© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 101/20 Zu den Voraussetzungen sowie den Vor- und Nachteilen des Weideschusses Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 2 Zu den Voraussetzungen sowie den Vor- und Nachteilen des Weideschusses Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 101/20 Abschluss der Arbeit: 29.10.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Schlachtung außerhalb von Schlachthöfen 5 2.1. EU-Recht 5 2.2. Nationales Recht 5 2.2.1. Voraussetzungen nach § 12 Abs. 2 Tier-LMHV 6 2.2.2. Weitere Voraussetzungen 8 2.3. Exkurs: Erweiterung der Schlachtung außerhalb von Schlachthöfen 8 3. Vorteile 9 4. Nachteile 11 5. Förderungsmöglichkeiten durch den Gesetzgeber 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 4 1. Einleitung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages sind gefragt worden, unter welchen Voraussetzungen der sogenannte „Weideschuss“ möglich ist, was dessen Vor- und Nachteile sind sowie welche Fördermöglichkeiten der Gesetzgeber hat. Unter Weideschuss versteht man die Tötung bzw. Schlachtung eines Rindes auf der Weide mit Hilfe eines großkalibrigen Gewehrs.1 Dabei sind eine Reihe vor allem lebensmittelhygienerechtliche Aspekte zu beachten, die hier nicht vollständig dargestellt werden können. Murmann stellt die Verzahnung von europäischem und nationalem Hygienerecht in folgender Grafik dar: Quelle: Murmann in: Streinz/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, Werkstand: 41. EL Juli 2020 Kapitel V F Das Hygienerecht der EU (Rdnr. 126 ff) (aus Beck Online) 1 https://www.fleischglueck.de/magazin/weideschuss/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 5 2. Schlachtung außerhalb von Schlachthöfen 2.1. EU-Recht Nach der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs2 sind Schlachttiere grundsätzlich lebend in einen zugelassenen Schlachthof zu transportieren und dort zu schlachten, Anhang III Abschnitt I Kapitel IV Nr. 2 lit. b. Eine Ausnahme davon sieht das EU- Recht derzeit nur für den Fall der Notschlachtung und bei Bisons und Farmwild vor.3 Allerdings ermöglicht die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 den Mitgliedstaaten „unter bestimmten Bedingungen einzelstaatliche Vorschriften zur Anpassung von Anforderungen des Gemeinschaftsrechts zu erlassen. Derartige Vorschriften müssen darauf abzielen, entweder die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen oder den Bedürfnissen von Lebensmittelunternehmen in Regionen in schwieriger geografischer Lage Rechnung zu tragen. Sie sind der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedstaaten vor ihrem Erlass nach den entsprechenden Bestimmungen des EU-Lebensmittelhygienerechts zu notifizieren.“4 2.2. Nationales Recht In Deutschland finden sich die maßgeblichen Vorschriften vor allem in der Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung – Tier-LMHV)5 . Diese bestimmt in § 12 Abs. 26: „Einzelne Huftiere der Gattung Rind, die ganzjährig im Freiland gehalten werden, dürfen mit Genehmigung der zuständigen Behörde im Haltungsbetrieb geschlachtet oder zur Gewinnung von Fleisch für den menschlichen Verzehr getötet werden, wenn die Anforderungen nach 2 https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:139:0055:0205:DE:PDF. 3 Vgl. Rohnfelder, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 231. EL Juli 2020, Tier- LMHV § 12 Rn. 4; https://www.praxis-agrar.de/tier/rinder/innovative-schlachtverfahren/. 4 Amtliche Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung, BR-Drs. 583/11 vom 23.9.2011, https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2011/0501-0600/583- 11.pdf?__blob=publicationFile&v=1 . Siehe hierzu auch Radtke in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt- Kommentar, Verlag C.H. Beck, 176. EL März 2020, § 12 Tier-LMHV, Rdnr. 1a (zitiert nach Beck-Online) und Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Landwirtschaftliche Klein- und Kleinstbetriebe: Bürokratieabbau und Schlachtung von Schweinen, Sachstand vom 11.4.2018 (WD 5 – 047/18), https://www.bundestag.de/resource /blob/554948/3acc27cccf1340e81aae86014b413543/wd-5-047-18-pdf-data.pdf. 5 https://www.gesetze-im-internet.de/tier-lmhv/index.html#BJNR182800007BJNE000102124. 