© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 092/20 Brandereignisse in Tierhaltungsbetrieben Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 092/20 Seite 2 Brandereignisse in Tierhaltungsbetrieben Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 092/20 Abschluss der Arbeit: 29. Oktober 2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 092/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Brandursachen 4 3. Anzahl der Brandereignisse 6 3.1. Niedersachsen 7 3.2. Nordrhein-Westfalen 8 3.3. Thüringen 9 4. Änderungsbedarf bestehender Regelungen 9 5. Auszüge aus der Anhörung in NRW 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 092/20 Seite 4 1. Fragestellung Gegenstand dieses Sachstands sind die Ursachen und die Anzahl von Brandereignissen in Tierhaltungsbetrieben in den letzten zehn Jahren, Schadenssummen und mögliche Insolvenzen der Betriebe. Ferner sind die Aufklärung über die Brandprävention, die Brandvorschriften und deren Überprüfung bzw. Kontrolle von Interesse. 2. Brandursachen Zur relativen Häufigkeit der Brandursachen in landwirtschaftlichen Betrieben finden sich Informationen in der folgenden Tabelle aus dem Forschungsbericht von Kunkelmann (2016). Sie wurde der Schadensdatenbank des Instituts für Schadensverhütung der öffentlichen Versicherer e.V. (IFS) entnommen und decken den Zeitraum 1999 bis Juli 2012 ab: Quelle: Kunkelmann (2016).1 Kunkelmann führt aus, auch wenn die Häufigkeit mit 4 Prozent bei Selbstentzündung, z. B. von Heu, vergleichsweise gering sei, so zeige sich doch, dass die Forderung von regelmäßigen Temperaturmessungen an eingelagertem Heu weiterhin wichtig sei.2 Eine weitere Tabelle zeigt die Brandschadensstatistik auf der Grundlage der Schadensstatistik des IFS für das Jahr 2015: 1 Kunkelmann, Jürgen (2016). Brandschutzforschung der Länder der Bundesrepublik Deutschland. Berichte. Effektiver , effizienter und wirtschaftlicher Brandschutz bei Massentierhaltung. Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Forschungsstelle für Brandschutztechnik. Forschungsbericht Nr. 178. Karlsruhe Dezember 2016. S. 49. https://www.ffb.kit.edu/download/IMK_Ber._Nr._178_Kunkelmann_Brandschutz_bei_Massentierhaltung.pdf. 2 S. 48. https://www.ffb.kit.edu/download/IMK_Ber._Nr._178_Kunkelmann_Brandschutz_bei_Massentierhaltung .pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 092/20 Seite 5 Quelle: Kunkelmann (2016).3 Die folgende Grafik gibt ebenfalls Auskunft über die Häufigkeit von Brandursachen auf Basis der Schadensstatistik des IFS für das Jahr 2019. Häufigste Ursache ist auch hier die Elektroinstallation mit 30 Prozent: 4 Bei aufgeklärten Brandfällen in Tierhaltungsanlagen ist die Elektrizität die häufigste Brandursache . 3 S. 49. https://www.ffb.kit.edu/download/IMK_Ber._Nr._178_Kunkelmann_Brandschutz_bei_Massentierhaltung .pdf. 4 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/759371/umfrage/brandursachen-in-deutschland/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 092/20 Seite 6 3. Anzahl der Brandereignisse Ein Bericht von Report Mainz zu Stallbränden zitiert den Brandexperten des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), wonach in Deutschland ca. 5.000 Stallbrände pro Jahr registriert würden.5 3.1. Quellenlage Belastbare Zahlen zu Brandereignissen in landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland und somit auch zur Höhe der Schadenssummen in den letzten zehn Jahren lassen sich offenbar nicht ermitteln.6 So antwortete auch die Bundesregierung am 30. März 2020 auf eine Kleine Anfrage: „Es existiert keine amtliche Statistik zu getöteten oder verletzten Tieren bei Havariefällen (ausgelöst durch Feuer, Sturm, Wasser, Stromausfall oder Ähnliches) in Tierhaltungen wie etwa Zoos, Tierparks, Zirkussen, Ställen oder privaten Tierhaltungen. Entsprechende Informationen liegen der Bundesregierung daher nicht vor.