© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 088/20 Verkehrsfähigkeit von Cannabidiol (CBD)-haltigen nicht medizinischen Produkten in Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 2 Vermarktung von Cannabidiol (CBD)-haltigen nicht medizinischen Produkten in Deutschland Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 088/20 Abschluss der Arbeit: 2. Oktober 2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. Zum Anbau von Nutzhanf 4 3. CBD-haltige Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel 5 3.1. Betäubungsmittelrecht 5 3.1.1. Grundsätzliches Cannabisverbot 5 3.1.2. Ausnahmen 6 3.2. Lebensmittelrecht 9 3.2.1. Einstufung als Lebensmittel oder Arzneimittel 9 3.2.2. Zulassung als „neuartiges Lebensmittel“ 9 4. Cannabishaltige Kosmetika 11 4.1. Unionsrechtliche Vorschriften über kosmetische Mittel 11 4.2. Nationales Betäubungsmittelrecht 12 5. Rauchprodukte 12 5.1. Hanfblüten 12 5.2. E-Zigaretten 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Mit Ausnahme von Samen und Wurzel befinden sich auf der gesamten Cannabispflanze Drüsenhaare , die ein Harz produzieren, das zu etwa 80-90% aus Cannabinoiden besteht. Der Gehalt an diesen Pflanzeninhaltsstoffen korreliert mit der Anzahl der Drüsenhaare. Für die psychoaktive Wirkung von Cannabiserzeugnissen wird in erster Linie das Cannabinoid Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) verantwortlich gemacht. Weitere Hauptvertreter der Cannabinoide sind Cannabinol (CBN) und Cannabidiol (CBD).1 CBD gilt im Allgemeinen als nicht psychoaktiv. Ihm wird u. a. eine beruhigende Wirkung zugeschrieben. Von den Verkäufern werden zahlreiche positive Wirkungen genannt. Die Anpreisung als wahres Wundermittel, das gegen zahlreiche Beschwerden oder Krankheiten helfen soll, wird kritisiert.2 Verbraucherschützer warnen vor gesundheitlichen Risiken.3 Die Wissenschaftlichen Dienste wurden um Beantwortung mehrerer Einzelfragen zur Verkehrsfähigkeit CBD-haltiger Produkte zum nicht medizinischen Gebrauch in Deutschland gebeten. Dabei geht es insbesondere um den Anbau von Nutzhanf, die Frage der Verkehrsfähigkeit verschiedener Produkte wie Lebensmittel, Kosmetika und Rauchprodukte mit CBD, einschließlich Fragen zu Grenzwerten für Cannabinoide und Besteuerungsregelungen. Die Verkehrsfähigkeit von aus Nutzhanf hergestellten Produkten ist Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Debatte und laufender gerichtlicher Verfahren. Eine abschließende Klärung ist vor dem Hintergrund nicht möglich und wäre ohnehin nur bezogen auf den konkreten Einzelfall und unter Würdigung der Zusammensetzung und Eigenschaften eines bestimmten Produkts vorzunehmen. 2. Zum Anbau von Nutzhanf Im Jahr 2017 sind in Deutschland 3.651,6 Tonnen Hanf produziert und 6.158,8 Tonnen importiert worden. Seit 2014 ist ein deutlicher Anstieg der Anbauflächen zu verzeichnen.4 Über die Verwendung und das Marktpotenzial liegen der Bundesregierung Erkenntnisse u. a. zu Marktanteilen für die Bereiche Bau- und Dämmmaterialien, Verbundstoffe, Textilfasern (insbesondere auch technische Textilien) sowie Zellstoff für Papier und Kartonage vor. Belastbare Zahlen zur Verwendung von Hanf in Lebensmitteln, Kosmetika und Medizinprodukte lagen – Stand: Jahr 2019 – dagegen nicht vor.5 1 Stellungnahme Nr. 034/2018 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 8. November 2018, S. 6, https://www.bfr.bund.de/cm/343/tetrahydrocannabinolgehalte-sind-in-vielen-hanfhaltigen-lebensmitteln-zuhoch -gesundheitliche-beeintraechtigungen-sind-moeglich.pdf. 2 Rottmeyer, PharmR 2020, 446. 3 https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/vorsicht-bei-lebensmitteln -mit-dem-hanfinhaltsstoff-cannabidiol-cbd-43455; Rottmeyer, PharmR 2020, 446. 4 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, Bundestags-Drs. vom 4. Juli 2019 (Frage 9), https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/113/1911377.pdf. 5 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, Bundestags-Drs. vom 4. Juli 2019 (Frage 7), https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/113/1911377.