© 2019 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 094/19 Investitionen entlang Chinas „Neuer Seidenstraße“ Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 094/19 Seite 2 Investitionen entlang Chinas „Neuer Seidenstraße“ Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 094/19 Abschluss der Arbeit: 28.10.2019 Fachbereich: WD 5 Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 094/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Quellenlage 4 2.1. Arbeiten der Fachbereiche 4 2.2. Ergänzende Studien 4 2.3. Weitere Veröffentlichungen 9 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 094/19 Seite 4 1. Einleitung Bezug nehmend auf die kürzlich erschienene Studie der Bertelsmann Stiftung „Was der Westen entlang Chinas neuer Seidenstraße investiert“1 gibt die vorliegende Arbeit einen Überblick zu europäischen und chinesischen Finanzhilfen entlang der von China betriebenen One Belt One Road-Initiative anhand bereits vorhandener Arbeiten, einer Dokumentation des Fachbereichs WD 5 und einer Kurzinformation des Fachbereichs PE 6 sowie weiterer recherchierter Quellen. 2. Quellenlage 2.1. Arbeiten der Fachbereiche Die bereits vorliegende Dokumentation des Fachbereichs WD 5 gibt einen Überblick zu Kooperationen von EU-Mitgliedsländern sowie potenziellen EU-Kandidatenländern im Rahmen des von China avisierten Projekts der „Neuen Seidenstraße“ (One Belt One Road-Initiative), einem Mammutprojekt , das Ost und West über massiven Infrastrukturausbau miteinander verbinden und zu einer riesigen Wirtschaftszone zwischen Asien und Europa führen soll. Die Ausführungen stützen sich hierbei auf diverse Quellen, insbesondere auf umfangreiche Informationen der Germany Trade & Invest (GTAI) Außenwirtschaftsagentur der Bundesrepublik Deutschland, die im Weiteren dargestellt werden (WD 5 - 3000 - 039/19): https://www.bundestag.de/resource/blob/645070/4d446892b50ce7bfae99fbea00dfeaf4/WD-5- 039-19-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 25.10.2019) Der Fachbereich PE 6 hat sich in einer Kurzinformation zur Haltung der Europäischen Union zum chinesischen Investitionsprojekt gesondert geäußert (PE 6 - 3000 - 032/19): https://www.bundestag.de/resource/blob/646534/31702297128ebf832b2cfdaa42d17257/PE-6- 032-19-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 25.10.2019) 2.2. Ergänzende Studien Die Deutsche Welle (DW) verweist in einer Kolumne auf eine Studie des paneuropäischen Rechenetzwerks „Investigate Europe“: „Laut dem paneuropäischen Recherchenetzwerk "Investigate Europe", zu dem auch Journalisten des Berliner "Tagesspiegel" zählen, gibt es bislang keine Belege für wirtschaftliche Schäden oder extreme Abhängigkeiten durch die Neue Seidenstraße. Im Gegenteil: Die Investitionen hätten bislang vor allem positive Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft 1 Bertelsmann-Stiftung, 2019, Was der Westen entlang Chinas neuer Seidenstraße investiert Ein Vergleich westlicher und chinesischer Finanzströme. https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Seidenstr _dt_2019_final.pdf (letzter Abruf: 25.10.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 094/19 Seite 5 und den Arbeitsmarkt gehabt, lautet die Zusammenfassung der Recherchen vor Ort. Vielen Unternehmen, die von chinesischen Investoren teilweise oder ganz übernommen wurden , ginge es heute besser als vorher.“2 Link zur zitierten Studie: Investigate Europe, 2019, Does Chinese investment in Europe come at too high a price? https://www.investigate-europe.eu/publications/china-rescuer-or-rival/?portfolio- Cats=55%2C63 (letzter Abruf: 25.10.2019) Außerdem führt die DW zu der, die Recherche auslösenden, Studie der Bertelsmann-Stiftung weiter aus: „Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, erstellt von renommierten Spezialisten der Universität Duisburg-Essen, kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dass in vielen Ländern entlang der Seidenstraße deutlich mehr westliches als chinesisches Geld fließt. Die Wissenschaftler verglichen die chinesischen Finanzströme mit denen aus europäischen Entwicklungshilfetöpfen , der Weltbank sowie aus den Staaten der Industrieländerorganisation OECD in 25 Empfängerstaaten. Zwischen 2013 und 2017 seien demnach insgesamt rund 290 Milliarden Dollar aus westlichen Quellen geflossen, während China aus rund 285 Milliarden Dollar kamen. Allerdings ist das Engagement Chinas gemessen an der relativen Wirtschaftskraft schon knapp vier Mal größer als das westliche. Trotzdem lässt sich die Behauptung, China würde dem Westen weltweit das Wasser abgraben , nicht halten. Zumal die westlichen Gelder zwar dezentraler, aber konstanter fließen, als die chinesischen. Für die meisten der Empfängerstaaten seien die Gelder aus dem Westen gemessen an der Größe der Wirtschaft und des Staatshaushalts viel bedeutender als die chinesischen. Nur für fünf Länder war China in dem genannten Zeitraum der wichtigere Partner“3: Luba von Hauff erläuterte bereits 2018 in der Analyse „Chinas Seidenstraßeninitiative und die EU“ wie folgt: „Auf den ersten Blick erscheint der wirtschaftliche und politische „Vorstoß“ Pekings in die Peripherie der Europäischen Union durchaus bedrohlich – China kauft Häfen auf und baut Eisenbahntrassen, lagert Überkapazitäten aus und umgeht europäische Zölle. Darüber hinaus verfolgt es wirksam politische Ziele und scheint die Einigkeit der EU auf internationaler Ebene erfolgreich zu untergraben. Gleichzeitig zeigt eine nüchterne Bewertung von Chinas Engagement in den Randgebieten Europas doch, dass trotz eines klar wahrnehmbaren Bedrohungspotenzials auch Chancen bestehen, die, wenn sie vernünftig genutzt werden, so gesteuert werden können, dass sie die Herausforderungen aufwiegen. So mag der Umfang von Chinas Engagement im Bereich der Infrastruktur zwar erheblich erscheinen, jedoch steckt seine tatsächliche wirtschaftliche Präsenz in den BRI-Staaten – 2 Deutsche Welle (DW), 2019, KOLUMNE: Sierens China: Straße im Nebel. https://www.dw.com/de/sierens-china-stra%C3%9Fe-im-nebel/a-50501538 (letzter Abruf: 25.10.2019) 3 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 094/19 Seite 6 mit Ausnahme Griechenlands – noch in den Kinderschuhen. Bisher sind die Investitionen in den MOE-Ländern überraschend niedrig und betrugen in den Jahren 2016 und 2017 lediglich 3 % bzw. 2 % der Gesamtinvestitionen Chinas in der EU (wobei 75 % derselben in die großen westeuropäischen Volkswirtschaften, insbesondere in das Vereinigte Königreich , nach Deutschland und Frankreich, flossen). So haben die MOE-Staaten anstelle des versprochenen, groß angelegten wirtschaftlichen Engagements in den letzten Jahren ein Vakuum erfahren müssen, das sich aus der Vielzahl der Ankündigungen hinsichtlich neuer Infrastrukturprojekte unter der Ägide der BRI einerseits und dem tatsächlichen Stillstand bei deren Umsetzung andererseits ergibt. Wie Eder und Mardell zeigen, sind in den MOE-Ländern „die meisten der versprochenen Infrastrukturmittel bislang ausgeblieben “, während nur ein Bruchteil der „angekündigten Geschäfte“ tatsächlich vor Ort abgeschlossen wurde. Dort, wo sie nicht ausgeblieben sind, haben sich „Investitionen“ in die Infrastruktur zudem als Euphemismus erwiesen: Die meisten Infrastrukturprojekte der BRI in den 16+1- Staaten werden von chinesischen Banken und staatlichen Fonds durch nicht zinsfreie Darlehen finanziert, was die Gefahr einer Staatsschuldenfalle erhöht. Dies trifft vor allem auf die kleineren Nicht-EU-Volkswirtschaften in der MOE-Region wie Montenegro und Bosnien Herzegowina zu, betrifft jedoch auch EU-Mitgliedstaaten. Ein Paradebeispiel ist Ungarn, wo der ungarische Teil der Eisenbahnstrecke Belgrad-Budapest (im Wert von etwa 3 Mrd. US$) durch eine 85-Prozent-Finanzierung der staatlichen chinesischen ExIm Bank finanziert wird. Aufgrund der strengen Vorschriften der EU zur Staatsverschuldung sind solche Darlehen schwer mit EU-Recht zu vereinen. Entsprechend leitete die Europäische Kommission Anfang 2017 daher ein Verfahren gegen Ungarn ein, bei dem nicht nur die finanzielle Tragfähigkeit der oben genannten Eisenbahnverbindung, sondern auch die Einhaltung der EU-Gesetzgebung durch die Regierung bei der