© 2016 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 086/16 Rechtliche Vorgaben im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung eines planfestgestellten bundesfernstraßenrechtlichen Neubauvorhabens Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Vorgaben für Planänderungen von wesentlicher Bedeutung 10 2.1.1.2. Vorgaben für Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung 10 2.1.2. Regelungen für die endgültige Aufgabe des Vorhabens 12 2.1.2.1. Abgrenzung zwischen einer Planaufhebung und einer Planänderung 13 2.1.2.2. Endgültige Aufgabe des planfestgestellten Vorhabens 14 2.1.2.3. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses und Anordnung der Folgenbeseitigung 14 2.2. Schlussfolgerungen 15 3. Sonstige mögliche Folgen eines Entschlusses zur vorzeitigen Beendigung eines planfestgestellten Ausbauvorhabens durch den Vorhabenträger 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 4 1. Einleitung Mit Planfeststellungsbeschluss vom 29. Dezember 2010 stellte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung des Landes Berlin den Plan für das Bauvorhaben „Neubau der Bundesautobahn A 100 zwischen Autobahndreieck Neukölln und Anschlussstelle Am Treptower Park in den Bezirken Neukölln und Treptow-Köpenick von Berlin“ fest (16. Bauabschnitt).1 Vorhabenträger und Bauherr ist die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Land Berlin (Auftragsverwaltung).2 Zur Beschreibung des Vorhabens heißt es im Planfeststellungsbeschluss u. a.: „Der vorliegende Planfeststellungsabschnitt der A 100 ist Bestandteil des mittleren Straßenringes im Land Berlin. Die Weiterführung des Straßenringes der A 100, 16. Bauabschnitt (BA) wird als Neubaustrecke zwischen dem Autobahndreieck (AD) Neukölln und der Anschlussstelle (AS) Am Treptower Park geplant. Im AD Neukölln erfolgte im bereits fertig gestellten 15. BA die Verknüpfung der A 100 mit der A 113, dem Autobahnzubringer Dresden – als radiale Verbindung zwischen dem Straßenring A 100 und dem Berliner Außenring A 10. Der festgestellte Plan verläuft durch die Bezirke Neukölln und Treptow- Köpenick in nördlicher Richtung. In diesem Abschnitt wird das nachgeordnete Stadtstraßennetz mit drei Anschlussstellen angebunden. […] Das mit diesem Beschluss planfestgestellte Vorhaben weist eine Streckenlänge von 3,2 km auf. Die Trasse verläuft auf einem Abschnitt von 385 m im Tunnelbauwerk (Tunnel Grenzallee – TGR) und der überwiegende Teil des verbleibenden Abschnitts mit ca. 2,3 km in Troglage. Im Zuge der Troglage werden sowohl kreuzende Gleisanlagen der Fern- und der S-Bahn als auch die bestehenden Stadtstraßen Sonnenallee, Dieselstraße und Kiefholzstraße unterquert. Neben der Halbanschlussstelle (HAS) Grenzallee als Ausgangspunkt des festgestellten Planabschnittes am AD Neukölln sind die Anschlussstellen (AS) Sonnenallee und die AS Am Treptower Park vorgesehen, wobei die AS Am Treptower Park im Zuge des 16. BA nur mit den südlichen Ein- und Ausfahrtsrampen ausgebildet wird. […] 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2010). Planfeststellungsbeschluss für das Bauvorhaben „Neubau der Bundesautobahn A 100 zwischen Autobahndreieck Neukölln und Anschlussstelle Am Treptower Park in den Bezirken Neukölln und Treptow-Köpenick von Berlin“ vom 29.12.2010. Beschluss VII E – 2/2010. Link: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/politik_planung/planfeststellungen/de/strassen_kfz/uebersicht .shtml#anhoerung (letzter Abruf: 19.10.2016). 2 Die wesentlichen Regelungen zur Auftragsverwaltung im Bereich der Bundesfernstraßen enthalten die Artikel 90 Abs. 2, 85 GG (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2014, BGBl. I S. 2438). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 5 Über die Halbanschlussstelle (HAS) Grenzallee wird die Verbindung zwischen der BAB A 113 und der Grenzallee in vollem Umfang realisiert. Für die BAB A 100 hingegen sind in der geplanten Form keine Ab- und Auffahrtsmöglichkeiten zur Grenzallee auf Grund verkehrstechnischer Ausschlusskriterien vorgesehen. […] Zur Erreichung des Straßenringes BAB A 100 wird auf die nahegelegenen Anschlussstellen Sonnenallee und Buschkrugallee verwiesen. […] Über die Anschlussstelle (AS) Sonnenallee wird die Verbindung zwischen der BAB A 100 und der Sonnenallee realisiert. Die Stadtstraße wird an die Autobahn über die als Parallelrampen konzipierten Auf- und Abfahrten angebunden, wobei alle Abbiegerelationen von und zur BAB A 100 ermöglicht werden. […] […] Die AS Am Treptower Park stellt das Ende des 16. BA der BAB A 100 dar. Die Autobahn mündet hier in die Bundesstraße 96a, die heute und auch zukünftig eine Straße des übergeordneten Straßennetzes von Berlin (Stufe I) ist. Über die als Parallelrampe konzipierte Abfahrt können die ankommenden Verkehre in beide Richtungen der Straße Am Treptower Park abgeleitet werden, wobei in nördlicher Verkehrsrichtung zur Elsenstraße jeweils drei Ausfahrtsspuren zur Verkehrsabwicklung vorgesehen sind. […] Die Gestaltung der Anschlussstelle ermöglicht die langfristige Fortsetzung der BAB A 100 (17. BA) […].