© 2018 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 093/17 Rechtliche Vorgaben für das Schlachten von Tieren ohne Betäubung in ausgewählten europäischen Ländern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 093/17 Seite 2 Rechtliche Vorgaben für das Schlachten von Tieren ohne Betäubung in ausgewählten europäischen Ländern Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 093/17 Abschluss der Arbeit: 29. Januar 2018 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 093/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Estland 4 3. Frankreich 6 4. Niederlande 7 5. Polen 7 6. Schweden 8 7. Schweiz 8 8. Vereinigtes Königreich 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 093/17 Seite 4 1. Einleitung Der vorliegende Sachstand dient der Beantwortung von Fragen im Zusammenhang mit dem Schlachten von Tieren ohne Betäubung aus religiösen Gründen (Schächten) in den folgenden europäischen Ländern: Estland, Frankreich, Niederlande, Polen, Schweden, Schweiz sowie Vereinigtes Königreich. Die nachfolgend aufgeführten Informationen aus diesen Ländern basieren auf einer entsprechenden Abfrage bei den Parlamenten der genannten Länder. Sie skizzieren zum einen die jeweilige Rechtslage und sollen zum anderen erläutern, wie diese rechtlichen Vorgaben von den rechtswissenschaftlichen Fachkreisen insbesondere vor dem Hintergrund der Religionsfreiheit im jeweiligen Land beurteilt werden. 2. Estland Nach Informationen aus Estland enthält § 17 Tierschutzgesetz die maßgeblichen Regelungen für das Schlachten von Tieren aus religiösen Gründen. Die Norm lautet:1 § 17. Schlachten von Tieren aus religiösen Gründen (1) Eine in Estland eingetragene religiöse Vereinigung kann aus religiösen Gründen ein landwirtschaftliches Nutztier unter Nutzung einer besonderen Methode in Übereinstimmung mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung[2] und dieser Norm schlachten, wenn das Tier in einem Schlachthaus geschlachtet wird, dies für die Mitglieder der religiösen Vereinigung erforderlich ist und Vertreter der zuständigen Ordnungsbehörde der Schlachtung beiwohnen. (2) Ein elektrisch betäubtes oder ein unbetäubtes landwirtschaftliches Nutztier kann aus religiösen Gründen unter Berücksichtigung der religiösen Traditionen dieser religiösen Vereinigung geschlachtet werden. (3) Im Falle der Schlachtung eines landwirtschaftlichen Nutztiers ohne vorherige Betäubung muss das Tier unmittelbar nach Durchschneiden beider Halsvenen sowie Halsschlagadern unter Berücksichtigung der religiösen Traditionen dieser religiösen Vereinigung betäubt werden. (4) Die Schlachtung eines landwirtschaftlichen Nutztiers aus religiösen Gründen durch eine religiöse Vereinigung ist nur nach Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis gestattet. (5) Um die Erlaubnis für das Schlachten aus religiösen Gründen zu erhalten, hat die religiöse Vereinigung einen schriftlichen Antrag an die zuständige Behörde (Veterinary and Food Board) zu richten, der folgende Informationen beinhaltet: 1 Übersetzung durch den Verfasser. 2 Verordnung des Rates vom 24.09.2009. ABl. EU Nr. L 303 vom 18.11.2009. S. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 093/17 Seite 5 1. Art und Anzahl der zu schlachtenden Tiere sowie die Begründung für die Auswahl der Art und Anzahl; 2. Zeit und Ort der geplanten Schlachtung sowie eine Bestätigung des Schlachthauses, dass die beantragte Methode der Schlachtung vor Ort durchgeführt werden kann; 3. Beschreibung der bei der Schlachtung anzuwendenden Methode und eine Begründung, die insbesondere die Verbindung der anzuwendenden Methode mit der religiösen Tradition nachzuweisen hat; 4. Beschreibung der Art der Verwendung des Fleischs für die Mitglieder der religiösen Vereinigung. (6) Die zuständige Behörde (im Original „Veterinary and Food Board“) entscheidet über den Genehmigungsantrag innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Zugang des in Absatz 5 genannten Antrags. (7) Die zuständige Behörde (im Original „Veterinary and Food Board“) kann die Erlaubnis für die Schlachtung eines landwirtschaftlichen Nutztiers aus religiösen Gründen versagen, wenn 1. der Antragsteller die Anforderungen dieses Gesetzes nicht erfüllt; 2. die im Antrag beschriebenen Umstände nicht mit den maßgeblichen Anforderungen dieser Norm oder der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung übereinstimmen; 3. die im Antrag beschriebene Schlachtung eines landwirtschaftlichen Nutztiers ohne vorherige Betäubung in keiner Verbindung zu religiösen Traditionen der religiösen Vereinigung steht; 4. die beantragte Anzahl der zu schlachtenden landwirtschaftlichen Nutztiere angesichts der Bedürfnisse der Mitglieder der religiösen Vereinigung unverhältnismäßig hoch ist; 5. der Antrag falsche Informationen enthält. (8) Die besonderen Schlachtmethoden aus religiösen Gründen, detailliertere inhaltliche und formale Anforderungen an das Schlachten aus religiösen Gründen und Anforderungen und Verfahrensweisen für das Schlachten aus religiösen Gründen werden durch den zuständigen Minister geregelt. Nach Informationen aus Estland beinhalten die aufgrund von § 17 Abs. 8 Tierschutzgesetz erlassenen rechtlichen Vorgaben u. a. Vorschriften über den Transport und die Behandlung der zu schlachtenden Tiere, den Ablauf der Schlachtung sowie über die Beschaffenheit der Schlachtwerkzeuge . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 093/17 Seite 6 Zur Frage, wie diese Regelungen von der Rechtswissenschaft beurteilt werden, liegen keine Informationen aus Estland vor. In den Gesetzesmaterialien zum o. g. § 17 Tierschutzgesetz wird allerdings der Vorschlag von Tierschutzvereinigungen des Landes, das Schlachten unbetäubter landwirtschaftlicher Nutztiere zu verbieten, mit dem Argument abgelehnt, ein solches Verbot verstieße gegen die Religionsfreiheit. 3. Frankreich Nach Informationen aus Frankreich ist das rituelle Schlachten Regelungsgegenstand des Agrargesetzbuchs (im Original: „Code rural et de la pêche maritime“).3 Es erlaubt praktizierenden Juden und Muslimen, koscheres bzw. Halal-Fleisch zu konsumieren. Das Agrargesetzbuch enthält für das rituelle Schlachten folgende Vorgaben: - Das rituelle Schlachten zeichnet sich dadurch aus, dass die zu schlachtenden Tiere anders als bei der konventionellen Schlachtung keine vorherige Betäubung erhalten. Konkret heißt das, dass die Tiere vor der Schlachtung nicht mittels Elektroschocks betäubt werden . - Die Schlachtung darf nur in einem Schlachthof erfolgen, der vom Präfekten für die Durchführung dieser Art von Tötung zugelassen ist. Dabei kann der Schlachthof als dauerhaft oder vorübergehend eingerichtet sein, wobei letzteres das Massenschlachten von Schafen während bestimmter muslimischer Feste betrifft. - Der Schlachter (im Original: „le sacrificateur“) muss von einer Organisation genehmigt werden, die ihrerseits vom für Religionsfragen zuständigen Innenministerium auf Vorschlag des Landwirtschaftsministers genehmigt wurde. Daraus ergibt sich in der Praxis, dass das für die Schlachtung zuständige Team von bestimmten