Vergabe des Auftrags an die China International Railway Corporation geprüft wurde. Zwar ist die Untersuchung mittlerweile abgeschlossen, die Ausschreibung wurde erneut eingereicht und der serbische Teil des Projekts befindet sich bereits im Bau. Dennoch bleibt Pekings Flaggschiff-Eisenbahnprojekt umstritten. Diese mangelnde Zuverlässigkeit, die Problematik einer möglichen finanziellen Notlage (und Abhängigkeit) sowie das Konfliktpotenzial von BRI-Projekten innerhalb der EU haben das Potenzial, künftig das Image der BRI als „Win-Win-orientiertes“ Entwicklungsprojekt „zum allseitigen Nutzen“ zu schädigen, denn solche Umstände schrecken sogar die größten Befürworter ab. Gleichzeitig (und derselben „Empfänglichkeit durch Spaltung“-Logik folgend) könnten diese Schwierigkeiten jedoch auch die Attraktivität der EU in der MOE Region (und darüber hinaus) wiederbeleben, da sie daran erinnern, woher der Großteil der regionalen Investitionen und Gelder tatsächlich kommt. Zwar mögen die Mittel der BRI für die Infrastrukturentwicklung umfangreich erscheinen , doch im Vergleich zu den Investitionen der westlichen EU-Mitglieder in der Region und zu denen der europäischen Struktur und Investitionsfonds sind sie gering. Was erstere betrifft, so ist die EU mit über 70 % der gesamten ADI in MOE- und den westlichen Balkanstaaten in beiden Regionen traditionell die größte Quelle für ADI. Was letztere betrifft, so verfügen die Entwicklungs-, Regional- und Kohäsionsfonds der EU im Zeitraum 2014-2020 über insgesamt 351,8 Mrd. €. Im letzten Jahrzehnt haben diese Fonds erheblich zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung der MOE-Länder beigetragen, indem sie für die Transportinfrastruktur, den Umweltschutz, die Stärkung des regionalen Wettbewerbs und die soziale Kohäsion verwendet wurden. Diese Entwicklung wird sich auch in Zukunft fortsetzen: Die MOE-Länder und Griechenland werden weiter die wichtigsten Empfänger der diversen Fonds bleiben, sind doch in der Haushaltsperiode 2014- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 094/19 Seite 7 2020 mehr als 160 Mrd. € für sie vorgesehen – Geld, das der Erleichterung der postsozialistischen Übergangsphase und Erholung nach der Krise in den zwölf betroffenen Ländern dienen soll. Daher mag der „Vorstoß“ der BRI auf den ersten Blick zwar groß und attraktiv erscheinen, tatsächlich ist er, zumindest aus rein ökonomischer Sicht, jedoch kleiner und weniger anziehend, als er scheint. Im komplexeren politischen Bereich verhält sich die Sache allerdings anders. Noch einmal: Der normativ alternative Teil des BRI-Entwicklungsmodells kann sich nur dann voll entfalten, wenn bereits interne normative, politische oder wirtschaftliche Verwerfungslinien bestehen, d. h. in Fällen, in denen die Frustration eines Mitgliedstaats mit dem normsetzenden Kern schwerer wiegt als der Wunsch, zur Europäischen Union zu gehören. Dies impliziert, dass Chinas politisches Einflusspotenzial von der internen Beziehungsdynamik zwischen den Kern- und Peripherieländern und von der daraus folgenden Empfänglichkeit vor Ort abhängt. Letztere bestimmt, bis zu welchem Grad die BRI politisch Einfluss nehmen kann, d. h. ob es ihr gelingen wird, die MOE-Länder und Griechenland von der EU zu entfremden und somit die liberale Haltung der Europäischen Union zu unterwandern.“4 Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik bemerkt in einem 2019 erschienenen Arbeitspapier zu Chinas 16+1-Kooperation mit Osteuropa wie folgt: „Viele chinesische Investitionsversprechen in Osteuropa sind bisher jedoch genau das: Versprechen. Auf der Hochgeschwindigkeitslinie zwischen Belgrad und Budapest etwa ist noch kein einziger Zug gefahren. Als das Projekt 2014 auf dem 16+1-Gipfel in Belgrad ins Leben gerufen wurde, war eine Fertigstellung bis Mitte 2017 angepeilt. Tatsächlich hatte im Sommer noch nicht einmal der Bau begonnen; Spatenstich war im November 2017 in Serbien. Auf ungarischer Seite wird mit einer Fertigstellung bis 2023 gerechnet, nachdem das Projekt mit EU-Regeln für öffentliche Ausschreibungen kollidiert war. Das Flaggschiff