“3 Die Realisierung des Vorhabens (Bauzeitraum 2013 bis voraussichtlich 2022) ist in sieben Teilabschnitte aufgeteilt (Lose), wobei die Herstellungsreihenfolge der einzelnen Lose unter Berücksichtigung verschiedener baulogistischer und bautechnischer Randbedingungen definiert wurde.4 Während die Bauabschnitte der Lose 1 bis 6 unterschiedliche Baufortschrittsgrade aufweisen, ist für den Beginn der Bauarbeiten im Bereich der geplanten AS Am Treptower Park (Los 7) noch das Ergebnis eines derzeit laufenden Planänderungsverfahrens zu erforderlichen Lärmschutzmaßnahmen und damit verbundenen Straßenbauleistungen zwischen der Beermannstraße und 3 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2010). A. a. O. (Fn. 1). S. 48, 54 f. 4 So Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur/Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (2013). Der 16. Bauabschnitt der BAB A 100. Neubau vom Autobahndreieck Neukölln zur Anschlussstelle Am Treptower Park. Broschüre. Stand: August 2013. Link: http://www.stadtentwicklung.berlin .de/bauen/strassenbau/a100_16_ba/de/vorhaben.shtml (letzter Abruf: 19.10.2016). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 6 der Straße Am Treptower Park von Bedeutung.5 Die entsprechenden Planunterlagen wurden im Zeitraum September/Oktober 2015 ausgelegt.6 Das Anhörungsverfahren fand im April 2016 statt.7 Vor diesem Hintergrund geht die vorliegende Ausarbeitung der Frage nach, welche bundesrechtlichen Regelungen von Bedeutung wären, wenn unterstellt wird, dass der Vorhabenträger den Entschluss fasst, den planfestgestellten 16. Bauabschnitt der BAB A 100 vorzeitig beenden und nicht entsprechend dem oben dargelegten Umfang bis zur AS Am Treptower Park fertigstellen zu wollen. In tatsächlicher Hinsicht ist derzeit ein solcher Wille des Vorhabenträgers, den 16. Bauabschnitt der BAB A 100 vorzeitig beenden zu wollen, nicht erkennbar. Daher ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Arbeit insofern auf einem theoretisch möglichen, unterstellten Willen des Vorhabenträgers aufbaut, das Neubauvorhaben vorzeitig beenden zu wollen .8 Zur Bearbeitung dieser Frage werden zum einen die für diese Fallkonstellation wesentlichen Aspekte des einschlägigen Fachplanungs- und Verwaltungsverfahrensrechts überblicksartig dargestellt . Zum anderen sollen weitere mögliche rechtliche und tatsächliche Folgen eines solchen Entschlusses skizziert werden. Eine Recherche nach Autobahnaus- und –neubauprojekten der Bundesrepublik Deutschland, die in der Vergangenheit vorzeitig beendet wurden, verlief ergebnislos . 5 Vgl. die Informationen zu den einzelnen Bauabschnitten auf der entsprechenden Internetseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Link: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/bauen/strassenbau /a100_16_ba/de/bau.shtml (letzter Abruf: 19.10.2016). 6 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (2015). Auslegung von Planunterlagen zum Zwecke der Planfeststellung für die Änderung und Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses für das Bauvorhaben „Neubau der Bundesautobahn A 100 zwischen Autobahndreieck Neukölln und Anschlussstelle Am Treptower Park in den Bezirken Neukölln und Treptow-Köpenick von Berlin“. Beschluss VII E – 2/2010. Anhörungsverfahren. Bekanntmachung vom 28.08.2015. ABl. Nr. 35 vom 28.08.2015. S. 1875. 7 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (2016). Planfeststellungsverfahren für die Änderung und Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses für das Bauvorhaben „Neubau der Bundesautobahn A 100 zwischen Autobahndreieck Neukölln und Anschlussstelle Am Treptower Park in den Bezirken Neukölln und Treptow- Köpenick von Berlin“. Beschluss VII E – 2/2010. Anhörungsverfahren. Bekanntmachung vom 08.04.2016. ABl. Nr. 14 vom 08.04.2016. S. 732. 8 Zur aktuellen Positionierung des Bundes im Hinblick auf den Neubau der BAB A 100 vgl. Deutscher Bundestag (2016). Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 05.09.2016. BT-Drs. 18/9523. S. 19, 51, 66 f.. Darin wird der vier- bzw. sechsstreifige Neubau der BAB A 100 vom AD Neukölln bis zur Anschlussstelle Storkower Straße als laufendes und fest disponiertes Vorhaben bezeichnet. Den Hintergrund für diesen Gesetzentwurf bildet der im August 2016 von der Bundesregierung beschlossene Bundesverkehrswegeplan 2030. Vgl. dazu Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2016). Bundesverkehrswegeplan 2030. Gesamtplan vom 03.08.2016. S. 100. Link: http://www.bmvi.de/DE/VerkehrUndMobilitaet/Verkehrspolitik/Verkehrsinfrastruktur/Bundesverkehrswegeplan 2030/InhalteHerunterladen/inhalte_node.html (letzter Abruf: 19.10.2016). