© 2018 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 – 101/18 Entwidmung von Bahnanlagen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 101/18 Seite 2 Entwidmung von Bahnanlagen Aktenzeichen: WD 5 - 3000 – 101/18 Abschluss der Arbeit: 07. August 2018 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 101/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Bahnanlagen als öffentliche Sache aufgrund Widmung 4 3. Entwidmung 5 3.1. Actus contrarius 6 3.2. Die Rechtsprechung 6 3.3. Die faktische Entwidmung in der Theorie 7 4. Die Regelung durch § 23 AEG (2005) 8 5. Fazit 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 101/18 Seite 4 1. Einleitung Eisenbahnen benötigen für ihren Betrieb spezielle Anlagen wie z. B. Fahrwege, Bahnhöfe oder Ausbesserungswerke. Für diese Flächen besteht ein besonderes Fachplanungsrecht, welches der allgemeinen kommunalen Planungshoheit vorgeht (§ 38 Baugesetzbuch).1 Wenn diese Flächen allerdings dauerhaft nicht mehr für den Eisenbahnbetrieb benötigt werden, ist die Anwendung eines speziellen Planungsrechtes nicht mehr gerechtfertigt und der Gesetzgeber will, dass die Planungshoheit der Gemeinde wieder auflebt.2 Dies geschieht grundsätzlich durch einen formalen Rechtsakt (Entwidmung oder Planfeststellung).3 Die vorliegende Ausarbeitung beschäftigt sich mit der Frage, ob daneben auch eine faktische Entwidmung von Bahnanlagen sachlich und rechtlich möglich ist. 2. Bahnanlagen als öffentliche Sache aufgrund Widmung Lange Zeit bemühten sich Rechtsprechung und Literatur, den Beginn und das Ende des Fachplanungspivilegs und des spezifischen öffentlichen Status von Eisenbahnanlagen mit Hilfe des Rechtsinstituts der Widmung/Entwidmung zu erfassen.4 Ob Schienenwege und Bahngelände zu Zwecken des Schienenverkehrs „gewidmet“ sind und ob dadurch die gemeinderechtliche Planungshoheit eingeschränkt wird, waren juristische Streitfragen , mit denen sich Rechtsprechung und Rechtswissenschaft immer wieder beschäftigt haben.5 Insbesondere Existenz, Rechtnatur, Bedeutung und Wirkungsweise der (gesetzlich nicht geregelten ) eisenbahnrechtlichen Widmung waren sehr umstritten.6 Wenn die „öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache“ festgelegt wird, so geschieht dies durch eine so genannten „Widmung“, hauptsächlich im Straßenrecht und dort regelmäßig durch einen 1 BT-Drucksache 15/4419, S. 18 f.; https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/__38.html. 2 BT-Drucksache 15/4419, S. 18 f.; Kramer, in: Kunz/Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, 1. Aufl. 2012, § 23 Rn. 1. 3 Hermes, in: Hermes/Sellner, Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Auflage 2014, § 23 Rn. 9; Kramer, in: Kunz/Kramer, AEG § 23 Rn. 2. 4 Hermes, in: Beck’scher AEG-Kommentar, § 23 Rn. 7 m. w. N; Blümel, Fragen der Entwidmung von Eisenbahnbetriebsanlagen , 2000, S. 3 ff.; Schmitz-Valckenberg, Entwidmung und bahnfremden Nutzung von Bahnanlagen, Dissertation, Berlin 2002, S. 139 ff.; s. a. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand (WD 7 - 3000 - 132/11), Die Stilllegung und Freistellung von Eisenbahninfrastruktur, S. 6; Kunath, Überplanung von Altanlagen der Bahn, Dissertation, Hamburg 2017, S. 118 ff. 5 Umfangreiche Darstellung m. w. N. bei Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 35, Rn. 326. 