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 5 Der Anbau von (nicht für Arzneimittel bestimmtem) Nutzhanf ist grundsätzlich nur den Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 4 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) erlaubt. Der Anbau zum Zwecke des Verkaufs als Zierpflanze ist nicht zulässig. Jeder Anbau ist bis zum 1. Juli des Anbaujahres der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zur Erfüllung ihrer Aufgaben anzuzeigen. Es darf nur zertifiziertes Saatgut gemäß dem gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten verwendet werden.6 Die Kontrollen des Gehalts an THC werden durch die BLE durchgeführt. Der Landwirt teilt der Behörde den Beginn der Blüte für seine angebauten Flächen mit. Mit der Abernte darf frühestens begonnen werden, wenn der Anbauer ein entsprechendes Freigabeschreiben von der Bundesanstalt erhalten hat oder die Kontrolle (Probenahme) tatsächlich durchgeführt wurde.7 3. CBD-haltige Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel Bei der Vermarktung CBD-haltiger Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel sind insbesondere betäubungsmittelrechtliche und lebensmittelrechtliche Vorgaben zu beachten. 3.1. Betäubungsmittelrecht 3.1.1. Grundsätzliches Cannabisverbot Cannabis ist nach § 1 Abs. 1 i. V. m. Anlage I Betäubungsmittelgesetz (BtMG)8 als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel aufgeführt. Ob THC enthalten ist oder eine Berauschungs- und Konsumqualität gegeben ist, spielt für die Einstufung als Betäubungsmittel keine Rolle.9 Unter den Begriff „Cannabis“ fallen Marihuana sowie die Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen. Bei den Pflanzenteilen handelt es sich um abgetrennte, selbst nicht lebensfähige Teile der Pflanze. Dazu zählen insbesondere Wurzeln, Stängel, Blätter, Blüten oder Samen. Sie sind von den Pflanzenbestandteilen abzugrenzen, welche die Inhaltsstoffe der Pflanzen wie z. B. Farbstoffe, Fette, Öle, Harze oder Wirkstoffe umfassen. Diese Pflanzenbestandteile fallen nur dann unter das BtMG, wenn sie dort in den Anhängen gesondert aufgeführt sind. Bei THC und Cannabisharz ist dies der Fall. Der Pflanzenbestandteil CBD wird jedoch nicht genannt .10 6 Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/Landwirtschaft /Nutzhanf/Info_BtMG.pdf;jsessionid =7877E15A081297229F5F2E7AC1D59E48.1_cid335?__blob=publicationFile&v=5. 7 Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/Landwirtschaft /Nutzhanf/MerkblattLandwirte.pdf?__blob=publicationFile&v=7. 8 Betäubungsmittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1691) geändert worden ist, https://www.gesetzeim -internet.de/btmg_1981/BtMG.pdf. 9 Landgericht Braunschweig, Urteil vom 28. Januar 2020, Az.: 4 KLs 804 Js, Rn. 279, http://www.rechtsprechung .niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod?feed=bsnd-r-og&showdoccase=1¶mfrom HL=true&doc.id=JURE200005429 sowie Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (447). 10 Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (447). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 6 Nach Ansicht der Literatur fallen aus der Cannabispflanze gewonnene CBD-haltige Produkte unter Anlage I, wenn sie Cannabis in Form von Pflanzen oder Pflanzenteilen und nicht bloß in Form von Pflanzenbestandteilen enthalten. In dem zu beurteilenden Produkt müssten zumindest noch Teile der Cannabispflanze in substantieller Form übrig sein. Das Pflanzenmaterial könne dabei unbearbeitet (z. B. Blüten oder Blätter) oder bearbeitet, d. h. z. B. zerkleinert oder zermahlen , sein. In diese Kategorie fielen z. B. Hanfblütentees oder Duftkissen. CBD-Öle oder Tropfen dagegen lägen in der Regel als homogene Lösung vor, in der nur noch Pflanzenbestandteile, aber keine Pflanzenteile enthalten sind. Diese Öle und Tropfen würden nur unter das BtMG fallen, wenn sie einen anderen in den Anhängen genannten Stoff (Cannabisharz, THC) enthielten.11 3.1.2. Ausnahmen Auch wenn ein Produkt Pflanzen oder Pflanzenteile enthält, kann es von den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften ausgenommen sein. Sofern sie nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt sind, fallen nach lit. a der Position „Cannabis “ in Anlage I die Samen nicht unter das Betäubungsmittelrecht. Außer im Falle einer Verunreinigung , etwa bei der Ernte, enthalten diese nämlich keine Cannabinoide, d. h. insbesondere kein psychoaktives THC. Ein Missbrauch zu Rauschzwecken wird erst durch den Anbau ermöglicht .12 Nach