der 16+1-Kooperation droht zu sinken. Auch sonst machen chinesische Investitionen nur einen kleinen Teil des Investitionsvolumens in die 16 Staaten aus. In Ungarn, das sich als „Flaggschiff der Kooperation zwischen China und Mitteleuropa“ bezeichnet, stammten 2016 nur 2,4 Prozent des ausländischen Kapitals aus China. Rund zwei Drittel kamen laut OECD aus EU-Staaten, 15,3 Prozent aus den USA. In Polen und Tschechien machten chinesische Investitionen 2017 nicht einmal ein Prozent der Gesamtmasse aus. Die chinesischen Investitionen, die kommen, sind laut einem Bericht des European Council on Foreign Relations häufig Firmenübernahmen und Investitionen in Infrastruktur. Neugründungen , die neue Arbeitsplätze schaffen würden, sind seltener darunter. Als Handelspartner hat China zwar für die meisten der 16 an Bedeutung gewonnen. Das Reich der Mitte ist die weltweit größte Exportnation, und auch die 16 importieren kräftig. Als Druckmittel taugt das allerdings nur bedingt. Zum einen machten Importe aus China in den meisten Staaten nur einen relativ geringen Prozentsatz aus. In Ungarn waren es 2017 laut Daten der Weltbank 5 Prozent; Spitzenreiter war Tschechien mit knapp 13 Prozent. Zum anderen importierten die 16 vor allem Konsumgüter, Elektronik und Maschinenteile – also nichts, was so schwer zu ersetzen wäre wie etwa seltene Rohstoffe. Auch als Exportmarkt ist China in keinem der 16 Staaten dominant. Für Ungarn stand China 2018 laut Daten 4 Luba von Hauff, 2018, Chinas Seidenstraßeninitiative und die EU, Hans Seidel Stiftung, Aktuelle Analysen 68, S. 18 ff.. https://www.hss.de/download/publications/AA_68__Seidenstrasseninitiative.pdf (letzter Abruf: 25.10.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 094/19 Seite 8 des Internationalen Währungsfonds nur an zwanzigster Stelle der Abnehmer. Unter die Top Ten schaffte der asiatische Staat es nur in Albanien, Bulgarien und Montenegro. Zum Teil sind daran chinesische Restriktionen schuld. Polen etwa versucht seit Jahren, den Zugang für seine landwirtschaftlichen Produkte zum chinesischen Markt zu verbessern. Entsprechend groß ist die Unzufriedenheit in manchen der 16 Hauptstädte. Beim Gipfel in Sofia fehlten denn auch zwei Staatsoberhäupter: Litauen schickte stattdessen seinen Finanzminister , Polen seinen Vize-Premier. Der litauische Staatschef war entschuldigt – der baltische Staat feierte das hundertjährige Jubiläum seiner Unabhängigkeit. Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki hingegen ging lieber auf das Pilgerevent eines konservativen Radiosenders als sich mit seinem chinesischen Amtskollegen zu treffen. „Polen versuchte, eine Führungsrolle in 16+1 zu spielen“, analysierte im Januar 2019 auch die chinesische Global Times, „zog sich aber zurück, als das Format seine Erwartungen enttäuschte .“ Laut Reuters hatten auch die Slowakei und Rumänien im Vorfeld des letzten Gipfels Unmut bekundet. In der Slowakei gebe es derzeit überhaupt keine großen Investitionen , und in Rumänien hätte der Bau zweier Atomreaktoren seit 2015 keine Fortschritte gemacht.“5 Die Ausführungen von Gabriel Felbermayr/Moritz Goldbeck/Alexander Sandkamp in einer Publikation des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (ifw Kiel), dem im April 2019 erschienenen Kiel Policy Brief, gehen in eine ähnliche Richtung: „Chinesische ausländische Direktinvestitionen haben in den letzten zehn Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Während Investitionen (Baukontrakte) im Jahr 2005 jeweils gerade einmal 10 Mrd. US-Dollar (9 Mrd. US-Dollar) betrugen, waren es im Jahr 2017 bereits 177 Mrd. US-Dollar (103 Mrd. US-Dollar), bevor sie im Jahr 2018 auf 105 Mrd. US-Dollar (73 Mrd. US-Dollar) absanken. Ein großer Teil dieser Transaktionen ist auf die im Jahr 2013 offiziell initiierte Belt-and-Road-Initiative zurückzuführen, allerdings sind sowohl Investitionen als auch Baukontrakte global stark verteilt. Die meisten Transaktionen finden in den Bereichen Energie und Transport, aber auch in Immobilien sowie dem Metallsektor statt. Europa hat in den letzten Jahren vor allem als