6 Die VO (EG) Nr. 853/2004 erlaubt es den Mitgliedsstaaten, unter bestimmten Bedingungen einzelstaatliche Vorschriften zur Anpassung von Anforderungen des Gemeinschaftsrechts zu erlassen. Die vom Bund auf nationaler Ebene eingeführte weitere Ausnahmeregelung zur Schlachtung außerhalb von Schlachthöfen ist von der EU- Kommission notifiziert worden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 6 Anhang III Abschnitt III Nummer 3 Buchstabe a bis j der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 eingehalten werden. Fleisch von nach Satz 1 geschlachteten oder getöteten Tieren darf abweichend von Anhang III Abschnitt I Kapitel IV Nummer 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 für den menschlichen Verzehr verwendet werden. Nach Satz 1 geschlachtete oder getötete Tiere dürfen abweichend von Anhang III Abschnitt I Kapitel IV Nummer 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 in einen Schlachthof verbracht werden. Die Beförderung der geschlachteten oder getöteten Tiere in den Schlachthof darf abweichend von Anhang III Abschnitt III Nummer 3 Buchstabe h der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 nicht länger als eine Stunde dauern.“ In der Amtlichen Begründung hierzu heißt es: „Die Haltung von Rindern ganzjährig im Freiland stellt eine traditionelle Haltungsform dar, die häufig in Regionen in schwieriger geographischer Lage erforderlich ist. Der Transport derartig extensiv gehaltener Rinder in einen Schlachthof ist aufgrund der Wildheit der Tiere ohne Beeinträchtigung der Fleischqualität oft nicht möglich sowie wirtschaftlich nicht tragbar . Im Wege einer nationalen Ausnahmeregelung soll daher die Möglichkeit eröffnet werden, ganzjährig im Freiland gehaltene Rinder mit Genehmigung der zuständigen Behörde im Haltungsbetrieb zu schlachten. Die Regelung wurde der Europäischen Kommission als Teil der Ersten Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts unter der Notifizierungsnummer 2008/456/D nach Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 am 28.10.2008 notifiziert. Nachdem die Europäische Kommission jedoch eine gemeinschaftliche Lösung in Aussicht gestellt hatte, wurde die Erste Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts ohne diese Regelung erlassen. Da von der Europäischen Kommission jedoch bislang kein Entwurf für die angekündigte gemeinschaftliche Regelung vorgelegt wurde und die Voraussetzungen gemäß Artikel 10 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 gegeben sind, kann und soll die nationale Ausnahmeregelung nunmehr erlassen werden. Eine Befristung der Verordnung kommt nicht in Betracht, da der Bedarf für die Schlachtung ganzjährig im Freiland gehaltener Rinder im Haltungsbetrieb dauerhaft besteht.“7 2.2.1. Voraussetzungen nach § 12 Abs. 2 Tier-LMHV § 12 Abs. 2 Tier-LMHV bestimmt die Voraussetzungen, unter denen eine Schlachtung von Rindern außerhalb von Schlachthöfen zulässig ist: 7 Amtliche Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung, BR-Drs. 583/11 vom 23.9.2011, https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2011/0501-0600/583- 11.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 7 Einzelne Huftiere der Gattung Rind Ganzjährige Freilandhaltung Was unter der „ganzjährigen Freilandhaltung“ zu verstehen ist, ist nicht ausdrücklich definiert .8 Teilweise wird vorausgesetzt, dass die Tiere einen natürlichen oder künstlichen Witterungsschutz – mindestens trockene Liegeflächen sowie Schutz gegen die Hauptwindrichtung – zur Verfügung haben müssen.9 Eine nur vorübergehende Haltung im Freiland, beispielsweise während der Sommermonate, wird teilweise nicht als ausreichend bewertet.10 Einhaltung der Anforderungen nach Anhang III Abschnitt III Nr. 3 lit. a-j