© 2018 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 094/17 Ablassen von Treibstoff im Flugverkehr Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 094/17 Seite 2 Ablassen von Treibstoff im Flugverkehr Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 094/17 Abschluss der Arbeit: 29.12.2017 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 094/17 Seite 3 1. Einleitung Der vorliegende Sachstand dient der Beantwortung von Fragen zum Ablassen von Treibstoff im Flugverkehr (Fuel Dumping) im Luftraum über Rheinland-Pfalz (Fragen 1., 2. und 5.des Auftrags ). Hinsichtlich der Fragen 3. und 4. zu den Auswirkungen des Kerosinablasses auf die menschliche Gesundheit bzw. auf die Umwelt wird verwiesen auf die Arbeiten der insoweit thematisch zuständigen Fachbereiche WD 9 (WD 9 - 3000 - 062/17) und WD 8 (WD 8 - 3000 - 049/17). Das Bundesland Rheinland-Pfalz ist aufgrund der dort gelegenen US-Militärflughäfen1 und der Nähe zum größten deutschen Verkehrsflughafen in Frankfurt am Main besonders betroffen.2 Über keinem anderen Bundesland kam es in den Jahren von 2010 bis 2017 zu mehr Ablassungsfällen von Militärflugzeugen als über Rheinland-Pfalz.3 Der Kern des Problems beim „overweight landing“ besteht darin, dass bei Langstreckenflugzeugen die höchstzulässige Startmasse (MTOW = maximum take off weight) wegen der großen Menge des benötigten Kraftstoffs über der höchstzulässigen Landemasse liegt.4 So wiegt z. B. eine Boeing 747, der so genannte „Jumbo-Jet“, leer rund 180 Tonnen und vollgetankt fast das Doppelte .5 Diese Großraumflugzeuge können nur mit einem Gewicht sicher landen, das deutlich unter dem zulässigen Startgewicht liegt. Deshalb verfügen einige wenige Flugzeugtypen (z. B. B747, A340, B777) über technische Vorrichtungen, die in besonderen Situationen einen Treibstoffschnellablass ermöglichen.6 Notwendig wird die Notfallmaßnahme in der Regel kurz nach dem Start, d. h. zu einem Zeitpunkt zu dem noch keine erhebliche Kraftstoffmenge verbraucht wurde. Bei einem Langstreckenflug kann das unter Umständen auch Stunden nach dem Abflug der Fall sein.7 1 Ramstein Air Base, Air Base Spangdahlem. 2 https://www.swr.de/swraktuell/rp/nachgefragt-zum-thema-kerosinablass-es-gibt-keine-alternative/- /id=1682/did=20275852/nid=1682/sye3rn/index.html. 3 BT-Drs. 18/9917, S. 2; https://www.welt.de/vermischtes/article170850454/Flugzeug-laesst-50-Tonnen-Kerosinueber -Rheinland-Pfalz-ab.html. 4 Stellungnahme des Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) vom 27.12.2017 auf eine entsprechende Anfrage des Fachbereichs WD 5, Az.: L 14/DA 077/17. 5 https://www.swr.de/swraktuell/rp/nachgefragt-zum-thema-kerosinablass-es-gibt-keine-alternative/- /id=1682/did=20275852/nid=1682/sye3rn/index.html; siehe auch zum A380: http://www.airliners.de/warumlandung -kerosin-antworten-cockpit/33721. 6 https://www.dfs.de/dfs_homepage/de/Flugsicherung/Glossar%20Flugsicherung/T/. Militärflugzeuge haben häufiger Ablasssysteme, https://www.austrianwings.info/2014/01/fakten-zum-fuel-dumping/. 7 https://www.austrianwings.info/2014/01/fakten-zum-fuel-dumping/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 094/17 Seite 4 Das Ablassen von Treibstoff im Flugverkehr ist seit Jahren politisch umstritten, insbesondere die Konsequenzen für Mensch und Umwelt.8 2. Wie groß ist die Menge Kerosin, die in den vergangenen Jahren über Rheinland-Pfalz abgelassen wurde, sowohl von der zivilen, als auch der militärischen Luftfahrt? Jahr Zivil Militärisch Gesamt 2010 50 32 82 2011 4159 4,5 419,5 2012 2010 2,5 22,5 2013 46611 34,5 500,5 2014 130 40 170 2015 30 16,5 46,5 2016 218,9 22,7 241,6 2017 278,7 89 367,7 Die Zahlen12 basieren auf der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage aus dem Jahr 2016 (Bundestagsdrucksache 18/9917) und Auskünften des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI).13 Die Angaben für die militärische Luftfahrt beruhen auch auf einer 8 z. B. http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/treibstoffschnellablass-das-passiert-wenn-kerosin-in-die-luftgesprueht -wird-a-1167461.html; https://www.pfaelzischer-merkur.de/welt/landespolitik/kerosinablass-landesspd -kritisiert-ignoranz_aid-6992306; http://www.fr.de/rhein-main/flugzeuge-hessen-hunderte-tonnen-kerosinabgelassen -a-733976; https://www.austrianwings.info/2014/01/fakten-zum-fuel-dumping/. 