“7 Von Belang ist auch die Antwort des damaligen Parlamentarischen Staatssekretärs des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Mai 2019. Dieser antwortete auf die Frage, wie viele Tiere nach Kenntnis der Bundesregierung 2018 und 2019 aufgrund von technischen Defekten oder Bränden in Stallanlagen verendet seien, und welche besonderen Bauvorschriften oder Richtlinien zu dem Thema Brandschutz in Stallanlagen gelten würden, Folgendes: „Eigene Informationen zu entsprechenden Vorfällen und der Anzahl betroffener Nutztiere liegen der Bundesregierung nicht vor. Beim Brandschutz in Tierhaltungsanlagen greifen rechtliche Vorschriften des Bau-, Genehmigungs - und Tierschutzrechtes. Brandschutz ist Ländersache. In den Landesbauordnungen sind brandschutztechnische Anforderungen z. B. hinsichtlich der Brandschutzwände, Flucht- und Rettungswege und des 5 Report Mainz, Stallbrände in der Landwirtschaft. https://www.facebook.com/reportmainz/videos /stallbr%C3%A4nde-in-der-landwirtschaft/596397551006639/. Siehe auch Stallbrände. Wieso jedes Jahr zehntausende Tiere qualvoll verbrennen. 16.6.2020. https://www.swr.de/report/stallbraende-wieso-jedes-jahrzehntausende -tiere-qualvoll-verbrennen/-/id=233454/did=25275230/nid=233454/1xf73zf/index.html. 6 „Frag den Staat“ versuchte ebenfalls, die Anzahl der Stallbrände und die Anzahl der Tierverluste zu ermitteln, indem es u. a. eine Anfrage an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) stellte, siehe folgenden Link: https://fragdenstaat.de/anfrage/stallbrande-2019/. Die Tierschutzorganisation PETA Deutschland e.V. erstellte im August 2020 eine Chronik über Stallbrände in Deutschland, Österreich, Luxemburg und der Schweiz von Januar bis Juli 2020: https://www.peta.de/stallbraende-chronik. 7 Hervorhebung durch Verfasser des Sachstands. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Brand im Affenhaus des Krefelder Zoos in der Silvesternacht 2019 – Sicherheitsvorkehrungen in Tierhaltungsanlagen, BT-Drs. 19/18456, 01.04.2020. http://dip21.bundestag .btg/dip21/btd/19/184/1918456.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 092/20 Seite 7 Feuerwiderstandes von Bauteilen geregelt. Diese Anforderungen sind in den Ländern nicht einheitlich geregelt. Laut Musterbauordnung – die als Vorlage für die Landesbauordnungen erstellt wurde – sind bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Bei der Genehmigung von Tierhaltungsanlagen werden von den Genehmigungsbehörden in der Regel Brandschutzgutachten gefordert. In den allgemeinen Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (§§ 3 und 4) ist geregelt, dass für Haltungseinrichtungen, in denen bei Stromausfall eine ausreichende Versorgung der Tiere nicht sichergestellt ist, ein Notstromaggregat bereitstehen muss. Zusätzlich müssen in Ställen, in denen die Lüftung von einer elektrisch betriebenen Anlage abhängig ist, eine Alarmanlage und eine Ersatzvorrichtung, die bei Anlagenausfall einen ausreichenden Luftaustausch gewährleistet, vorhanden sein. Die entsprechenden Anlagen müssen in technisch erforderlichen Abständen überprüft werden.“8 Weitere Ergebnisse aus exemplarisch ausgewählten Bundesländern finden sich in den nachfolgenden Unterabschnitten. 