der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 Dies setzt vor allem voraus, dass die Tiere zur Vermeidung eines Risikos für den Transporteur oder aus Gründen des Tierschutzes nicht transportiert werden können (lit. a). Dafür muss der Tierhalter einen Nachweis erbringen.11 Weitere Bestimmungen sind beispielsweise, dass die Herde regelmäßig tierärztlich untersucht wird (lit. b) sowie die Anforderungen des Tierschutzes eingehalten werden (lit g). Maximale Beförderungsdauer von einer Stunde für Transport der Schlachtkörper in Schlachthof Diese Vorgabe stellt abweichend von VO (EG) Nr. 853/2004 Abschnitt III Nr. 3 lit. h, der grundsätzlich einen Zeitraum von zwei Stunden vorsieht12, eine Verkürzung der maximalen Transportdauer dar. Genehmigung der zuständigen Behörde Die zuständige Behörde ist das zuständige Veterinäramt. Die Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung liegt im Ermessen der Behörde.13 8 Trampenau/Fink-Keßler, Tierwohl und Fleischqualität treffen sich – Neuere Ansätze für stressarmes Schlachten im Haltungsbetrieb, Der kritische Agrarbericht 2016, 251 (253), https://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2016/KAB2016_Kap8_251_255_Trampenau _Fink-Kessler.pdf. 9 Vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke (Hrsg.), Lebensmittelrecht, Werkstand: 176. EL März 2020, Tier-LMHV § 12 Rn. 15. 10 Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz von Baden-Württemberg vom 15. Mai 2018 auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Herre (AfD), Drs. 16/4056, S. 4, https://www.landtagbw .de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/4000/16_4056_D.pdf. 11 Ebenda, S. 3. 12 Vgl. Rohnfelder, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 231. EL Juli 2020, Tier- LMHV § 12 Rn. 4. 13 https://www.highland.de/fleischqualitaet-und-direktvermarkter/kugelschuss-auf-der-weide/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 8 2.2.2. Weitere Voraussetzungen Daneben gilt es weitere gesetzliche Bestimmungen einzuhalten, die auch sonst bei der Schlachtung zu berücksichtigen sind. Außerdem können bei Anwendung des Kugelschusses weitere Genehmigungen erforderlich sein: Zum einen bedarf es der tierschutzrechtlichen Einwilligung der zuständigen Behörde nach Anlage 1 Nr. 2.1.2 der Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates (Tierschutz- Schlachtverordnung - TierSchlV)14. Das gilt sowohl für die gewerbliche als auch für die Schlachtung für den häuslichen Gebrauch.15 Für die Erteilung der Genehmigung muss insbesondere der erforderliche Sachkundenachweis im Sinne des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung16 für jede am Schlachtverfahren beteiligte Person vorliegen.17 Außerdem müssen auch die erforderlichen waffenrechtlichen Genehmigungen, darunter die Erlaubnis zum Besitz von Waffen und Munition, die Erlaubnis zum Führen einer Waffe sowie die Schießerlaubnis vorliegen.18 2.3. Exkurs: Erweiterung der Schlachtung außerhalb von Schlachthöfen Der Bundesrat hat am 5. Juni 2020 eine Entschließung zur Erweiterung der tierschutzgerechten Weideschlachtung beschlossen. Diese enthält u.a. die Erweiterung der Anwendung des § 12 Abs. 2 Tier-LMHV auf Schweine sowie die Förderung von Investitionen in die Weideschlachtung.19 Die Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung enthält den Hinweis auf einen von der Europäischen Kommission im Dezember 2019 vorgelegten Entwurf einer Delegierten Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 853/2004, welcher u.a. die Möglichkeit einer Schlachtung einzelner Rinder und Pferde außerhalb von Schlachthöfen vorsieht. Vorgesehener Termin für das Inkrafttreten der Verordnung sei der 21. April 2021. Aus diesem Grund hält die 14 https://www.gesetze-im-internet.de/tierschlv_2013/BJNR298200012.html. 15 Antwort der Landesregierung von Sachsen-Anhalt auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Sören Herbst und Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 26. September 2013, Drs. 6/2453, S. 3, https://s3.kleineanfragen .de/ka-prod/st/6/2453.pdf. 16 https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:303:0001:0030:DE:PDF. 17 Antwort der Landesregierung von Sachsen-Anhalt auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Sören Herbst und Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 26. September 2013, Drs. 6/2453, S. 3, https://s3.kleineanfragen .de/ka-prod/st/6/2453.pdf. 18 Ebenda, S. 4. 