© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 – 098/20 Hinweise zu §§ 4 bis 6 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 098/20 Seite 2 Hinweise zu §§ 4 bis 6 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) Aktenzeichen: WD 5 - 3000 – 098/20 Abschluss der Arbeit: 9. September 2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 098/20 Seite 3 Diese Arbeit dient einer Klärung der Vorgaben von §§ 4 bis 6 AWG1 im Außenwirtschaftsverkehr. Die zugrunde liegende Fragestellung wird damit unter anderem aufgrund ihrer zeitlich engen Vorgaben nur kursorisch beantwortet. Unter „Außenwirtschaftsverkehr“ versteht das AWG dabei den Güter-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstigen Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland sowie den Verkehr mit Auslandswerten und Gold zwischen Inländern (Legaldefinition). Der Außenwirtschaftsverkehr ist grundsätzlich frei (§ 1 Abs. 1 AWG). Diemer schreibt hierzu: „§ 1 Abs. 1 enthält in Übereinstimmung mit den Liberalitätsgrundsätzen des EU-Außenwirtschaftsrechts und des WTO-Übereinkommens (…) den Grundsatz der Freiheit des Außenhandelsverkehrs . Dieser unterliegt nur den Beschränkungen, die dieses Gesetz oder Rechtsverordnungen enthalten, die auf Grund dieses Gesetzes ergangen sind (…).“2 § 4 AWG lautet wie folgt: „§ 4 Beschränkungen und Handlungspflichten zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und der auswärtigen Interessen (1) Im Außenwirtschaftsverkehr können durch Rechtsverordnung Rechtsgeschäfte und Handlungen beschränkt oder Handlungspflichten angeordnet werden, um 1. die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten , 2. eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhüten, 3. eine erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu verhüten, 4. die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union zu gewährleisten, 4a. die öffentliche Ordnung oder Sicherheit in Bezug auf Projekte oder Programme von Unionsinteresse im Sinne von Artikel 8 der Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union (ABl. L 79 I vom 21.3.2019, S. 1) zu gewährleisten oder 5. einer Gefährdung der Deckung des lebenswichtigen Bedarfs im Inland oder in Teilen des Inlands entgegenzuwirken und dadurch im Einklang mit Artikel 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen. (2) Ferner können im Außenwirtschaftsverkehr durch Rechtsverordnung Rechtsgeschäfte und Handlungen beschränkt oder Handlungspflichten angeordnet werden, um 1. Beschlüsse des Rates der Europäischen Union über wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik umzusetzen, 1 Außenwirtschaftsgesetz vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S. 1482), zuletzt geändert durch Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Gesetze vom 10.7.2020 ( BGBl. I S. 1637). 2 Diemer in: Erbs/Kohlhaas/Diemer, AWG, 231. EL Juli 2020, § 1 AWG, Rdnr. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 098/20 Seite 4 2. Verpflichtungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union durchzuführen, die in unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Union zur Durchführung wirtschaftlicher Sanktionsmaßnahmen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vorgesehen sind, 3. Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen umzusetzen oder 4. zwischenstaatliche Vereinbarungen umzusetzen, denen die gesetzgebenden Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes zugestimmt haben. (3) Als Beschränkung nach den Absätzen 1 und 2 gilt die Anordnung von Genehmigungserfordernissen oder von Verboten. (4) Beschränkungen und Handlungspflichten sind nach Art und Umfang auf das Maß zu begrenzen , das notwendig ist, um den in der Ermächtigung angegebenen Zweck zu erreichen. Sie sind so zu gestalten, dass in die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung so wenig wie möglich eingegriffen wird. Beschränkungen und Handlungspflichten dürfen abgeschlossene Verträge nur berühren, wenn der in der Ermächtigung angegebene Zweck erheblich gefährdet wird. Sie sind aufzuheben, sobald und soweit die Gründe, die ihre Anordnung rechtfertigten , nicht mehr vorliegen.“ § 6 AWG ermöglicht auch einen Einzeleingriff. Die Vorschrift lautet: „§ 6 Einzeleingriff (1) Im Außenwirtschaftsverkehr können auch durch Verwaltungsakt Rechtsgeschäfte oder Handlungen beschränkt oder Handlungspflichten angeordnet werden, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die in § 4 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, genannten Rechtsgüter abzuwenden. Insbesondere können 1. die Verfügung über Gelder und wirtschaftliche Ressourcen bestimmter Personen oder Personengesellschaften oder 2. das Bereitstellen von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen zu Gunsten bestimmter Personen oder Personengesellschaften beschränkt werden. (1a) Ein Verwaltungsakt nach Absatz 1 darf öffentlich bekannt gegeben werden. Die öffentliche Bekanntgabe wird durch Veröffentlichung des Verwaltungsakts im Bundesanzeiger bewirkt . Der Verwaltungsakt wird mit dieser Veröffentlichung wirksam. (2) Die Anordnung tritt sechs Monate nach ihrem Erlass außer Kraft, sofern die Beschränkung oder Handlungspflicht nicht durch Rechtsverordnung vorgeschrieben wird. Satz 1 gilt nicht für einen Verwaltungsakt nach Absatz 1 Satz 2, soweit durch Nebenbestimmungen eine abweichende Geltungsdauer bestimmt ist. (3) § 4 Absatz 3 und 4 und § 5 Absatz 5 gelten entsprechend.