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 7 2. Aspekte des Fachplanungs- und Verwaltungsverfahrensrechts Nach § 17 Bundesfernstraßengesetz (FStrG)9 dürfen Bundesfernstraßen im Sinne des § 1 FStrG nur gebaut oder geändert werden, wenn vorher ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt und ein entsprechender Plan festgestellt worden ist. Für das durchzuführende Planfeststellungsverfahren gelten nach § 17 Satz 3 FStrG die Regelungen der §§ 72 – 78 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)10 in der durch das FStrG modifizierten Fassung. Der Plan eines Vorhabenträgers, ein bestimmtes raumbezogenes Vorhaben mit örtlichen und/oder überörtlichen Auswirkungen realisieren zu wollen, bildet den Gegenstand eines Planfeststellungsverfahrens .11 Derartige Vorhaben berühren regelmäßig zahlreiche öffentliche und private Belange , die für oder gegen deren Verwirklichung angeführt werden können und von privat Betroffenen , anerkannten Natur- und Umweltschutzvereinigungen sowie verschiedenen Behörden vertreten werden. Das Planfeststellungsverfahren stellt vor diesem Hintergrund ein verfahrensrechtliches Instrument dar, das es ermöglicht, über ein komplexes Vorhaben und seine öffentlichrechtliche Zulässigkeit in einem Verfahren durch eine Behörde mittels einer einheitlichen Sachentscheidung mit umfassender Rechtswirkung und Problembewältigung zu entscheiden (Planfeststellungsbeschluss ).12 Nach § 17 Satz 2 FStrG sind im Verlauf eines bundesfernstraßenrechtlichen Planfeststellungsverfahrens die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Diese Belange werden mittels eines durchzuführenden Anhörungsverfahrens13 in das eigentliche Planfeststellungsverfahren eingebracht und gegebenenfalls mit den Beteiligten und Betroffenen erörtert.14 Nach § 74 Abs. 2 VwVfG entscheidet die Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsbeschluss über solche Einwendungen gegen das geplante Vorhaben, über die bei der Erörterung keine Einigung erzielt worden ist. Darüber hinaus hat sie dem Vorhabenträger Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. 9 Bundesfernstraßengesetz der Fassung der Bekanntmachung vom 28.06.2007, BGBl. I S. 1206; zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.08.2015, BGBl. I S. 1474. 10 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.01.2003, BGBl. I S. 102; zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.07.2016, BGBl. I S. 1679. 11 Überörtliche Vorhaben sind etwa die Realisierung von Straßen, Wasserstraßen, Stromleitungen, Eisenbahnlinien . Örtliche bzw. Punkt-Vorhaben sind etwa Flughäfen, Abfalldeponien oder Endlager für radioaktive Abfälle. 12 So die allgemeinen Ausführungen bei Neumann, Werner (2014). In: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.). Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar. 8. Auflage 2014. München: C. H. Beck. § 72 Rn. 3 ff. 13 Vgl. § 17a FStrG sowie § 73 VwVfG. 14 Vgl. § 73 Abs. 6 VwVfG sowie die Möglichkeit für die Anhörungsbehörde nach § 17a FStrG, auf die Erörterung verzichten zu können. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 8 Die wesentlichen Rechtswirkungen eines Planfeststellungsbeschlusses normiert § 75 VwVfG. So stellt diese Verwaltungsentscheidung die Zulässigkeit des planfestgestellten Vorhabens fest (Genehmigungswirkung ). Weiterhin sind neben der Planfeststellung keine weiteren behördlichen Entscheidungen erforderlich, da sämtliche materiell-rechtliche Vorschriften, die für die Frage nach der Zulässigkeit des konkreten Vorhabens von Bedeutung sind, im Verlauf des Planfeststellungsverfahrens und unter Berücksichtigung der für und gegen das konkrete Vorhaben streitenden Argumente geprüft werden (Konzentrationswirkung). Und letztlich werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen Vorhabenträger und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt (Gestaltungswirkung).15 Die Frage der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses ist im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren überprüfbar, welches nach Erlass des konkreten Planfeststellungsbeschlusses unter bestimmten Voraussetzungen angestrebt werden kann. Wird ein Planfeststellungsbeschluss jedoch unanfechtbar, sind nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens , auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ausgeschlossen (Duldungswirkung ). Allerdings genehmigt ein Planfeststellungsbeschluss das konkrete Vorhaben nur. Er verpflichtet aber dessen Träger grundsätzlich nicht dazu, den festgestellten Plan auch