© 2019 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 089/19 Organisation und Finanzierung von Einzelwagenverkehr in ausgewählten europäischen Ländern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 2 Organisation und Finanzierung von Einzelwagenverkehr in ausgewählten europäischen Ländern Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 089/19 Abschluss der Arbeit: 4. Dezember 2019 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Allgemeine Informationen 5 3. Situation in ausgewählten europäischen Staaten 9 3.1. Estland 9 3.2. Finnland 9 3.3. Frankreich 10 3.4. Vereinigtes Königsreich 11 3.5. Niederlande 11 3.6. Österreich 11 3.7. Polen 13 3.8. Schweden 13 3.9. Spanien 14 3.10. Ungarn 14 4. Zusammenfassung 15 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 4 1. Einleitung In Deutschland gliedert sich der Schienengüterverkehr in die drei Kategorien Kombinierter Verkehr , Ganzzugverkehr und Einzelwagenverkehr.1 Das Forschungs-Informations-System für Mobilität und Verkehr (FIS), unterstützt und herausgegeben durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), definiert Einzelwagenverkehr wie folgt:2 „Beim Einzelwagenverkehr werden Sendungen verschiedener Versender, die aus Einzelwagen oder Wagengruppen bestehen, über ein mehrstufiges System über verschiedene Knotenpunkte im Netz gebündelt, bis sie schließlich in einem überregionalen Zug eine größere Distanz zurücklegen . Danach erfolgt der gleiche Prozess in umgekehrter Reihenfolge, so dass die Wagen oder Wagengruppen den jeweiligen Empfängern zugestellt werden.“ Die Güter werden also in einer Region gesammelt und zu einem Zugbildungsbahnhof (Rangierbahnhof ) gebracht. Ab diesem Zugbildungsbahnhof verkehren Züge, die die Einzelwagen zu anderen Zugbildungsbahnhöfen bringen. Dort haben die Einzelwagen entweder ihre Zielregion erreicht oder werden in anderen Zügen in ihre Zielregion gebracht. Von dort erfolgt die regionale Verteilung an die jeweiligen Empfänger.3 Gegenstand des vorliegenden Sachstands ist die Frage, ob es in den folgenden ausgewählten europäischen Ländern Einzelwagenverkehr gibt: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden, Spanien, Tschechien sowie 1 https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/389110/ (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 2 https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/305566/?print=true (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 3 https://www.vdv.de/einzelwagenverkehr.aspx (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 5 Ungarn. Ferner sollte eruiert werden, wie der Einzelwagenverkehr in den einzelnen Ländern organisiert ist und wie er finanziert wird. Die Ausführungen zu den in Abschnitt 3 aufgeführten europäischen Ländern basieren im Wesentlichen auf den Antworten einer Abfrage bei den genannten Ländern. Anzumerken ist, dass nicht von allen angefragten Ländern Antworten vorliegen. 2. Allgemeine Informationen In Deutschland betreibt die DB Cargo AG als Führungsgesellschaft für das Geschäftsfeld Schienengüterverkehr der Deutschen Bahn ein Einzelwagensystem mit Güterverkehrsstellen und Zugbildungsbahnhöfen . Im Regionalverkehr arbeitet sie dabei mit zahlreichen nichtbundeseigenen Eisenbahnen zusammen. Daneben führen in Deutschland verschiedene Wettbewerbsbahnen eigene Einzelwagenverkehre auf einzelnen Relationen durch.4 Der gesamte Schienengüterverkehr – und somit auch der Einzelwagenverkehr - wird in Deutschland eigenwirtschaftlich betrieben und muss sich in Konkurrenz mit anderen Anbietern am Markt bewähren.5 4 https://www.vdv.de/einzelwagenverkehr.aspx (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 5 