6 Hermes, in: Beck’scher AEG-Kommentar, § 23 Rn. 7 ff. m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 101/18 Seite 5 streng formalisierten, auf eine konkrete Straße bezogener Rechtsakt in Form einer Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 Satz 2, 2. Alt. VwVfG.7 Nach der höchstrichterlichen Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes wurden aber auch Schienenwege und Bahngelände „gewidmet“, was die gemeindliche Planungshoheit einschränken sollte.8 3. Entwidmung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben 2011 einen Sachstand zur Stilllegung und Freistellung von Eisenbahninfrastruktur (Az.: WD 7 - 3000 - 132/11) vorgelegt. Dieser ist als Anlage beigefügt. Die Sach- und Rechtslage hat sich seitdem nicht mehr wesentlich verändert. Die hier in Rede stehende Frage, ob neben einer formalen Entwidmung auch eine faktische Entwidmung möglich ist, das heißt eine Entwidmung durch bloßen Gebrauch ohne Rechtsakt, war jedoch nicht Gegenstand der damaligen Bearbeitung. Eine Entwidmung soll in Betracht kommen, wenn eine öffentliche Sache infolge von Widmung und faktischer Indienststellung entstanden ist, wobei bei Bahnanlagen eine Indienststellung mit der Herstellung der Anlage und ihrer Inbetriebnahme für den Bahnverkehr einhergeht.9 Mit der Entwidmung verliert die Bahnanlage ihre Eigenschaft als öffentliche Sache.10 Wenn lediglich auf Antrag nach § 11 AEG der Betrieb der Eisenbahninfrastruktur stillgelegt wird, handelt es sich jedoch noch nicht um eine Entwidmung, welche die Eigenschaft der Bahnanlage als öffentliche Sache beendet.11 Auch wenn es zeitweise zu Unterbrechungen der Eisenbahnnutzung gekommen ist, lässt dies die Widmung zu Eisenbahnzwecken nicht entfallen.12 7 Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 321. 8 BVerwGE 81, 111 [115 f.]; die Entscheidung gilt auch als Grundsatzurteil, vgl. auch Schmitz-Valckenberg, a.a.O., S. 210. 9 Kunath, a.a.O., S. 118. 10 Schmitz-Valckenberg, a.a.O., S. 144. 11 Sachstand (WD 7 - 3000 - 132/11), S. 6; Schmitz-Valckenberg, a.a.O., S. 144. 12 Oberverwaltungsgericht des Saarlandes vom 10. Januar 2017, – 2 A 142/15 –, Rn. 30, juris. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 101/18 Seite 6 3.1. Actus contrarius Grundsätzlich sollte die Entwidmung von Bahnanlagen in einem actus contrarius erfolgen.13 Wenn durch eine Handlung eine bestimmte Wirkung erzielt wurde und dieses Resultat später aufgehoben werden soll, so versucht man dies im normalen Leben häufig mit der gegenteiligen Handlung zu erreichen. Das Verwaltungsrecht kennt dieses Prinzip auch und zwar unter dem Stichwort actus-contrarius- Grundsatz: Die Aufhebung eines öffentlichen Aktes hat prinzipiell die gleiche Rechtsnatur wie der ursprüngliche Akt.14 Nach der actus-contrarius-Theorie muss ein aufhebender Rechtsakt zumindest auf derselben Normhöhe angesiedelt sein wie der ursprüngliche Rechtsakt, der aufgehoben werden soll (Gesetz nur durch Gesetz, Verwaltungsakt durch Verwaltungsakt...), wobei dies nur im eigenen Rechtskreis des Rechtssetzers gilt.15 Auch für das „Wie“ der Entwidmung von Bahnanlagen war die actus-contrarius-Theorie von Bedeutung . Die Entwidmung ist der actus contrarius zur Widmung, d. h. sie ist ein gleichwertiger Rechtsakt aber mit der gegenteiligen Wirkung. So wurde unter Berufung auf sie teilweise verlangt , dass – soweit planfestgestellte Anlagen betroffen sind – auch die Entwidmung durch ein Planfeststellungsverfahren erfolgen muss.16 3.2. Die Rechtsprechung Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat sich in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1988 die Anforderungen an eine Entwidmung explizit artikuliert. So heißt es im dritten Leitsatz des Urteils:17 „Soll eine Bahnanlage künftig nach dem Willen der