© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 088/17 Wirtschaftliche Folgewirkungen der Sanktionen der Europäischen Union gegenüber der Russischen Föderation Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 2 Wirtschaftliche Folgewirkungen der Sanktionen der Europäischen Union gegenüber der Russischen Föderation Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 088/17 Abschluss der Arbeit: 12.12.2017 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkungen 4 2. Wirtschaftliche Lage in der Russischen Föderation sowie deutsch-russische Wirtschaftsbeziehungen 4 3. Sanktionen 6 4. Wirtschaftliche Auswirkungen der Sanktionen 8 4.1. Studie des Beratungsunternehmens Berlin Economics GmbH 8 4.2. Veröffentlichungen des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft 8 4.3. Untersuchung der Stiftung Wissenschaft und Politik 13 4.4. Berechnungen von Wissenschaftlern der Universitäten Bremen und Leipzig 14 4.5. Berechnungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) 16 4.6. Weitere Literatur 17 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 4 1. Vorbemerkungen Der nachfolgenden Dokumentation liegen mehrere Einzelfragen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen der Europäischen Union gegenüber der Russischen Föderation aufgrund der Konflikte um die territoriale Unversehrtheit der Ukraine zugrunde. Hierbei stehen deren Auswirkungen auf die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland im Vordergrund. Die Folgen der von der Europäischen Union verhängten Sanktionen für die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland beschränken sich nicht allein auf deren ökonomische Rückwirkungen. Vielmehr sind in ihre Beurteilung auch die Folgewirkungen der im Gegenzug von der Russischen Föderation gegenüber der Europäischen Union verhängten Sanktionen einzubeziehen. Für die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen ist darüber hinaus die wirtschaftliche Entwicklung in der Russischen Föderation wesentlich. Diese war, u. a. bedingt durch den Verfall der Erdölund Erdgaspreise, die herausragende Bedeutung der Rohstoffwirtschaft für die russische Außenwirtschaft und den russischen Staatshaushalt sowie den schwachen Kurs des Rubels, in den zurückliegenden Jahren durch rezessive Tendenzen gekennzeichnet und hat sich erst in letzter Zeit vor allem dank der gestiegenen Rohstoffpreise wieder erholt. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der Datenlage und der knapp bemessenen Bearbeitungszeit beschränkt sich die nachfolgende Dokumentation auf eine Zusammenstellung aktueller Beiträge zur Vermittlung eines Überblicks über die Sanktionsproblematik. Hierbei sind die aufgeführten Veröffentlichungen zumeist als Anlage beigefügt. Die Dokumentation gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt enthält Veröffentlichungen zur wirtschaftlichen Lage in der Russischen Föderation sowie zum Stand der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen; er ist den weiteren Abschnitten vorangestellt, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die deutsch-russischen Beziehungen zu verdeutlichen. Im zweiten Abschnitt sind Veröffentlichungen zusammengestellt, die einen Überblick über die Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union gegenüber der Russischen Föderation sowie der im Gegenzug ergriffenen Sanktionen der Russischen Föderation gegenüber der Europäischen Union vermitteln . Der dritte Abschnitt informiert über Veröffentlichungen, in denen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der verhängten Sanktionen Stellung genommen wird. Wie aus den Unterlagen hervorgeht, lassen sich die wirtschaftlichen Folgewirkungen der Sanktionen aufgrund der Datenlage häufig nicht eindeutig quantifizieren. 2. Wirtschaftliche Lage in der Russischen Föderation sowie deutsch-russische Wirtschaftsbeziehungen Einen knappen Überblick über die Entwicklung der russischen Wirtschaft sowie der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen in den zurückliegenden Jahren vermittelt u. a. die folgende Informationsseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017). Russische Föderation - Wirtschaftliche Beziehungen. Berlin. Link: www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Aussenwirtschaft/laendervermerk -russische-foerderation.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Anlage 1 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 5 Zusammenfassend heißt es hierin u.a.: „Wesentliche Ursachen für den Rückgang des bilateralen Handels in den letzten Jahren liegen in Strukturschwächen der russischen Wirtschaft. Dies zeigt sich insbesondere in der hohen Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten. Der Rückgang der Öl- und Gaspreise führte zu geringeren Einnahmen Russlands aus Energieexporten. Die aufgrund der fortbestehenden Destabilisierung der Ostukraine durch Russland verhängten sektoralen EU-Wirtschaftssanktionen und die russischen Gegenmaßnahmen im Agrarbereich haben diesen Trend zusätzlich verstärkt. Auch die russische Politik der Importsubstitution hat sich auf den bilateralen Handel ausgewirkt . Einige ausländische Exporte wurden durch Produktion in Russland ersetzt.