19 BR-Drs. 94/20, https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0001-0100/94-20(B).pdf?__blob=publication- File&v=1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 9 Bundesregierung vorerst die Notifizierung einer Erweiterung auf nationaler Ebene von der EU für unwahrscheinlich.20 3. Vorteile Hier werden Stimmen aus der Diskussion um den Weideschuss zusammengefasst. Eine eigene Bewertung findet dabei nicht statt. Tierschutz Die Weideschlachtung wird zum Teil als „humanste“ und „tiergerechteste“ Methode des Schlachtens betrachtet21, da die Tiere keinen bis nur geringen Stress erleiden und so weniger Stresshormone produzieren.22 Denn der ganze Vorgang und die vorbereitenden Maßnahmen des Schlachtens in einem Schlachthof, angefangen vom Einfangen der Tiere bis hin zu der ungewohnten Umgebung und neuen Geräuschen im Schlachthof, verursachten einen enormen Stress bei den Tieren.23 Insbesondere der Transport gilt als großer Verursacher von Stress. Vor allem dann, wenn die Tiere aufgrund dessen, dass sie ganzjährig auf der Weide leben, nur geringen Kontakt mit Menschen gewohnt sind.24 Darüber hinaus werden auch oft die Bedingungen, unter denen der Transport erfolgt kritisiert, würden sie nicht selten auch zu Verletzungen oder gar dem Ableben von Tieren führen.25 20 Vgl. Stellungnahme der Bundesregierung zur der Entschließung des Bundesrates: Erweiterung der tierschutzgerechten Weideschlachtung, zu BR-Drs. 94/20 S. 2, https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0001-0100/zu94-20(B).pdf;jsessionid =462712B2A28A79F4CD5D6DA5873CF406.2_cid365?__blob=publicationFile&v=1. 21 Trampenau, Der Kugelschuss auf der Weide, Der kritische Agrarbericht 2011, 147 (148), https://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2011/Trampenau.pdf; http://weidefleisch.org/weideschlachtung/. 22 https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/panorama/2020/07/tierhaltung-schlachtung-weideschuss-rinder-biobrandenburg .html. 23 Trampenau, Kugelschuss auf der Weide, Der kritische Agrarbericht 2011, 147, https://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2011/Trampenau.pdf. 24 Rathke, in: Zipfel/Rathke (Hrsg.), Lebensmittelrecht, Werkstand: 176. EL März 2020, Tier-LMHV § 12 Rn. 1a sowie https://schweisfurth-stiftung.de/tag/weideschuss/. 25 https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/tiertransporte-der-lange-weg-zum-schlachthof; https://www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/tierhaltung/tiertransporte; https://albert-schweitzer-stiftung .de/massentierhaltung/tiertransporte-zahlen-fakten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 10 Beim Kugelschuss auf der Weide merkt das Tier unter Umständen noch nicht einmal, dass es (aus Distanz) anvisiert wird.26 Auch auf die umstehenden Tiere der Herde wirkt sich der Weideschuss in der Regel nicht stresserhöhend oder beunruhigend aus.27 Fleischqualität Diese „Stressfreiheit“ wirkt sich letztlich als prämortaler Einflussfaktor (erheblich) auf die Fleischqualität aus.28 Dies ist am pH-Wert, an der Zartheit, an der Farbe und am Wasserhaltevermögen abzulesen.29 Durch Stress verursachte Qualitätsminderungen am Fleisch können so weit gehen, dass einzelne Teile nicht mehr zum Verzehr geeignet sind.30 Vermeidung von Arbeitsunfällen Durch den Weideschuss werden auch mögliche Risiken für Mensch und Tier verringert. Durch das im Vorfeld von üblichen Schlachtverfahren erforderliche Einfangen sowie Auf- und Abladen der Tiere entstehen nicht selten Situationen, die für Mensch und Tier gefährlich