© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 103/16 Primärenergiefaktoren Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 103/16 Seite 2 Primärenergiefaktoren Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 103/16 Abschluss der Arbeit: 9.12.2016 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 103/16 Seite 3 1. Vorbemerkung Im Auftragsschreiben wird eine ungleiche Bewertung des Einsatzes von ökologisch zertifizierter Fernwärme und (zertifiziertem) Ökostrom zur Wärmegewinnung bei der Ermittlung des Primärenergiebedarfs von Gebäuden problematisiert. Hierbei wird auf eine fehlende Berücksichtigung von Ökostrom bei der Berechnung des Primärenergiefaktors für Strom abgestellt. 2. Primärenergiefaktoren 2.1. Begriff und Bedeutung Der Primärenergiefaktor (PEF) dient der Ermittlung der Energiebilanz von Gebäuden (Gebäudehülle und Anlagen). Er wurde ausweislich einer Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt , Energie GmbH eingeführt, ‚„um im Sinne einer vollständigen Bilanz die Energieverluste und Energieaufwendungen (Brennstoffe oder Strom) bei der „Förderung, Aufbereitung, Umwandlung, Transport und Verteilung“ eines Endenergieträgers in seiner vorgelagerten Kette zu quantifizieren (DIN Deutsches Institut für Normung e.V. 2011 S. 66) und damit unterschiedliche Endenergieträger unter Energieeffizienzgesichtspunkten miteinander vergleichbar zu machen. Die Notwendigkeit dafür war bereits in der KWK-Gesetzgebung aufgetreten, systematisch ergab sie sich aus dem Ziel der EPBD, „die Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden in der Union“ (Art. 1 (1)). Der notwendige primärenergetische Aufwand QPE zur Bereitstellung von Endenergie QEE am Einsatzort (hier Gebäude) ergibt sich zu: QPE = PEF • QEE Der Primärenergiefaktor wird nach erneuerbaren und fossil-nuklearen Anteilen in folgende drei Bestandteile gegliedert (vgl. Abb. 3-1 und DIN Normungsausschuss Bauwesen 2014 S. 42 ff.): a) Gesamt-Primärenergiefaktor PEFges (alternativ: fp,tot); b) Faktor der nicht erneuerbaren Primärenergie PEFne (fp,nren); c) Faktor der erneuerbaren Primärenergie PEFe (fp,ren). Die Summe der Teil-Faktoren b) und c) ergeben den Gesamtfaktor.‘“1 1 Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH (2015). Konsistenz und Aussagefähigkeit der Primärenergie -Faktoren für Endenergieträger im Rahmen der EnEV. Diskussionspapier unter Mitarbeit von Dietmar Schüwer, Thomas Hanke und Hans-Jochen Luhmann (im Auftrag von Zukunft ERDGAS e.V., Berlin und Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW), Bonn). Wuppertal, Dezember 2015. S. 16. Links: http://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/6267 (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016); http://www.dvgw-innovation.de/fileadmin/innovation/pdf/g5_01_15.pdf (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016). Zur Quellenangabe „DIN Deutsches Institut für Normung 2011“ siehe Literaturverzeichnis der Studie (ebenda, S. 59). Die Abkürzung EPBD bezeichnet die Europäische Gebäuderichtlinie (2010/31/EU), vgl. ebenda, S. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 103/16 Seite 4 Nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) zeigen Primärenergiefaktoren (PEF), welche Menge an Primärenergie aufzuwenden ist, um eine bestimmte Endenergiemenge bereitzustellen. Sie seien ein Werkzeug der energetischen Bilanzierung und fänden unter anderem Anwendung in der Bewertung des Primärenergieeinsatzes sowie der Darstellung von Klimaschutzeffekten.2 Weiter führt der BDEW aus: „Der dimensionslose Primärenergiefaktor wurde mit der EnEV 2002 eingeführt und dient dazu, den Jahresprimärenergiebedarf von Gebäuden zu bestimmen. Für die Darstellung der Primärenergiefaktoren in der Gebäudeplanung sind parallel zu den oben genannten volkswirtschaftlichen Definitionen die Zusammenhänge aus den Planungsnormen relevant: Für die zweckgemäße Nutzung von Gebäuden ist Nutzenergie zum Beispiel für die Erwärmung von