Deutscher Bundestag Alternativen zur Tötung männlicher Legehybriden Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 5 – 3000 – 109 /12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 109 /12 Seite 2 Alternativen zur Tötung männlicher Legehybriden Verfasser: Aktenzeichen: WD 5 – 3000 – 109 /12 Abschluss der Arbeit: 10.08.2012, aktualisiert am 18.09.2012 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 109 /12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Geschlechtsbestimmung im Ei 5 3. Zweinutzungshühner 6 4. Zucht männlicher Stubenküken 7 5. Rechtliche Erwägungen 8 6. Zusammenfassende Schlussbemerkung 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 109 /12 Seite 4 1. Einleitung In der Haltung von Legehennen ist die Tötung von männlichen Eintagsküken seit Entwicklung der spezialisierten Legehybriden-Zuchtlinien1 in den 1960er Jahren praxisüblich. In Deutschland schlüpfen lt. Statistischem Bundesamt jährlich knapp über 40 Mio. weibliche Legeküken. Bei ausgeglichenem Geschlechterverhältnis bewegt sich die Zahl der unmittelbar nach dem Schlüpfen durch Vergasung oder Shreddern getöteten männlichen Küken auf demselben Niveau. Das Tierschutzgesetz (TierSchG)2 verbietet es in § 1, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen und stellt das Töten von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund in § 17 Nr. 1 unter Strafe. Zu der Frage, was ein vernünftiger Grund ist, führt die Bundesregierung in der Antwort auf eine kleine Anfrage aus: „Als vernünftiger Grund werden u.a. die Gewinnung von Lebensmitteln, die Durchführung unerlässlicher Tierversuche und die Seuchen- oder Schädlingsbekämpfung anzusehen sein. Ein Grund zum Töten von Tieren ist z.B. dann als vernünftig anzusehen, wenn er als triftig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse getragen anzuerkennen ist, und wenn er unter den konkreten Umständen schwerer wiegt, als das Interesse des Tieres an seiner Unversehrheit . In die ethische Abwägung, ob Tötungs- oder Bekämpfungsmaßnahmen gerechtfertigt sind, müssen alle relevanten Aspekte mit einfließen. Insbesondere auch, ob geeignete zielführende Alternativen vorliegen.“3 Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Kontext der Diskussion um die Bedingungen bei der Käfighaltung von Legehennen festgestellt, dass nicht jede Erwägung der Wirtschaftlichkeit der Tierhaltung aus sich heraus ein "vernünftiger Grund" im Sinne des § 1 Satz 2 TierSchG sein kann. Notwendig sei vielmehr auch insoweit ein Ausgleich zwischen den rechtlich geschützten Interessen der Tierhalter einerseits und den Belangen des Tierschutzes andererseits.4 Die Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) des BMELV vom 03.03.19975 enthält in Anlage 3 zu § 13 Abs. 6 der TierSchlV Vorgaben für die Tötung für Eintagsküken im Alter bis zu 60 Std. Danach sind diese Tiere mit Kopfschlag (nicht mehr als 50 Tiere pro Betrieb und pro Tag), per 1 Legehybriden sind Tiere, die aus verschiedenen Inzuchtlinien entstanden sind. Derartige Kreuzungen sind durch den Heterosis-Effekt deutlich leistungsfähiger als ihre Eltern. Die hauptsächlich für die Käfighaltung und auf optimale Legeleistung , Futterverwertung (ca 130 g Futter pro Ei, dafür schlechte Futterverwertung im Fleischansatz um 2,5 kg pro Kilo Lebendgewicht im Vergleich zu Masthybriden mit 1,2 kg Futter pro kg Lebendgewicht) und Eischalenqualität gezüchteten Tiere können in 12 Legemonaten ca. 300-330 Eier legen, nach dem ersten Jahr nimmt die Legeleistung der Hybriden rapide ab und sie werden daher nach 1-2 Jahren ( 68Wochen) durch neue Hennen ersetzt. 2 Tierschutzgesetz vom 24.7.1972, Neugefasst durch Bek. v. 18.5.2006, BGBl. I, 1206, 1313; zuletzt geändert durch Art. 20 G v. 9.12.2010, BGBl. I, 1934. 3 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Undine Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Europäisches Erhaltungszuchtprogramm für Sibirische Tiger, BT-Drs. 16/9742 vom 25.6.2008, S. 4. 