lit. b sind des Weiteren Cannabis-Pflanzen und Pflanzenteile vom Verbot ausgenommen, wenn sie - aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union (EU) mit zertifiziertem Saatgut stammen, die im gemeinsamen Sortenkatalog der EU für landwirtschaftliche Pflanzen aufgeführt sind oder ihr Gehalt an THC 0,2 Prozent nicht übersteigt und - der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, - die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen. Diese Voraussetzungen müssen dem Wortlaut nach („und“) kumulativ vorliegen. Selbst wenn die Cannabis-Pflanze im gemeinsamen Sortenkatalog aufgeführt ist oder ihr Hanfgehalt 0,2 Prozent 11 Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (447). 12 Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 2 Rn. 26; Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (447). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 7 nicht überschreitet, darf der Verkehr mit ihnen ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dienen, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen.13 Die Verwendung von „ausschließlich“ soll verdeutlichen, dass die persönliche Verwendung der Pflanzen und Pflanzenteile, insbesondere zu Rauschzwecken, verboten bleibt.14 Diese Ausnahmevorschrift wurde in der Rechtsprechung bisher eng ausgelegt.15 Jüngst hatte das Landgericht Braunschweig den Ausnahmetatbestand im Hinblick auf den Verkauf von Hanfblütentee auch bei einem THC-Gehalt von 0,1%, d. h. unter 0,2 %, verneint. Der „gewerbliche Zweck“ müsse beim Endnutzer vorliegen. Der Konsum der Pflanze oder Pflanzenteile sei aber kein gewerblicher Zweck. „Gewerbliche Zwecke“ seien insbesondere dann gegeben, wenn der Hanf verarbeitet werden soll, bis ein unbedenkliches Produkt, wie z. B. Papier, Seile, Textilien, Kosmetika, entstanden sei. Die Ausnahmebestimmung solle nämlich das Marktpotential des Rohstoffes Hanf und seiner Verwendungsmöglichkeiten zur industriellen und möglicherweise energetischen Verwendung erschließen. Es sei nicht Sinn der Vorschrift, die Bevölkerung mit THCschwachen Zubereitungen zu persönlichen Konsumzwecken zu versorgen oder gar das grundsätzliche Cannabisverbot aufzuweichen.16 Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Frage, ob ein „gewerblicher Zweck“ vorliegt, wenn die Cannabispflanze oder Teile davon (außer den Samen) zu einem Lebensmittel mit grundlegend anderen Eigenschaften (z. B. Schokolade , Nudeln und Pesto, Limonade etc.) verarbeitet werden, war vom Landgericht nicht zu entscheiden und ausdrücklich offen gelassen worden.17 Soweit ersichtlich, ist sie gerichtlich noch nicht geklärt. In der Literatur ist die Frage umstritten. Von mehreren Autoren wird unter Hinweis auf den oben genannten Zweck der Ausnahmebestimmung („industrielle oder möglicherweise energetische Verwendung“) die Verkehrsfähigkeit von Lebensmitteln, die Nutzhanf (außer 13 Landgericht Braunschweig, Urteil vom 28. Januar 2020, Az.: 4 KLs 804 Js, Rn. 287 und 289, http://www.rechtsprechung .niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod?feed=bsnd-r-og&showdoccase=1¶mfrom HL=true&doc.id=JURE200005429; Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 21. Juni 2016, Az.: 4 RVs 51/16, Rn. 48, https://openjur.de/u/892820.html; vgl. dazu auch Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (448). 14 Vgl. die Gesetzesbegründung zur Siebten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtliche Vorschriften, Anlage zum Bundesratsbeschluss, Bundesrats-Drs. 899/95 vom 18. Dezember 1995, S. 4, http://dipbt.bundestag .de/dip21/brd/1995/D899+95.pdf. 15 Vgl. Landgericht Braunschweig, Urteil vom 28. Januar 2020, Az.: 4 KLs 804 Js, Rn. 287 und 289, http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod?feed=bsnd-r-og&showdoccase =1¶mfromHL=true&doc.id=JURE200005429; Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 21. Juni 2016, Az.: 4 RVs 51/16, Rn. 49f., https://openjur.de/u/892820.html; so auch Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 2 Rn. 48; Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (448). 16 Landgericht Braunschweig, Urteil vom 28. Januar 2020, Az.: 4 KLs 804 Js, Rn. 289, abrufbar unter http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod?feed=bsnd-r-og&showdoccase =1¶mfromHL=true&doc.id=JURE200005429; vgl. auch Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 2 Rn. 48; Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (448). 