Trinkwasser, die Beheizung der Räume, Beleuchtung, Aufzüge usw. erforderlich. Die Nutzenergie wird aus Endenergie (Gas, Strom, Heizöl usw.) erzeugt, wobei die Endenergie die Verluste bei der Bereitstellung der Nutzenergie und gegebenenfalls Gewinne aus dem Einsatz Erneuerbarer Energien berücksichtigt15. Die Endenergie wird für jeden Energieträger separat berechnet. Als Systemgrenze für die Endenergie gilt die Gebäudeaußenhülle, faktisch betrachtet man die am Zähler im Hausanschlussraum gemessene Energie (Gas, Strom), bzw. gelieferte und gespeicherte Brennstoffe (Heizöl, Holzpellets). Der Endenergiebedarf reicht zur energetischen Bewertung eines Gebäudes nicht aus. Maßgeblich ist vielmehr die zur Bereitstellung der Endenergie benötigte Primärenergie. Die Primärenergie enthält neben dem Endenergiebedarf die vorgelagerten Prozessketten (Vorketten) außerhalb der Systemgrenze der Endenergie. Dazu zählen beispielsweise die Gewinnung, Umwandlung , Lagerung, Transport und Verteilung des verwendeten Energieträgers. Die Verluste bei der Bereitstellung der Nutzenergie sind durch den Planer eines Gebäudes in gewissem Umfang beeinflussbar. Bei einem Heizsystem beispielsweise durch die Auswahl eines Niedertemperatursystems, den Energieträger und weitere Maßnahmen. Demgegenüber hat der Planer im Rahmen der Gebäudeplanung keinen direkten Einfluss auf die Vorketten der Energieerzeugung. In der Gebäudeplanung wird der benötigte Primärenergiebedarf als Produkt aus der erforderlichen Endenergie und dem zum Energieträger passenden nicht erneuerbaren Anteil des Primärenergiefaktors ermittelt: Formel: QP = QE • fP Abkürzungen: QP Primärenergie QE Endenergie eines Energieträgers an der Gebäudegrenze 2 Vgl. BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (2015). Grundlagenpapier. Primärenergiefaktoren . Der Zusammenhang von Primärenergie und Endenergie in der energetischen Bewertung. Berlin, 22. April 2015. S. 7. Link: https://www.bdew.de/internet.nsf/id/705-bdew-grundlagenpapier-primaerenergiefaktorende ?open&ccm=900030 (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 103/16 Seite 5 fP Primärenergiefaktor des Energieträgers (nicht erneuerbarer Anteil) Die Berechnung der Primärenergie erfolgt in der Regel auf Grundlage des Heizwertes Hi16 der eingesetzten Energieträger. Auch die in der DIN V 18599 angegebenen Primärenergiefaktoren sind heizwertbezogen. Werte für Primärenergiefaktoren sind je nach kalendarischem Zeitpunkt , Energieträger und spezifischer Anwendung teilweise Einzelnormen (DIN V 18599, DIN 4108-6, DIN V 4701-10), teilweise direkt der EnEV zu entnehmen.“3 2.2. Quantifizierung Wie oben dargelegt, werden die Werte von Primärenergiefaktoren teilweise in DIN-Einzelnormen und teilweise unmittelbar in der Energieeinsparverordnung (EnEV) geregelt. Was die EnEV anbelangt , so ist hinsichtlich der Thematik des Auftrags insbesondere Anlage 1 Nummer 2.1.1 von Belang , in der auf die Anforderungen an Wohngebäude abgestellt wird. In Anlage 1 Nummer 2.1.1 Satz 1 wird festgelegt, dass der Jahres-Primärenergiebedarf Qp nach DIN V 18599 : 2011-12, berichtigt durch DIN V 18599-5 Berichtigung 1 : 2013-05 und durch DIN V 18599-8 Berichtigung 1 : 2013-05, für Wohngebäude zu ermitteln ist. Anlage 1 Nummer 2.1.1 Satz 2 bestimmt, dass als Primärenergiefaktoren die Werte für den nicht erneuerbaren Anteil nach DIN V 18599-1 : 2011-12 zu verwenden sind. Bemerkenswert ist darüber hinaus Anlage 1 Nummer 2.1.1 Satz 6, dessen erster Halbsatz wie folgt lautet: „Für elektrischen Strom ist abweichend von Satz 2 als Primärenergiefaktor für den nicht erneuerbaren Anteil ab dem 1. Januar 2016 der Wert 1,8 zu verwenden ;“4 Einen Überblick über die Höhe der einzelnen Primärenergiefaktoren vermittelt die nachfolgende Tabelle. Sie ist dem o. g. Diskussionspapier des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH entnommen und gliedert sich nach Energieträgern. Die Primärenergiefaktoren sind nach den Kategorien „gesamt“ und „nicht erneuerbar“ unterteilt. Die Tabelle ist wie folgt überschrieben : „Tab. 4-1: Tabellierte Primärenergiefaktoren aus DIN V 18599-1 (bezogen auf den Heizwert 3 BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (2015). Grundlagenpapier. Primärenergiefaktoren . Der Zusammenhang von Primärenergie und Endenergie in der energetischen Bewertung. Berlin, 22. April 2015. S. 13 f. Link: https://www.bdew.de/internet.nsf/id/705-bdew-grundlagenpapier-primaerenergiefaktorende ?open&ccm=900030 (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016). Die hochgestellte Ziffer 15 markiert im Originaltext eine Fußnote mit dem Wortlaut: „Vgl. DIN V 18599-1:2007- 02, Punkt 5.5.2“ (ebenda, S. 14), die hochgestellte Ziffer 16 im Originaltext eine Fußnote mit dem Wortlaut: „mit Hi für „inferior“, ehemals unterer Heizwert“ (ebenda, S. 14). Fettung so im Originaltext. Die gefetteten Begriffe werden im Rahmen des Grundlagenpapiers vorab erläutert. 4 Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 24. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1789) geändert worden ist. Anlage 1 Nr. 2.1.1. S. 26. Link: https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/enev_2007/gesamt.pdf (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 103/16 Seite 6 der Nutzenergie)“, als Quellen sind unterhalb dieser Übersicht die Tabelle A.1 der DIN V 18599-1 vom Dezember 2011, die EnEV 2014 sowie eigene Ergänzungen angegeben.5 Quelle: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH 5 Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH (2015). Konsistenz und Aussagefähigkeit der Primärenergie -Faktoren für Endenergieträger im Rahmen der EnEV. Diskussionspapier unter Mitarbeit von Dietmar Schüwer, Thomas Hanke und Hans-Jochen Luhmann (im Auftrag von Zukunft ERDGAS e.V., Berlin und Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW), Bonn). Wuppertal, Dezember 2015. S. 29. Links: http://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/6267 (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016); http://www.dvgw-innovation.de/fileadmin/innovation/pdf/g5_01_15.pdf (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 103/16 Seite 7 Im Hinblick auf den Auftrag wird insbesondere auf die Angaben zu den Energieträgern „Nah-/ Fernwärme aus KWK“, „Nah-/Fernwärme aus Heizkraftwerken“ und „Strom“ verwiesen.6 Eine ähnliche Übersicht findet sich auch im Grundlagenpapier „Primärenergiefaktoren“ des BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.7 3. Erläuterungen Im Rahmen seiner Recherchen zum Auftrag hat der Fachbereich WD 5 das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) um Stellungnahme gebeten. In seiner Antwort hat das BMWi mitgeteilt: „Die differenzierte Betrachtung von Fernwärme und Strom bei der primärenergetischen Bewertung ergibt sich aus den Unterschieden zwischen der Fernwärme- und der Stromversorgung . Fernwärme wird über lokale Netze geliefert, die ein abgegrenztes Gebiet versorgen. Deshalb gibt es auch keinen pauschalen Primärenergiefaktor für Fernwärme, der den bundesweiten Erzeugungsmix berücksichtigt. Vielmehr ist auf den Erzeugungsmix im jeweiligen Fernwärmenetz abzustellen. Dieser jeweilige Erzeugungsmix differiert von Wärmenetz zu Wärmenetz , so dass es hier zu Unterschieden in der primärenergetischen Bewertung kommt. Bei der Stromversorgung über das allgemeine Netz ist hingegen auf den bundesweiten Stromerzeugungsmix abzustellen. Im Rahmen der letzten Novelle der Energieeinsparverordnung (EnEV) ist der Primärenergiefaktor für Strom für die Zeit ab dem Jahr 2016 auf 1,8 abgesenkt worden. Der Grund für diesen Schritt war, die zu erwartenden Zubauaktivitäten der erneuerbaren Energien im Stromnetz rechtzeitig zu berücksichtigen. Der Faktor reflektiert den kontinuierlichen Anstieg des Anteils an erneuerbaren Energien im Stromerzeugungsmix. Im Rahmen der jetzt anstehenden Novelle des Energieeinsparrechts ist geplant, die Primärenergiefaktoren neu zu justieren und in einer späteren Rechtsverordnung festzulegen.