großen Moscheen oder Synagogen zugelassen worden sein muss. Dabei haben bestimmte große Synagogen eine Art Gericht (im Original: „un tribunal, ou Beth Dinh“), welches für das rituelle Schlachten verantwortlich ist. Nach Artikel 1 der Verfassung ist Frankreich eine unteilbare, bekenntnisneutrale, demokratische und soziale Republik. Nach dem Gesetz vom 9. Dezember 1905 über die Trennung von Kirche und Staat gewährleistet Frankreich die Gewissensfreiheit. Weiterhin garantiert es die freie Ausübung des Glaubens, die nur im Interesse der öffentlichen Ordnung eingeschränkt werden darf. Für das rituelle Schlachten ergeben sich aus dem Kriterium der öffentlichen Ordnung nach Informationen aus Frankreich zwei Konsequenzen: - Die rituelle Schlachtung muss den Anforderungen von Hygiene und Lebensmittelsicherheit entsprechen, welche auch für konventionelle Schlachtungen gelten. 3 Nach Informationen aus Frankreich finden sich weiterführende Aspekte zum Thema „rituelle Schlachtung“ auf der Internetseite des Ministeriums für Landwirtschaft und Ernährung. Link: http://agriculture.gouv.fr/tout-savoir -sur-labattage-rituel (letzter Abruf: 22.01.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 093/17 Seite 7 - Aus Gründen der Sicherheit von Personen dürfen rituelle Schlachtungen nicht außerhalb eines Schlachthofs durchgeführt werden. Das bedeutet insbesondere, dass massive Schlachtungen von Schafen für muslimische Feiertage nur in einem zugelassenen Schlachthof stattfinden dürfen. Von französischer Seite wird weiterhin darauf hingewiesen, dass in der französischen Öffentlichkeit eine wachsende Meinung besteht, die diese Art des Schlachtens aus Gründen des Tierwohls in Frage stellt. 4. Niederlande Nach Informationen aus den Niederlanden ist es nach Artikel 2.10 (4) Tiergesetz erlaubt, Tiere ohne vorherige Betäubung gemäß dem jüdischen oder muslimischen Ritus zu töten. Im Interesse des Schutzes der Tiere werden weitere Regeln für das Töten nach dem jüdischen oder islamischen Ritus durch eine Verordnung im Rat festgelegt. Diese Regeln können sich nach Artkel 2.10 (5) Tiergesetz unter anderem auf Folgendes beziehen: - die Art und Weise, in der Tiere getötet werden, - die Personen, die das Töten der Tiere durchführen, - die Einrichtung, Ausführung und Gestaltung von Räumen, in denen Tiere getötet werden, einschließlich der vorhandenen Einrichtungen und - die Anwesenheit eines Beamten, der gleichzeitig Tierarzt ist, und die von diesem zu erteilenden Anweisungen. Die niederländische Tierschutzpartei (Partij voor de Dieren – PvdD), die mit fünf Abgeordneten in der Zweiten Kammer des niederländischen Parlaments vertreten und im Jahr 2011 mit einem Gesetzesvorschlag zum Verbot des rituellen Schlachtens gescheitert ist, arbeitet nach eigenen Informationen an einem neuen Gesetzesvorschlag, der diese Praxis verbieten soll.4 5. Polen In Polen stellt Artikel 34 Abs. 1 Tierschutzgesetz den Grundsatz auf, dass jedes Wirbeltier nur nach vorheriger Betäubung und nur durch eine Person mit entsprechender Qualifikation getötet werden darf. Ausnahmen etwa für das Schlachten bestimmter landwirtschaftlicher Nutztiere aus religiösen Gründen etwa zur Umsetzung der in Polen durch die Verfassung garantierten Religionsfreiheit sieht das Tierschutzgesetz nicht vor. Vielmehr wird eine Verletzung des Artikel 34 Tierschutzgesetz durch Artikel 35 Abs. 1 Tierschutzgesetz unter Strafe gestellt. Nach Artikel 53 der polnischen Verfassung wird die Gewissens- und Religionsfreiheit gewährleistet . Diese Freiheit ermöglicht