“1 Im Rahmen dieser Veröffentlichung verweist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf das Informationsangebot der Germany Trade and Invest - Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH (GTAI)2 zur Entwicklung der Wirtschaft in der Russischen Föderation . Hierin findet sich u. a. folgende Veröffentlichung: GTAI (2017). Wirtschaftsdaten kompakt. Russland. Berlin/Bonn. November 2017. Links: www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Wirtschaftsklima/wirtschaftsdaten-kompakt ,t=wirtschaftsdaten-kompakt--russland,did=1584670.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017); www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten /MKT/2016/11/mkt201611222008_159230_wirtschaftsdaten-kompakt---russland.pdf?v=4 (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Anlage 2 Die Publikation informiert in kurz gefassten Übersichten über die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage und des Außenhandels Russlands einschließlich dessen außenwirtschaftlicher Beziehungen zu Deutschland. Weitere Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklung Russlands bietet die GTAI-Internetseite Russland an, Link: www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Weltkarte /Asien/russland.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage in Russland sowie die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen wird im Übrigen auf folgende aktuelle Veröffentlichungen aufmerksam gemacht: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Moskau/GTAI Germany Trade & Invest – Büro Moskau/Deutsch-Russische Auslandshandelskammer, Moskau (2017). Russland in Zahlen. 1 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017). Russische Föderation - Wirtschaftliche Beziehungen. Berlin. S. 1f. Link: www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Aussenwirtschaft/laendervermerk-russische-foerderation .html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). 2 Link: http://www.gtai.de (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 6 Aktuelle Wirtschaftsdaten für die Russische Föderation. Herbst 2017. Redaktionsschluss: November 2017. Link: my.page2flip.de/3687734/12952209/12952210/html5.html#/ (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017).3 Anlage 3 Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (2017). Russland-Update. Zahlen, Daten & Fakten zur russischen Wirtschaft und den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. Berlin. November 2017. Link: www.ost-ausschuss.de/sites/default/files/page_files/Russland-Update- Nov2017_0.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Anlage 4 3. Sanktionen Die von der Europäischen Union im Juli 2014 gegen die Russische Föderation verhängten Wirtschaftssanktionen beinhalten ein Waffenembargo, ein Ausfuhrverbot für Dual-Use-Güter, Verbote für die Ausfuhr von Gütern und die Erbringung von Dienstleistungen zur Exploration und Förderung von Erdöl sowie Beschränkungen im Bereich des Kapitalmarktverkehrs. Hinzu treten weitere restriktive Maßnahmen wie Investitions- und Handelsbeschränkungen im Hinblick auf die Krim und Sewastopol sowie die Ausweitung bereits bestehender Einreiseverbote und Kontensperrungen .4 Im Gegenzug hat Russland im Laufe des Jahres 2014 Importverbote für bestimmte Lebensmittel und landwirtschaftliche Produkte aus den Mitgliedstaaten der EU sowie weiteren westlichen Staaten erlassen.5 Hinzu treten Einreiseverbote für bestimmte Personen aus der EU. Einen ausführlichen Überblick über die restriktiven wirtschaftlichen Maßnahmen der EU gegenüber der Russischen Föderation und der Russischen Föderation gegenüber der EU sowie deren Verlängerung bzw. Modifikation vermitteln folgende Veröffentlichungen: 3 Die als Anlage 3 beigefügte Schrift ist die neueste Ausgabe des von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau, der GTAI (Büro Moskau) und der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (Moskau) herausgegebenen Publikationsorgans „Russland in Zahlen“. Es erscheint jeweils im Frühjahr, Sommer und Herbst eines Jahres und kann u. a. über die Infothek der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer unter der Rubrik „Wirtschaftsdaten Russland“ elektronisch abgerufen werden (Link: russland.ahk.de/infothek/wirtschaftsdaten/ ; zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). 4 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014). Meldung. Russland-Sanktionen: Informationen für Unternehmen. Berlin. 07.08.2014. Link: www.bmwi.de/Redaktion/DE/Meldung/2014/20140807-informationenfuer -unternehmen-sanktionen.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017); Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014). Meldung. Russland: Sanktionsbereiche, Ansprechpartner und Unterstützungsmaßnahmen. Berlin. 12.09.2014. Link: www.bmwi.de/Redaktion/DE/Meldung /2014/20140912-neue-russland-sanktionen-treten-in-kraft.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). 5 Vgl. u. a.: Roth, Barbara/Wienold, Alesia (2015). Russische Gegenreaktionen und ihre Auswirkungen – ein Überblick . In: Wirtschaft und Recht in Osteuropa (WiRO). Jahrgang 24 (2015). Heft 11. S. 321 – 324. Link: beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fwiro%2F2015%2Fcont%2Fwiro.2015.321.1.htm&pos=1&lasthit=True (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 7 GTAI (2017). GTAI-Special Russland-Sanktionen. Berlin/Bonn. Stand: 01.11.2017. Links: www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Specials/russland-sanktionen.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017); www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Special/russland-sanktionen,t=1-sanktionen -der-europaeischen-union-gegenueber-russland,did=1263744.