https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/388901/ (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 6 Die Entwicklung im Schienengüterverkehr (SGV) in Deutschland stellt sich für den Geschäftsbereich der DB Cargo AG wie folgt dar (in Mrd. Tkm):6 Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 SGV* 110,1 112,6 112,6 116,6 133,7 136,5 136,1 Einzelwagenverkehr 20,5 19,6 19,5 19,2 19,3 20,1 20,3 Quelle: DB Cargo AG. * Siehe hierzu auch Statistisches Bundesamt.7 https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Transport-Verkehr/Gueterverkehr /Tabellen/gueterbefoerderung-lr.html (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). Nach Aussage der DB Cargo AG liegt den in der Tabelle aufgeführten Angaben eine enge Fassung des Begriffs „Einzelwagenverkehr“ zugrunde. Zum einen gibt es weitere einzelwagenverkehrsnahe Verkehre und zum anderen sind Drittanbieter bei den Angaben nicht berücksichtigt.8 Weitere Informationen zu der aktuellen Situation des Einzelwagenverkehrs in Deutschland finden sich in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Weiterentwicklung des Einzelwagenverkehrs“ vom 13. November 2019.9 Die Europäische Kommission veröffentlichte 2015 die Studie „Study on Single Wagonload Traffic in Europe – challenges, prospects and policy options“ (Juli 2015), die unter folgendem Link zu finden ist: https://ec.europa.eu/transport/sites/transport/files/2015-07-swl-final-report.pdf (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 6 Laut Email der DB Cargo AG vom 3.12.2019 auf eine entsprechende Anfrage des Fachbereichs WD 5. 7 Da es in den Vorjahren zeitweise zu einer Untererfassung kam, wurden für das Berichtsjahr 2016 erhebliche Anstrengungen unternommen, alle Unternehmen in die jährliche Erhebung einzubeziehen, die Schienengütertransporte auf dem deutschen Schienennetz durchführen. Im Ergebnis hat sich die Zahl der in die Jahreserhebung einbezogenen Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr erhöht. https://www.destatis.de/DE/Methoden/Qualitaet/Qualitaetsberichte/Transport-Verkehr/gueterverkehr-eisenbahn -jaehrlich.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 4.12.2019). 8 Email der DB Cargo AG vom 3.12.2019. 9 BT-Drucksache 19/15100 vom 13.11.2019. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/151/1915100.pdf (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 7 Auf den Seiten 34 und 35 findet sich dort die Tabelle „Share of SWL traffic with respect to total rail [% t∙km, 2012]. Elaboration based on Stakeholders consultation (and Eurostat data for SI and SK)“, die einen Eindruck darüber vermittelt, in welchen Größenordnungen Einzelwagenverkehr in einzelnen Ländern betrieben wird (Stand: 2012). Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die dort aufgeführten Zahlen, u.a. aufgrund der stellenweise nicht näher spezifizierten Quellenangaben , aus hiesiger Sicht zum Teil nicht nachvollzogen werden konnten. So entsprechen beispielsweise die Angaben zum Schienengüterverkehr in Deutschland für das Jahr 2012 weder den Angaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur in der Veröffentlichung „Verkehr in Zahlen 2018/2019“10 noch den Angaben des Statistischen Bundesamtes11. Ebenso liegen von der DB Cargo AG für das Jahr 2012 andere Zahlen zum Einzelwagenverkehr in Deutschland vor.12 Eine weitere Überblicksdarstellung zu Einzelwagenverkehren in Europa findet sich in dem von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Auftrag gegebenen Gutachten „Mehr Güter auf die Schiene! Aber wie?“:13 10 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/verkehr-in-zahlen_2018-pdf.