Bundesbahn "bahnfremden" Nutzungen offenstehen, so kann eine solche "Entwidmung", sofern dafür kein Planfeststellungsverfahren erfolgt, nur durch eindeutige und bekanntgemachte Erklärungen der Bahn geschehen , die für jedermann klare Verhältnisse schaffen. Die Gemeinde, auf deren Gebiet die Bahnanlage liegt, hat aufgrund ihrer Planungshoheit Anspruch darauf, dass die Bahn 13 Sachstand (WD 7 - 3000 - 132/11), S. 6; Schmitz-Valckenberg, a.a.O., S. 158 ff. m. w. N.; a.A. wohl Kunath, a.a.O., S. 118, weil der Planfeststellungsbeschluss Bindungswirkung für die gemeindlichen Bauleitpläne entfalte . 14 Kramer, in: Kunz/Kramer, AEG § 23 Rn. 6. 15 Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 84 Rn. 75 f. 16 BVerwG, Beschluss vom 21. April 2010 - BVerwG 7 B 39.09 -, NVwZ 2010, 1159; detaillierte Darstellung des Meinungsstreits bei Schmitz-Valckenberg, a.a.O., S. 158 ff. 17 BVerwGE 81, 111; vgl. auch 99, 166 [168 f.]; 102, 269 [272]; Beschluss vom 26. Februar 1996 - BVerwG 11 VR 33.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 12 S. 42. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 101/18 Seite 7 ihre in Bezug auf die Bahnanlage beabsichtigten Dispositionen in einer eindeutigen hoheitlichen Willensäußerung möglichst frühzeitig und umfassend offenlegt.“ Das erkennende Gericht hat weiter in den Entscheidungsgründen ausgeführt: „Ein Wechsel der Planungshoheit von der Bahn als privilegierte anlagenbezogene Planungsträgerin zur Gemeinde als Trägerin der umfassenden gebietsbezogenen Bauplanungshoheit muss schon wegen der rechtsstaatlich gebotenen Eindeutigkeit öffentlich-sachenrechtlicher Rechtsverhältnisse durch einen hoheitlichen Akt erfolgen18, der für jedermann klare Verhältnisse darüber schafft, ob und welche bisher als Bahnanlagen dienende Flächen künftig wieder für andere Arten von Nutzungen offenstehen. Einfache Freigabeerklärungen der Deutschen Bundesbahn als (bisherige) Planungsträgerin gegenüber einem Bauwilligen, wonach die Anlage oder ein bestimmter Teil derselben für Bahnbetriebszwecke nicht mehr benötigt werde, genügen regelmäßig nicht, um einer bestehenden Bahnanlage ihren besonderen Rechtscharakter zu nehmen. Das hiernach gebotene Mindestmaß an Publizität setzt vielmehr voraus, dass der Wechsel der Planungshoheit jedenfalls in einer geeigneten Weise bekanntgemacht wird (vgl. etwa zur Bekanntmachung der Einziehung von Bundesfernstraßen § 2 Abs. 5 und 6 FStrG).“19 Explizit hat das BVerwG sich in der Entscheidung mit der faktischen Entwidmung nicht befasst. Es sieht allerdings die Möglichkeit, dass die bestehende Fachplanung einer Fläche als Bahnanlage infolge der tatsächlichen Entwicklung funktionslos und damit rechtlich obsolet wird.20 Jedenfalls kann vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung die faktische Entwidmung allenfalls eine sehr seltene Ausnahme darstellen. 3.3. Die faktische Entwidmung in der Theorie Im Jahr 2000 wurde zur „Entwidmung und bahnfremden Nutzung von Bahnanlagen“ an der Universität zu Köln eine Dissertation vorgelegt, in der die faktische Entwidmung von Bahnanlagen breit erörtert wurde: „Neben der Entwidmung durch ausdrückliche Verfügung ist die Entwidmung aufgrund dauernder Funktionslosigkeit […] in ihrer Existenz allgemein anerkannt. Da grundsätzlich eine eindeutige und bekanntgemachte Erklärung Voraussetzung für die Entwidmung ist, werden an eine faktische Entwidmung aufgrund dauernder Funktionslosigkeit hohe Anforderungen gestellt. […] Selbst eine jahrzehntelange Überlassung mit Eigentumsübertra- 18 Hervorhebung durch Verfasser. 