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Anlage 5 Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (2017). Sanktionen. Moskau. Link: russland.ahk.de/infothek/sanktionen/ (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Anlage 6 Europäische Union (2017). Nachrichten. Topthemen. EU-Sanktionen gegen Russland aufgrund der Krise in der Ukraine. Brüssel. Link: europa.eu/newsroom/highlights/special-coverage/eusanctions -against-russia-over-ukraine-crisis_de (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Anlage 7 Über die restriktiven Maßnahmen der EU gegenüber der Russischen Föderation informiert darüber hinaus folgende gemeinsame Informationsseite des Europäischen Rates und des Rates der Europäischen Union: Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union. Restriktive Maßnahmen der EU als Reaktion auf die Krise in der Ukraine. Brüssel. Link: www.consilium.europa.eu/de/policies/sanctions /ukraine-crisis/ (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Ferner wird auf die Antworten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auf Fragen aufmerksam gemacht, die hinsichtlich der gegenseitigen Sanktionen häufig gestellt werden: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (o.J.). FAQ. Fragen und Antworten zu Russland -Sanktionen. Berlin. Link: www.bmwi.de/Redaktion/DE/FAQ/Russland-Sanktionen/faqrussland -sanktionen.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Auf die Frage, welche Wirtschaftszweige hauptsächlich von den Sanktionen betroffen sind, wird folgende Antwort erteilt: „Die von der Europäischen Union (EU) beschlossenen Sanktionen sind zielgenau formuliert und betreffen die Bereiche Rüstung, Dual Use, Energie sowie den Zugang zum Kapitalmarkt. Darüber hinaus wurden Einreisesperren und Finanzsanktionen gegen Personen und Einrichtungen verhängt. Durch die russischen Retorsionsmaßnahmen vom 7. August sind besonders betroffen die Einfuhr von Lebensmitteln (Fleisch, Obst, Gemüse, Fisch, Käse, Milch und andere Milcherzeugnisse).“6 6 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (o.J.). FAQ. Fragen und Antworten zu Russland-Sanktionen. Berlin . Link: www.bmwi.de/Redaktion/DE/FAQ/Russland-Sanktionen/faq-russland-sanktionen.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 8 4. Wirtschaftliche Auswirkungen der Sanktionen 4.1. Studie des Beratungsunternehmens Berlin Economics GmbH Was die wirtschaftlichen Auswirkungen der gegenseitigen Sanktionen anbelangt, so ist insbesondere auf eine neue Untersuchung des Berliner wirtschaftspolitischen Beratungsunternehmens Berlin Economics GmbH7 hinzuweisen; sie ist der Dokumentation als Anlage 8 beigefügt. Berlin Economics GmbH (Hrsg.) (2017). Giucci, Ricardo/Wolter, Woldemar. Die ökonomische Wirkung der gegenseitigen EU-Russland-Sanktionen auf die EU. Plausibilitätsprüfung bisheriger Studien durch eine einfache Schätzung. - Finanziert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie -. Zweite Fassung: 30. Mai 2017. Berlin. Links: berlin-economics.com/wordpress/de/2-fassung-der-studie-die-oekonomische-wirkung-der-gegenseitigen -eu-russland-sanktionen-auf-die-eu/ (Informationsseite zur Studie) (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017); berlin-economics.com/wordpress/wp-content/uploads/BE_%C3%96konomische-Wirkung-EU- RUS-Sanktionen-auf-EU_30-Mai-2017.pdf (Studie) (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Anlage 8 Die Untersuchung nimmt eine Abschätzung der Auswirkungen der gegenseitigen Sanktionen zwischen der EU und Russland auf das Bruttoinlandsprodukt der EU sowie die Bruttoinlandsprodukte ihrer Mitgliedstaaten vor. Darüber hinaus werden die Ergebnisse bisheriger Studien zu den Auswirkungen der Sanktionen auf das Bruttoinlandsprodukt der EU anhand einer Plausibilitätsprüfung überprüft. Die Untersuchung gelangt zu dem Ergebnis, dass die negativen Auswirkungen der gegenseitigen Sanktionen auf das Bruttoinlandsprodukt der EU in bisherigen Studien durch problematische Annahmen/Methoden überschätzt worden seien, u. a. deswegen, weil der Exportrückgang mit dem sanktionsbedingten Rückgang gleichgesetzt und somit die Wirkung des Ölpreisschocks ausgeblendet worden sei sowie eine Export-Umlenkung nicht berücksichtigt worden sei.8 Sie weist darüber hinaus u. a. länderbezogene Berechnungen zum sanktionsbedingten Exportrückgang und dessen Rückwirkung auf das Bruttoinlandsprodukt sowie branchenbezogene Berechnungen aus (Landwirtschaft, Maschinenbau). Im Hinblick auf die Einzelheiten der Berechnungen wird auf die Untersuchung verwiesen. 4.2. Veröffentlichungen des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Auch der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, gemeinsames Organ von fünf Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Vertretung der Interessen deutscher Unternehmen im östlichen Europa, hat sich im laufenden Jahr in seinen Veröffentlichungen mehrfach mit den Auswirkungen der wechselseitigen Sanktionen zwischen der EU und Russland befasst, u. a. in seiner als Anlage 4 beigefügten Publikation (siehe oben). 7 Link: berlin-economics.com (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017) . 8 Vgl. Berlin Economics GmbH (Hrsg.) (2017). A.a.O. S. 19 f. (Plausibilitätsprüfung bisheriger Studien, Gründe für Überschätzung durch bisherige Studien). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 9 Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (2017). Russland-Update. Zahlen, Daten & Fakten zur russischen Wirtschaft und den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. Berlin. November 2017. Link: www.ost-ausschuss.de/sites/default/files/page_files/Russland-Update- Nov2017_0.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). In diesem Beitrag führt der Ost-Ausschuss im Rahmen des Abschnitts 3. (Wirtschaftssanktionen) zu den wirtschaftlichen Sanktionsfolgen aus: „Die westlichen Sanktionen haben zur aufwendigen Prüfung vieler Maschinenexporte durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAFA geführt. Das BAFA hat darüber zu entscheiden, ob Dual-Use-Komponenten im Zweifelsfall auch für militärische Zwecke oder die Ölindustrie eingesetzt werden könnten. Von den westlichen Finanzmarktsanktionen sind letztlich alle Branchen betroffen, weil damit beispielsweise Exportfinanzierungen für russische Kunden erschwerten Bedingungen unterliegen. Generell war in den ersten beiden Jahren nach Einführung der Sanktionen eine stark gestiegene Risikoscheu bei Geschäften zu beobachten. Die Komplexität der verschiedenen Regelungen schreckte ab, gerade kleinere Geschäfte wurden angesichts des hohen Prüfungsaufwands und der Gefahr unbeabsichtigter Regelverletzungen gar nicht erst in Erwägung gezogen. Die russischen Gegensanktionen zielen in erster Linie auf die deutsche und europäische Landund Ernährungswirtschaft, die bereits vor den Sanktionen wiederholt mit russischen Einfuhrverboten konfrontiert wurde. Der nun sanktionsbedingte, weitgehende Ausfall des russischen Marktes trägt zu einem Überangebot an Fleisch und Obst, aber auch an Milchprodukten in der EU bei. Dadurch sanken die Erlöse unter anderem bisweilen unter die Produktionskosten. Den EU-Landwirten gelingt es aber zunehmend, den russischen Markt durch Lieferungen auf andere Märkte zu kompensieren. ( … ) Anteilig haben sich die deutschen Exporte nach Russland nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes, ausgehend von 2013 bis Ende 2016, von 35 Milliarden Euro auf rund 21 Milliarden Euro ebenfalls um 40 Prozent verringert. Russland ist damit in der Liste der wichtigsten deutschen Handelspartner hinter Länder wie Tschechien, Ungarn oder Schweden abgerutscht, die nicht einmal ein Zehntel der Einwohner Russlands haben. Umgekehrt verringerten sich die deutschen Einfuhren aus Russland von 40 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf 26 Milliarden Euro 2016. Allerdings wäre eine Gleichsetzung dieser massiven Handelseinbrüche mit den Wirkungen der Sanktionen falsch: Es gibt andere Einflussfaktoren wie den stark gesunkenen Ölpreis und den schwachen Rubel-Kurs, die einen erheblich größeren Anteil am Niedergang der Konjunktur in Russland und damit des Handels haben. Auch innerrussische Modernisierungsdefizite spielen eine Rolle, denn bereits im Jahr 2013 hatte es im Vergleich zum Rekordjahr 2012 einen leichten Rückgang im bilateralen Handel gegeben. Experten aus den USA, Russland und Deutschland gehen davon aus, dass etwa 20 Prozent bis 43 Prozent der Verluste im Export nach Russland und etwa 20 Prozent des wirtschaftlichen Einbruchs in Russland in den Jahren nach 2013 auf die Sanktionen zurückgeführt werden können. Nimmt man die untere Grenze dieser Schätzungen von 20 Prozent als Ausgangspunkt und betrachtet die oben beschriebene Entwicklung des EU-Russland-Handels, so hätten die Sanktionen im Jahr 2014 im Vergleich zu 2013 zu Handelsausfällen von 7,6 Milliarden Euro, 2015 von 23,4 Milliarden und 2016 von 27,2 Milliarden Euro geführt. Für die Jahre 2014 bis 2016 lägen damit die sanktionsbedingten Verluste zusammengerechnet allein für den bilateralen Handel bei rund 58 Milliarden Euro. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 10 Nimmt man dagegen die obere Grenze der Schätzungen von ca. 40 Prozent zum Maßstab, würden sich die Verluste auf 116 Milliarden Euro verdoppeln. Generell ist für eine realistische Gesamtrechnung darauf hinzuweisen, dass sich die negative Sanktionswirkung für die Wirtschaft nicht allein auf sanktionierte Güter und damit unterbundene Exporte erstreckt, sondern auch auf eine Reihe weiterer Faktoren, die in der Fachliteratur bisweilen auch als „Kollateralschäden“ bezeichnet werden. Diese können zwar nicht unmittelbar auf die Sanktionsbeschlüsse zurückgeführt werden, jedoch eine erhebliche Größenordnung erreichen. Dazu gehören Umsatzrückgänge westlicher Firmen auf dem russischen und russischer Firmen auf dem westlichen Markt (z. B. aufgrund bewusster oder erzwungener Boykottentscheidungen von Kunden und Partnern), aus politischen Gründen unterbundene, 2014 bereits laufende und damit eigentlich nicht sanktionsrelevante Projekte (z. B. Lieferung eines Hubschrauberträgers durch französische und eines Gefechtsübungszentrums durch deutsche Anbieter an Russland), gesunkene Aktienkurse, aufgrund neuer Risikoanalysen stornierte Handels- und Investitionsentscheidungen, geplatzte Kredite bis hin zu aus politischen Gründen stornierten Urlaubs- und Geschäftsreisen. Insbesondere das Vertrauen russischer Partner in die Umsetzbarkeit von Großprojekten unter Beteiligung deutscher oder europäischer Partner wurde gestört. Selbst wenn derartige Projekte nicht unter Sanktionen fallen, stehen sie noch immer im Verdacht, eines Tages vielleicht sanktionsrelevant werden