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 11 https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Transport-Verkehr/Gueterverkehr/Tabellen /gueterbefoerderung-lr.html (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 12 Email der DB Cargo AG vom 3.12.2019. 13 Prof. Dr. Uwe Höft: Mehr Güter auf die Schiene! Aber wie? Gutachten für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Berlin, Mai 2016. Seite 46. https://www.bm-institut.de/fileadmin/user_upload/pdfs/Gutachten_Mehr_Gueter _auf_die_Schiene_Juni_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 8 Einzelwagenverkehre in Europa: Quelle: Pennekamp, Markus: Wettbewerbsanalyse 2015. Seite 15. https://www.wip.tu-berlin.de/fileadmin/fg280/veranstaltungen/20_jahre_wip/2015_10_09-pennekamp -wettbewerbsanalyse_2015.pdf (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 9 3. Situation in ausgewählten europäischen Staaten Es liegen aus insgesamt zehn Staaten Informationen zu der eingangs genannten Fragestellung vor. Die Antworten der entsprechenden Länderanfrage wurden beim Fachbereich WD 5 ins Deutsche übersetzt und sind nachfolgend zusammengestellt. 3.1. Estland Nach Informationen aus Estland ist der dortige Einzelwagenverkehr ähnlich organisiert wie in Deutschland. Er ist nicht gesetzlich geregelt, aber die Grundsätze sind die gleichen. Für den Transport der Waren wendet der Kunde sich an das Eisenbahnunternehmen und wählt einen der für den kommerziellen Betrieb in Frage kommenden Bahnhöfe aus, in denen die Waren gelagert werden können. Ist diese Station für den Eigentümer der Fracht nicht der Bahnhof, an dem der Transport beginnt oder endet, muss er zusätzliche Verträge mit privaten Beförderern abschließen . Es gibt in Estland keinen Unterschied zwischen dem Verkehr und der Finanzierung von Einzelwagen und Ganzzügen. Die Preise werden durch das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage bestimmt. 3.2. Finnland In Finnland werden Güterzüge in die folgenden drei Kategorien eingeteilt: Ganzzüge (full trains), Blockzüge (block trains) sowie Einzelwagenverkehr (single wagonload). Im Einzelwagenverkehr werden die Wagen entweder als Einzelwagen oder als Wagengruppen zusammen mit anderen Güterwagen verschiedener Kunden und Branchen transportiert. Das Blocktransportsystem besteht aus Terminal-zu-Terminal-Blockzügen sowie Verteil- und Zubringerzügen . Das System wird für kleinere Chargen eingesetzt, die in Wagengruppen innerhalb eines Ganzzuges transportiert werden. In der Transportkette von Terminal zu Terminal werden Wagengruppen aus Nahverkehrszügen in Rangierbahnhöfen zusammengestellt und mit Ganzzügen von einem Bahnhof zum anderen transportiert. Kleine Wagengruppengrößen erfordern hierbei aufgrund der Umgruppierung der Wagen einen höheren Zwischenumschlag. Der Einzelwagenverkehr wird überwiegend durch private Verträge organisiert und finanziert. In Finnland wurde der Güterverkehr im Jahr 2007 für den Wettbewerb geöffnet. Derzeit sind in Finnland die Eisenbahngesellschaften VR Transpoint (Teil der VR-Gruppe), Fenniarail und Aurora Rail im Güterschienenverkehr tätig. Die VR-Gruppe, die sich zu 100 Prozent im Besitz des finnischen Staates befindet und in Finnland ein Monopol im Personenverkehr hat, ist mit Abstand der größte Betreiber im finnischen Güterverkehr. VR Transpoint arbeitet auch mit anderen Bahnunternehmen zusammen. Das finnische Eisenbahnnetz ist nicht an das europäische Schienengüterverkehrsnetz angeschlossen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 10 Die finnische Transportbehörde Väylä ist für das Management, die Entwicklung und den Unterhalt des finnischen Eisenbahnnetzes verantwortlich. Das Schienengüterverkehrssystem muss in Finnland wirtschaftlich betrieben werden und sich im Wettbewerb mit anderen Anbietern am Markt behaupten. Direkte staatliche Zuschüsse werden nicht gewährt. 