerbstätigkeit durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs von Personenkraftwagen, IAB-Forschungsbericht 8/2018. https://www.econstor.eu/bitstream/10419/204764/1/1041968140.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 17 S. 11 ff.,https://www.econstor.eu/bitstream/10419/204764/1/1041968140.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 18 Das IAB führt dabei zur Tabelle wie folgt aus: „Die Tabelle gibt einen Überblick über die zu erwartenden Beschäftigungseffekte in der recherchierten Literatur. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt unterscheiden sich deutlich , von positiven bis negativen Beschäftigungswirkungen. Diese Uneinheitlichkeit ist zum einen auf die unterschiedlichen zu Grunde liegenden Annahmen zurückzuführen, zum anderen auf die unterschiedlichen Modellierungs- und Prognosemethoden und schließlich auch auf die Berücksichtigung von Brutto- und Nettoeffekten. Der Unterschied zwischen Brutto- und Nettoeffekten liegt darin, dass bei den Bruttoeffekten nur die direkten und indirekten Effekte einer Maßnahme berücksichtigt werden, aber Folgeeffekte wie z.B. Substitutions - oder Budgeteffekte keinen Eingang in die Analyse finden.“14 Die in der Tabelle genannten Studien sind den folgenden Links zu entnehmen: ELAB (2010): Elektromobilität und Beschäftigung. Wirkung der Elektrifizierung des Antriebsstrangs auf Beschäftigung und Standortumgebung (ELAB). Abschlussbericht. Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (FAO). https://wiki.iao.fraunhofer.de/images/studien/elab-zusammenfassung.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) TAB (2012): Konzept der Elektromobilität und deren Bedeutung für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Innovationsreport. Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Arbeitsbericht Nr. 153. Oktober 2012. Berlin. https://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/berichte/TAB-Arbeitsberichtab 153.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Schade, W.; Zanker, Ch., Kühn, A. & Hettesheimer, T. (2014): Sieben Herausforderungen für deutsche Automobilindustrie. Strategische Antworten im Spannungsfeld von Globalisierung , Produkt- und Dienstleistungsinnovationen bis 2030. Studien des Büros für Technikfolgen -Abschätzung beim Deutschen Bundestag -40. https://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/buecher/schade-etal-2014- 152.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) NPE (2016): Arbeitsplatzeffekte einer umfassenden Förderung der Elektromobilität in Deutschland. AG 6 Rahmenbedingungen. Nationale Plattform Elektromobilität (NPE). Studie ist nicht mehr im Internet verfügbar! 14 Der Unterschied zwischen Brutto- und Nettoeffekten findet sich v.a. in der Analyse der Transformation des Energiesystems. Hier werden die Investitionen in Erneuerbare Energien und seine Folgewirkung auf die Beschäftigung als positiver Bruttoeffekt gesehen. Wenn steigende Energiekosten in der Analyse berücksichtigt werden , die als Folge des Umbaus des Energiemixes zu erwarten wären, würden die gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungseffekte als Nettoeffekt klassifiziert werden (Dehnen et al. 2015), S. 12 https://www.econstor.eu/bitstream/10419/204764/1/1041968140.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 19 ECF (2017): Klimafreundliche Autos in Deutschland: Ein Überblick der sozioökonomischen Auswirkungen. Studie der European Climate Foundation (ECF). https://europeanclimate.org/wp-content/uploads/2017/10/ECF_DE_CARS_Screen_Single- Pages.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Ifo, 2017, Auswirkungen eines Zulassungsverbots für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor https://www.vda.de/de/presse/Pressemeldungen/20170708-vda-und-ifo-Institut-zum-Verbot -des-Verbrennungsmotors.html (letzter Abruf: 18.11.2019) ELAB (2018): ELAB 2.0. Wirkungen der Fahrzeugelektrifizierung auf die Beschäftigung am Standort Deutschland. Vorabbericht 04.06.2018. Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (FAO). https://www.euractiv.com/wp-content/uploads/sites/2/2018/08/ELAB2.0.pdf (letzter Abruf : 18.11.2019) Ergänzend wird auf den Abschlussbericht vom 15.11.2018 verwiesen https://www.iao.fraunhofer.de/lang-de/images/iao-news/elab20.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Die IAB-Studie kommt in der weiteren Analyse zu folgenden Schlussfolgerungen (S. 43 ff.): „Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs beim Fahrzeugbau wurde bereits in mehreren Studien auf seine Wachstums- und Beschäftigungseffekte untersucht. Die Ergebnisse der Studien variieren je nach gewählter Methode und gewählten Annahmen. Dieser Beitrag fügt sich in die komplexeren Vorläuferstudien ein, indem es zum einen ein gesamtwirtschaftliches makroökonometrisches Analyseinstrument benutzt und zum anderen eine Nettobetrachtung der Beschäftigungseffekte durchführt. Unterschiede zu den Vergleichsstudien ergeben sich u.a. durch die folgenden Punkte: Das Modell kann die Arbeitsnachfrage nicht nur nach Branchen, sondern auch nach Berufen und Anforderungsniveaus abbilden. Die bottom-up Struktur erlaubt branchenspezifische Annahmen zu setzen. Um die Elektrifizierung des Antriebsstrangs mit Hilfe der Szenarientechnik quantifizieren zu können, mussten eine Reihe von Annahmen getroffen werden. Mögliche Annahmen wurden zunächst aus der Literatur gesammelt und anschließend auf ihrer Implementierung in das Modell überprüft. Die verbliebenen Annahmen wurden nacheinander und auf sich aufbauend in das Gesamtsystem integriert, so dass eine sequentielle Abfolge der Wachstums- und Beschäftigungseffekte möglich wurde. Annahmen speziell bezüglich der Zulieferindustrie (Diversifizierung, Substitution, Konkurrenz) wurden nur vereinfachend getroffen (vgl. Abschnitt Kosteneffekt 6 – Zulieferindustrie). In der gegenwärtigen Struktur kann die Automobilbranche insgesamt (WZ-29) gut dargestellt werden, aber es kann nicht explizit zwischen Herstellern (WZ-29.1) und Zulieferern (WZ-29.3) unterschieden werden. Insgesamt hat die Analyse gezeigt, dass sich zwar zunächst sowohl positive Wachstumsund Beschäftigungseffekte ergeben werden, langfristig aber mit einem niedrigeren BIP- und Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 20 Beschäftigungsniveau gerechnet werden muss. Während anfangs insbesondere die notwendigen zusätzlichen Investitionen der Autobranche, aber auch die Bauinvestitionen in die Ladeinfrastruktur und die Neuausrüstung der Stromnetze für positive Effekte sorgen, dominiert langfristig der steigende Importbedarf an Elektroautos und Traktionsbatteriezellen. Die Kosteneffekte wirken sich zwar mit Ausnahme der Weiterbildungskosten gesamtwirtschaftlich ebenfalls negativ aus, sind aber nicht dominierend. Der positive Effekt aus der Änderung des Kraftstoffbedarfes – Strom statt Mineralöl – federt die negativen Impulse ab. Die produktivitätsbedingten Wachstums- und Beschäftigungsimpulse, die auch erst in langer Frist zum Tragen kommen, federn zwar einerseits ebenfalls den größtenteils importinduzierten Rückgang der Wirtschaftsdynamik ab, tragen aber andererseits zu dem relativ starken gesamtwirtschaftlichen Arbeitsplatzverlust bei. Insgesamt sind die technologiegetriebenen Arbeitsplatzverluste als relativ stark zu bewerten . Im Jahr 2035 werden rund 114.000 Plätze aufgrund der Umstellung auf den Elektroantrieb bei Pkws verloren gegangen sein. Sie machen zwar nur ca. 0,3 Prozent der Gesamterwerbstätigen aus, erhöhen aber die Zahl der Erwerbslosen um fast 10 Prozent. Die Gesamtwirtschaft wird bis 2035 einen Verlust in Höhe von 20 Mrd. Euro realisieren. Dies entspricht ca. 0,6 Prozent des preisbereinigten Bruttoinlandsproduktes. IAB, S. 39: https://www.econstor.eu/bitstream/10419/204764/1/1041968140.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Eine sektorale Betrachtung der Erwerbstätigeneffekte zeigt, dass mit 83.000 verlorengehenden Arbeitsplätzen der größte Arbeitsplatzabbau im Fahrzeugbau zu erwarten sein dürfte. Andere Branchen geraten zwar ebenfalls in Mitleidenschaft und müssen über 30.000 Stellen abbauen. Allerdings werden auch 16.000 neue Stellen geschaffen wie bspw. im Bauwesen , bei den Stromversorgern oder in Teilen des Dienstleistungsbereiches und des Verarbeitenden Gewerbes. Der Gesamtumschlag an Erwerbstätigen, der sich durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs von Pkws ergibt, liegt im Jahr 2035 bei bis zu 150.000. Von der Elektrifizierung des Antriebsstrangs werden vor allem Fachkräfte negativ betroffen sein. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 21 Zeitverzögert sinkt auch der Bedarf nach Spezialisten- und Expertentätigkeiten. In der längeren Frist ergeben sich negative Effekte für alle Anforderungsniveaus. Wird bedacht, dass das Elektromobilitäts-Szenario „nur“ von einem Elektro-Anteil von 23 Prozent bis 2035 ausgeht, ist anzunehmen, dass bei einer stärkeren Marktdurchdringung mit deutlich höheren Wachstums- und Beschäftigungseffekten gerechnet werden muss. Die hier getroffenen Annahmen bezüglich der Marktdurchdringung erscheinen aber aus heutiger Sicht realistisch. Auch ist der Importbedarf ein entscheidender Faktor in dem Szenario. Wäre Deutschland in der Lage sowohl den Markt stärker mit inländisch produzierten Autos als auch mit inländisch produzierten Traktionsbatteriezellen zu versorgen, so könnte durchaus ein positiver Wachstums- und Beschäftigungseffekt auch in der langen Frist erreicht werden. Auch wenn die Anzahl der gesetzten Annahmen des hier vorgestellten Szenarios bereits relativ umfangreich ist, wird weiterer Forschungsbedarf gesehen. Dies betrifft insbesondere die Stellung der Zulieferbranche. Wie weiter oben erwähnt, kennt das Rechensystem den Unterschied zwischen OEM (Original Equipment Manufacturer – Hersteller) und Tier-1 Zuliefern und Tier-2/3 Zulieferern15 nicht. Es wird in der Literatur vor allem in der Beziehung zwischen Herstellern und Zulieferern eine erhebliche Verschiebung der Wertschöpfungsanteile aufgrund der Elektrifizierung des Antriebsstrangs erwartet. Als Folge könnte die Zulieferindustrie ihr Kundenportfolio ändern und verstärkt in den Energie - oder Medizinsektor eintreten. Auch ist die Wahrscheinlichkeit besonders in der Zulieferbranche hoch, dass sich der Wettbewerb intensiviert. Neue Akteure aus anderen Branchen (Informations- und Kommunikationstechnologie, Batteriehersteller, Elektromaschinenbauer ) könnten zu Konkurrenten werden. Derartige Entwicklungen wurden gegenwärtig nicht im Elektromobilitäts-Szenario abgebildet. Zudem werden im gegenwärtigen Szenario nur reine Elektroautos (E-Pkws) betrachtet. Andere Antriebsarten wie Hybrid oder Gas wurden nicht gesondert betrachtet. Sollte sich der Übergang zum reinen Elektroauto über den Hybridantrieb vollziehen, würden die Arbeitsplatzeffekte in zeitlicher und absoluter Dimension anders ausfallen. Da Hybridautos sowohl Verbrennungs- als auch Elektromotoren besitzen, wird eine höhere Anzahl an Komponenten verarbeitet. Die benötigte Arbeitszeit liegt für den Bau von Hybrid-Antriebssträngen bei 9,7 Stunden (AlixPartners 2017).16 Eine tiefere Unterscheidung nach Kraftstoffarten würde zwar eine noch plausiblere Entwicklung darstellen aber auch den notwendigen Datenumfang erhöhen. Grundsätzlich erweitert sich die Wirkungsbetrachtung, wenn man auch andere Formen der Mobilität mit in die Analysen einbezieht (Mergener et al. 2018).“ Ergänzend wird auf eine Veröffentlichung im IAB-Forum verwiesen: 15 Die Automobilindustrie ist nicht nur mit anderen Branchen durch Vorleistungslieferungen stark verbunden, auch gehört sie mit über 30 Prozent zu den Branchen mit der höchsten brancheninternen Lieferverflechtung. Die Automobilindustrie teilt sich auf in Hersteller (Original Equipment Manufacturer (OEM)) und Zulieferer. Letztere können in Tier-1 und Tier-2/3 Typen unterteilt werden, deren Unterschied darin liegt, ob sie Direktzulieferer für OEM sind (Tier-1) oder nicht (Tier-2/3). Gemäß der Wirtschaftszweigsystematik (WZ-2008) sind die Autohersteller im Wirtschaftszweig 29.1 („Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenmotoren“) zugeordnet. S. 31, https://www.econstor.eu/bitstream/10419/204764/1/1041968140.