u. a., den individuellen Glauben durch die Ausübung religiöser Riten öffentlich oder nicht öffentlich zu praktizieren. Nach Artikel 31 Abs. 3 der polnischen Verfassung dürfen durch die Verfassung gewährte Freiheiten und Rechte nur durch Gesetz und nur dann beschränkt werden, wenn diese Beschränkung zur Gewährleistung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung in einem demokratischen Staat oder zum Schutz der Umwelt, Gesundheit 4 Informationen dazu finden sich auf der Internetseite der PvdD. Link: https://www.partijvoordedieren .nl/items/onverdoofd-ritueel-slachten (letzter Abruf: 18.01.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 093/17 Seite 8 oder öffentlichen Moral oder zum Schutz der Freiheiten und Rechte anderer Personen notwendig ist. Allerdings dürfen derartige Beschränkungen den Kernbereich der Freiheiten und Rechte nicht verletzen. Mit Urteil vom 10. Dezember 2014 stellte das polnische Verfassungsgericht fest, Artikel 34 Abs. 1 Tierschutzgesetz sei insoweit verfassungswidrig, als dass die Norm die Durchführung von Tierschlachtungen in Schlachthöfen unter Anwendung spezieller, von religiösen Zeremonien vorgeschriebener Methoden verbietet. Weiterhin sei auch Artikel 35 Abs. 1 Tierschutzgesetz insoweit verfassungswidrig, als dass die Norm die Durchführung von Tierschlachtungen in Schlachthöfen unter Anwendung spezieller, von religiösen Zeremonien vorgeschriebener Methoden unter Strafe stellt. Das Verfassungsgericht stellte weiterhin klar, dass ein absolutes Verbot ritueller Schlachtungen nicht mit der Notwendigkeit in Verbindung stünde, die Sicherheit oder öffentlichen Ordnung, die Umwelt, die Gesundheit oder die öffentliche Moral oder die Freiheiten und Rechte anderer Personen schützen zu müssen. Außerdem schreibe Artikel 31 Abs. 3 der polnischen Verfassung vor, dass Freiheitsbeschränkungen den Kernbereich der Freiheiten und Rechte nicht verletzen dürften.5 6. Schweden In Schweden ist das Schlachten von Tieren ohne Betäubung verboten. Dabei hängt die konkret anzuwendende Betäubungsmethode vom jeweiligen Tier ab. Eine für spezielle durch bestimmte religiöse Riten vorgeschriebene Schlachtmethoden mögliche Ausnahmeregelung vom Grundsatz der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung, wonach Tiere nur nach einer Betäubung getötet werden dürfen, existiert in Schweden nicht. Schlachtungen, die traditionellen orthodoxen oder koscheren Anforderungen entsprechen, sind daher in Schweden illegal. Eine gerichtliche Prüfung dieser Rechtslage ist bisher nicht erfolgt. 7. Schweiz In der Schweiz dürfen Wirbeltiere nach Artikel 178 der seit dem 1. September 2008 geltenden Tierschutzverordnung6 nur unter Betäubung getötet werden. Ist die Betäubung nicht möglich, so muss alles Notwendige unternommen werden, um Schmerzen, Leiden und Angst auf ein Minimum zu reduzieren. Die Tötung eines Wirbeltiers ist ohne Betäubung nach Artikel 178 Abs. 2 Tierschutzverordnung zulässig • bei der Jagd, • im Rahmen zulässiger Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen sowie • wenn die angewendete Tötungsmethode das Tier unverzüglich und ohne Schmerzen oder Leiden in einen Zustand der Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit versetzt. 5 Siehe dazu auch Lesser, Gabriele (2014). Schächten ist rechtens. Onlineartikel der Jüdischen Allgemeinen vom 17.12.2014. Link: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/20983 (letzter Abruf: 19.01.2018). 6 Die Tierschutzverordnung findet sich auf der Internetseite des Schweizer Bundesrats. Link: https://www.admin .ch/opc/de/classified-compilation/20080796/index.html#id-8 (letzter Abruf: 12.01.