Investitionsziel an Prominenz gewonnen. Die Investitionen in Unternehmen der kritischen Infrastruktur und Hochtechnologie bewegen sich hier bislang auf bescheidenem Niveau, stiegen aber in den letzten Jahren – getrieben vornehmlich durch einzelne große Transaktionen – merklich an. Das vieldiskutierte Engagement Chinas in Italien ist im Gesamtkontext bisher unbedeutend und auch in den Ländern der 16+1-Gruppe hat China nicht sonderlich stark investiert. Für Deutschland lässt sich zusammenfassen, dass sich das chinesische Investitionsvolumen in den letzten Jahren zwar signifikant erhöht hat, dies aber im Wesentlichen auch hier auf einzelne große Transaktionen zurückzuführen ist. Es ist daher übertrieben, von einer chinesischen Investitionsflut zu sprechen, in der systematisch und flächendeckend deutsche Unternehmen aufgekauft werden. Chinas vormals große Leistungsbilanzüberschüsse sind sehr deutlich geschrumpft und könnten heuer erstmals negativ werden, so 5 Bundesakademie für Sicherheitspolitik, 2019, Chinas 16+1-Kooperation mit Osteuropa: Trojanisches Pferd ohne volle Besatzung, Arbeitspapier Sicherheitspolitik, Nr. 6/2019. https://www.baks.bund.de/sites/baks010/files/arbeitspapier_sicherheitspolitik_2019_6.pdf (letzter Abruf: 25.10.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 094/19 Seite 9 dass das Land insgesamt weniger Kapital für Investitionen im Ausland hat. Möglicherweise ist der Investitionsboom schon vorüber.“6 Ergänzend wird auf das Mercator Institute for China Studies (MERICS), einem unabhängigen Thinktank mit Sitz in Berlin verwiesen, der sich als führendes europäisches Institut mit der gegenwartsbezogenen China-Forschung beschäftigt. MERICS ist eine Initiative der Stiftung Mercator . Sie analysiert die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in China und deren Bedeutung für Europa. Der von MERICS initiierte „Belt and Road Tracker“ basiert auf einer umfangreichen Datensammlung von Seidenstraßenprojekten. Er bietet fundierte Analysen zu Entwicklungen und Trends. Zur Visualisierung des Projekts wird eine Sammlung von regionalen und thematischen Karten zu Verfügung gestellt, die Umfang, Fortschritt und Rückschläge der BRI dokumentieren: Mercator Institute for China Studies (MERICS), MERICS Belt and Road Tracker. https://www.merics.org/de/bri-tracker (letzter Abruf: 25.10.2019) 2.3. Weitere Veröffentlichungen IHK München/Ifo Institut München, 2019, Megatrends im Welthandel: Die neue Seidenstraße Wachstumsregion zwischen Europa und Asien. https://www.ifo.de/DocDL/ifo-Studie_Megatrends_im_Welthandel_IHK_Impulse.pdf (letzter Abruf : 25.10.2019) SWP, 27.03.2019, China: Kooperationspartner oder Systemrivale der EU? https://www.swp-berlin.org/kurz-gesagt/2019/china-kooperationspartner-oder-systemrivale-dereu / (letzter Abruf: 25.10.2019) Euractiv, 02.09.2019, Faktencheck: Wird Europas Süden von China aufgekauft? https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/faktencheck-wird-europas-sueden-vonchina -aufgekauft/ (letzter Abruf: 25.10.2019) Spiegel online, 11.04.2019, Investitionen in Osteuropa, Chinas zweifelhafte Versprechen. https://www.spiegel.de/politik/ausland/china-und-osteuropa-wo-peking-mehr-verspricht-als-haelt -a-1262207.html (letzter Abruf: 25.10.2019) The Diplomat, 2019, China Power: Mapping China’s Investments in Europe. https://thediplomat.com/2019/03/mapping-chinas-investments-in-europe/ (letzter Abruf: 25.10.2019) Europäische Kommission, Gemeinsame Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und den Rat EU-China – Strategische Perspektiven, Straßburg, den 12.3.2019 JOIN(2019) 5 final. 6 Gabriel Felbermayr/Moritz Goldbeck/Alexander Sandkamp, Chinas ausländische Direktinvestitionen: Ein Überblick , Institut für Weltwirtschaft Kiel, Kiel Policy Brief NR. 123 | APRIL 2019. https://www.econstor.eu/bitstream/10419/195069/1/1662947224.pdf (letzter Abruf: 25.10.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 094/19 Seite 10 https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/communication-eu-china-a-strategicoutlook _de.pdf (letzter Abruf: 25.10.2019) ***