17 Vgl. Landgericht Braunschweig, Urteil vom 28. Januar 2020, Az.: 4 KLs 804 Js, Rn. 290, abrufbar unter http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod?feed=bsnd-r-og&showdoccase =1¶mfromHL=true&doc.id=JURE200005429. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 8 den Samen) enthalten, abgelehnt.18 Diese Auslegung wird teilweise als zu restriktiv angesehen. Dem Gesetz lasse sich ein solch weitreichendes Verbot nicht entnehmen. Argumentiert wird u. a. damit, dass das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BGVV) – heute: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) – Richtwerte für den maximalen THC-Gehalt in Lebensmitteln vorgeschlagen habe. Dabei handelt es sich um folgende Werte: 0,005 mg/kg für Getränke, 5 mg/kg für Speiseöle, 0,15 mg/kg für alle anderen Lebensmittel.19 Bei der Einhaltung dieser Orientierungswerte sei ein unbedenkliches Produkt entstanden, das zu Rauschzwecken nicht mehr missbraucht werden könne.20 Ähnlich argumentiert das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm) in einer Veröffentlichung „Fragen und Antworten“ (FAQ) aus dem Jahre 2013.21 In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage erwähnt die Bundesregierung ebenso die Richtwerte des BfR und scheint von der Verkehrsfähigkeit bestimmter aus Hanf hergestellter Lebensmittel auszugehen. So sieht sie bei „entharzten (und dadurch Cannabinoid-armen) Hanfblüten und Hanfblättern zur Aromatisierung von Bier-ähnlichen Getränken und als Bestandteil von Kräuter- und Früchtetees“ eine nennenswerte Verwendung für den menschlichen Verzehr in der EU vor dem in der Verordnung (EU) 2015/2283 genannten und für die Einordnung als neuartiges Lebensmittel relevanten Stichtag 15. Mai 1997 belegt.22 Zumindest im Hinblick auf Hanfblüten und Hanfblätter in Kräuter- und Früchtetees stellt sich hier jedoch die Frage, wie sich die Antwort der Bundesregierung und die Rechtsprechung des Landgerichts Braunschweig genau zueinander verhalten. So hatte das Landgericht Braunschweig die Betäubungsmitteleigenschaft von Hanfblütentees, d. h. einem Produkt, in dem wie bei den von der Bundesregierung genannten Kräutertees Pflanzenteile enthalten waren , auch bei (relativ) geringem THC-Gehalt (0,1 %) bejaht und die Verkehrsfähigkeit ausgeschlossen (siehe oben). 18 Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (448); Sachs/Bergstedt, GRUR-Prax 2020, 202 (203); Patzak in: Körner /Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 2 Rn. 48; die Argumente dieser Literaturauffassung hält das Landgericht Braunschweig in seinem Urteil vom 28. Januar 2020 (Rn. 291) für „beachtlich“, auch wenn es die Frage nicht entschieden hat. 19 https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2000/07/bgvv_empfiehlt_richtwerte_fuer_thc__tetrahydrocannabinol __in_hanfhaltigen_lebensmitteln-884.html; Stellungnahme Nr. 034/2018 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 8. November 2018, abrufbar unter https://www.bfr.bund.de/cm/343/tetrahydrocannabinolgehalte -sind-in-vielen-hanfhaltigen-lebensmitteln-zu-hoch-gesundheitliche-beeintraechtigungen-sindmoeglich .pdf. 20 Kiefer, ZLR 2000, 158 (159) unter Hinweis auf die Begründung der Bundesregierung in Bundesrats-Drs. 899/95, S. 4 (http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/1995/D899+95.pdf), wonach ein Missbrauch THC-armer Hanfsorten nicht zu erwarten sei; allerdings wäre wohl gerade auch auf die Begründung des Bundesrates (S. 2 der Anlage zum Bundesratsbeschluss) abzustellen, der die Regelung im Rechtsetzungsverfahren dem Wortlaut nach verschärft hat, um die persönliche Verwendung, insbesondere zu Rauschzwecken, auszuschließen; Weber, BtMG, 5. Aufl. 2017, § 1 Rn. 251f. 21 https://www.bfarm.de/SharedDocs/FAQs/DE/BtmGrundstoffeAMVV/Cannabis/cannabis-faq14.html. 22 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, Bundestags-Drs. vom 4. Juli 2019 (Fragen 2 und 4), https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/113/1911377.