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 093/17 Seite 9 Zur Betäubung müssen die in Artikel 184 Tierschutzverordnung genannten, zugelassenen Verfahren verwendet werden. Das Entbluten mittels Durchtrennen oder Anstechen der Hauptblutgefässe im Halsbereich hat am bewusstlosen Tier zu erfolgen. Im Zusammenhang mit Änderungen der tierschutzrechtlichen Regelungen im Jahr 2001 schlug der Schweizer Bundesrat vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen Säugetiere ohne Betäubung vor dem Blutentzug geschlachtet werden könnten. Nach Informationen aus der Schweiz sollte damit den Bedürfnissen von Religionsgemeinschaften entsprochen werden, denen zwingende Vorschriften das betäubungslose Schlachten gebieten oder denen der Genuss von Fleisch von Tieren untersagt ist, die vor dem Blutentzug betäubt wurden. Der Bundesrat hat mit dem Entwurf das Ergebnis einer Güterabwägung zwischen der von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit und dem in der Bundesverfassung verankerten Tierschutz zur Diskussion gestellt. Die sich anschließende Vernehmlassung7 ergab aber, dass die überwältigende Mehrheit der Kantone und der Organisationen eine solche Ausnahmeregelung ablehnte. Nach Informationen des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds ist das rituelle Schlachten von Geflügel als Ausnahme vom generellen Betäubungszwang weiterhin erlaubt.8 8. Vereinigtes Königreich Nach Informationen aus dem Unterhaus des Parlaments ist das Schlachten landwirtschaftlicher Nutztiere ohne Betäubung im Vereinigten Königreich (UK) zulässig. Den Hintergrund bilden dabei die Verpflichtungen, die sich für das Vereinigte Königreich aus Artikel 18 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR)9, aus Artikel 18 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights – ICCPR)10 sowie aus Artikel 9 Europäische Menschenrechtskonvention11 ergeben. Diese Normen garantieren insbesondere die Religionsfreiheit. Für die Beantwortung der Frage, welche rechtlichen Vorgaben das Schlachten von landwirtschaftlichen Nutztieren im Vereinigten Königreich regeln, ist darüber hinaus die o. g. Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung sowie die darin 7 Zum Begriff siehe die Informationen auf der Internetseite des Schweizer Bundesrats. Link: https://www.admin .ch/gov/de/start/bundesrecht/vernehmlassungen.html (letzter Abruf: 12.01.2018). 8 So die Informationen auf der Internetseite des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds. Link: https://www.swissjews.ch/de/religion/koscher/schaechtverbot-in-der-schweiz/ (letzter Abruf: 12.01.2018). 9 Der Wortlaut der Allgemeinen Erklärung der Menschrechte vom 10.12.1948 ist auf der Internetseite der Vereinten Nationen abrufbar. Link: http://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf (letzter Abruf: 18.01.2018). 10 Zum Wortlaut des ICCPR siehe das Gesetz zu dem Internationalen Pakt vom 19.12.1966 über bürgerliche und politische Rechte vom 15.11.1973. BGBl. II S. 1533. 11 Der Wortlaut der Europäischen Menschenrechtskonvention findet sich auf der Internetseite des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Link: http://www.echr.coe.int/Documents/Convention_DEU.pdf (letzter Abruf : 18.01.