3.2. Niedersachsen In Niedersachen besteht keine Meldepflicht von Stallbränden.9 Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport äußerte auf die Frage, wie viele Brände es in niedersächsischen Stallanlagen in den Jahren 2017 und 2018 (aufgeschlüsselt nach Landkreisen) gegeben habe: „Es besteht in Niedersachsen keine Verpflichtung, Brände von Stallbauten gezielt zu erfassen. Insofern können flächendeckend und vollumfänglich keine Aussagen zu derartigen Bränden und den Auswirkungen auf die in Stallbauten untergebrachten Tiere getätigt werden. Es wurden daher die kommunalen Gefahrenabwehrbehörden und Veterinärämter abgefragt sowie eine Recherche im Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei vorgenommen. Die Anzahl der den niedersächsischen Veterinärämtern in den Jahren 2017 und 2018 zur amtlichen Kenntnis gelangten Brände kann der anliegenden Tabelle entnommen werden. Darüber hinaus sind sowohl die von kommunaler Ebene gemeldeten als auch die von der Polizei erfassten Stallbrandereignisse ebenfalls in die Tabelle aufgenommen worden. Ausweislich einer am 08.02.2019 durchgeführten Recherche im Vorgangsbearbeitungssystem der niedersächsischen Polizei sind in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt 13 Brandstiftungen bzw. Sachbeschädigungen durch Feuer im Zusammenhang mit Stallungen In Niedersachsen erfasst worden. Diese Fälle stellen den Sachstand zum Zeitpunkt der polizeilichen Sachverhaltsaufnahme dar. Aus dem 8 Antwort auf die Frage 79 des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/105/1910535.pdf. 9 https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_05000/03001-03500/18-03443.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 092/20 Seite 8 Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei wurden diejenigen Fälle erhoben, denen ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt (unterschiedliche Formen der Brandstiftung bzw. Sachbeschädigung durch Feuer) zugrunde liegt. Zur Erhebung der Fallzahlen wurde eine Recherche zu den entsprechenden Deliktsschlüsseln im Vorgangsbearbeitungssystem vorgenommen, bei denen die Art der Örtlichkeit durch den Katalogwert ‘Stall‘ erfasst wurde. Bei diesem Katalogwert handelt es sich nicht um eine Pflichtangabe. Anzumerken ist, dass eine händische Sichtung der für die Jahre 2017 und 2018 erfassten 9 239 Brandermittlungsvorgänge hätte vorgenommen werden müssen. Zu den Angaben der Tabelle (s. Anlage) ist anzumerken, dass einzelne aller angefragte Kommunen teilweise keine Rückmeldungen gegeben haben. Eine genaue Aussage zur Gesamtzahl von Bränden in Stallungen in den Jahren 2017 und 2018 ist daher nicht möglich.“10 3.3. Nordrhein-Westfalen Im „Aktuellen Bericht der Landesregierung zum Brandschutz in Tierhaltungsanlagen in Nordrhein -Westfalen“11 vom 21. Januar 2019 findet sich die Gesamtzahl der im Rahmen der Jahresstatistik des Landesinnenministeriums erfassten Brandereignisse in landwirtschaftlichen Betrieben sowie die Anzahl von meldepflichtigen Brandereignissen in landwirtschaftlichen Betrieben in NRW12 in den Jahren 2012 bis 2017 bzw. 2018 (siehe folgende Tabelle). Hierbei sei zu berücksichtigen , dass sich die Anzahl der Brandereignisse in landwirtschaftlichen Betrieben nicht ausschließlich auf Stallanlagen beziehe und sich die Meldepflicht von Brandereignissen aus den im Erlass genannten Kriterien ergebe, aber nicht zwingend von der Größe des Ausmaßes des Brandes abhänge. Meldepflichtige Ereignisse im Sinne des genannten Erlasses seien beispielsweise Einsätze mit einer großen Anzahl von verletzten Personen, Brandtoten oder Einsätze mit mehr als 100 Einsatzkräften. 10 Niedersächsischer Landtag, LT-Drs. 18/3312 mit Tabelle. https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen /drucksachen_18_05000/03001-03500/18-03312.pdf. https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen /Drucksachen_18_05000/03001-03500/18-03443.pdf. 11 21. Januar 2019. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-1618.pdf. 12 Meldepflicht gemäß Runderlass des Ministeriums des Innern vom 16.05.2018 „Meldungen an die Aufsichtsbehörden über außergewöhnliche Ereignisse im Brand- und Katastrophenschutz (‘Meldeerlass')“ (Az: 33-52.03.04 / 23.03, https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&bes_id=38928&aufgehoben=N&keyword=meldeerlass . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 092/20 Seite 9 Quelle: LT-NRW.13 3.4. Thüringen Das Thüringische Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie veröffentlichte am 11. Dezember 2018 folgende Zahlen zur Beantwortung der Frage, wie viele Nutztiere dort in den letzten zehn Jahren durch technische Defekte zu Schaden kamen und wie viele davon unmittelbar oder mittelbar dadurch getötet wurden:14 Das Landesministerium wies allerdings darauf hin, dass trotz großer Anstrengungen seitens der mitteilenden Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter mit den zusammengefassten Daten kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden könne.15 4. Änderungsbedarf bestehender Regelungen Im April 2018 forderte die Landwirtschaftsministerin Sachsen-Anhalts in der Agrarministerkonferenz (AMK) den Bund auf, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um Tierverluste in Nutztierhaltungen im Falle technischer Störungen oder im Brandfall zu vermeiden.16 Daraufhin 13 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-1618.pdf. 14 Kleine Anfrage der Abgeordneten Pfefferlein und Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Antwort des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Tiertod in Thüringer Tierhaltungsanlagen und bei Tiertransporten. http://www.parldok.thueringen.de/ParlDok/dokument/69447/tiertod_in_thueringer _tierhaltungsanlagen_und_bei_tiertransporten.pdf. 15 http://www.parldok.thueringen.de/ParlDok/dokument/69447/tiertod_in_thueringer_tierhaltungsanlagen _und_bei_tiertransporten.pdf. 16 Agrarministerkonferenz am 27.04.2018 in Münster. TOP 34 Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung von Tierverlusten in Nutztierhaltungen im Falle technischer Störungen oder im Brandfall. https://www.agrarministerkonferenz .de/documents/amk_ergebnisprotokoll_to-ohne-be_1531313136.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 092/20 Seite 10 forderte wiederum der Bund die Länder auf, Vorschläge und Konkretisierungen für entsprechende Regelungen vorzulegen.17 In einem im Juni 2020 veröffentlichten Interview äußerte die Staatssekretärin des BMEL, die Länder sollten ihre Landesbauordnungen überprüfen und dem Bund mitteilen, welche Punkte sie übergeordnet, bundeseinheitlich in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung eingefügt sehen wollen.18 Einzelne Vorschläge sind bereits veröffentlicht.19 Derzeit wird dort auch die bestehende Übersicht „Betriebliche Schadenereignisse mit Betroffenheit von Tieren in Sachsen-Anhalt“ aktualisiert .20 5. Auszüge aus der Anhörung in NRW Am 13. März 2019 fand im Landtag NRW eine Anhörung zum besseren Brandschutz und Tierschutz statt. In seiner Stellungnahme äußerte in diesem Zusammenhang der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) u. a.: „Ausgehend von der Analyse der art- und nutzungsbedingten Risikomerkmale von Stallanlagen zur intensiven Tierhaltung sowie ausgehend von den letzten Schadenerfahrungen sehen wir seitens GDV es als sehr geboten an, die bauordnungsrechtlichen Brandschutzbestimmungen für Stallanlagen im Sinne der Schadenprävention zu überarbeiten und anzupassen. Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil der Versicherungsschutz mit dem vertraglich vereinbarten Schutzumfang ggf. lediglich die direkten finanzielle Schäden der betroffener Landwirte auffangen kann, wobei der Schutz durch eine mögliche Betriebsunterbrechungsversicherung zeitlich begrenzt ist. Der Verlust von Lieferverträgen und damit die wirtschaftliche Existenz betroffener Landwirte können hingegen nicht versichert werden. Deshalb sollen Maßnahmen zur Vermeidung der Brandentstehung und Begrenzung der Brandausbreitung sowie der Versicherungsschutz sich gegenseitig ergänzen, um insgesamt einen optimalen Brand- und Tierschutz , sowie einen bezahlbaren Versicherungsschutz zu ermöglichen.