“ Wie in Abschnitt 2.2 des Sachstandes bereits erwähnt, bestimmt Anlage 1 Nr. 2.1.1 Satz 6 erster Halbsatz der Energieeinsparverordnung: 6 Zum Begriff „Verdrängungsstrommix“ vgl. BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (2015). Grundlagenpapier. Primärenergiefaktoren. Der Zusammenhang von Primärenergie und Endenergie in der energetischen Bewertung. Berlin, 22. April 2015. S. 16 – 18. Link: https://www.bdew.de/internet.nsf/id/705- bdew-grundlagenpapier-primaerenergiefaktoren-de?open&ccm=900030 (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016). 7 Vgl. BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (2015). Grundlagenpapier. Primärenergiefaktoren . Der Zusammenhang von Primärenergie und Endenergie in der energetischen Bewertung. Berlin, 22. April 2015. S. 30. Link: https://www.bdew.de/internet.nsf/id/705-bdew-grundlagenpapier-primaerenergiefaktorende ?open&ccm=900030 (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 103/16 Seite 8 „Für elektrischen Strom ist abweichend von Satz 2 als Primärenergiefaktor für den nicht erneuerbaren Anteil ab dem 1. Januar 2016 der Wert 1,8 zu verwenden;“8 Die Begründung zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung führt zu dieser Regelung wie folgt aus: „In Satz 6 (jetzt im ersten Halbsatz) wird der Primärenergiefaktor für Strom der aktuellen Entwicklung im Bereich der Einspeisung erneuerbaren Stroms in die Übertragungsnetze angepasst . Der Primärenergiefaktor für Strom wird vor diesem Hintergrund abweichend von den Regelungen der DIN V 18599-2011 mit 2,0 festgelegt. Zur Schaffung von Rechtssicherheit und zur Vermeidung einer späteren punktuellen Änderung der EnEV wird der Primärenergiefaktor für die Zeit ab dem Jahr 2016 – ebenfalls im ersten Halbsatz des Satzes 6 - bereits jetzt im Hinblick auf die zu erwartenden Zubauaktivitäten der erneuerbaren Energien im Stromnetz auf 1,8 festgesetzt.“9 In einem Beitrag in der Fachzeitschrift Bauphysik vom August 2016 hat sich Hans-Jochen Luhmann , Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, u. a. mit der schrittweisen Herabsetzung des Primärenergiefaktors für Strom auf den jetzigen Wert in Höhe von 1,8 auseinandergesetzt . Er schreibt: „Der Wert des PEFne für Strom (in Deutschland) wurde vom Normenausschuss wie in Tabelle 1, Zeile 1 gezeigt, bestimmt. Entscheidend ist die freihändige Korrektur ab 2016, auf 1,8. Diese Korrektur ist nicht als Einzelentscheidung bemerkenswert, sondern weil sie ein Prinzip zeigt: Der PEFne für Strom folgt der Zielangabe, dass die Stromerzeugung stetig zunehmend aus erneuerbaren Quellen geschehen soll. Ist dieser Wandlungsprozess des Stromsystems (in 2050?) vollzogen, so liegt der Wert bei Null. Null ist der Zielwert – mit der Entscheidung von 2013 hat der Verordnungsgeber signalisiert, dass er den leitenden Zielwert stetig nach unten anzupassen gewillt ist.“10 Ausführlicher wird zu der Herabsetzung des Primärenergiefaktors für Strom auf den Wert von 1,8 im Rahmen der erwähnten Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie GmbH Stellung genommen. Hierin wird u. a. festgestellt: „Insgesamt bleibt festzuhalten, dass in der Vergangenheit der Primärenergiefaktor (nicht erneuerbarer Anteil) für Strom sehr stark abgesenkt wurde und – ( … ) bei fortgeschriebener 8 Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 24. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1789) geändert worden ist. Anlage 1 Nr. 2.1.1 Satz 6 erster Halbsatz. Link: https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/enev_2007/gesamt.pdf (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016). 9 Bundesrat (2013). Drucksache 113/13 vom 08.02.2013. Verordnung der Bundesregierung. Zweite Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung. Berlin. S. 136: Begründung zu Artikel 1 Nr. 26 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa. Dreifachbuchstabe aaa Vierfachbuchstabe bbbb. http://dip21.bundestag .btg/dip21/brd/2013/0113-13.pdf (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016). 