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) 16 Die benötigte Zeit für den Bau eines Verbrennungsmotors beträgt gemäß der Alix-Studie (AlixPartners 2017) 6,2 Stunden und für einen Elektromotor bei 3,7 Stunden, S. 45 des Link. https://www.econstor.eu/bitstream/10419/204764/1/1041968140.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 22 IAB-Forum, 2019, Jobkiller Elektromobilität? Ein Gespräch mit Christian Schneemann und Enzo Weber, 10. Januar 2019 https://www.iab-forum.de/jobkiller-elektromobilitaet-ein-gespraech-mit-christian-schneemann -und-enzo-weber/ (letzter Abruf: 18.11.2019) 3.3. e-mobil BW GmbH Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive Baden- Württemberg Die e-mobil BW GmbH Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive Baden- Württemberg bemerkt in ihrer Strukturstudie „BWe mobil 2019“ hinsichtlich möglicher Beschäftigungseffekte der Elektromobilität: „Analysiert wurde, inwiefern die Beschäftigten des baden-württembergischen Automobilclusters durch den Wandel zur Elektromobilität betroffen sind. Die tatsächlichen Auswirkungen des Wandels hängen von zahlreichen Prämissen ab, sodass keine Beschäftigungsprognose im Sinne einer „Vorausrechnung“ dargestellt werden kann. Ausgangsbasis der Abschätzung ist eine detaillierte Clusterdarstellung, die regionalisierte Aussagen für Baden-Württemberg ermöglicht. Im Szenario „Business as usual“ gleichen sich bis 2030 im gesamten Cluster negative Beschäftigungseffekte (Wegfall des Verbrennungsmotors) und Beschäftigungsaufbau (internationales Wachstum und neue Komponenten) aus, ein leichtes Beschäftigungswachstum ist möglich. Im Szenario „progressiv“ geht dagegen der mögliche Beschäftigungsabbau um etwa 30.800 Beschäftigte über den möglichen Beschäftigungsaufbau hinaus. Damit wären knapp 7 % der Beschäftigten im baden-württembergischen Automobilcluster vom Wandel zur Elektromobilität bedroht. Eine aktive Gestaltung dieses Strukturwandels kann die wirtschaftliche Stärke Baden- Württembergs erhalten oder sogar weiter ausbauen. Das setzt jedoch voraus, dass das Automobilcluster Baden-Württemberg auch bei den alternativen Antriebstechnologien seine Innovationsrolle behält. Der Blick auf Clustersegmente zeigt jedoch die besondere Betroffenheit der Produktionswerke im Antriebsstrang. Je nach Szenario könnte der Wandel zwischen 10 % und 46 % (mit Produktivitätseffekten 17 % bis 56 %) der 70.000 hier arbeitenden Beschäftigten treffen. Am zweitstärksten sind die FuE-Beschäftigten der Branche betroffen . Deutlich wird damit, dass Handlungsoptionen an den unterschiedlichen Betroffenheiten der Beschäftigtengruppen ansetzen müssen und insbesondere die nachhaltige Entwicklung der Produktionsstandorte unterstützt werden muss. Der Erhalt baden-württembergischer (Produktions-)Standorte und die Qualifizierung der Beschäftigten werden zu großen Herausforderungen für Politik, Unternehmen und Beschäftigte.“17 17 e-mobil BW GmbH Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive Baden-Württemberg, Mai 2019, Strukturstudie BWe mobil 2019, Transformation durch Elektromobilität und Perspektiven der Digitalisierung [Beschäftigungseffekte der Elektromobilität (S. 120 ff.)] https://www.e-mobilbw.de/fileadmin/media/e-mobilbw/Publikationen/Studien/Strukturstudie2019.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 23 https://www.e-mobilbw.de/fileadmin/media/e-mobilbw/Publikationen/Studien/Strukturstudie2019.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Zusammenfassend stellt die BWe mobil-Studie hinsichtlich der Beschäftigungseffekte des Transformationsprozesses zur Elektromobilität in Baden-Württemberg fest (S. 137-143): „Selbst bei einem progressiven Umbau der baden-württembergischen Automobilwirtschaft auf einen BEV-Anteil der Neuwagenproduktion von 51 % bis in das Jahr 2030 wären im Durchschnitt nur ca. 7 % der Beschäftigten im gesamten Automobilcluster negativ betroffen . Angesichts der Bedeutung der Gesamtbranche für die baden-württembergische Wirtschaft , kann dieser Umbau mithilfe strategischer Maßnahmen bewältigt werden. Auf der Standortebene und dabei insbesondere bei den vom Antriebsstrang abhängigen Produktionswerken wird die positive Gestaltung