“ Auch § 6 AWG setzt dabei eine (im Einzelfall) bestehende Gefahr für die in § 4 Abs. 1 AWG, auch in Verbindung mit Abs. 2, genannten Rechtsgüter voraus. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 098/20 Seite 5 Auf die einzelnen Schutzgüter des § 4 Abs. 1 AWG wird im Kommentar wie folgt eingegangen: Wesentliche Sicherheitsinteressen „sind insbesondere dann gefährdet, wenn die sicherheitspolitischen Interessen oder die militärische Sicherheitsvorsorge der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden können.“3 Zum Verständnis des Schutzguts der Verhütung einer Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker schreibt Diemer, als Schutzgut kämen nicht nur zwischenstaatliche Konflikte sondern auch Konflikte zwischen verschiedenen Ethnien innerhalb eines Staates in Frage. Andere innerstaatliche Auseinandersetzungen seien indes nicht vom Schutzgut erfasst.4 Mit dem Schutz der auswärtigen Beziehungen sollen „die gemeinsamen Interessen geschützt werden, die die Bundesrepublik Deutschland mit befreundeten Staaten verbindet und die es ihr ermöglichen, ihre eigenen Interessen im Verkehr mit allen übrigen Staaten durchzusetzen.“5 Mit Regelungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines anderen EU-Mitgliedstaates sind „unerlässliche Maßnahmen zur Verhinderung etwa von Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechtsund Verwaltungsvorschriften (…)“ gemeint.6 Beim Schutz vor einer Gefährdung der Deckung des lebenswichtigen Bedarfs im Inland oder in Teilen des Inlands spielt der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen eine Rolle. „Dementsprechend wird es sich beim lebenswichtigen Bedarf nicht um jede Bequemlichkeit, sondern um einen Bedarf zum Schutz von Gesundheit und Leben handeln, wenngleich er hierfür nicht erst unerlässlich sein muss.“7 Schließlich regelt § 5 AWG den Gegenstand möglicher Beschränkungen. Die Vorschrift lautet: „§ 5 Gegenstand von Beschränkungen (1) Beschränkungen oder Handlungspflichten nach § 4 Absatz 1 können insbesondere angeordnet werden für Rechtsgeschäfte oder Handlungen in Bezug auf 1. Waffen, Munition und sonstige Rüstungsgüter sowie Güter für die Entwicklung, Herstellung oder den Einsatz von Waffen, Munition und Rüstungsgütern; dies gilt insbesondere dann, wenn die Beschränkung dazu dient, in internationaler Zusammenarbeit vereinbarte Ausfuhrkontrollen durchzuführen, 2. Güter, die zur Durchführung militärischer Aktionen bestimmt sind. 3 Diemer in: Erbs/Kohlhaas/Diemer, AWG, 231. EL Juli 2020, § 4 AWG, Rdnr. 2. 4 Diemer in: Erbs/Kohlhaas/Diemer, AWG, 231. EL Juli 2020, § 4 AWG Rdnr. 3-5. 5 Diemer in: Erbs/Kohlhaas/Diemer, AWG, 231. EL Juli 2020, § 4 AWG, Rdnr. 6. 6 Diemer in: Erbs/Kohlhaas/Diemer, AWG, 231. EL Juli 2020, § 4 AWG, Rdnr. 8. 7 Diemer in: Erbs/Kohlhaas/Diemer, AWG, 231. EL Juli 2020, § 4 AWG, Rdnr. 9. § 4 Abs. 1 Ziffer 4a ist erst durch die Gesetzesänderung im Juli 2020 eingefügt worden und noch nicht kommentiert . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 098/20 Seite 6 (2) Beschränkungen oder Handlungspflichten nach § 4 Absatz 1 Nummer 4 können insbesondere angeordnet werden in Bezug auf den Erwerb inländischer Unternehmen oder von Anteilen an solchen Unternehmen durch unionsfremde Erwerber, wenn infolge des Erwerbs die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 4 gefährdet ist. Dies setzt voraus, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Unionsfremde Erwerber aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation stehen unionsansässigen Erwerbern gleich. (3) Beschränkungen oder Handlungspflichten nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 können insbesondere angeordnet werden in Bezug auf den Erwerb inländischer Unternehmen oder von Anteilen an solchen Unternehmen durch Ausländer, um wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten, wenn die inländischen Unternehmen 1. Kriegswaffen oder andere Rüstungsgüter herstellen oder entwickeln oder 2. Produkte mit IT-Sicherheitsfunktionen zur Verarbeitung von staatlichen Verschlusssachen oder für die IT-Sicherheitsfunktion wesentliche Komponenten solcher Produkte herstellen oder hergestellt haben und noch über die Technologie verfügen, wenn das Gesamtprodukt mit Wissen des Unternehmens vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zugelassen wurde. Dies gilt insbesondere dann, wenn infolge des Erwerbs die sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder die militärische Sicherheitsvorsorge gefährdet sind. (4) Beschränkungen oder Handlungspflichten nach § 4 Absatz 1 Nummer 5 können auch angeordnet werden in Bezug auf Güter, die nicht in Absatz 1 genannt sind. Dies setzt voraus , dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. (5) Beschränkungen oder Handlungspflichten nach § 4 Absatz 1 können auch angeordnet werden in Bezug auf Rechtsgeschäfte oder Handlungen Deutscher im Ausland, die sich auf Güter im Sinne des Absatzes 1 einschließlich ihrer Entwicklung und Herstellung beziehen .“ Bereits die Formulierung „insbesondere“ in den Absätzen 1 bis 3 legt nahe, dass es sich um eine beispielhafte Aufzählung handelt. Im Ergebnis müssen die gemeinwohlorienterten Beschränkungen sich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit messen lassen und sind nur bei Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit dem Grundrecht auf Berufsausübung und der Eigentumsgarantie vereinbar.8 *** 8 Diemer in: Erbs/Kohlhaas/Diemer, AWG, 231. EL Juli 2020, § 5 AWG, Rdnr. 1.