auszuführen.16 Vielmehr kann der Vorhabenträger von der Durchführung des Plans ganz oder teilweise Abstand nehmen . Will der Vorhabenträger das planfestgestellte Vorhaben verwirklichen, besteht für ihn jedoch ein Zwang zur Planbefolgung.17 Dies ergibt sich aus der Genehmigungswirkung des § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Diese erfasst nur eine vollständige Errichtung des planfestgestellten Vorhabens gemäß der Zulassung sowie den hierzu erforderlichen Bauvorgang.18 2.1. Vorzeitiger Abschluss eines planfestgestellten Neubauvorhabens – Planänderung oder teilweise endgültige Aufgabe Verzichtet der Vorhabenträger nach Beginn der Durchführung des Plans aber vor Fertigstellung auf die weitere Realisierung des planfestgestellten Fernstraßenausbauvorhabens ganz oder teilweise , könnte dies eine Planänderung im Sinne des § 17d FStrG i. V. m. § 76 VwVfG oder eine teilweise Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im Sinne des § 77 VwVfG erforderlich machen . 15 Umfassend dazu Stüer, Bernhard/Probstfeld, Willi (2016). Die Planfeststellung. Grundlagen – Fachrecht – Rechtsschutz – Beispiele. 2. Auflage 2016. München: C. H. Beck. Rn. 388. 16 Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 74 Rn. 22. 17 So Hüting, Ralf/Hopp, Wolfgang (2003). Die Änderung von Planfeststellungsbeschlüssen. Umwelt- und Planungsrecht (UPR). 23. Jahrgang (2003). Heidelberg: Hüthig Jehle Rehm. S. 1; Traulsen, Christian/Haidinger, Steffen (2009). Die endgültige Aufgabe planfeststellungsbedürftiger Vorhaben. Natur und Recht (NuR). 31. Jahrgang (2009). Heidelberg: Springer. S. 697, 701. 18 Traulsen, Christian/Haidinger, Steffen (2009). A. a. O. (Fn. 17). S. 701. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 9 Die Differenzierung ist für die Frage von Bedeutung, wie verwaltungsverfahrensrechtlich mit einem hier unterstellten Entschluss des Vorhabenträgers umzugehen wäre, den 16. BA der BAB A 100 vor Fertigstellung des planfestgestellten Vorhabens vorzeitig beenden zu wollen. Handelt es sich um eine Planänderung, müsste nach § 17d FStrG i. V. m. § 76 VwVfG ggf. ein neues Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden, da sich die Genehmigungswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses allein auf das beantragte und zugelassene Vorhaben bezieht. Sollte ein derartiger Entschluss als teilweise endgültige Aufgabe des Vorhabens zu qualifizieren sein, müsste der verbleibende Teil des festgestellten Plans, der sich auf den endgültigen aufgegebenen Teil des Vorhabens bezieht, nach § 77 VwVfG aufgehoben werden. Die Durchführung eines erneuten Planfeststellungsverfahrens wäre entbehrlich. Nachfolgend werden die Regelungen des § 17d FStrG sowie der §§ 76 und 77 VwVfG abstrakt erläutert . 2.1.1. Regelungen zur Planänderung vor Fertigstellung eines Vorhabens § 76 VwVfG regelt im Wesentlichen, ob und in welchen Fällen die Änderung eines festgestellten Plans die Durchführung eines neuen Planfeststellungsverfahrens erforderlich macht. Die bundesfernstraßenrechtliche Spezialregelung des § 17d FStrG hat dabei klarstellende Bedeutung, verweist auf § 76 VwVfG und modifiziert diesen.19 Die Vorschriften lauten im Einzelnen: „§ 17d FStrG Planänderung vor Fertigstellung des Vorhabens Für die Planergänzung und das ergänzende Verfahren im Sinne des § 75 Abs. 1a Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und für die Planänderung vor Fertigstellung des Vorhabens gilt § 76 des Verwaltungsverfahrensgesetzes mit der Maßgabe, dass im Fall des § 76 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes von einer Erörterung im Sinne des § 73 Abs. 6 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 9 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung abgesehen werden kann. Im Übrigen gelten für das neue Verfahren die Vorschriften dieses Gesetzes.“ „§ 76 VwVfG Planänderungen vor Fertigstellung des Vorhabens (1) Soll vor Fertigstellung des Vorhabens der festgestellte Plan geändert werden, bedarf es eines neuen Planfeststellungsverfahrens. (2) Bei Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung kann die Planfeststellungsbehörde von einem neuen Planfeststellungsverfahren absehen, wenn die Belange anderer nicht berührt werden oder wenn die Betroffenen der Änderung zugestimmt haben. (3) Führt die Planfeststellungsbehörde in den Fällen des Absatzes 2 oder in anderen Fällen einer Planänderung von unwesentlicher Bedeutung ein Planfeststellungsverfahren 19 Dazu auch Ronellenfitsch, Michael (2012). In: Marschall, Ernst (†Hrsg.). Bundesfernstraßengesetz. Kommentar. 6. Auflage 2012. Köln: Carl Heymanns Verlag. § 17d Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 10 durch, so bedarf es keines Anhörungsverfahrens und keiner öffentlichen Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses.“ 2.1.1.1. Vorgaben für Planänderungen von wesentlicher Bedeutung Die Regelungen des § 17d FStrG i. V. m. § 76 Abs. 1 VwVfG sind nach ihrem Wortlaut anwendbar , wenn ein bundesfernstraßenrechtlicher Plan nach seiner Feststellung, jedoch vor einer Fertigstellung des Vorhabens wesentlich geändert werden soll.20 Eine Änderung ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn das Vorhaben anders als planfestgestellt, also von der Genehmigungslage abweichend realisiert werden soll, ohne seine Identität zu ändern.21 In diesem Fall ist nach § 76 Abs. 1 VwVfG ein neues Planfeststellungsverfahren durchzuführen, dessen Gegenstand sich allerdings auf den zu ändernden Teil des Vorhabens und dessen Auswirkungen auf die öffentlichen und privaten Belange Dritter beschränkt.22 Nach § 17d FStrG kann bei der Durchführung dieses neuen Planfeststellungsverfahrens auf eine Erörterung verzichtet werden. Darüber hinaus unterliegt dieses Verfahren in verfahrensrechtlicher Hinsicht den allgemeinen Vorgaben des VwVfG nach Maßgabe der §§ 17 ff. FStrG i. V. m. §§ 72 ff. VwVfG. Für das Änderungsverfahren gelten folglich die gleichen verfahrensrechtlichen Anforderungen wie für das ursprüngliche Planfeststellungsverfahren. In materiell-rechtlicher Hinsicht sind im neuen Planfeststellungsverfahren sämtliche Vorgaben zu prüfen, die für die Frage nach der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit der Änderung von Bedeutung sind.23 Je nach den Umständen des Einzelfalls können Vorgaben des Bauplanungs- und/oder Bauordnungsrechts oder des Umweltrechts im weiteren Sinne von Bedeutung sein. Eine pauschale Beantwortung der Frage, welche materiell-rechtlichen Regelungen in dem neuen Planfeststellungsverfahren zu prüfen sind, ist daher ohne Kenntnis der konkreten Umstände nicht möglich. Verfahrensergebnis ist jedenfalls der Erlass eines Änderungsplanfeststellungsbeschlusses, der mit dem zu ändernden Planfeststellungsbeschluss zu einer rechtlichen Einheit verschmilzt.24 2.1.1.2. Vorgaben für Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung Nach den Vorgaben des § 76 Abs. 2 VwVfG kann von der Durchführung eines neuen Planfeststellungsverfahrens abgesehen werden, wenn es sich um eine Planänderung von unwesentlicher Bedeutung handelt. Wann dies der Fall ist, kann nur im Einzelfall mit Blick auf das zugelassene Vorhaben und dessen Auswirkungen einerseits und auf die beabsichtigten quantitativen und 20 Allgemein Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 76 Rn. 2. Dass § 76 Abs. 1 VwVfG wesentliche Änderungen im Blick hat, ergibt sich aus dem Vergleich mit § 76 Abs. 2 VwVfG, der für unwesentliche Änderungen Verfahrenserleichterungen ermöglicht. 21 So Maus, Moritz (2012). Die Änderung von Planfeststellungsbeschlüssen vor Fertigstellung des Vorhabens. Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ). 31. Jahrgang (2012). München: C. H. Beck. S. 1277, 1278; Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 76 Rn. 8. 22 So Maus, Moritz (2012). A. a. O. (Fn. 21). S. 1278; Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 76 Rn. 10. 23 Dazu Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 76 Rn. 11. 24 Maus, Moritz (2012). A. a. O. (Fn. 21). S. 1279 f. m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 11 qualitativen Änderungen und die davon Betroffenen andererseits entschieden werden.25 Eine Planänderung ist jedenfalls dann von unwesentlicher Bedeutung im Sinne des § 76 Abs. 2 VwVfG, wenn sie das ursprüngliche Plangefüge unangetastet lässt.26 Dies ist immer dann der Fall, wenn die geänderte Planung die Zielsetzung der Planung und die im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss getroffene Abwägung aller einzustellenden Belange ihrer Struktur nach unberührt lässt. Dies ist anzunehmen, wenn Umfang und Zweck des Ausbauvorhabens unverändert bleiben und zusätzliche belastende Auswirkungen von einigem Gewicht sowohl auf die Umgebung als auch hinsichtlich der Belange Einzelner auszuschließen sind.27 Liegen die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 VwVfG vor, kann die Planfeststellungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen von einem neuen Planfeststellungsverfahren absehen, muss dies aber nicht.28 Entscheidet sie sich gegen die Durchführung eines neuen Planfeststellungsverfahrens, hat sie stattdessen ein schlichtes Verwaltungsverfahren unter Beachtung der allgemeinen Anforderungen durchzuführen, wobei insbesondere Betroffene sowie die maßgeblichen Behörden zu beteiligen sind.29 Die Behörde erlässt in diesem Fall keinen Änderungsbeschluss sondern einen feststellenden Verwaltungsakt, der zum einen über die Entbehrlichkeit eines erneuten Planfeststellungsverfahrens und zum anderen über