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 9 Teilweise wird in der Literatur gefordert, die betäubungsrechtlichen Vorschriften im Hinblick auf die Verwendung von Cannabis in Lebensmitteln klarer zu fassen.23 3.2. Lebensmittelrecht 3.2.1. Einstufung als Lebensmittel oder Arzneimittel Die Einstufung von Erzeugnissen und die Bewertung der Verkehrsfähigkeit von Lebensmitteln ist Aufgabe der für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Landesbehörden. Für die Frage, ob das Lebensmittel- und nicht das Arzneimittelrecht Anwendung findet, kommt es auf die überwiegende objektive Zweckbestimmung des Produkts an. Die Frage stellt sich insbesondere im Hinblick auf CBD-haltige „Nahrungsergänzungsmittel“. Entscheidend ist, ob bei einer wertenden Gesamtbetrachtung aus Verbrauchersicht der arzneiliche Zweck (Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten) oder der lebensmittelspezifische Zweck (Ernährung oder Genuss) überwiegt . Für die Annahme eines Arzneimittels reicht es jedoch nicht aus, dass das CBD-Produkt nur zur Anwendung bei alltagstypischen Gemüts- und Belastungszuständen (wie Stress, Stimmungsschwankungen , Lampenfieber, Konzentrationsschwäche etc.) empfohlen wird oder ihm nur allgemein gesundheits- oder leistungsfördernde Wirkungen zugeschrieben werden.24 3.2.2. Zulassung als „neuartiges Lebensmittel“ CBD-haltige Lebensmittel einschließlich Nahrungsergänzungsmittel bedürfen einer Zulassung nach der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates25, wenn es sich dabei um „neuartige“ Lebensmittel handelt, d. h. wenn sie keine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union haben. Maßgebliches Indiz für die „Neuartigkeit“ sind die Angaben im sogenannten Novel Food-Katalog26, der von einer Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission erarbeitet und fortlaufend aktualisiert wird. Der Katalog ist zwar nicht rechtsver- 23 Vgl. Lachenmeier et al., Deutsche Lebensmittel-Rundschau (DLR) 2020, 111 (118), https://www.researchgate .net/publication/340004183_Aktuelle_Rechtsprechung_bestatigt_Novel-Food-Einstufung_von_Hanfextrakten _und_Cannabidiol_CBD_in_Lebensmitteln_-_Betaubungsmitteleinstufung_von_Cannabislebensmitteln _ist_weiterhin_unklar. 24 Vgl. Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (451f.) m. w. N. 25 Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission (ABl. L 327 vom 11.12.2015, S. 1), https://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1600436157983&uri=CELEX:02015R2283-20210327. 26 Veröffentlicht unter https://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/index.cfm. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 10 bindlich, ihm kommt aber eine Indizwirkung zu, da in seine Einträge die fortlaufend aktualisierten Erkenntnisse der Kommission und der nationalen Behörden einfließen. Der Katalog wird dementsprechend auch von den Gerichten berücksichtigt.27 Laut Novel Food-Katalog haben nur einige bestimmte aus Cannabis sativa L. gewonnene Produkte oder Pflanzenteile eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union und sind daher nicht als neuartig einzustufen. Dabei handelt es sich um Hanfsamen, das Hanfsamenöl , das Hanfsamenmehl und die entfetteten Hanfsamen. Extrakte aus Cannabis sativa L. und daraus gewonnene Produkte, die Cannabinoide enthalten, gelten hingegen als neuartige Lebensmittel , da für diese in der Vergangenheit kein nennenswerter Verzehr als Lebensmittel nachgewiesen wurde. Dabei gilt die Einstufung als neuartig sowohl für die Extrakte selbst als auch für alle Produkte, denen die Extrakte als Zutat zugesetzt werden, z. B. ein einem Hanfsamenöl zugefügter Extrakt. Auch synthetisch gewonnene Cannabinoide gelten als neuartig.28 Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat mitgeteilt, dass ihm derzeit keine Fallgestaltung bekannt sei, wonach CBD in Lebensmitteln, einschließlich Nahrungsergänzungsmitteln , verkehrsfähig wäre.29 Laut Bundesregierung30 und nach Berichten des Branchenverbandes Cannabis e. V.31 seien die Genehmigungsverfahren über bei der EU-Kommission gestellte Anträge auf Zulassung solcher aus der Cannabispflanze gewonnenen Lebensmittel zurzeit ruhend gestellt. Aus Sicht der EU-Kommission stelle sich die Frage, ob das aus Blüten- oder Fruchtständen der Cannabispflanze gewonnene CBD nicht als Betäubungsmittel im Sinne des Einheitsübereinkommens über Betäubungsmittel32 anzusehen sei, und aus diesem Grunde nicht als „neuartiges Lebensmittel“ genehmigt werden könne. 