10 Luhmann, Hans-Jochen (2016). Der ambivalente Energiebegriff im Kalkül der Optimierung der energetischen Auslegung von Gebäuden – ein Beitrag zur aktuellen Diskussion um den PEF (für Strom). In: Bauphysik. Jg. 38. (2016). Heft 4. Erscheinungsdatum: 10.08.2016. S. 247. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 103/16 Seite 9 Methodik – in der Zukunft dieser Trend sich fortsetzen wird. Von dieser Entwicklung profitieren strombasierte Heizungssysteme wie Wärmepumpen, Nachtspeicherheizungen, Elektro- Direktheizungen oder auch mechanische Belüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung. Im Rahmen der EnEV 2014 wurden zwar einerseits die Grenzwerte für den Primärenergieverbrauch um 25% abgesenkt. Gleichzeitig wird jedoch PEFne für Strom von 2,6 (2009) auf 1,8 (2016) um 30,8% reduziert. De facto bedeutet dies ab 2016 eine Herabsetzung der primärenergetischen Anforderungen für Stromheizungssysteme17. Dies betrifft im Neubau mehr als jedes dritte Heizungssystem. Perspektivisch würde bei einer vollständig dekarbonisierten Stromerzeugung unter Beibehaltung des gegenwärtigen Ansatzes der PEFne gegen Null konvergieren . Auch wenn die Stromerzeugung dann nahezu CO2-frei wäre, so wären dennoch andere Umwelteinwirkungen wie z.B. Flächeninanspruchnahme durch Windkraftanlagen und Ausbau von Stromtrassen gegeben, vgl. auch (BUND 2012 S. 11 f.). Die Steuerungswirkung des Indikators „PEF“ in Richtung energieeffiziente Gebäude ginge dann verloren. “11 Des Weiteren wird auf eine Ausnahmeregelung aufmerksam gemacht. § 5 EnEV eröffnet die Möglichkeit , unter bestimmten Voraussetzungen Strom aus erneuerbaren Energiequellen bei der Ermittlung des Endenergiebedarfs eines Gebäudes in Abzug zu bringen. Diese werden in § 5 Absatz 1 EnEV wie folgt definiert: „(1) Wird in zu errichtenden Gebäuden Strom aus erneuerbaren Energien eingesetzt, darf dieser Strom von dem nach § 3 Absatz 3 oder § 4 Absatz 3 berechneten Endenergiebedarf abzogen werden, soweit er 1. im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zu dem Gebäude erzeugt wird und 2. vorrangig in dem Gebäude unmittelbar nach Erzeugung oder nach vorübergehender Speicherung selbst genutzt und nur die überschüssige Energiemenge in ein öffentliches Netz eingespeist wird. 11 Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH (2015). Konsistenz und Aussagefähigkeit der Primärenergie -Faktoren für Endenergieträger im Rahmen der EnEV. Diskussionspapier unter Mitarbeit von Dietmar Schüwer, Thomas Hanke und Hans-Jochen Luhmann (im Auftrag von Zukunft ERDGAS e.V., Berlin und Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW), Bonn). Wuppertal, Dezember 2015. S. 33 f. Links: http://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/6267 (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016); http://www.dvgw-innovation.de/fileadmin/innovation/pdf/g5_01_15.pdf (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016). Die hochgestellte Ziffer 17 markiert im Originaltext folgende Fußnote: „Ungeachtet dessen gelten jedoch nach wie vor die Nebenanforderungen für den Transmissionswärmeverlust H’T sowie für Neubauten zusätzlich einzuhaltende Grenzen für die U-Werte der Bauteile, vgl. Abb. 2-3 in Kap. 2.2.2.“ (Ebenda, S. 34) Die Bezeichnung BUND 2012 verweist auf eine Stellungnahme des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zur Novelle des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) und der Energieeinsparungsverordnung (EnEV). Vgl. ebenda, S. 59 (einschließlich Internetadresse). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 103/16 Seite 10 Es darf höchstens die Strommenge nach Satz 1 angerechnet werden, die dem berechneten Strombedarf der jeweiligen Nutzung entspricht.