die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit des Änderungsvorhabens entscheidet.30 Welche materiell-rechtlichen Regelungen die Behörde in einem solchen Fall prüft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer pauschalen Beantwortung . Da dem feststellenden Verwaltungsakt nach überwiegender Auffassung ebenfalls Konzentrationswirkung zukommt,31 darf der Vorhabenträger das planfestgestellte Vorhaben ohne weitere behördliche Entscheidung in geänderter Form ausführen.32 Entscheidet sich die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen bei einer unwesentlichen Planänderung für die Durchführung eines neuen Planfeststellungsverfahrens, ermöglichen die Regelungen des § 76 Abs. 3 VwVfG die Durchführung eines vereinfachten Planfeststellungsverfahrens, in dessen Rahmen auf die Durchführung eines Anhörungsverfahrens und auf die öffentliche Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses verzichtet werden kann aber nicht verzichtet werden 25 So Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 76 Rn. 18 m. w. N. 26 Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 76 Rn. 19 m. w. N. 27 So Maus, Moritz (2012). A. a. O. (Fn. 21). S. 1280 m. w. N. 28 Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 76 Rn. 23 m. w. N.; Ronellenfitsch, Michael (2012). A. a. O. (Fn. 18). § 17d Rn. 16. 29 Maus, Moritz (2012). A. a. O. (Fn. 21). S. 1280 m. w. N. 30 Maus, Moritz (2012). A. a. O. (Fn. 21). S. 1280 m. w. N.; Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 76 Rn. 23 f. m. w. N. 31 Vgl. dazu Maus, Moritz (2012). A. a. O. (Fn. 21). S. 1280 m. w. N. 32 Maus, Moritz (2012). A. a. O. (Fn. 21). S. 1280 m. w. N.; Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 76 Rn. 23 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 12 muss.33 Auch im vereinfachten Planfeststellungsverfahren sind sämtliche Vorgaben zu prüfen, die für die Beurteilung der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit der unwesentlichen Planänderung von Bedeutung sind.34 Welche materiell-rechtlichen Regelungen die Behörde genau prüft, hängt auch hier von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer pauschalen Beantwortung . Das vereinfachte Planfeststellungsverfahren wird durch einen Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen, der mit dem zu ändernden Beschluss zu einer rechtlichen Einheit verschmilzt.35 2.1.2. Regelungen für die endgültige Aufgabe des Vorhabens § 77 VwVfG normiert die Vorgaben für die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses bei endgültiger Aufgabe des planfestgestellten Vorhabens. Bundesfernstraßenrechtliche Spezialregelungen existieren nicht, so dass die Norm unverändert für die Aufhebung bundesfernstraßenrechtlicher Planfeststellungsbeschlüsse gilt.36 § 77 VwVfG lautet: „§ 77 VwVfG Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses Wird ein Vorhaben, mit dessen Durchführung begonnen worden ist, endgültig aufgegeben, so hat die Planfeststellungsbehörde den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben. In dem Aufhebungsbeschluss sind dem Träger des Vorhabens die Wiederherstellung des früheren Zustands oder geeignete andere Maßnahmen aufzuerlegen, soweit dies zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich ist. Werden solche Maßnahmen notwendig, weil nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens auf einem benachbarten Grundstück Veränderungen eingetreten sind, so kann der Träger des Vorhabens durch Beschluss der Planfeststellungsbehörde zu geeigneten Vorkehrungen verpflichtet werden; die hierdurch entstehenden Kosten hat jedoch der Eigentümer des benachbarten Grundstücks zu tragen, es sei denn, dass die Veränderungen durch natürliche Ereignisse oder höhere Gewalt verursacht worden sind.“ Ausweislich des Wortlauts regelt die Norm im Wesentlichen den Fall, dass ein Vorhabenträger die Realisierung des Vorhabens endgültig aufgibt, nachdem es durch Planfeststellungsbeschluss zugelassen worden ist und er mit dessen Verwirklichung begonnen hatte. Liegen diese Voraussetzungen vor, hat die zuständige Planfeststellungsbehörde den Planfeststellungsbeschluss aufzuhe- 33 Umfassend dazu Maus, Moritz (2012). A. a. O. (Fn. 21). S. 1280 f. m. w. N.; Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 76 Rn. 25 ff. m. w. N.; Hüting, Ralf/Hopp, Wolfgang (2003). A. a. O. (Fn. 17). S. 4. 34 Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 76 Rn. 28 m. w. N. 35 So Maus, Moritz (2012). A. a. O. (Fn. 21). S. 1281 m. w. N. 36 Vgl. Ronellenfitsch, Michael (2012). A. a. O. (Fn. 19). § 17c Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 13 ben; Planbetroffene haben einen entsprechenden Aufhebungsanspruch gegenüber der Planfeststellungsbehörde .37 Weiterhin normiert § 77 VwVfG die Pflicht zur Folgenbeseitigung im Falle der Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. 