“21 Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) konstatierte: 17 Agrarministerkonferenz am 27.09.2019 in Mainz. TOP 48 Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung von Tierverlusten in Nutztierhaltungen im Falle technischer Störungen oder im Brandfall. https://www.agrarministerkonferenz .de/documents/endgueltiges-ergebnisprotokoll-amk-mainz_1570787484.pdf. 18 Siehe hierzu die Äußerung der Staatssekretärin des BMEL. https://www.facebook.com/reportmainz/videos /stallbr%C3%A4nde-in-der-landwirtschaft/596397551006639/. 19 https://mule.sachsen-anhalt.de/newsarchiv/artikel-detail/news/tiere-vor-brand-im-stall-schuetzen-der-bundmuss -endlich-handeln/. 20 Tiere vor Brand im Stall schützen: Der Bund muss endlich handeln, 17.07.2020. https://mule.sachsen-anhalt .de/newsarchiv/artikel-detail/news/tiere-vor-brand-im-stall-schuetzen-der-bund-muss-endlich-handeln/. 21 Hervorhebung durch Verfasser des Sachstands. Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft zur Anhörung im Landtag NRW zum besseren Brandschutz und Tierschutz am 13.03.2019 in Düsseldorf. (15.04.2019). https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST17- 1407.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 092/20 Seite 11 „Die Jahresstatistik zur Gefahrenabwehr 2017 des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein -Westfalen weist für die Jahre 2014 – 2017 durchschnittlich etwa 600 Brände für landwirtschaftliche Anwesen aus. Die Zahl der Brände blieb in den genannten Jahren etwa gleich. Rund 80 % der Brände betreffen nach Aussage von Versicherungsunternehmen dabei landwirtschaftliche Gebäude ohne Tierhaltung. Insgesamt ist die Zahl der Brände in Tierhaltungsanlagen tendenziell gesunken, da die Bauweise und die verwendeten Materialien heute grundsätzlich der Entstehung von Bränden eher entgegenwirken. Die sogenannten Brandlasten werden in aller Regel als gering eingestuft. Als mögliche Brandursache werden bei Schweine, Rinder und Geflügel haltenden Betrieben an allererster Stelle Versagen der Elektrik in Verbindung mit Kurzschluss genannt. Weitere häufige Ursachen sind technische Defekte einhergehend mit Überhitzung von Geräten und Blitzschlag. Diese drei genannten Brandursachen machen gut 50 % aller Brände in Stallanlagen aus. Auch unachtsame Arbeiten mit technischen Geräten oder mit offener Flamme sind wesentliche Ursache für Stallbrände . Ein besonderes Augenmerk muss deshalb darauf gerichtet werden, dass Brandursachen wie fehlender Blitzschutz, mangelhafte Elektroinstallation oder defekte elektrische Geräte bzw. Mängel an gasbetriebenen Geräten weitestgehend ausgeschlossen werden.“22 Der WLV betonte, er sehe in der Prävention von Bränden die wirkungsvollste Maßnahme, um Stallbrände zu vermeiden, in Verbindung mit einer Brandfrüherkennung. Der WLV schlage deshalb vor, dass regelmäßig (etwa alle vier oder fünf Jahre) die gesamte elektrische Anlage von Tierhaltungen überprüft werde. Die Überprüfung solle durch einen Fachelektriker durchgeführt werden .23 Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen (AKNW) erläuterte, über die Häufigkeit von Bränden in Stallanlagen oder insgesamt in der Landwirtschaft lägen der AKNW keine eigenen Erkenntnisse vor. Presseberichten zufolge, die sich auf einen Bericht der Landesregierung an den Landtag beriefen, sollten sie in den letzten Jahren gestiegen sein. Zu berücksichtigen seien auch die oft umfangreichen Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Gebäuden, von denen ebenfalls Gefährdungen ausgehen könnten. Aufgrund der Schadensursache und der Schadenshäufigkeit bei den elektrischen Anlagen solle geprüft werden, ob eine Änderung der Prüfverordnung (PrüfVO)[24] zweckmäßig sein könne. Dies könne die elektrischen Anlagen solcher Stallanlagen betreffen, die ihrer Größe nach