erheblich schwieriger. Selbst im Businessas -usual-Szenario werden durchschnittlich über 19 % der Beschäftigten vom Transformationsprozess negativ betroffen sein. Sollte es nicht gelingen, die positiven Fade-in-Effekte gerade in diesen Werken zu heben, kann sich die Betroffenheit auf ca. 27 % erhöhen. Schon im Business-as-usual-Szenario sind deshalb große Anstrengungen von Wirtschaft und Politik notwendig, um den Transformationsprozess zur Elektromobilität ohne große soziale und wirtschaftliche Verwerfungen bewältigen zu können. Dabei ist deutlich geworden , dass die industriepolitischen Unterstützungsleistungen gerade die besonders betroffenen Standorte im Fokus haben müssen und dass die nachhaltige Entwicklung der badenwürttembergischen Standorte integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie im Transformationsprozess sein muss. Trotz all dieser Anstrengungen kann es sein, dass einige der Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 24 auf den Antriebsstrang spezialisierten Produktionswerke in Baden-Württemberg in Schwierigkeiten geraten. Standortspezifische Maßnahmen können dem entgegenwirken. Im progressiven Szenario erscheint die Herausforderung noch größer. Durchschnittlich wäre hier fast jeder zweite Arbeitsplatz, in den vom Antriebsstrang abhängigen Produktionswerken , vom Transformationsprozess betroffen. Hier sind außerordentliche Anstrengungen aller Branchenakteure notwendig, um für möglichst viele Produktionswerke im Antriebsstrang eine nachhaltige Entwicklungsperspektive zu sichern. Umfassende staatlich gestützte Konzepte zur betriebs- und branchenübergreifenden Umqualifizierung, Transferkurzarbeitergeld und Rentenübergangsmodelle könnten genutzt werden. Zur Abfederung dieser Entwicklung könnten sich Unternehmen bereit erklären, für eine Übergangszeit die nachhaltige Standortentwicklung über die optimale wirtschaftliche Nutzung der Standorte zu stellen.“ https://www.e-mobilbw.de/fileadmin/media/e-mobilbw/Publikationen/Studien/Strukturstudie2019.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) 3.4. Sächsische Energieagentur – SAENA GmbH Kompetenzstelle Effiziente Mobilität Sachsen Das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) hat die Hintergründe und voraussichtliche Auswirkungen die mit dem Strukturwandel in der Automobilindustrie verbunden sind in einer Studie der Sächsischen Energieagentur – SAENA GmbH, dem Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen AMZ und dem Chemnitz Automotive Institute CATI analysieren lassen. Sie kommt zu folgendem Ergebnis: „2025 wird jedes zweite in Sachsen produzierte Fahrzeug einen Elektromotor haben, so die Planzahlen der sächsischen Fahrzeugwerke. Vor dem Hintergrund der sich verändernden Wertschöpfungsstruktur hat die Studie das Produkt- und Technologieportfolio von Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 25 circa 200 sächsischen Unternehmen der Zulieferindustrie analysiert. Demnach schätzen 80 Prozent der Unternehmen die Beschäftigungsentwicklung an ihren Standorten bis 2025 als stabil bzw. positiv ein. Im Gesamtergebnis ergab diese Analyse ein erfreuliches Chancen- und Risikoprofil für die sächsische Industrielandschaft. Nahezu 60 Prozent der sächsischen Zulieferunternehmen gehen von weiteren Wachstumschancen aus. Allerdings steht ein brancheninterner Umwälzungsprozess an, der weitreichende Folgen für Unternehmen und deren Beschäftigte hat. Besonders im Produktbereich Antrieb, der in der Struktur der sächsischen Automobilzulieferindustrie heute die höchste Beschäftigtenzahl aufweist, wird sich die Anzahl der Arbeitskräfte in den kommenden Jahren fortlaufend verringern. Anders verhält es sich in den Produktbereichen Karosse/Exterieur, Interieur und Elektrik /Elektronik, in denen die positiven Beschäftigungseffekte überwiegen. Im Produktbereich Karosse/Exterieur werden bei fortschreitender Elektrifizierung des Antriebsstrangs die heutigen Beschäftigtenzahlen voraussichtlich stabil bleiben. Die Produktbereiche Interieur und Elektrik/Elektronik werden laut der Studie einen Beschäftigungszuwachs verzeichnen , der in der