27 Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 12. Dezember 2019, Az.: 13 ME 320/19, Rn. 22ff., http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod .psml?doc.id=MWRE190004252&st=null&showdoccase=1; Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (452). 28 Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 12. Dezember 2019, Az.: 13 ME 320/19, Rn. 26; http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod .psml?doc.id=MWRE190004252&st=null&showdoccase=1; vgl. im Einzelnen auch Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (452). 29 Vgl. die Internetseite des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), FAQ zu „Hanf, THC, Cannabidiol (CBD) & Co, https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/FAQ/DE/02_Unternehmer/01_Lebensmittel /03_FAQ_Hanf_THC_CBD/00_FAQ_Cannabidiol_CBD.html. 30 Vgl. Antwort auf eine Kleine Anfrage (Frage 19) in Bundestags-Drs. 19/22651 vom 17. September 2020, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/226/1922651.pdf. 31 Vgl. Mitteilung des Branchenverbandes Cannabis e. V. vom 17. August 2020, https://start.cannabiswirtschaft .de/wp-content/uploads/2020/08/20200811-EU-KOM-zu-CBD-Best%C3%A4tigung-Sprecher-EU-Kopie .pdf sowie Veröffentlichung einer Stellungnahme des Sprechers der EU-Kommission, https://start.cannabiswirtschaft .de/wp-content/uploads/2020/08/20200811-EU-KOM-zu-CBD-Best%C3%A4tigung-Sprecher-EU-Kopie .pdf. 32 Der Text des Einheitsübereinkommens ist abrufbar unter https://dipbt.bundestag .de/doc/btd/06/036/0603612.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 11 4. Cannabishaltige Kosmetika 4.1. Unionsrechtliche Vorschriften über kosmetische Mittel Nach Art. 14 Abs. 1 lit. a i. V. m. Anhang II Nummer 306 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates33 dürfen kosmetische Mittel keine (natürlichen und synthetischen ) Betäubungsmittel enthalten. Dazu zählt jeder Stoff, der in den Anhängen I und II des am 30. März 1961 in New York unterzeichneten Einheitsübereinkommens über Betäubungsmittel 34 aufgezählt ist. Nach Art. 1 Abs. 1 lit. b dieses Einheitsübereinkommens meint „Cannabis“ die Blüten- oder Fruchtstände der Cannabispflanze, denen das Harz nicht entzogen worden ist, und zwar ohne Rücksicht auf ihre Benennung; ausgenommen sind die nicht mit solchen Ständen vermengten Samen und Blätter. In der Literatur wird vertreten, dass auch die Stiele vom Einheitsübereinkommen ausgenommen seien. So seien die Samen und Blätter wegen des geringen Cannabinoid- Gehalts nicht vom Einheitsabkommen umfasst. Da dies ebenso auf die Stiele zutreffe, liege es nahe, auch diese vom Einheitsabkommen auszuschließen. Zudem wolle das Einheitsübereinkommen die industrielle Verwertung der Fasern ermöglichen. Die Stiele hätten einen besonders hohen Faseranteil und müssten daher vom Verbot ausgenommen werden.35 Auch Cannabisextrakte fallen nach seinem Anhang I unter das Übereinkommen.36 Nach Einschätzung des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Karlsruhe ist der Einsatz von CBD, das aus Blüten- oder Fruchtständen der Hanfpflanze gewonnen wird, unzulässig. Es handele sich hierbei um ein verbotenes Cannabisextrakt im Sinne des Einheitsübereinkommens. Synthetisch hergestelltes CBD, das folglich nicht aus einem verbotenen Cannabisextrakt stammt, sei demgegenüber zulässig, sofern das kosmetische Mittel sicher sei.37 Auch EU-Kommission stuft in der von ihr verwalteten 33 Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (Neufassung) (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59), https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?qid=1600326918554&uri=CELEX:02009R1223-20200501. 34 Der Text des Einheitsübereinkommens ist abrufbar unter https://dipbt.bundestag .de/doc/btd/06/036/0603612.pdf. 35 Vgl. Sachs/Bergstedt, GRUR-Prax 2020, 202 (204). 36 Vgl. „Liste der in den Anhang I aufgenommenen Suchtstoffe“, abrufbar unter https://dipbt.bundestag .de/doc/btd/06/036/0603612.pdf. 37 Vgl. Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe, 27. Mai 2019, Abschnitt „Kosmetische Mittel mit Hanfbestandteilen“, https://www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=2&ID=2975&Thema_ID=4&lang=DE. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 12 Datenbank über Inhaltsstoffe und Bestandteile von Kosmetika (CosIng38-Datenbank) diese Extrakte als Betäubungsmittel im Sinne des Einheitsübereinkommens ein.39 Die in dieser Datenbank geführten Daten dienen Informationswecken und sind nicht rechtsverbindlich.40 Soweit ersichtlich , war diese Differenzierung noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. 4.2. Nationales Betäubungsmittelrecht Nach dem BtMG dürfen die Pflanzen oder Pflanzenteile für Kosmetika nur verwendet werden, wenn die Cannabispflanzen entweder aus dem Anbau mit zertifiziertem Saatgut stammen oder wenn deren THC-Gehalt 0,2 % nicht übersteigt. Des Weiteren muss ein „gewerblicher Zweck“, der einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließt, vorliegen (vgl. oben unter 3.1.2.). Kosmetika dürften in der Regel ein unbedenkliches Produkt darstellen, bei dem diese Voraussetzungen für die Ausnahme vom BtMG erfüllt sind.41 Jedoch wäre hier zusätzlich das vorrangige EU-Recht (oben unter 4.1.) zu berücksichtigen. 5. Rauchprodukte 5.1. Hanfblüten Hanfblüten mit CBD (sowie andere Cannabispflanzenteile mit Ausnahme der Samen) zum nicht medizinischen Gebrauch als Raucherware scheinen nach der bisherigen Rechtsprechung als Betäubungsmittel nicht verkehrsfähig zu sein. Es handelt sich dabei nämlich um Pflanzenteile der Cannabispflanze, die nicht zu „gewerblichen oder industriellen Zwecken“ an die Endkunden abgegeben werden.42 38 Abk. „CosIng“ von „Cosmetic Ingredients“ (kosmetische Mittel). 39 „Cannabidiol (CBD) as such, irrespective of its source, is not listed in the Schedules of the 1961 Single Convention on Narcotic Drugs. However, it shall be prohibited from use in cosmetic products (II/306), if it is prepared as an extract or tincture or resin of Cannabis in accordance with the Single Convention. Please note that national legislations on controlled substances may also apply.“, https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/cosing /index.cfm?fuseaction=search.advanced (Suche in der CosIng-Datenbank nach dem Stichwort „Cannabidiol “). [Hervorhebung durch Verf. dieser Ausarbeitung]. 40 Vgl. den ausdrücklichen Hinweis der EU-Kommission, https://ec.europa.eu/growth/sectors/cosmetics/cosing _en. 41 Vgl. Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 2 Rn. 48; Sachs/Bergstedt, GRUR-Prax 2020, 202 (204); zumindest implizit wohl auch Landgericht Braunschweig, Urteil vom 28. Januar 2020, Az.: 4 KLs 804 Js, Rn. 287, http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod?feed=bsnd-r-og&showdoccase =1¶mfromHL=true&doc.id=JURE200005429. 42 Vgl. Landgericht Braunschweig, Urteil vom 28. Januar 2020, Az.: 4 KLs 804 Js, Rn. 278, abrufbar unter http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod?feed=bsnd-r-og&showdoccase =1¶mfromHL=true&doc.id=JURE200005429; Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 25. Mai 2010, Az.: 1 Ss 13/10, Rn. 12, https://openjur.de/u/2168244.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 13 5.2. E-Zigaretten Für nikotinhaltige E-Zigaretten und deren Nachfüllbehälter enthält das deutsche Tabakrecht Vorschriften hinsichtlich der Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen. Die Produkte müssen sechs Monate vor dem Inverkehrbringen mitgeteilt werden. Mitzuteilen sind einmalig nach § 24 Tabakerzeugnisverordnung 43 die Angaben zur Rezeptur, zu toxikologischen Daten und über die Nikotindosis und -aufnahme.44 Eine Listung der gemeldeten E-Zigaretten und E-Liquids findet sich auf den Internetseiten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).45 Die Listung bestätigt nicht, dass die rechtlichen Anforderungen erfüllt werden.46 Einige gelistete Marken und Sorten enthalten in ihrem Namen die Abkürzung „CBD“. Da es sich bei E- Zigaretten nicht um Lebensmittel handelt, findet das Zulassungsverfahren für neuartige CBD-haltige Lebensmittel der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates keine Anwendung. Soweit es um nikotinhaltige elektronische Zigaretten geht, verbieten die Mitgliedstaaten nach Art. 20 Abs. 2 lit. c i. V. m. Art. 7 Abs. 6 lit. a der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates47 das Inverkehrbringen von Erzeugnissen mit Zusatzstoffen , die den Eindruck erwecken, dass ein Erzeugnis einen gesundheitlichen Nutzen hätte oder geringere Gesundheitsrisiken berge. Diesbezüglich wird CBD im