als großer Sonderbau (1.600 m²) einzustufen seien, unabhängig davon, ob sie landwirtschaftlich oder gewerblich genutzt würden. Zudem solle geprüft werden, ob die Brandverhütungsschau intensiviert werden könne, um auch weitere Gefährdungen zu überprüfen. Diese ergebe sich aus § 26 des Gesetzes über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG)[25]. Für besonders gefährdete Gebäude, Betriebe und Einrichtungen diene die Brandverhütungsschau der Feststellung brandschutztechnischer Mängel und Gefahrenquellen und solle Maßnahmen nach sich ziehen, die der Entstehung eines Brandes und der 22 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST17-1261.pdf. 23 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST17-1261.pdf. 24 https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=1220100107092233732. 25 https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?sg=0&menu=1&bes_id=33324&aufgehoben=N&anw_nr=2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 092/20 Seite 12 Ausbreitung von Feuer und Rauch vorbeugten und bei einem Brand oder Unglücksfall die Rettung von Menschen und Tieren, den Schutz von Sachwerten sowie wirksame Löscharbeiten ermöglichten . Die Brandverhütungsschau sei Angelegenheit der Gemeinde und sei je nach Gefährdungsgrad in Zeitabständen von längstens sechs Jahren durchzuführen.26 Ferner äußerte die AKNW, sie erkenne keine Notwendigkeit, die Bauordnung NRW 2018 in Bezug auf die Brandschutzbestimmungen für Tierhaltungsanlagen zu überarbeiten. Zu prüfen sei aber, ob die Gefahrenschwelle des großen Sonderbaus mit 1.600 m² und die Anforderung an Brandwände (ab 10.000 m³) harmonisiert werden sollten. Maßgeblicher Faktor sei das unterschiedliche Fluchtverhalten von Tieren, das in gesetzlichen Bestimmungen kaum berücksichtigt werden könne. Der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit sei zu befürworten, gerade wenn über die Form der Tierhaltung das Fluchtverhalten der Tiere berücksichtigt werde und die Räumzeit im Brandfall verkürzt werden könne. Die Lösung werde für Rinder bereits durch offene Stallanlagen umgesetzt (Fluchtmöglichkeit und kaum Verrauchung). In der Schweine- oder Geflügelzucht sei dies jedoch wesentlich komplexer. Das Risiko des brand- oder brandfolgebedingten Tierverlustes sei unter diesen Bedingungen der Tierhaltung allein durch technische Vorkehrungen nicht signifikant zu senken. Die AKNW empfehle daher, die Fachempfehlungen zum Brandschutz in Stallanlagen zu aktualisieren und ggf. über die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung NRW (VV TB NRW) bauaufsichtlich einzuführen. Zudem solle geprüft werden, ob die PrüfVO angepasst und die Brandverhütungsschau intensiviert werden könnten.27 Auch der Verband der Feuerwehren in NRW hat zur Anhörung vom 13. März 2019 eine Stellungnahme veröffentlicht.28 Der Verband verweist in seinem Beitrag zur Anhörung auch auf die „Fachempfehlung zum Brandschutz in Stallanlagen“29 vom Mai 2015, einem Positionspapier des Verbandes der Feuerwehren in NRW. Am 11. August 2020 erließ NRW eine „Verordnung über die Prüfung elektrischer Anlagen in Tierhaltungsanlagen“.30 In Schweinemast- und Aufzuchtbetrieben müssen nunmehr elektrische Anlagen und Photovoltaikanlagen durch Sachkundige auf ihre Wirksamkeit und Betriebssicherheit alle vier Jahre untersucht werden. *** 26 Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument /MMST17-1247.pdf. 27 Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument /MMST17-1247.pdf. 28 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST17-1276.pdf. 29 https://www.vdf-nrw.de/uploads/tx_bitloftvdfnrwdownload/2015-03-23_Fachempfehlung_Brandschutz_Stallanlagen .pdf. 30 GV NRW 2020, 819, 1030. https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail _text?anw_nr=6&vd_id=18728&vd_back=N819&sg=0&menu=1.