2.1.2.1. Abgrenzung zwischen einer Planaufhebung und einer Planänderung Die Norm ist auch in den Fällen anwendbar, in denen nur ein abtrennbarer Teil des Vorhabens aufgegeben wird und der verbleibende Teil als selbstständiges Vorhaben bestehen kann; in diesen Fällen der Planaufhebung ist der Planfeststellungsbeschluss teilweise aufzuheben.38 Insofern stellt sich die Frage nach der Abgrenzung zwischen einer teilweisen Planaufhebung nach § 77 Satz 1 VwVfG und einer Planänderung. Grundsätzlich lässt sich in diesem Zusammenhang sagen, dass eine Planänderung nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses aber vor Fertigstellung des Vorhabens in den meisten Fällen die partielle Aufhebung des vorangegangenen Beschlusses verbunden mit neuen Festsetzungen bedeutet.39 Der Unterschied zwischen beiden Rechtsinstituten besteht folglich darin, dass bei der teilweisen Planänderung – anders als bei der Planaufhebung – ein festgestellter Plan nicht nur teilweise aufgehoben, sondern gleichzeitig durch einen anderen Plan ersetzt wird.40 In diesem Fall wäre § 76 VwVfG einschlägig.41 Im Ergebnis lässt sich daher vertreten, dass die teilweise Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses in diesen Fallkonstellationen eine speziell geregelte Form der Planänderung darstellt, die die Anwendung von § 76 VwVfG verdrängt.42 § 77 VwVfG kann § 76 VwVfG jedoch nur verdrängen, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind, die nachfolgend überblicksartig dargestellt werden. Weiterhin ist auf die Pflicht zur Anordnung der Folgenbeseitigung einzugehen. 37 Kukk, Alexander (2000). Zur Fortwirkung nicht durchgeführter Planfeststellungsbeschlüsse für Bundesfernstraßen . Natur und Recht (NuR). 22. Jahrgang (2000). Heidelberg: Springer. S. 492, 494 f; Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 77 Rn. 10 m. w. N. 38 So Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 77 Rn. 5 m. w. N.; Hüting, Ralf/Hopp, Wolfgang (2003). A. a. O. (Fn. 17). S. 2. 39 So Grupp, Klaus (1990). Aufhebung von Planfeststellungsbeschlüssen durch die Verwaltung. Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.). 105. Jahrgang (1990). Köln: Carl Heymanns. S. 81, 82. 40 Traulsen, Christian/Haidinger, Steffen (2009). A. a. O. (Fn. 17). S. 698. 41 Vgl. die Ausführungen unter 2. 1. 1. 42 So auch Hüting, Ralf/Hopp, Wolfgang (2003). A. a. O. (Fn. 17). S. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 14 2.1.2.2. Endgültige Aufgabe des planfestgestellten Vorhabens Zum einen muss nach dem Wortlaut das aufgegebene Vorhaben bereits begonnen worden sein, wobei nach überwiegender Ansicht der Literatur eine analoge Anwendung der Norm in Betracht kommt, wenn mit der Realisierung des Vorhabens noch gar nicht begonnen wurde.43 Weiterhin muss das Vorhaben endgültig aufgegeben worden sein. Dies ist der Fall, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände objektiv erkennbar ist, dass der Vorhabenträger ausdrücklich oder konkludent definitiv auf die weitere Ausführung des Vorhabens verzichtet und daher mit der Fertigstellung des Vorhabens durch dessen Träger entsprechend dem festgestellten Plan nicht mehr gerechnet werden kann.44 Gegenteilige Beteuerungen des Vorhabenträgers, er wolle das Vorhaben zukünftig plangemäß durchführen, sind dann unerheblich, wenn die objektiven Umstände für eine endgültige Aufgabe sprechen.45 2.1.2.3. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses und Anordnung der Folgenbeseitigung Liegen diese Voraussetzungen vor, hat die Planfeststellungsbehörde den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben. Sie kann ihn auch nur teilweise aufheben, „soweit der verbleibende Teil als selbstständiges Vorhaben lebensfähig ist und verwirklicht werden kann und soll.“46 In der Literatur wird eine Teilaufhebung analog § 77 VwVfG z. B. in Betracht gezogen, wenn beim Neubau eines Flughafens auf eine der mit dem Planfeststellungsbeschluss zugelassenen Start- und Landebahnen oder bei einem Tunnelbauwerk auf eine der planfestgestellten Röhren verzichtet wird.47 Die Prüfung der zuständigen Planfeststellungsbehörde, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, erfolgt in einem schlichten Verwaltungsverfahren, das bei Vorliegen der Voraussetzungen mit einem Beschluss zur vollständigen oder teilweisen Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses endet.48 Nach § 77 Satz 2 VwVfG hat die Behörde dem Vorhabenträger in dem Aufhebungsbeschluss die Wiederherstellung des früheren Zustands oder andere geeignete Maßnahmen aufzuerlegen, soweit dies zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte 43 Siehe dazu Traulsen, Christian/Haidinger, Steffen (2009). A. a. O. (Fn. 17). S. 698 m. w. N. 44 So Traulsen, Christian/Haidinger, Steffen (2009). A. a. O. (Fn. 17). S. 699 m. w. N.; Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 77 Rn. 9. 