sein können. Bei der Weideschlachtung entfallen diese mitunter gefährlichen Arbeitsschritte.31 Zeitersparnis Das Wegfallen der vorbereitenden Maßnahmen bei herkömmlichen Schlachtungsverfahren, beispielsweise das Einfangen und Verladen der Tiere, spart Zeit und Arbeitskraft, da für diese Schritte in der Regel mehrere Personen erforderlich sind.32 26 https://www.fibl.org/fileadmin/documents/de/news/2015/mm-weideschlachtung-statement-Sabine-hartmannvier -pfoten.pdf. 27 Trampenau, Kugelschuss auf der Weide, Der kritische Agrarbericht 2011, 147 (148), https://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2011/Trampenau.pdf sowie https://schweisfurth-stiftung.de/tag/weideschuss/. 28 https://www.praxis-agrar.de/tier/rinder/innovative-schlachtverfahren/. So auch Amtliche Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung, BR-Drs. 583/11 vom 23.9.2011, S. 2 f., https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2011/0501-0600/583-11.pdf?__blob=publication- File&v=1. 29 https://www.demeter.de/sites/default/files/richtlinien/demeter_erzeuger_leitlinien_schlachten_tiertransporte .pdf. 30 Trampenau, Kugelschuss auf der Weide, Der kritische Agrarbericht 2011, 147, https://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2011/Trampenau.pdf. 31 Trampenau, Kugelschuss auf der Weide, Der kritische Agrarbericht 2011, 147, https://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2011/Trampenau.pdf sowie https://www.praxis-agrar.de/tier/rinder/innovative-schlachtverfahren/. 32 Trampenau, Kugelschuss auf der Weide, Der kritische Agrarbericht 2011, 147, https://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2011/Trampenau.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 11 4. Nachteile Hier werden Stimmen aus der Diskussion um den Weideschuss zusammengefasst. Eine eigene Bewertung findet dabei nicht statt. Kapazitätsgrenzen Derzeit stellt die Weideschlachtung nur eine Möglichkeit für Betriebe mit einer geringen Anzahl von Tieren dar.33 Bereits die Weidehaltung an sich bedeutet eine geringe Anzahl von Tieren bei gleichzeitig großem Bedarf an Weidefläche. Bei der hohen Nachfrage an Fleisch in den Industrienationen ist eine Deckung allein durch Fleisch aus Weideschlachtung nicht möglich.34 Kosten und Aufwand Der Weideschuss stellt vom Grundsatz her eine kostenintensivere Lösung für den Landwirt dar. In der Regel wird dies sich im Verbraucherpreis des Fleisches widerspiegeln.35 Zudem kann für den Landwirt ein erhöhter Aufwand entstehen, da er die unter Punkt 2.2.1 genannten Bestimmungen einhalten muss. Dazu gehören hygienische Anforderungen. Auch muss während des gesamten Zeitraumes ein amtlicher Tierarzt anwesend sein.36 Soll das getötete Tier anschließend in einen Schlachthof verbracht werden, muss die maximale Transportdauer von einer Stunde beachtet werden. Diese ist bewusst verkürzt worden, da die Darmwand das umliegende Fleisch nur für etwa diese Stunde vor einer Kontamination mit Verdauungsbakterien schützt.37 Darüber hinaus wird aus hygienischen Gründen teilweise empfohlen, den Weideschuss nur in den kühleren Jahreszeiten durchzuführen.38 33 https://www.n-tv.de/panorama/Alternatives-Schlachten-wird-beliebter-article21891165.html. 34 Beirow, Tierhaltung am Scheideweg – Überlegungen zwischen „smart farming“ und Weideschlachtung, Scheidewege – Jahresschrift für skeptisches Denken, Jahrgang 47 2017/2018, S. 239 ff., (im Bestand der Bundestagsbibliothek ). 35 https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/panorama/2020/07/tierhaltung-schlachtung-weideschuss-rinder-biobrandenburg .html. 36 https://www.oekolandbau.de/bio-im-alltag/bio-fuer-die-umwelt/tierhaltung/stressfrei-schlachten-weideschlachtung -und-kugelschuss/. 37 https://www.fleischglueck.de/magazin/weideschuss/. 