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 093/17 Seite 10 enthaltene Möglichkeit relevant, eine vom Grundsatz, dass Tiere nur nach einer Betäubung getötet werden dürfen, abweichende Ausnahmeregelungen zu erlassen. Auch wenn die Regierung des Vereinigten Königreichs es begrüßen würde, wenn alle Tiere vor der Schlachtung aus Tierschutzgründen betäubt würden, respektiert sie die Rechte der Religionsgemeinschaften . Und so setzen die „Welfare of Animals at the Time of Killing (England) Regulations 2015“ (WATOK)12 die europarechtlichen Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung um und behalten gleichzeitig bestehende nationale Vorschriften über das religiöse Schlachten ohne vorherige Betäubung bei.13 Nach den Vorgaben der WATOK muss eine Schlachtung ohne vorherige Betäubung, die dem Verzehr durch Juden oder Muslimen dient, in einem zugelassenen Schlachthaus, einem zugelassenen Geflügelschlachthof unter amtlicher tierärztlicher Überwachung oder in einem anderweitig amtlich regulierten Geflügelschlachthof stattfinden. Schlachtungen ohne vorherige Betäubung an anderen als diesen Orten sind verboten. Zusätzliche Anforderungen an die Schlachtung von Tieren aus religiösen Gründen formuliert „Schedule 3“ der WATOK.14 Die Regelungen des „Schedule 3“ der WATOK erlauben das Schlachten ohne vorherige Betäubung nur bei Rindern, Schafen, Ziegen und Vögeln. Dabei sind nur solche Tötungshandlungen rechtskonform, die zum einen der Lebensmittelversorgung für Juden bzw. Muslime dienen und zum anderen durch einen Juden/Muslimen ausgeführt werden, der durch eine Rabbinerkommission lizensiert wurde bzw. über die entsprechenden Nachweise nach muslimischen Vorgaben verfügt. Darüber hinaus formulieren die Regelungen des „Schedule 3“ der WATOK eine Reihe von Vorgaben, die die Durchführung der Schlachtungen, die Behandlung der zu schlachtenden Tiere, die Ausstattung und Einrichtung des Schlachtorts sowie die Qualität der Schlachtwerkzeuge betreffen. Die Einhaltung dieser rechtlichen Vorgaben wird von amtlichen Tierärzten der zuständigen Behörde (im Original: „Food Standards Agency“) überwacht und erzwungen. Nach Informationen aus dem Vereinigten Königreich wird die Zulässigkeit der rituellen Schlachtung der o. g. landwirtschaftlichen Nutztiere ohne vorherige Betäubung kontrovers diskutiert. Dabei werden vor allem Argumente zum Schutz der Tiere angeführt, um die derzeit zulässige Praxis in der Zukunft zu verbieten. Darüber hinaus argumentiert die Britische Vereinigung der Tierärzte, dass 80 % des Halal-Fleisches ohnehin vor der Schlachtung betäubt werde. Die religi- 12 Der Wortlaut dieser rechtlichen Vorgaben findet sich auf der Internetseite der Regierung des Vereinigten Königreichs . Link: http://www.legislation.gov.uk/uksi/2015/1782/contents/made (letzter Abruf: 19.01.2018). Zwar gelten die WATOK lediglich in England unmittelbar. Gleichwertige Regelungen existieren aber auch in Wales und Schottland 13 Siehe dazu auch das „Explanatory Memorandum“ auf der Internetseite der Regierung des Vereinigten Königreichs . Link: http://www.legislation.gov.uk/uksi/2015/1782/contents/made (letzter Abruf: 19.01.2018). 14 Der Wortlaut des „Schedule 3“ der WATOK ist ebenfalls auf der entsprechenden Internetseite der Regierung des Vereinigten Königreichs abrufbar. Link: http://www.legislation.gov.uk/uksi/2015/1782/contents/made (letzter Abruf: 19.01.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 093/17 Seite 11 ösen Verbände wenden ihrerseits dagegen ein, dass rituelle Schlachtungen den Tieren bei richtiger Ausführung keine unnötigen Schmerzen oder Leiden zufügten. Und im Übrigen verfehlten die Betäubungen bei konventionellen Schlachtungen häufig ihre Wirkung, was ein zu beachtendes Thema sei. * * *