Wortlaut der Anlage 2 zu § 28 der deutschen Tabakerzeugnisverordnung im Hinblick auf die in nikotinhaltigen E-Liquids verbotenen Inhaltsstoffe nicht genannt. Aus Sicht des österreichischen Bundesministeriums für Arbeit , Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz werde CBD eine angstlösende, nervenzellenschützende (neuroprotektive), antipsychotische, entzündungshemmende, Brechreiz hemmende und muskelerschlaffende (krampflösende) Wirkung, etc. zugeschrieben. Deshalb erwecke CBD zumindest den Anschein, einen gesundheitlichen Nutzen für den Menschen zu haben. Demnach seien Tabakerzeugnisse und nikotinhaltige E-Zigaretten bzw. Liquids mit CBD (z. B. Zigaretten mit Tabak und Hanf, E-Zigaretten mit nikotinhaltigem CBD-Liquid, etc.) nicht zulässig.48 Ab 2021 43 Tabakerzeugnisverordnung vom 27. April 2016 (BGBl. I S. 980), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 2. Mai 2019 (BGBl. I S. 547) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet.de/tabakerzv/TabakerzV.pdf. 44 https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/03_Verbraucherprodukte/03_AntragstellerUnternehmen/04_Tabakerzeugnisse /01_Mitteilungspflicht/bgs_tabakerzeugnisse_mitteilungspflicht_node.html. 45 https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/03_Verbraucherprodukte/Tabak/DE-ECigarette_sortiert .html?nn=11658762. 46 https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/03_Verbraucherprodukte/02_Verbraucher/05_Tabakerzeugnisse /05_Listung-Tabak-EZigaretten/Listung-Tabak-EZigaretten_node.html;jsessionid =375BE81C0BB11990269C6EAD36C74AAB.1_cid360. 47 Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. L 127 vom 29.4.2014, S. 1), https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02014L0040- 20150106&qid=1600872329593&from=DE. 48 Vgl. https://www.verbrauchergesundheit.gv.at/Lebensmittel/Cannabinoid/Information_-_Hanf-_und_CBD-Produkte _%2819.10.18%29.pdf?7mgv8y. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 088/20 Seite 14 sollen in Deutschland auch nicht nikotinhaltige E-Liquids in das Tabakrecht einbezogen werden und u. a. im Hinblick auf Inhaltstoffe mit den nikotinhaltigen Produkten gleichgestellt werden.49 Soweit E-Liquids THC enthalten, erscheint dies betäubungsmittelrechtlich problematisch, da THC unter das BtMG (Anlage I) fällt. Es ist zweifelhaft, ob bei der Verarbeitung von Cannabis zu E-Liquids mit THC-Anteilen von einem „gewerblichen Zweck“ und einem „unbedenklichen Produkt “ im Sinne der Rechtsprechung ausgegangen werden kann.50 Liquids für E-Zigaretten werden in Deutschland mit keinen Steuern jenseits der Umsatzsteuer belegt .51 *** 49 Vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/194/1919495.pdf; zum aktuellen sachlichen Anwendungsbereich des deutschen Tabakrechts vgl. https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/03_Verbraucherprodukte/02_Verbraucher /05_Tabakerzeugnisse/01_WasSindTabakerzeugnisse/bgs_Def_Tabakerzeugnisse_node.html sowie zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten sowie der Rechtslage bei nikotinhaltigen und nicht nikotinhaltigen Liquids, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Fragen und Antworten vom 25. Juni 2020, https://mobil .bfr.bund.de/cm/343/e-zigaretten-alles-andere-als-harmlos.pdf. 50 Vgl. zu den Anforderungen an die Ausnahme vom Cannabisverbot Landgericht Braunschweig, Urteil vom 28. Januar 2020, Az.: 4 KLs 804 Js, http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod ?feed=bsnd-r-og&showdoccase=1¶mfromHL=true&doc.id=JURE200005429; Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 21. Juni 2016, Az.: 4 RVs 51/16, abrufbar unter https://openjur.de/u/892820.html; Patzak in: Körner /Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 2 Rn. 48; Rottmeyer, PharmR 2020, 446 (447f.); vgl. auch Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. September 2019, „Wie gefährlich ist das Dampfen in Deutschland“, https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/wie-gefaehrlich-ist-die-e-zigarette-in-deutschland- 16397068.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2. 51 Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste vom 24. Februar 2020 (WD 4 - 3000 - 015/20), https://www.bundestag .de/resource/blob/690132/ea15e31a880dac31203da7ea98159c59/WD-4-015-20-pdf-data.pdf.