zu können. Die Sanktionen zwischen der EU und Russland hatten und haben zudem Folgewirkungen auch in Nachbarregionen, die wirtschaftlich stark von Russland abhängig sind. Umgekehrt gibt es aber auch Länder, die sich nicht an den Wirtschaftssanktionen beteiligen und denen sich aufgrund dessen nach dem Ausfall von EU-Exporten nach Russland dort neue Marktchancen eröffnen. Hier wird von Experten insbesondere auf China, die Schweiz, die Türkei, Südkorea, Brasilien, Ägypten oder Israel verwiesen, die dauerhaft deutsche und EU-Marktanteile in Russland besetzen könnten. In Ansätzen lässt sich dies tatsächlich nachweisen: So ging in den Jahren 2014 bis 2016 wegen der allgemein schwierigen Wirtschaftslage in Russland zwar auch der chinesische Export nach Russland deutlich zurück (-33 Prozent), aber geringer als der deutsche Export nach Russland (-41 Prozent, Zahlen jeweils nach russischen Statistiken ). Insgesamt bleibt auch nach gründlicher Sichtung vorhandener Studien die Bestimmung der globalen Sanktionsfolgen für die Jahre 2014 bis 2016 und ihre zukünftigen Auswirkungen schwierig und von einer Reihe von Annahmen abhängig. Einige Effekte schwächen sich über die Jahre ab, weil Unternehmen neue Märkte entwickeln und Marktlücken anderweitig geschlossen werden. Andere Effekte potenzieren sich möglicherweise über die Jahre. Mit einiger Sicherheit lässt sich jedoch sagen, dass die Sanktionskosten für Russland und den Westen seit 2014 zusammengenommen mindestens einen sehr hohen zweistelligen, wenn nicht bereits einen dreistelligen Milliarden-Euro-Betrag erreicht haben.“9 9 Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (2017). Russland-Update. Zahlen, Daten & Fakten zur russischen Wirtschaft und den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. Berlin. November 2017. Link: www.ost-ausschuss .de/sites/default/files/page_files/Russland-Update-Nov2017_0.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 11 Ähnlich argumentiert der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft in einem Positionspapier zu den Wirtschaftssanktionen, das sich insbesondere auch mit den Sanktionsfolgen für die Wirtschaft befasst. Vgl. Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (2017). Positionspapier. Schrittweise aus der Krise. Eine Bilanz des Ost-Ausschusses nach drei Jahren europäisch-russischer Wirtschaftssanktionen . Berlin. Redaktionsschluss: 25. Juni 2017. Link: www.ost-ausschuss.de/sites /default/files/pm_pdf/OA-Positionspapier-Wirtschaftssanktionen_final.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017).10 Anlage 9 In Abschnitt 2.2 dieser Publikation nimmt der Ost-Ausschuss ausführlich zu den volkswirtschaftlichen Kosten der gegenseitigen Sanktionen Stellung, wobei er auch auf bereits vorliegende Studien zurückgreift.11 Zuvor geht er in Abschnitt 2.1 auf die von den Sanktionen besonders betroffenen Branchen ein. Hierin wird u. a. dargelegt: „Hauptbetroffen von EU -Exportverboten sind Produzenten von Technologien zur Ölförderung, Lieferanten von Rüstungsgütern, Produzenten von so genannten Dual -Use -Gütern sowie die Finanzindustrie. Die westlichen Sanktionen haben zur aufwendigen Prüfung vieler Maschinenexporte durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAFA geführt. Das BAFA hat darüber zu entscheiden, ob Dual - Use -Komponenten im Zweifelsfall auch für militärische Zwecke oder die Ölindustrie eingesetzt werden könnten. Dies hat insbesondere in den ersten Monaten Geschäfte erschwert und zeitliche Abläufe schwerer kalkulierbar gemacht. Der bürokratische Aufwand belastet insbesondere den deutschen Maschinenbau. Generell war in den ersten beiden Jahren nach Einführung der Sanktionen eine stark gestiegene Risikoscheu bei Geschäften zu beobachten. Die Komplexität der verschiedenen Regelungen schreckte ab, gerade kleinere Geschäfte wurden angesichts des hohen Prüfungsaufwands und der Gefahr unbeabsichtigter Regelverletzungen gar nicht erst in Erwägung gezogen. Von den westlichen Finanzmarktsanktionen sind letztlich alle Branchen betroffen, weil damit beispielsweise Exportfinanzierungen für russische Kunden erschwerten Bedingungen unterliegen .“12 10 Vgl. auch folgenden einführenden Kurzbeitrag zum Positionspapier des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft : Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (2017). Analyse zu drei Jahren EU-Russland-Sanktionen: Der Ost-Ausschuss sieht Chancen für Annäherung. Berlin. 29. Juni 2017. Link: www.ost-ausschuss.de/content/analyse -zu-drei-jahren-eu-russland-sanktionen-der-ost-ausschuss-sieht-chancen-f%C3%BCr-ann%C3%A4herung (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). 11 Vgl. Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (2017). Positionspapier. Schrittweise aus der Krise. Eine Bilanz des Ost-Ausschusses nach drei Jahren europäisch-russischer Wirtschaftssanktionen. Berlin. Redaktionsschluss: 25. Juni 2017. Abschnitt 2.2 (Sanktionskosten – Schätzungen und Analysen). S. 9 – 14. Link: www.ost-ausschuss .de/sites/default/files/pm_pdf/OA-Positionspapier-Wirtschaftssanktionen_final.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). 12 Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (2017). Positionspapier. A .a. O. S. 8. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 12 Im Hinblick auf die russischen Gegensanktionen führt der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft anschließend weiter aus: „Die russischen Gegensanktionen zielen in erster Linie auf die deutsche und europäische Land - und Ernährungswirtschaft, die bereits vor den Sanktionen wiederholt mit russischen Einfuhrverboten konfrontiert wurde. Der nun sanktionsbedingte, weitgehende Ausfall des russischen Marktes trägt zu einem Überangebot an Fleisch und Obst, aber auch an Milchprodukten in der EU bei. Dadurch sanken die Erlöse unter anderem bisweilen unter die Produktionskosten . Den EU -Landwirten gelingt es aber zunehmend, den russischen Markt durch Lieferungen auf andere Märkte zu kompensieren.“13 Auch in seinem Positionspapier vertritt der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft die Auffassung , dass die für die EU, Russland und die Nachbarländer seit 2014 aufgelaufenen Sanktionslasten und negativen Wirtschaftseffekte einen sehr hohen zweistelligen, wenn nicht bereits dreistelligen Milliarden Betrag erreicht haben. Zusammenfassend führt er aus: „Insgesamt bleibt auch nach gründlicher Sichtung vorhandener Studien die Bestimmung der globalen Sanktionsfolgen für die Jahre 2014 bis 2016 und ihre zukünftigen Auswirkungen schwierig und von einer Reihe von Annahmen abhängig. Einige Effekte schwächen sich über die Jahre ab, weil Unternehmen neue Märkte entwickeln und Marktlücken anderweitig geschlossen werden. Andere Effekte potenzieren sich möglicherweise über die Jahre: Unterlassene Investitionen 2014 verursachen z. B. unterlassene Folgeinvestitionen 2015, 2016 usw. Zudem sind uns bislang keine tiefgehenden Studien bekannt, die die Auswirkungen der Sanktionen auf Russland oder die Ukraine nachvollziehbar hochgerechnet haben. So bleibt eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Sanktionskosten und -folgen für ganze Europa einschließlich Russlands und der Länder der Eurasischen Union weiter spekulativ. Dennoch erlauben die erwähnten Studien, Teilrechnungen und Schätzungen die Aussage, dass die Sanktionslasten und negativen Wirtschaftseffekte inzwischen in ihrer Gesamtheit für die EU, Russland und die Nachbarländer seit 2014 zusammengenommen mindestens einen sehr hohen zweistelligen, wenn nicht bereits einen dreistelligen Milliarden -Euro -Betrag erreicht haben.“14 Zu dem Positionspapier hat der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft eine Pressemitteilung veröffentlicht, die im Internet aufgerufen werden kann.15 13 Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (2017). Positionspapier. A .a. O. S. 8. 14 Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (2017). Positionspapier. A .a. O. S. 14. 15 Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (2017). Pressemitteilung. Drei Jahre Russland-Sanktionen: Ost-Ausschuss sieht Chancen für Annäherung. Berlin. 29. Juni 2017. Link: http://www.ost-ausschuss.de/sites/default/files/pm_pdf/PM%20Drei-Jahre-Sanktionen.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 13 4.3. Untersuchung der Stiftung Wissenschaft und Politik Die Stiftung Wissenschaft und Politik16 hat sich in den vergangenen Jahren verschiedentlich mit den wechselseitigen Sanktionen zwischen der EU und Russland befasst.17 Hierbei wird in einem Beitrag vom April 2017 u. a. ausführlich zu den Wirkungen der Sanktionen Stellung genommen. Fischer, Sabine (2017). Sanktionen als Dauerzustand? Vorschlag für eine Flexibilisierung der EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland. In: Stiftung Wissenschaft und Politik (Hrsg.). SWP- Aktuell 2017/A 24. Berlin. April 2017. Link: www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products /aktuell/2017A24_fhs.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Anlage 10 Im Hinblick auf die Wirkungen der Sanktionen auf die wirtschaftliche Situation in der EU heißt es hierin: „Die Volkswirtschaften der EU Mitgliedstaaten sind von den beiderseitigen Sanktionen in dreierlei Hinsicht betroffen. Zum einen unterbinden die restriktiven Maßnahmen der EU bestimmte Interaktionen in der Rüstungsindustrie, der Hochtechnologie und im Energiesektor. Zweitens mussten einige Mitgliedstaaten wegen des russischen Einfuhrstopps Rückgänge ihrer landwirtschaftlichen Exporte hinnehmen. Und drittens wirkten sich die Rezession und die mit ihr einhergehende Schwächung der russischen Kaufkraft negativ auf in Russland tätige Unternehmen aus der EU aus. Berechnungen von Ökonomen gehen auch perspektivisch von sehr begrenzten Konsequenzen der Sanktionen für die Gesamtwirtschaft der EU aus (deutlich unter 0,5 Prozent des BIP). Allerdings sind die Effekte angesichts der unterschiedlich starken wirtschaftlichen Interdependenzen sehr ungleich verteilt. So trägt die Bundesrepublik Deutschland als Russlands wichtigster europäischer Handelspartner die größte Last der EU-Sanktionen . Frankreich musste den Verkauf zweier Hubschrauberträger vom Typ Mistral stoppen. Der französische Bankensektor ist wegen besonders hoher Kredite an russische Unternehmen Risiken ausgesetzt. Andere, zumeist ostmitteleuropäische Staaten und Finnland, sind stark von dem russischen Agrarembargo betroffen. Die nachteiligen Folgen der Sanktionen für die EU-Mitgliedstaaten sind nicht existenziell, können jedoch angesichts der ohnehin angespannten wirtschaftlichen Situation in der EU nicht ignoriert werden. Die Kommission leitete bereits 2014 eine Reihe von Schritten ein, um negative Wirkungen auszugleichen. Dazu gehören Maßnahmen zur Stabilisierung des Agrarmarkts innerhalb der EU und die Bemühungen, neue Absatzmärkte innerhalb des Binnenmarkts oder in Drittstaaten zu erschließen. So konnte der Verlust des russischen Marktes durch eine Umorientierung auf andere Märkte, zum Beispiel Belarus, weitgehend kompensiert werden. 