3.3. Frankreich Der größte französische Schienengüterverkehrsbetreiber Fret SNCF, eine Tochtergesellschaft des staatlichen Industrie- und Handelsunternehmens für den Eisenbahnbetrieb SNCF, hat den Sektor Einzelwagenverkehr (MLMC - Multi-Lots Multi-Clients) entwickelt. Dieser richtet sich an Unternehmen, die regelmäßig kleine Frachtmengen versenden.14 In der Veröffentlichung „Wie kann der Einzelwagenverkehr wiederbelebt werden?“ wird zu der Situation in Frankreich ausgeführt, dass die Wagenladetätigkeit nach Angaben der Statistikabteilung des französischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Meer im Jahr 2015 zwischen 200.000 und 250.000 Bewegungen von beladenen Wagen und die gleiche Anzahl von leeren Wagen betrug. In den 90er Jahren erreichte sie noch eine Million Bewegungen. Es zeige sich auch, dass der Einzelwagenverkehr insbesondere von der chemischen Industrie genutzt werde. Einige gefährliche Produkte könnten nicht auf der Straße transportiert werden, und die Kapazität von Kesselwagen sei oft größer als die der in Frage kommenden Lastwagen.15 Im Jahr 2016 schlug das französische Verkehrsministerium in seinem "Aktionsplan zur Wiederbelebung des Schienengüterverkehrs - Plan d’Action pour la Relance du Fret Ferroviaire“16 vor, den Einzelwagenverkehr wiederzubeleben. Der Verband der Güterverkehrsnutzer (Association des Utilisateurs de Transport de Fret) weist jedoch auch auf gewisse Schwächen in der Organisation des Einzelwagenverkehrs hin. So lasse sich zusammenfassend sagen, dass die übereilte Umsetzung des MLMC-Dienstes mit Volumenverpflichtungen und Festaufträgen die Verlader dazu bringen könnte, nur die begrenzten Mengen zu bestellen, die sie sicher nutzen würden. Dies würde das Verkehrsaufkommen unter den "Break-even"-Punkt von 250.000 Waggons senken, zu Tariferhöhungen auf diesem Restvolumen und damit zu einem Rückzug von Verladern führen, die nicht in der Lage wären, das volle wirtschaftliche und finanzielle Risiko der angebotenen Dienstleistung zu übernehmen. All dies 14 Siehe hierzu auch: https://www.sncf.com/de/guetertransport/eisenbahn/fret-sncf/einzelwagen (in deutscher Sprache, zuletzt aufgerufen am 3.12.2019) 15 https://mediarail.wordpress.com/2018/04/01/fret-ferroviaire-des-solutions-pour-le-wagon-isole/ (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 16 https://www.ecologique-solidaire.gouv.fr/sites/default/files/DP_-_Plan_d_action_pour_la_relance_du_fret_ferroviaire _-_06_10_16.pdf (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 11 spreche für eine unverzichtbare Übergangsfrist und die notwendige kundenorientierte Flexibilität .17 Die SNCF steht im Wettbewerb, insbesondere mit Deutschland (DB -Euro Cargo Rail18) und musste daher ihre Preise anpassen. In der französischen Antwort wird darauf hingewiesen, dass der Einzelwagenverkehr in Frankreich, auch im Vergleich zum Straßenverkehr, wirtschaftlich attraktiv bleiben müsse. 3.4. Vereinigtes Königsreich Im Vereinigten Königreich umfasst der Einzelwagenverkehr nur zwei Prozent (Stand: 2012) des gesamten Schienengüterverkehrs.19 Es gibt keine staatlichen Subventionen für den Güterverkehr.20 Der Schienengüterverkehr befindet sich weitgehend in den Händen der Privatwirtschaft, wird aber auf einem Schienennetz betrieben, das sich im Besitz von Network Rail befindet. Die Art und Weise, wie der Zugang zu diesem Netz erfolgt, sowie Umfang und Qualität dieses Netzes liegen in der Verantwortung von Network Rail, der Regulierungsbehörde und der Regierung. Die Grundzüge der Politik sind in der 2016 veröffentlichten Schienengüterverkehrsstrategie der Regierung festgelegt.21 3.5. Niederlande In den Niederlanden gibt es Einzelwagenverkehr. Die Organisation und Finanzierung des Verkehrs erfolgt auf kommerzieller Basis. 