Elektrik/Elektronik erwartungsgemäß besonders deutlich ausfällt. Die neue Generation von Elektrofahrzeugen wird nicht nur eine neue Antriebstechnologie haben. Sie wird sich durch eine Fülle weiterer Innovationen wie Neugestaltung des Interieurs , Vernetzung und Automatisierung auszeichnen. Unternehmen, die das verstehen und sich rechtzeitig darauf einstellen, werden davon profitieren. Im Ergebnis ist nach dieser Bewertung festzustellen, dass der Strukturwandel durch Elektromobilität keine gravierenden Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau in der sächsischen Zulieferindustrie insgesamt hervorrufen wird.“18 Im Unterschied zu den anderen zitierten Studien erfolgt die Bewertung für die sächsische Zulieferindustrie einem durchgängig unternehmensbasierten (mikroökonomischen) Ansatz, d.h. die unternehmensbasierten Daten basieren auf Angaben von insgesamt etwa 200 Unternehmen. Die Studie kann unter folgendem Link abgerufen werden: Sächsische Energieagentur – SAENA GmbH Kompetenzstelle Effiziente Mobilität Sachsen, 2019, Transformationsprozess in der sächsischen Automobilzulieferindustrie aufgrund der Umstellung auf die Produktion von Elektrofahrzeugen. https://www.industrie.sachsen.de/download/industrie/Studie-Transformationsprozess- Elektromobilitaet-Sachsen-2019.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) 3.5. Weitere Quellen Deutscher Bundestag/Wissenschaftliche Dienste, 2017, Beschäftigungswirkungen eines Strukturwandels der Automobilindustrie in Richtung Elektromobilität, Dokumentation, WD 5 - 3000 - 070/17 https://www.bundestag.de/resource/blob/527420/124d7c815866d97cb85209016a88946d/wd-5- 070-17-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) 18 Sachsen.de, 11.10.2019, Neue Studie analysiert Transformationsprozess in der sächsischen Automobilindustrie. https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/230390 (letzter Abruf: 18.11.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 109/19 Seite 26 Deutscher Bundestag/Wissenschaftliche Dienste, 2018, Investitionen europäischer Autohersteller im Bereich Elektromobilität, Sachstand WD 5- 3000 - 093/18 https://www.bundestag.de/resource/blob/566914/320210da3cf4c0cdaa8fe2c37cbd4ebe/WD-5- 093-18-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Otto Fricke, Ulla Ihnen, Karsten Klein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/1231 – Bilanz der Nationalen Plattform Elektromobilität, Drucksache 19/1542 v. 04.04.2018. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/015/1901542.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (pwc), September 2017, eascy – Die fünf Dimensionen der Transformation der Automobilindustrie. https://www.pwc.de/de/automobilindustrie/pwc_automotive_eascy-studie.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Ernst & Young GmbH, 2018, Weltweite Investitionen im Automobilsektor Eine Analyse ortsgebundener Investitionsprojekte der führenden Autokonzerne der Welt 2010 – 2017 https://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/EY-Analyse_der_Investitionen _der_16_f%C3%BChrenden_Autokonzerne_der_Welt_-_M%C3%A4rz_2018/$FILE/EY-Analyse %20Investitionen%20Automobilindustrie%202010-2017.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Ernst & Young GmbH, 2019, Die Automobilindustrie in Deutschland 2018 Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung , wichtigste Auslandsmärkte Februar 2019 https://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/ey-automobilindustrie-in-deutschland- 2019/$FILE/ey-automobilindustrie-in-deutschland-2019.pdf (letzter Abruf: 18.11.2019) Zeit online, 5. Juni 2018, Elektromobilität: Umstieg auf E-Autos könnte zahlreiche Arbeitsplätze kosten. https://www.zeit.de/mobilitaet/2018-06/elektromobilitaet-umstieg-elektroautos-arbeitsplaetzeverlust (letzter Abruf: 18.11.2019) Manager Magazin, 13.11.2019, Auto- und Akkuwerk in Brandenburg: Sechs Antworten zu Teslas deutschem Riesenwerk. https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/elon-musk-6-antworten-zu-teslaselektroauto -werk-in-gruenheide-bei-berlin-a-1296315.html (letzter Abruf: 18.11.2019) ***