4 BVerfG, Urteil des Zweiten senats vom 6. Juli 1999, 2 BvF 3/90, http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen /fs19990706_2bvf000390.html, Rdnr. 139. 5 BGBl. I 1997, S. 405 ff., geändert durch Art. 19 G v. 13.4.2006, BGBl. I, 855. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 109 /12 Seite 5 Kohlendioxidexposition oder in einem sog. Homogenisator (Shreddern) zu töten. Da kein spezifischer vernünftiger Grund für die Tötung von Eintagsküken genannt ist, ist als ausdrückliche Begründung dieses Schritts lediglich die Umsetzung der EU-Richtlinie 93/113 EG vom 22. Dezember 1993 ablesbar, in der eine Vorschrift für das Vorgehen beim Töten von überzähligen Küken und Embryonen in Brutrückständen enthalten ist. Spätestens seit der Entscheidung des OLG Sachsen-Anhalt vom 28.06.2011 (2 Ss 82/11), mit der die Berufung gegen ein Strafurteil von Amtsgericht und Landesgericht LG wegen der Tötung jugendlicher Zirkustiere im Zoo Magdeburg verworfen wurde, kann allein die Überzähligkeit samt ihrer wirtschaftlichen Folgen nicht mehr als vernünftiger Grund für die Tötung von Tieren unterstellt werden. Zum Bereich der Haltung von Legehennen gibt es keine durchgeklagten Fälle. In der juristischen Fachliteratur wird die Rechtmäßigkeit der Tötung von Eintagsküken aber weitestgehend verneint und von einem durch Gesetzgeber, Behörden und Verbraucher fortlaufend geduldeten Gesetzesverstoß gesprochen6. In der Industrie und der verbundenen Forschung wird dagegen der Begriff des „ethischen Dilemma “ verwendet. Es ist aber durchaus ein wirtschaftliches Interesse an Lösungen wie der Geschlechtsselektion im Ei erkennbar, das die Kosten der Selektion verringert und die aussortierten Eier für industrielle Produktionsverfahren nutzbar erhält. In Kreisen der ebenfalls betroffenen Bio-Landwirtschaft, in der die Tiere zu großen Teilen ebenfalls aus spezialisierten Hybrid-Zuchtlinien bezogen werden, wie auch in Naturschutzverbänden verläuft die Debatte etwas uneinheitlich. Einerseits wird die Beibehaltung der Hybridlinien mit Blick auf die Vorteile in der Futterverwertung und deren Vorteile für die Klimawirkung begründet . Andererseits wird für die Rückkehr zu den bis in die 1960er Jahre üblichen Zweinutzungsrassen votiert, deren Haltung weniger ethische Probleme schafft und die es den Betrieben ermöglichen , über eigene bzw. dezentrale Aufzucht unabhängiger von den großen Brütereien zu werden . Nachfolgend werden die bislang diskutierten Lösungsansätze dargestellt und kommentiert. 2. Geschlechtsbestimmung im Ei Die veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig forscht zusammen mit Zoologen, Physikern , Chemikern und Ingenieuren der Universität Jena, der TU Dresden, des Frauenhofer Instituts , der arxes Information Design Berlin GmbH und der Lohmann Tierzucht GmbH Cuxhaven an einer Methode zur Bestimmung des Geschlechts von Hühnerembryonen im Ei7. Erwünschtes Ergebnis des derzeit zum Jahr 2015 befristeten Projekts ist ein technisches Verfahren, mit dem Eier mit männlichen Embryonen vor dem Schlüpfen aussortiert werden können. Ein Verstoß 6 s. hierzu: Jost-Dietrich Ort, Zur Tötung unerwünschter neonater und juveniler Tere, (2010), abrufbar unter http://www.springerlink.com/content/r608421241333254/ 7 Projekttitel: „Möglichkeiten der in-ovo-Geschlechtsbestimmung beim Haushuhn (Gallus gallus f. dom.) als Alternative zur routinemäßigen Tötung männlicher Eintagsküken aus Legehennenlinien“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 109 /12 Seite 6 gegen § 1 TierschG könnte damit vermieden werden. Technisch ist das im Jahr 2011 patentierte Verfahren so weit gediehen, das das Embryonen-Geschlecht ab dem achten Bebrütungstag bestimmt werden kann. In einem weiteren Schritt soll aber neben der Verlässlichkeit des Verfahrens auch die Möglichkeit zur Geschlechtsbestimmung vor Entwicklung der Schmerzempfindlichkeit des Embryos geprüft werden. Endziel der Forschung ist ein Verfahren zur Geschlechtsdiagnose am unbebrüteten und somit für die Industrie noch verwendbaren Ei. Eine verlässliche Aussage zum zu erwartenden Ausgang der Forschung, insbesondere auch zur Wirtschaftlichkeit der verschiedenen in Frage kommenden Verfahren, kann derzeit noch nicht getroffen werden8. 