16 Link: https://www.swp-berlin.org/ (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). 17 Vgl. u. a. Fischer, Sabine (2015). EU-Sanktionen gegen Russland. Ziele, Wirkung und weiterer Umgang. In: SWP-Aktuell 2015/A. Berlin. März 2015. Link: www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell /2015A26_fhs.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 14 Die EU-Sanktionen wurden 2014 bewusst so gestaltet, dass sie die engen Energiebeziehungen mit Russland, vor allem im Erdgasbereich, auch mittel- bis langfristig nicht gefährden. Bestrebungen , die Erdgasimporte der EU zu diversifizieren, gab es jedoch schon lange vor dem Ausbruch der akuten Krise. Die primären und sekundären Konsequenzen der Sanktionen seit 2014 führen auch auf EU-Seite in unterschiedlichen Sektoren zu Entflechtungstendenzen.“18 Im Hinblick auf die Wirkung der Sanktionen und Gegensanktionen auf die russische Wirtschaft wird zuvor zusammenfassend festgestellt: „Die russische politische Führung begegnete den Auswirkungen der Sanktionen mit einer Reihe von Maßnahmen. Wie bereits erwähnt, erhielten Unternehmen, die vor der Zahlungsunfähigkeit standen, Unterstützung in Form von Finanzhilfen und staatlichen Großaufträgen, die es ihnen ermöglichen sollten, ihre sanktionsbedingten Verluste zu kompensieren. Auch bemühte sich Russland ab 2014 – mit mäßigem Erfolg – um eine rasche Intensivierung seiner wirtschaftlichen Beziehungen zu China. Und schließlich arbeitet Moskau nun noch entschiedener darauf hin, die Rolle des Staates in der Wirtschaft zu stärken, und neigt noch rückhaltloser zu Protektionismus und Importsubstitution.“19 4.4. Berechnungen von Wissenschaftlern der Universitäten Bremen und Leipzig Im Jahr 2016 haben Wissenschaftler der Universitäten Bremen und Leipzig auf einem statistischen Modell beruhende Berechnungen zu den Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen zwischen der EU und Russland auf die Produktion und Beschäftigung in Deutschland veröffentlicht. Vgl. Günther, Jutta/Kristalova, Maria/Ludwig, Udo (2016). Unmittelbare und mittelbare Folgen der Wirtschaftssanktionen zwischen der EU und Russland auf Produktion und Beschäftigung in Deutschland. In: Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde/Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen/Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (Hrsg.). Russland- Analysen. Nr. 325. 18.11.2016. S. 20 – 26. Link: www.laender-analysen.de/russland/pdf/Russland Analysen325.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017).20 Anlage 11 Hinsichtlich des realwirtschaftlichen Einflusses der Sanktionspolitik auf die deutsche Wirtschaft führen die Autoren aus: 18 Fischer, Sabine (2017). Sanktionen als Dauerzustand? Vorschlag für eine Flexibilisierung der EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland. A. a. O. S. 4 f. 19 Fischer, Sabine (2017). Sanktionen als Dauerzustand? Vorschlag für eine Flexibilisierung der EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland. A. a. O. S. 4. 20 Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich um eine aktualisierte Version des folgenden im Jahr 2016 in der wirtschaftswissenschaftlichen Fachzeitschrift Wirtschaftsdienst veröffentlichten Beitrags: Günther, Jutta/Kristalova, Maria/Ludwig, Udo (2016). Folgen der Sanktionen zwischen der EU und Russland für die deutsche Wirtschaft. In: Wirtschaftsdienst. 96. Jahrgang. 2016. Heft 7. S. 524 – 526. Link: archiv.wirtschaftsdienst .eu/jahr/2016/7/folgen-der-sanktionen-zwischen-der-eu-und-russland-fuer-die-deutsche-wirtschaft/ (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 15 „Die Berechnungen für Deutschland unter Verwendung der neuesten Input-Output-Tabelle für das Jahr 2012 weisen auf einen Verlust an inländischer Produktion in Folge des gesamten Exportrückgangs nach Russland in den Jahren 2014 und 2015 in Höhe von fast 26 bzw. 8,7 Milliarden Euro (sanktionsbedingter Produktionsrückgang) hin. Die abgeleiteten Beschäftigungseffekte entsprechen einem Verlust an Arbeitsplätzen für fast 40.000 Personen. Bei 43,32 Millionen Beschäftigten (Dezember 2015, Inlandskonzept) entspricht dieser Rückgang ca. 0,09 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland ( …. ). Zudem wirken die Exportverluste der sanktionierten Gütergruppen wegen der intensiveren Produktionsverflechtungen stärker über die Wertschöpfungsketten auf die Gesamtwirtschaft durch als die Exporte nach Russland im Schnitt. Der Produktions- bzw. Beschäftigungsmultiplikator ist deutlich größer. Nach dem Mittelweg-Szenario für das Jahr 2016 kann der Produktionsverlust knapp über 5 Milliarden Euro erreichen und die Einbußen an Bruttowertschöpfung betragen 1,8 Milliarden Euro, was einem BIP-Verlust von ca. 0,06 Prozent entspricht. Der kumulierte BIP-Verlust über den gesamten Betrachtungszeitraum (2014–2016) beläuft sich auf bis 0,15 Prozent.