3.6. Österreich In Österreich wird der Einzelwagenverkehr seit Dezember 2012 vom Staat unter dem Titel „Beihilfeprogramm für die Erbringung von Schienengüterverkehrsleistungen in bestimmten Produktionsformen in Österreich“ gefördert. Die Förderung kann grundsätzlich von allen Eisenbahnverkehrsunternehmen , die diese Schienengüterverkehrsleistungen in Österreich anbieten bzw. ein 17 http://www.autf.fr/web/article-Service_de_wagons_isoles__la_derniere_chance_-71.html (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 18 https://www.eurocargorail.com/rail-fr-fr/notre-offre/nos-offres/wagon_load-1692498 (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 19 European Commission. Study on Single Wagonload Traffic in Europe – challenges, prospects and policy options . Juli 2015, S.35 (https://ec.europa.eu/transport/sites/transport/files/2015-07-swl-final-report.pdf , zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 20 http://www.rfg.org.uk/rail-freight/operations/ (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 21 Siehe hierzu: https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/552492/rail-freight-strategy.pdf (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 12 derartiges Angebot beabsichtigen, beantragt und genutzt werden. Die Einzelwagenverkehrsförderung stellt aus österreichischer Sicht einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung des bestehenden und im europäischen Vergleich hohen Anteils der Schiene im gesamten Güterverkehr in Österreich dar. Ziel der Förderung ist es, den Eisenbahnverkehrsunternehmen einen Ausgleich für die hohen Produktionskosten, die die Nutzung der Schieneninfrastruktur abseits der großen Verschubknotenbahnhöfe verursacht, zu gewähren. Damit sollen Wettbewerbsnachteile der Schiene gegenüber der Straße verringert und ein gewisses Schienenverkehrsangebot im Einzelwagenverkehr und damit auch in der Fläche gewährleistet werden. Die Beihilfe wird nach je in Österreich befördertem Nettotonnenkilometer (ntkm) berechnet. Hierbei wird nach Inland bzw. Ein- und Ausfuhr sowie nach Hauptlauf zwischen den Knoten und Vor- und Nachlauf zwischen Knoten und Versand- bzw. Empfangsbedienstellen (first bzw. last mile) und Entfernungsklasse bis bzw. ab 100 km unterschieden. Die Beihilfeprogramme für den Schienengüterverkehr (SGV-Programme) umfassen den kombinierten Verkehr und den Einzelwagenverkehr. Das erste Beihilfeprogramm galt für den Zeitraum Dezember 2012 bis Ende 2017 (SGV-Programm 2013 – 2017). Mit dem Nachfolgeförderprogramm ab 2018 (SGV-Programm 2018 – 2022) wurden die Beihilfesätze für den Einzelwagenverkehr (Inland sowie Ein- und Ausfuhr) stärker zwischen Hauptlauf sowie Vor- und Nachlauf differenziert. Es gelten für 2020 folgende Abgeltungssätze: Abgeltungssätze 2020 für den Einzelwagenverkehr in Euro je 1.000 ntkm:22 Entfernungsklasse Bis 100 km*) Ab 100 km Inland 22,10 9,40 Ein-/Ausfuhr 22,10 5,20 *) gilt nur für die Fahrstecke des Wagens im ersten Zug von der Versandbedienstelle sowie für die Fahrstrecke des Wagens im letzten Zug zu der Empfangsbedienstelle auf österreichischem Staatsgebiet. Fahrten von oder zu einem Grenzübertrittspunkt gelten nicht als erste oder letzte Zugfahrt. Quelle: Österreichisches Bundesministerium für Verkehr, Inovation und Technologie. In Österreich bietet die Rail Cargo Austria ein flächendeckendes Einzelwagenverkehrssystem an. 22 