38 https://www.fleischglueck.de/magazin/weideschuss/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 12 Gefahr eines Fehlschusses Vereinzelt wird auch auf das Risiko eines Fehlschusses hingewiesen39, da für die Tötung mittels Kugelschuss ein Präzisionsschuss in den Kopf erforderlich ist, bei dem möglichst das Projektil im Schädel verbleibt.40 Anderenfalls kann es zu erheblichen Schmerzen und Leiden der Tiere kommen .41 5. Förderungsmöglichkeiten durch den Gesetzgeber Für die Förderung der Schlachtung in Form des Weideschusses gelten die gleichen gesetzlichen und rechtlichen Anforderungen wie bei jeder anderen Wirtschaftsförderung. Das bedeutet, eine Förderung bedarf grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage. Der Vorbehalt des Gesetzes folgt als Teil des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 GG und beinhaltet, dass staatliches Verhalten in bestimmten grundlegenden Bereichen durch ein förmliches Gesetz legitimiert wird.42 Nach der Wesentlichkeitstheorie hat der Gesetzgeber alle grundrechtsrelevanten Bereiche selbst durch Parlamentsgesetz zu regeln.43 Dennoch ist nicht zwingend ein Subventionsgesetz erforderlich. Ausreichend kann auch eine im Haushaltsgesetz44 zweckbestimmte Ausweisung der Mittel sein.45 Etwas anderes aber gilt, wenn Subventionen ausnahmsweise in Grundrechte Dritter eingreifen.46 In jedem Fall dürfte eine Förderung zu keiner willkürlichen Ungleichbehandlung führen: „Bei der gewährenden Staatstätigkeit hat der Gesetzgeber weitgehende Freiheit darüber zu entscheiden, welche Personen oder Unternehmen durch finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden sollen […]. Zwar bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. 39 Beirow, Tierhaltung am Scheideweg – Überlegungen zwischen „smart farming“ und Weideschlachtung, Scheidewege : Jahresschrift für skeptisches Denken, 47. 2017/2018 (2017), S. 239 ff., (im Bestand der Bundestagsbibliothek ). 40 https://schweisfurth-stiftung.de/tag/weideschuss/. 41 Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz von Baden-Württemberg vom 15. Mai 2018 auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Herre (AfD), Drs. 16/4056, S. 4, https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/4000/16_4056_D.pdf. 42 Dieser Absatz ist der Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 093/08, S. 5 entnommen (Rechtliche Zulässigkeit finanzieller Unterstützung aus dem Bundeshaushalt für die Errichtung und den Ausbau von Autohöfen). Die Quellen sind nicht aktualisiert. Wesentliche inhaltliche Änderungen haben sich jedoch nicht ergeben. 43 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2006, § 6, Rnr. 10 ff. m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung. 44 Das Haushaltsgesetz ist kein Gesetz im materiellen Sinne. 45 BVerwGE 58, 45. 46 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 44 Rn. 70. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 101/20 Seite 13 Das bedeutet aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten verteilen darf. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen ihm in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützt […].“47 Sachbezogene Gesichtspunkte könnten hier in der Verbesserung bzw. Einhaltung tierschutzrechtlicher Maßstäbe für die Haltung und Schlachtung von Nutztieren liegen. So bestimmt § 3 Abs. 1 TierSchlV den Grundsatz: „(...) sind die Tiere so zu betreuen, ruhigzustellen, zu betäuben, zu schlachten oder zu töten, dass bei ihnen nicht mehr als unvermeidbare Aufregung oder Schäden verursacht werden.“. Im Übrigen ist dies Frage der weiteren detaillierten Ausgestaltung. In ihrer Stellungnahme zu der Entschließung des Bundesrates weist die Bundesregierung speziell auf die Landeszuständigkeit für eine Förderung aus dem Förderbereich 3A der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) hin.48 *** 47 BVerfGE 122, 1 (23). 48 Vgl. Stellungnahme der Bundesregierung zur der Entschließung des Bundesrates: Erweiterung der tierschutzgerechten Weideschlachtung, zu BR-Drs. 94/20 S. 3, https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0001-0100/zu94-20(B).pdf;jsessionid =462712B2A28A79F4CD5D6DA5873CF406.2_cid365?__blob=publicationFile&v=1.