3. Zweinutzungshühner Bis zur Verbreitung der Hybridhühner in den 1960er Jahren waren meist schwerere Hühnerrassen in Verwendung, bei denen die männlichen Tiere geschlachtet werden konnten und die weiblichen eine relativ gute Legeleistung aufwiesen. Vorwiegend im Biobereich werden neuerdings wieder vermehrt Zweinutzungshühner propagiert, nicht zuletzt im Kontext der Kritik an der Tötung männlicher Hybrid-Legetiere9. Die deutschen, als Zweinutzungstiere verwendbaren Rassen sind durch die Hybridzucht soweit verdrängt worden, dass sie nicht mehr rekonstruierbar sind. Deshalb ist auch ein Großteil der Biobetriebe bislang auf Tiere aus spezialisierten Hybridlinien angewiesen10. Zweinutzungshühner bestimmter Rassen können durchaus gute Leistungen zeigen durch Selektion auf Lege- und Mast- Leistung, anstatt wie bei Hybriden durch Selektion auf Lege- oder auf Mastleistung. Allerdings schließen sich Spitzenleistungen in beiden Nutzungsrichtungen gegenseitig aus, so dass die Leistungen sowohl bei Fleisch als auch bei Eiern immer um einige Prozentpunkte unter denen der spezialisierten Zuchtlinien liegen werden. Gleichzeitig verschlechtert sich die Futterverwertung, d.h. der Futterverbrauch erhöht sich bei gleicher Leistung um ca. 10 %. Zweinutzungshühner, wie sie z.B. im Demeter-Verband aus einer Kreuzung von Sulmtaler Hühnern mit Bressehennen erstellt wurden, legen um die 250 Eier jährlich, während die von der Fa. Lohmann erzeugten Legehybriden durchgängig über 320 Eier pro Jahr legen. Ähnliche Leistungen wie die zitierten deutschen Demeter-Hühner zeigen die aus Frankreich stammenden Bresse- und Marans-Rassen sowie Les Bleus, das vom Projekt Ei-Care bevorzugt wird. Diese französischen Rassen konnten aufgrund der unterschiedlichen französischen Verbrauchskultur den Paradigmenwechsel zur industrialisierten Haltung überleben. Sie decken auch den Großteil des Stubenkükenmarktes ab.11 Die relativen Leistungsdefizite der Zweinutzungshühner sind nur durch einen erhöhten Produktpreis kompensierbar. Der Erzeugerpreis für Eier von Zweinutzungshühnern muss um 8-10 ct über dem Eierpreis von Legehybriden liegen. Dies ist i.d.R. nur im Biosegment mit klarer Ausweisung 8 weitere Ausführungen hierzu abrufbar unter http://idw-online.de/pages/de/news413275 9 s. z.B. http://www.aktion-ei-care.de 10 Entgegen landläufiger Annahme handelt es sich somit bei den meisten Bio-Hühnern um Tiere aus ………..konventioneller (d.h. industrieller) Zucht, die unter biologischen Bedingungen gehalten werden. 11 s. hierzu http://www.huehner-info.de/index.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 109 /12 Seite 7 der Herkunft der Eier erreichbar. Ähnlich verhält es sich mit dem Hühnerfleisch, das gegenüber dem Fleisch von Masthybriden dunkler gefärbt und etwas schmackhafter ist, damit dem Massengeschmack nicht entspricht und gleichzeitig um 60 ct /kg teurer ist als das Fleisch von Masthybriden . Zweinutzungshühner bewegen sich somit bis auf weiteres in einer zwar ausbaufähigen, im Vergleich zum Massenmarkt dennoch nur als Nische zu bezeichnenden Marktabschnitt. Dies bedingt , dass die marktdominierenden Zuchtfirmen wie Wesjohann (Lohmann, Cuxhaven) und Hendrix Genetics (NL) kein manifestes Interesse an der für sie technisch unproblematischen Züchtung solcher Tiere zeigen, bzw. dieses zurückstellen, bis sich ein entsprechender Marktdruck bemerkbar macht12. 