https://www.schig.com/wp-content/uploads/2019/10/7.2-Beihilfes%C3%A4tze-EWV-2020.pdf (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 13 Darüber hinaus bieten auch die folgenden Privatbahnen Einzelwagenverkehrsleistungen in Österreich an: Graz – Köflacher Bahn- und Busbetrieb GmbH, Montafonerbahn AG, Raaberbahn Cargo GmbH, Salzburger Lokalbahnen AG, Steiermarkbahn Transport und Logistik GmbH sowie Stern & Hafferl Verkehrsgesellschaft m.b.H. Die Rangierbahnhöfe und das Rangierpersonal gehören zum Infrastrukturbetreiber ÖBB Infrastruktur AG und werden den Eisenbahnverkehrsunternehmen gegen Entgelt zur Verfügung gestellt . Weitere Informationen zum Beihilfeprogramm finden sich auf den Internetseiten des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie: https://www.bmvit.gv.at/verkehr/eisenbahn/foerderung/sgv2018/index.html (zuletzt aufgerufen am 25.11.2019). 3.7. Polen In Polen beträgt der Anteil des Einzelwagenverkehrs am Eisenbahnverkehr 17 Prozent. Der Einzelwagenverkehr wird überwiegend durch private Unternehmen organisiert und finanziert . Unternehmen, die Fracht versenden wollen, schließen einen privatrechtlichen Vertrag mit Transportunternehmen. Diese Vereinbarungen sind Speditionsverträge und lizenzierte Betreiber übernehmen die Verantwortung für die Organisation des Transports und den Abschluss eines Vertrages mit der staatlichen Gesellschaft, die Eigentümerin der Eisenbahnstrecke ist. In Polen kann der Einzelwagenverkehr nur in speziellen Hubs empfangen und umgeladen werden . Diese sind in: Stettin Port Centralny, Wrocław Brochów, Warszawa, Poznań Franowo sowie Tarnowskie Góry. 3.8. Schweden Der Schienengüterverkehr in Schweden besteht wie in Deutschland aus den drei Kategorien Kombinierter Verkehr, Ganzzug- und Einzelwagenverkehr. Der schwedische Schienengüterverkehrsmarkt ist liberalisiert. In diesem Geschäftsfeld sind mehrere private Unternehmen tätig. Die größte Eisenbahngesellschaft ist jedoch in staatlicher Hand, die Green Cargo. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 14 In Schweden gibt es keine staatlichen Subventionen für den Schienengüterverkehr. 3.9. Spanien In Spanien werden keine Einzelwagenladungsverkehre mehr angeboten. 3.10. Ungarn In Ungarn unterteilt sich der Schienengüterverkehr in die zwei Kategorien Ganzzug- und Einzelwagenverkehr . Obwohl der Schienengüterverkehr auf dem ungarischen Schienennetz liberalisiert ist, bietet nur ein Unternehmen, die Rail Cargo Hungaria Zrt.23, die zur Rail Cargo Group24 gehört, Einzelwagenverkehr an. Der Service wird jedoch nicht flächendeckend in Ungarn angeboten. Im Einzelwagenverkehr wird die Ware an der jeweiligen Versandstelle abgeholt. Derzeit gibt es in Ungarn ca. 350 Versandstellen25. Die beladenen Güterwagen werden entweder als Einzelwagen oder als Wagengruppe zusammen mit anderen Güterwagen von verschiedenen Kunden bzw. Versandorten zu den Rangierbahnhöfen transportiert. Von dort aus werden die einzelnen Wagen zu anderen Rangierbahnhöfen transportiert, wo sie dann entweder ihre Zielregion erreicht oder von anderen Zügen in ihre Zielregion gebracht werden. In der Zielregion werden die Wagen an ihre jeweiligen Empfänger verteilt. Die Wagen werden mehrfach gebündelt und auf die Dispositionsund Bestimmungspunkte verteilt. Dies führt jedoch zu Mehrkosten, längerem Transport und einer Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit. Im Schienengüterverkehr dominieren Export-, Import- und Transitverkehre. Der nationale Verkehr ist eher selten (z.B. Bedienung des Wärmekraftwerks in Visonta, bei Rübenernten, Bau einer Autobahn oder Schiene). Fast ein Viertel des gesamten Schienengüterverkehrs wird als Einzelwagenverkehr