19 BVerwGE 81, 111 [118]. 20 BVerwGE 81, 111 [117]; vgl. auch 99, 166 [169]; Beschluss vom 26. Februar 1996, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 26. August 1998 – 11 VR 4/98 –, juris. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 101/18 Seite 8 gung soll für sich genommen keine Entwidmung bewirken und weiterhin nur vorübergehend anzusehen sein, soweit die Widmung nicht durch den actus contrarius der Entwidmung ausdrücklich aufgehoben wurde.“21 Dabei soll die bloße Aufgabe des Bahnbetriebes – auch mit anschließender Veräußerung – nicht allein zur Funktionslosigkeit führen.22 Weiter wird in der genannten Dissertation ausgeführt: „Zwar hat es in der bisherigen Rechtsprechung noch keinen Fall gegeben, in dem eine faktische Entwidmung von Bahnanlagen bejaht wurde, aber es ist anerkannt, dass eine Entwidmung aufgrund dauernder Funktionslosigkeit der Bahnanlage grundsätzlich möglich ist. Denn in der Rechtsprechung kommt die grundsätzliche Anerkennung des Institutes der faktischen Entwidmung zum Ausdruck, indem deren Voraussetzungen formuliert werden : Erforderlich ist zum einen die dauernde Funktionslosigkeit der gewidmeten Anlage für den Widmungszweck und zum anderen ein Mindestmaß an Publizität. Dies soll erst dann gewährleistet sein, wenn die Verwirklichung des Widmungszwecks durch bauliche Hindernisse dauerhaft ausgeschlossen ist und dies für die Allgemeinheit auch erkennbar ist, so dass ein Vertrauen in die Fortgeltung der Planung nicht mehr schutzwürdig ist. Der bloße Zeitablauf und die ohne weiteres zu behebende Änderungen der Erdoberfläche reichen im Hinblick auf den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz nicht aus.“23 „Bis zum Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung ist die Entwidmung als nicht existent zu betrachten. […] Wenn die Entwidmung auch später nicht öffentlich bekanntgemacht wird, bleibt sie unwirksam. Die Bahnanlage besteht als gewidmete Bahnanlage fort. Nach einer gewissen Zeit kann hier jedoch eine faktische Entwidmung eintreten. Wenn eine neue Bebauung der Fläche die Verwirklichung von Bahnzwecken auf dem Gebiet auf Dauer ausschließt und dies auch für jedermann erkennbar ist, so endet auch hier die Eigenschaft der Bahnanlage als öffentliche Sache. Dies geschieht aber nicht aufgrund des mangels öffentlicher Bekanntgabe niemals wirksam gewordenen Entwidmungsverfügung, sondern entsprechend den Voraussetzungen der faktischen Entwidmung.“24 4. Die Regelung durch § 23 AEG (2005) Der Gesetzgeber hat im Jahr 2005 die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes explizit aufgegriffen25 und mit Bezug auf die Grundsatzentscheidung des BVerwG das Verfahren zur Freistellung von Bahnbetriebszwecken mit der Neufassung des § 23 AEG geregelt26. Nach Abs. 1 stellt 21 Schmitz-Valckenberg, a.a.O., S. 162 f. m.w.N. 22 Kunath, a.a.O., S. 117 m.w.N. 23 Schmitz-Valckenberg, a.a.O., S. 162 m.w.N. 24 Schmitz-Valckenberg, a.a.O., S. 170 m.w.N. 25 BT-Drucksache 15/4419, S. 18. 26 Eingef. durch Art. 1 Nr. 11a Gesetz v. 27.4.2005, BGBl. I, S. 1138 m. W. v. 30.4.2005. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 101/18 Seite 9 die zuständige Planfeststellungsbehörde für Grundstücke, die Betriebsanlage einer Eisenbahn sind oder auf dem sich Betriebsanlagen einer Eisenbahn befinden, auf Antrag des Eisenbahninfrastrukturunternehmens , des Eigentümers des Grundstücks oder der Gemeinde, auf deren Gebiet sich das Grundstück befindet, die Freistellung von den Bahnbetriebszwecken fest, wenn kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist. Gemäß Abs. 3 ist Satz 1 die Entscheidung über die Freistellung dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen, dem Eigentümer des Grundstücks und der Gemeinde, auf deren Gebiet sich das Grundstück befindet, zuzustellen. Zwar wird dem Gesetzgeber vereinzelt vorgeworfen, dass er bei der Freistellung von Bahnbetriebszwecken Rechtsfolgen miteinander vermischt und so insgesamt für einige dogmatische Unklarheiten gesorgt habe.27 Es wird aber auch vertreten, dass mit der Novellierung die eisenbahnrechtliche Widmung von Bahnanlagen „abgeschafft“ worden sein soll.28 Damit wäre auch für das Institut der faktischen Entwidmung bezüglich Bahnbetriebsanlagen kein Raum mehr. In der Praxis kommt mit dem neuen § 23 AEG dem Instrument der Entwidmung keine besondere Bedeutung mehr zu.29 Das Rechtsinstitut der „Widmung“ hat jedenfalls nach der Änderung der eisenbahnrechtlichen Vorschriften nicht mehr dieselbe Wirkung wie zuvor.30 Der Grund ist, dass dessen Funktion die Freistellung nach § 23 AEG übernommen hat, die nunmehr eine Kodifikation des Instituts der Entwidmung im Bereich des Eisenbahnrechts darstellt und so einen Rückgriff auf das allgemeine Rechtsinstitut insoweit entbehrlich macht.31 In der Rechtsprechung wird teilweise (noch) von einem in § 23 AEG geregelten „Entwidmungsverfahren “ gesprochen.32 Auch das spricht gegen die Möglichkeit einer faktischen Entwidmung, denn wenn es ein spezielles Verfahren gibt, bleibt für Entwidmungen außerhalb des Verfahrens eigentlich kein Raum mehr. Der Gesetzgeber hat ein Verfahren vorgeben, auch in Kenntnis der Theorie der faktischen Entwidmung, diese aber eben nicht geregelt. In der jüngsten Kommentierung des § 23 AEG wird salvatorisch zur Widmung und Entwidmung ausgeführt:33 „Der Streit um die Frage, ob durch § 23 das Konzept der Widmung/Entwidmung obsolet geworden ist oder - umgekehrt - bestätigt wurde, sollte nicht überbewertet werden. Denn 27 Kramer, in: Kunz/Kramer, AEG § 23 Rn. 4. 28 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 326. 29 Hermes, in: Beck’scher AEG-Kommentar, § 23 Rn. 9. 30 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 9. Juli 2013, – 22 B 13.475 –, Rn. 21, juris. 31 Hermes, in: Beck’scher AEG-Kommentar, § 23 Rn. 9. 32 Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 10. Januar 2017, – 2 A 142/15 –, Rn. 35, juris. 33 Hermes, in: Beck’scher AEG-Kommentar, § 23 Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 101/18 Seite 10 weitgehende Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass die frühere Entwidmung durch die Freistellung nach § 23 ersetzt wurde. Differenzen im Hinblick auf den Akt, der durch die Freistellung beseitigt wird (Widmung oder Planfeststellung), betreffen - soweit nur Altfälle , die aber auf der Grundlage des einschlägigen Überleitungsrechts den Grundstücken mit planfestgestellten Anlagen gleichzustellen sind. […] Entscheidend ist jenseits terminologischer Fragen, dass nunmehr § 23 die maßgeblichen Vorgaben für die „Entwidmung“ zu entnehmen sind.“ 5. Fazit Schon vor der Schaffung des neuen § 23 AEG konnte man mangels praktischer Beispiele davon ausgehen, dass es sich bei der Entwidmung aufgrund dauernder Funktionslosigkeit um eine eher theoretische Kategorie handelt.34 Mit der 3. Novelle des Allgemeinen Eisenbahngesetzes ist der Raum für eine faktische Entwidmung noch kleiner geworden, wenn nicht gar verschwunden. Praxisrelevanz hat das Institut im Eisenbahnrecht jedenfalls nicht mehr. *** 34 Kraft, Bauleitplanung und Fachplanung, BauR 1999, 829 [839].