4. Zucht männlicher Stubenküken Die Ausmast von männlichen Legehybriden gilt als unwirtschaftlich (Jaenecke, 1996, Schäublin et al., 2005, Damme u. Ristic, 2003). Die Tiere benötigen eine lange Mastdauer bei ungünstiger Futterverwertung. Dagegen könnte die Nutzung der männlichen Legehybriden als Stubenküken mit einer kürzeren Mastdauer mit verbesserter Futterverwertung eine wirtschaftliche Alternative sein, auch wenn die genetische Eignung der Legehennenlinien für die Mastleistung eher ungünstig ist. Derzeit wird an der Universität Göttingen die Eignung von männlichen Tieren aus Legehybrid- Linien zur Vermarktung als Stubenküken erforscht. Hauptziel ist dabei die möglichst weitgehende Vermeidung der Tötung von männlichen Eintagsküken. Im ersten Durchgang werden die geeigneten Legeherkünfte ermittelt, indem Untersuchungen zur Mastleistung, Schlachtkörperzusammensetzung , Fleischqualität und Wirtschaftlichkeit durchgeführt werden. Im zweiten Abschnitt werden der Schlachtzeitpunkt und die Fütterung optimiert und im letzen Durchgang sollen vor allem Untersuchungen zur Genetik erfolgen. Wie aus den bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen hervorgeht13, erweisen sich die geprüften Legehybriden als recht unterschiedlich in den Leistungsmerkmalen und in der Eignung für das Produktionssystem. Es wird daher im weiteren Verlauf zu prüfen sein, welche Qualitätsausprägungen die verschiedenen Genotypen zeigen und wie sich die Vorzüglichkeit der Stubenkükenproduktion vor der Broilerproduktion aus Sicht der Qualität des Endproduktes darstellen lassen wird. Problematisch erscheint, dass – auch bei positiveren als den bisher erreichten Ergebnissen – die als Verlegenheitslösung auf den Markt gebrachten Stubenküken aus Legelinien in einem speziali- 12 s. Artikel in der taz vom 25.09.2011, abrufbar http://www.taz.de/!78639/ 13 s. LfL, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (2011). Nutzung männlicher Legehybriden ………..alsStubenküken abrufbar unter http://www.lfl.bayern.de/lvfz/kitzingen/versuchswesen/34897/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 109 /12 Seite 8 sierten und hochpreisigen Segment auf die überlegene Konkurrenz der fest etablierten französischen Zweinutzungs-Rassen Marans und Bresse treffen, in dem sie nur durch stark abgesenkte Preise konkurrenzfähig sein könnten. Dass aus Legelinien-Stubenküken ein Massenmarkt entstehen könnte, der bei ohnehin starker Fleischsättigung über 40 Mio. zusätzliche Tiere jährlich aufnehmen könnte und damit das Problem der von Juristen für rechtswidrig erachteten massenhaften Tötung von Jungtieren ohne vernünftigen Grund lösen könne, ist nicht vorstellbar. 5. Rechtliche Erwägungen Die TierSchlV beruft sich auf die im TierSchG festgehaltenen Verordnungsrechte der Regierung, setzt lt. Fußnote aber inhaltlich die EU-Richtlinie des Rates vom 22. Dezember 1993 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung um14. Diese Richtlinie enthält einen Anhang (G) zum „Töten von überzähligen Küken und Embryonen in Brutrückständen“. Als Tötungsmethoden sind demnach das Shreddern im sog. Homogenisator , die Vergasung in Kohlendioxid sowie von der zuständigen Behörde genehmigte „andere wissenschaftlich anerkannte Tötungsverfahren“ zulässig. Auch in Anhang 1 (Verzeichnis der Betäubungs- und Tötungsverfahren und damit zusammenhängende Angaben) der zum 01.01.2013 in Kraft tretenden neuen EU Verordnung Nr. 1099/2009 des Rates über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung finden sich die Eintagsküken (im Alter bis 72 Std) unter Ziffer 4, nach der sie durch „Zerkleinerung“ bzw. rasche Zerstückelung getötet werden sollen15. Die Kategorisierung der Tiere als „überzählig“ ist im 2009 angenommenen Text der Verordnung entfallen. Das Vorliegen der Tierschutz-Schlachtverordnung hat die Generalstaatsanwalt Frankfurt in einer Verfügung vom 12.04.2006 als dem TierSchG vorgehende Spezialregelung gewertet, welche die Rechtmäßigkeit der Tötung voraussetze. Diese Auffassung wird in der Literatur allerdings als staatsrechtlich und materiellrechtlich falsch moniert16. Im Kern sind die Kritiker der Auffassung, die Tierschutz-Schlachtverordnung regele lediglich das „wie“ einer Tötung. Das „ob“ sei aber aus der Verordnung nicht abzulesen, sondern im TierschG geregelt und nach Maßgabe aller