abgewickelt (davon 60 bis 70 % international). Dieses Segment des Schienengüterverkehrs hat erhebliche Qualitäts- und Rentabilitätsprobleme. Die Revitalisierung dieses Geschäftsfeldes im Schienengüterverkehr wurde von HUNGRAIL26 2018 eingeleitet. Im März 2018 wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Die Arbeiten werden von 23 https://rch.railcargo.com/hu/ zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 24 Die MÁV Cargo Zrt. wurde 2008 privatisiert und 2010 in Rail Cargo Hungaria Zrt. umbenannt. Das Unternehmen baute seine Rangieraktivitäten in den Jahren 2010-2011 aus. Rail Cargo Austria gründete 2013 die Rail Cargo Group. 25 https://rch.railcargo.com/file_source/railcargo/rch/downloads/leistungen/dokumente/inlandische%20transporte /1_kezikonyv_2019.pdf (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). 26 http://hungrail.hu/ (zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 15 der MÁV Zrt. und Rail Cargo Hungaria geleitet. Die Arbeitsgruppe hat damit begonnen, in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Ministerium die detaillierten Bestimmungen der angestrebten staatlichen Unterstützung festzulegen, wie z.B. Einführung gezielter staatlicher Beihilfen und Quantifizierung der externen Kosten. Die Finanzierung ist wichtig, da der Einzelwagenverkehr im Schienengüterverkehr nicht wirtschaftlich ist. Aufgrund der nicht durch die aktuelle Zahlungsregelung gedeckten Kosten entstehen jährlich 4,7 Milliarden Forints27 Verluste. Der Erneuerungsplan enthält die Entscheidung über die Übernahme des österreichischen Modells in Ungarn, die auch von der Europäischen Kommission akzeptiert wurde. Man geht in Ungarn davon aus, dass die Revitalisierung dazu beitragen wird, die Entwicklung des Einzelwagenverkehrs zu unterstützen, seinen Marktanteil im Schienengüterverkehr dynamisch zu erhöhen und die Beteiligung der kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) am Schienengüterverkehr (derzeit ca. 700 KMU) zu erweitern. Die Eisenbahngleise gehören entweder zur MÁV Zrt. oder zur GYESEV Zrt. Für die Nutzung ist eine Gebühr zu entrichten. Die Geschäftsordnung der Rail Cargo Hungaria ist verfügbar unter: https://rch.railcargo.com/file_source/railcargo/rch/downloads/leistungen/dokumente/allgemeine %20dokumente/arufuvarozasi_uzletszabalyzat_2019_.pdf (nur in ungarischer Sprache, zuletzt aufgerufen am 3.12.2019). Die Frachttarife der Rail Cargo Hungaria finden sich unter: https://rch.railcargo.com/file_source/railcargo/rch/downloads/leistungen/dokumente/allgemeine %20dokumente/hatalyos_arudijszabas_2019.pdf (nur in ungarischer Sprache, zuletzt aufgerufen am 3.121.2019). 4. Zusammenfassung Zu der eingangs genannten Fragestellung wurden insgesamt 17 europäische Staaten befragt. Von zehn der befragten Staaten liegen Antworten vor. Zusammenfassend wird noch einmal im Überblick tabellarisch dargestellt, in welchen der angefragten Ländern es Einzelwagenverkehr gibt und ob dieser staatlich subventioniert wird oder privatwirtschaftlich organisiert ist. 27 4,7 Milliarden Forints entsprechen derzeit ca. 14,02 Millionen Euro (Stand: 25.11.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 089/19 Seite 16 Einzelwagenverkehr in ausgewählten europäischen Staaten: Einzelwagenverkehr Privatwirtschaftlich organisiert Staatlich subventioniert Belgien k.A. k.A. k.A. Bulgarien k.A. k.A. k.A. Dänemark k.A. k.A. k.A. Estland X X - Finnland X X - Frankreich X X - Großbritannien X X - Irland k.A. k.A. k.A. Italien k.A. k.A. k.A. Niederlande X X - Österreich X X X Polen X X - Rumänien k.A. k.A. k.A. Schweden X X - Spanien - - - Tschechien k.A. k.A. k.A. Ungarn X X Geplant * k.A. – keine Antwort ***