9 In 2011 wurde darüber hinaus bei einem Vorfall vom 30.11.2011 eine unbekannte Menge Treibstoff über Nordrhein -Westfalen, Hessen und Rheinland abgelassenen, BT-Drs. 18/9917, S. 4. 10 In 2012 wurde darüber hinaus bei einem Vorfall vom 11.04.2012 im Luftraum zwischen Ansbach, Mannheim und Trier eine unbekannte Menge Treibstoff abgelassenen, BT-Drs. 18/9917, S. 4. 11 In 2013 wurde darüber hinaus bei einem Vorfall vom 11.05.2013 eine unbekannte Menge Treibstoff nördlich von Ramstein abgelassenen, BT-Drs. 18/9917, S. 5. 12 Angegebene Kerosinmengen in den Rubriken „Zivil“, „Militärisch“, „Gesamt“ in Tonnen. 13 Stellungnahme des BMVI vom 27.12.2017, Az.: L 14/DA 077/17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 094/17 Seite 5 Auskunft des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg).14 Für das Jahr 2017 stehen sie unter dem Vorbehalt, dass evtl. noch Nachmeldungen erfolgen könnten. 3. Welche Gebiete waren von den unter 2. genannten Kerosinablässen betroffen? Treibstoffablässe erfolgen über großräumigen Gebieten, die weit über Kreis-, Gemeinde und Bundesländergrenzen hinausgehen. Dies macht im Regelfall eine direkte Zuordnung nach politischen Grenzen unmöglich. Mithin sind in der Tabelle auch die Treibstoffschnellablässe aufgeführt, bei denen über Rheinland-Pfalz auch nur ein Teil der angegebenen Treibstoffmenge abgelassen wurde.15 Jahr Zivil Militärisch 2010 Pfalz Ramstein, ED-R20516 2011 Eifel, Siegerland, Westerwald, Ramstein, Dreieck Idar-Oberstein - Worms-Kaiserslautern, Ramstein-Bad Dürkheim, Rechteck Trier-Ludwigshafen-Karlsruhe-Saarbrücken, Nörvenich- Büchel, Luxemburg/Wiesbaden, Nähe Hahn, Warburg/Bad Neuenahr/Nattenheim Büchel 2012 Hahn/Wiesbaden, Spangdahlem/Frankfurt/Würzburg, Ansbach /Mannheim/Trier, unbekannt 2013 Region Pfalz, Frankfurt/Hahn – Hoppstädten/Weiersbach – Alsheim, Ramstein, Montabaur – Warburg Region Pfalz 2014 bei Bitburg, bei Ramstein zwischen Mannheim und Saarbrücken 2015 Hahn – Büchel, nördlich Ramstein, Bereich Pfalz Rüdesheim – Geilenkirchen, Ramstein 2016 Bereich Eifel, Taunus-Ramstein, Pfalz, Düsseldorf-Ramstein, Nörvenich-Ramstein, 2017 Westerwald, Hahn, Pfalz, Pfälzer Wald, südwestlich Ramstein Spangdahlem-Ramstein, Ramstein 14 Stellungnahme des BMVg auf eine entsprechende Anfrage des u.a. für Verteidigung zuständigen Fachbereichs WD 2 vom 29.12.2017, Az.: -1980052-V07-. 15 Stellungnahme des BMVI vom 27.12.2017, Az.: L 14/DA 077/17. 16 Mit der aus dem militärischen Luftfahrthandbuch stammenden Bezeichnung ED-R205 wird der TRA Lauter (Temporary Reserved Airspace) definiert, ein Gebiet des unteren Luftraums zwischen der französischen Grenze im Süden, dem Rhein im Osten, Luxemburg im Westen und Eifel und Hunsrück im Norden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 094/17 Seite 6 4. Welche Alternativen bestehen zum Kerosinablass, ohne die Sicherheit der Luftfahrt zu beeinträchtigen ? Laut der Deutschen Flugsicherung (DFS) gibt es bislang zum Treibstoffschnellablass keine ernsthaft vertretbare Alternative.17 Um sicher zu landen, müssten Flugzeuge in Notlagen Gewicht in erheblichem Ausmaß reduzieren und hierzu sei das Ablassen von Kerosin die einzig vertretbare Option. Auch nach Ansicht des Bundesministeriums der Verteidigung gibt es zur Gewährleistung einer zwingend erforderlichen, sofortigen Landung keine Alternative zum Kraftstoffschnellablass.18 Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) schlägt allerdings vor, mit Biokraftstoff zu fliegen.19 * * * 17 https://www.swr.de/swraktuell/rp/nachgefragt-zum-thema-kerosinablass-es-gibt-keine-alternative/- /id=1682/did=20275852/nid=1682/sye3rn/index.html. 18 Stellungnahme des BMVg vom 29.12.2017, Az.: -1980052-V07-. 19 http://www.fr.de/rhein-main/flugzeuge-hessen-hunderte-tonnen-kerosin-abgelassen-a-733976.