Erwägungen zum „vernünftigen Grund“ negativ zu beantworten. Das unmittelbare Inkrafttreten einer neuen EU-Verordnung zum 01.01.2013 wird hierzu nach herrschender Meinung keine veränderte Rechtslage im Sinne einer dem TierSchG vorgehenden Regelung schaffen. Die Option der Beendigung des Tötens auf dem Rechtsweg per Strafanzeigen 14 s. http://www.gesetze-im-internet.de/tierschlv/index.html, S. 1 15 Zur Begründung des Wegfalls der Tötung in Kohlendioxid wird im Impact Assessment Report angeführt, die Kosten für die Tötung in Gas beliefen sich für die in der EU jährlich anfallenden 330 Mio Tiere auf 1,665 Mio €. 16 s. hierzu Ort, J-D (2010): Zur Tötung unerwünschter neonater und juveniler Tiere, NuR Volume 32, Number 12 (2010), 853-861, abrufbar unter http://www.springerlink.com/content/r608421241333254/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 109 /12 Seite 9 wird weiterhin offen bleiben. Wie schon die Verordnung des Bundes regelt die EU-Verordnung nur das „Wie“ einer Tötung. Über das „Ob“ ist nach dem deutschen Tierschutzgesetz zu befinden . Würde die Bundesregierung die Tötung männlicher Küken aus Legehennenlinien aber in einer nationalen Regelung aus dem Katalog der neuen EU-Verordnung ausnehmen wollen, so sähe sie sich bald dem Vorwurf der Wettbewerbsbenachteiligung deutscher Brütereien gegenüber den Unternehmen in anderen EU-Ländern ausgesetzt. Ort, J-D (2010) vermutet auf S. 6 seiner Ausarbeitung, die „pauschale Vorabentschuldigung“ seitens der GStA und des hessischen Justizministeriums wie auch die dilatorische Behandlung des Themas in den Tierschutzberichten der Bundesregierung habe die Tierschützer resignieren lassen und es sei deshalb bis heute zu keinen öffentlichen Verfahren und Urteilen in der Justiz gekommen . 6. Zusammenfassende Schlussbemerkung Sollte die an der Universität Leipzig durchgeführte Untersuchung zur Entwicklung einer Geschlechtsbestimmung im Verlauf der kommenden Jahre zu einem technisch und wirtschaftlich vollziehbaren Ergebnis kommen, so wäre das Problem eines nach TierSchG eventuell strafbaren Verhaltens der Brütereien bzw. eines der ethischen Dilemmata der industriellen Hühnerzucht gelöst . Ob dies eintrifft, lässt sich gegenwärtig nicht prognostizieren. Die Vermarktung überzähligen Junggeflügels als Stubenküken nach kurzer Aufmast dürfte keine Lösung des Problems sein. Werden die etablierten Legehybriden entsprechend verwendet, so wird die Qualität im Vergleich zu den etablierten Zweinutzungsrassen zu wünschen übrig lassen. Selbst wenn dies nicht so wäre, so dürfte der Absatz weit vor der Zahl von 40 Mio. Tieren pro Jahr an Grenzen stoßen und den Problemlösungsbeitrag auf einen Betrag im einstelligen Bereich einschränken. Die Rückkehr zu den bis in die 1960er Jahre dominierenden – und züchterisch fortentwickelten - Zweinutzungshühnern scheint am ehesten einen ethisch weniger bezweifelbaren Umgang mit dem Nutztier Huhn aufzuzeigen. Innerhalb der - ebenso wie die industrielle Hühnerhaltung vom Problem betroffenen - Biobranche entwickelt sich seit einigen Jahren ein einschlägiges Segment, welches auch mit der Vermeidung der Tötung unnützer Jungtiere wirbt. Dessen Fortentwicklung muss zwangsläufig auf das Bewusstsein und Geschmacks-Umgewöhnung der Verbraucher und deren Bereitschaft zur Entrichtung höherer Preise setzen. Es ist aber auch damit zu rechnen, dass die industrielle Tierzüchtung auf diesen Markt drängt, sobald er eine rentable Dimension erreicht hat. Mithilfe eines regulären Verbots – etwa durch Herausnahme der Rubrik „Küken bis 72 Std. Lebensdauer“ aus der Schlachtverordnung oder auf dem Wege über Strafverfahren - ließe sich dies schnell erreichen. Allerdings würden damit nicht nur die innerhalb der Biobranche geleisteten Investitionen gefährdet, sondern sich der konventionelle Markt wahrscheinlich schneller mit billigeren Produkten aus anderen europäischen Ländern auffüllen, als sich an Absatz für Produkte aus Zweinutzungslinien hinzugewinnen lässt.