45 So Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 77 Rn. 6. 46 So Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 77 Rn. 10; Hüting, Ralf/Hopp, Wolfgang (2003). A. a. O. (Fn. 17). S. 2. 47 Hüting, Ralf/Hopp, Wolfgang (2003). A. a. O. (Fn. 17). S. 2. 48 Zu den formellen Fragen im Zusammenhang mit dem Verfahren siehe Traulsen, Christian/Haidinger, Steffen (2009). A. a. O. (Fn. 17). S. 698 f.; Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 77 Rn. 11 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 15 anderer erforderlich ist.49 In diesem Zusammenhang können ganz unterschiedliche öffentlichrechtliche Regelungen von Bedeutung sein. Das hängt davon ab, wie die Wiederherstellung oder andere geeignete Maßnahmen konkret aussehen. Und das wiederum hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, so dass die Frage, welche öffentlich-rechtlichen Vorgaben in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein können, in dieser Abstraktheit nicht beantwortet werden können. Daneben regelt § 77 Satz 3 VwVfG einen Sonderfall im Hinblick auf die Kosten für derartige Vorkehrungen des Vorhabenträgers, die aufgrund von Veränderungen auf einem dem Vorhaben benachbarten Grundstück erforderlich werden. In diesem Fall billigt die Norm dem Vorhabenträger einen Kostenersatzanspruch gegenüber dem Nachbarn zu.50 2.2. Schlussfolgerungen Vor dem Hintergrund dieser abstrakten Ausführungen zu den rechtlichen Möglichkeiten, wie mit einem Entschluss eines Vorhabenträgers grundsätzlich umzugehen ist, ein planfestgestelltes Fernstraßenausbauvorhaben vorzeitig beenden zu wollen, ist in Bezug auf die fachplanungs- und verwaltungsverfahrensrechtliche Bewertung des hier unterstellten Entschlusses des Vorhabenträgers , den 16. BA der BAB A 100 vor Fertigstellung des planfestgestellten Vorhabens vorzeitig beenden zu wollen, Folgendes festzuhalten: Sollte eine vorzeitige Beendigung etwa an der AS Sonnenallee die Voraussetzungen des § 77 VwVfG erfüllen, müsste der Rest des Planfeststellungsbeschlusses vom 29. Dezember 2010 aufgehoben und Folgenbeseitigungsmaßnahmen gegenüber dem Vorhabenträger angeordnet werden. Wie oben bereits erläutert, ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Land Berlin die Realisierung des 16. BA vorzeitig etwa an der AS Sonnenallee beenden will oder tatsächlich beendet.51 Die Beantwortung der Frage, ob bei einer theoretisch denkbaren vorzeitigen Beendigung der verbleibende Teil des 16. BA als selbstständiges Vorhaben zu qualifizieren wäre und damit eine teilweise Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses möglich erschiene, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die Frage, ob die hier unterstellte Entscheidung des Vorhabenträgers, den 16. BA der BAB A 100 vorzeitig beenden zu wollen, eine unwesentliche oder eine wesentliche Änderung des ursprünglichen Plans nach § 76 VwVfG darstellt, kann ebenfalls abstrakt nicht beantwortet werden. Sollte der hier unterstellte Entschluss des Vorhabenträgers, den 16. BA der BAB A 100 vorzeitig beenden zu wollen, nach den konkreten Umständen des Einzelfalls eine wesentliche Änderung des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses darstellen, hätte dies zur Folge, dass ein neues Planfeststellungsverfahren durchzuführen wäre, dessen Gegenstand sich auf den zu ändernden Teil des Vorhabens und dessen Auswirkungen auf die öffentlichen und privaten Belange Dritter beschränkte. Dabei hinge es wieder von den Umständen des Einzelfalls ab, welche Belange das 49 Umfassen dazu Traulsen, Christian/Haidinger, Steffen (2009). A. a. O. (Fn. 17). S. 700 ff.; Neumann, Werner (2014). A. a. O. (Fn. 12). § 77 Rn. 14 ff. 50 Ausführlich dazu Traulsen, Christian/Haidinger, Steffen (2009). A. a. O. (Fn. 17). S. 702. 51 Vgl. dazu die Ausführungen unter 1. sowie die Quellen bei Fn. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 086/16 Seite 16 konkret sein würden und welche rechtlichen Vorgaben im Rahmen diese Planfeststellungsverfahrens von Bedeutung wären. 3. Sonstige mögliche Folgen eines Entschlusses zur vorzeitigen Beendigung eines planfestgestellten Ausbauvorhabens durch den Vorhabenträger Die Frage, ob der hier unterstellte Entschluss des Vorhabenträgers, die weitere Realisierung des 16. BA der BAB A 100 vorzeitig etwa an der AS Sonnenallee beenden zu wollen, möglicherweise zu Regressforderungen durch private Dritte oder zur Geltendmachung staatshaftungsrechtlicher Ansprüche gegenüber dem Bund oder dem Land Berlin führen könnte, kann ohne die Kenntnis der Umstände des Einzelfalls nicht beantwortet werden. ENDE DER BEARBEITUNG