“12 Einzelheiten im Hinblick darauf, wie der Strombedarf nach § 5 Absatz 1 Satz 2 EnEV sowie die Erträge der Anlagen zur Nutzung der erneuerbaren Energien zu berechnen sind, ergeben sich aus § 5 Absatz 2 EnEV. In einem Kommentar zur Energieeinsparverordnung führen Dieter Eschenfelder und Ernst Merkschien zur Anrechenbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energiequellen auf den Endenergiebedarf eines Gebäudes u. a. aus:13 „Mit der im § 5 geregelten Anrechnung von Strom aus erneuerbaren Energien im Rahmen von EnEV-Nachweisen wird der Änderung des EEG Rechnung getragen; seit dem 1.1.2009 wird auch für Strom aus Photovoltaikanlagen, der selbst genutzt wird, eine Vergütung gezahlt . § 5 lässt daher die Berücksichtigung von Strom aus erneuerbaren Energien unter bestimmten Bedingungen zu, wobei es sich hier in der Hauptsache um Strom aus Photovoltaikoder Windenergieanlagen handelt: • Der Strom wird in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zu dem Gebäude erzeugt und • er wird vorrangig in dem Gebäude unmittelbar nach Erzeugung oder nach vorübergehender Speicherung selbst genutzt und nur die überschüssige Energiemenge wird ins öffentliche Netz eingespeist. Der unmittelbare räumliche Zusammenhang ist dann gegeben, wenn zwischen dem Erzeuger und dem Gebäude kein öffentliches Stromnetz liegt, durch das der Strom durchgeleitet werden muss. Unerheblich ist dabei, ob die Gebäudeeigentümer selbst Betreiber der Erzeugungsanlage sind oder ein Dritter. Auch können unter der vorgenannten Voraussetzung (keine Übertragung über öffentliche Netze) sogenannte „Quartierslösungen“, also für mehrere Gebäude eingerichtete gemeinsame Erzeugungsanlagen, berücksichtigt werden.17 Vorrangig ist die Nutzung dann, wenn der erzeugte Strom zunächst im Gebäude selbst verbraucht wird. Erst wenn die selbst gewonnene Strommenge den Eigenbedarf überschreitet, 12 Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 24. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1789) geändert worden ist. S. 6. § 5 Absatz 1. Link: https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/enev_2007/gesamt.pdf (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016). 13 Weitere Kommentierungen zu § 5 Absatz 1 EnEV finden sich u. a. in folgenden Veröffentlichungen: Frenz, Walter/Lülsdorf, Tanja (Hrsg.) (2015). EnEG • EnEV. Energieeinsparungsgesetz • Energieeinsparverordnung . Kommentar. Verlag C. H. Beck. München. Energieeinsparverordnung. S. 168 – 172 (§ 5 EnEV). Insbesondere S. 170 f. Randnummer 4 – 10; Stock, Jürgen (2015). In: Danner, Wolfgang/Theobald, Christian. Energierecht. Band 3. Kommentar. Stand: Juni 2015. Verlag C. H. Beck. München. Energieeinsparverordnung. § 5. Randnummer 2 – 6. Link: https://beck-online .beck.de/?vpath=bibdata/komm/DannerTheobaldKoEnR_89/EnEV/cont/DannerTheobaldKo- EnR.EnEV.p5.htm (zuletzt aufgerufen am 9.12.2016); Luhmann, Hans-Jochen (2016). Der ambivalente Energiebegriff im Kalkül der Optimierung der energetischen Auslegung von Gebäuden – ein Beitrag zur aktuellen Diskussion um den PEF (für Strom). In: Bauphysik. Jg. 38. (2016). Heft 4. Erscheinungsdatum: 10.08.2016. S. 249 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 103/16 Seite 11 darf der Überschuss ins Netz abgegeben werden. Dies ist durch eine geeignete Zählerkonfiguration sowie entsprechende Verträge mit dem Netzbetreiber nachzuweisen. ( … )“14 *** 14 Eschenfelder, Dieter/Merkschien, Ernst (2015). Energieeinsparverordnung. EnEV 2014/2016. Kommentare für Planung und Umsetzung zu EU-Richtlinie „Gebäudeenergieeffizienz“ 2010, Energieeinsparungsgesetz 2012, Energieeinsparverordnung 2013, Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz 2011. 2. neu überarbeitete Auflage. Verlag Wirtschaft und Verwaltung Hubert Wingen. Essen. S. 124 f. Die hochgestellte Ziffer 17 innerhalb des zitierten Textes markiert folgende Fußnote im Originaltext: ‚„Fachkommission „Bautechnik“ der Bauministerkonferenz, Auslegung XI-8 zu § 5 EnEV 2009 (Anrechnung von Strom aus erneuerbaren Energien)“‘ (Ebenda, S. 125). Fettung durch Verfasser des vorliegenden Sachstandes.