“21 Weiter teilen sie zu den sektoralen Effekten der Sanktionen mit: „Die Berechnungen zeigen, dass die exportorientierten Sektoren mit starken sektoralen Verflechtungen wie bspw. die Automobilindustrie, der Maschinenbau sowie die Elektrotechnikund Elektronikindustrie besonders betroffen sind. So verloren die Hersteller von Kraftwagen und Kraftwagenteilen ( … ) im ersten Sanktionsjahr 2014 Produktion in Höhe von ca. 816 Millionen Euro, die sonstigen Fahrzeugbauer ( … ), deren Güterpalette unmittelbar von den Sanktionen betroffene »schwimmende, tauchende Bohr-/Förderplattformen und Feuerlöschschiffe, Schwimmkrane u. a. « enthält, sogar ca. 865 Millionen Euro. Im zweiten Sanktionsjahr erleiden der sonstige Fahrzeugbau mit 1.529 Millionen Euro, der Maschinenbau (Sektor 28) mit 1.437 Millionen Euro, und die Hersteller von Eisen und Stahl ( … ) mit 646 Millionen Euro die stärksten Verluste. Im dritten Sanktionsjahr verlieren Hersteller von sonstigen Fahrzeugen 926 Millionen Euro am Output, die Maschinenbauer etwas über 728 Millionen Euro und die Hersteller von Eisen und Stahl 435 Millionen Euro. Der Nahrungsmittelsektor weist zwar einen erheblichen Exportrückgang in Höhe von über 30 Prozent im Jahr 2014 auf, der Produktionsverlust (28 Mio. Euro) kann aber im Vergleich zu den oben genannten Sektoren als moderat eingestuft werden.“22 Zusammenfassend gelangen die Autoren hinsichtlich des wirtschaftlichen Schadens der Sanktionen für Deutschland zu folgendem Ergebnis: „Der wirtschaftliche Schaden der realwirtschaftlichen Sanktionen ist für Deutschland weitaus größer als das allein die Exportrückgänge nach Russland ausdrücken. Die indirekten Effekte auf die Beschäftigung sind durchweg höher als die direkten Effekte. Dabei sind die Multiplikatoren der auf die Sanktionen zurückzuführenden Effekte deutlich größer als im Durchschnitt. 21 Günther, Jutta/Kristalova, Maria/Ludwig, Udo (2016). Unmittelbare und mittelbare Folgen der Wirtschaftssanktionen zwischen der EU und Russland auf Produktion und Beschäftigung in Deutschland. A. a. O. S. 22. 22 Günther, Jutta/Kristalova, Maria/Ludwig, Udo (2016). Unmittelbare und mittelbare Folgen der Wirtschaftssanktionen zwischen der EU und Russland auf Produktion und Beschäftigung in Deutschland. A. a. O. S. 22. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 16 Das hängt damit zusammen, dass stärker verflochtene Sektoren (z. B. Automobilindustrie, Maschinenbau , Metallbranche) von der Sanktionspolitik in höherem Maße betroffen sind. Mit der Dauer der Sanktionen steigen die Belastungen. So konnten 2014 7,7 Prozent des Output-Verlusts infolge des Exportrückgangs nach Russland auf die Sanktionen zurückgeführt werden, währenddessen der Anteil im Jahr 2015 bereits 55 Prozent erreichte. 2016 kann dieser Anteil 50 Prozent überschreiten. Auch wenn einige Annahmen getroffen werden mussten, um solche Berechnungen zu ermöglichen, und die Ergebnisse in der Realität in der einen oder anderen Richtung abweichen können, unterstreichen sie doch den Schaden für die deutsche Wirtschaft . Außerdem bergen anhaltende Sanktionen das Risiko, Märkte an die Konkurrenz auf lange Zeit zu verlieren und auch die nicht-sanktionierten Bereiche sowie die Energieversorgungs - und die Direktinvestitionsbeziehungen mit Russland zu belasten.“23 4.5. Berechnungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) Ferner wird auf folgende Veröffentlichungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) zu den Auswirkungen der wechselseitigen Sanktionen zwischen der EU und Russland auf die Wertschöpfung und Beschäftigung in der EU und ihren Mitgliedstaaten aufmerksam gemacht. Im Vordergrund stehen hierbei die negativen Effekte der Sanktionen auf die Exporte der EU-Mitgliedstaaten nach Russland. Der Berechnungsansatz des WIFO ist Gegenstand kritischer Anmerkungen der oben aufgeführten Studie des Beratungsunternehmens Berlin Economics GmbH.24 Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) (Hrsg.) (2016). Christen, Elisabeth /Fritz, Oliver/Streicher, Gerhard/Hinz, Julian. Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen der EU und Russlands auf Wertschöpfung und Beschäftigung in Österreich und der EU. Wien. Dezember 2016. Link: www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument .jart?publikationsid=59227&mime_type=application/pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Anlage 12 Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (2017). Presseinformation. Russland-Sanktionen kosten die EU-Länder 30 Milliarden Euro. Wien. 06. Oktober 2017. Link: www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid =60666&mime_type=application/pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Anlage 13 23 Günther, Jutta/Kristalova, Maria/Ludwig, Udo (2016). Unmittelbare und mittelbare Folgen der Wirtschaftssanktionen zwischen der EU und Russland auf Produktion und Beschäftigung in Deutschland. A. a. O. S. 22 f. 24 Vgl. Berlin Economics GmbH (Hrsg.) (2017). A.a.O. S. 2, 19 f. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 088/17 Seite 17 4.6. Weitere Literatur Schließlich wird auf folgende Veröffentlichung von Ewa Dąbrowska, Amsterdam/Berlin, zum Umgang Russlands mit Sanktionen hingewiesen: Dąbrowska, Ewa (2017). Ein wirksames Mittel? Russlands kreativer Umgang mit Sanktionen. In: Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde/Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen/Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (Hrsg.). Russland-Analysen. Nr. 344. 17.11.2017. S. 6 - 10. Link: http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen 344.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.12.2017). Anlage 14 ***