© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 078/20 Zum Spielraum bei der Erstellung des Szenariorahmens nach dem Energiewirtschaftsgesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 078/20 Seite 2 Zum Spielraum bei der Erstellung des Szenariorahmens nach dem Energiewirtschaftsgesetz Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 078/20 Abschluss der Arbeit: 20.07.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 078/20 Seite 3 1. Fragestellung Es stellt sich folgende Frage: Besteht bei der Erstellung des Szenariorahmens ein Spielraum, der sich je nach Ausgestaltung unterschiedlich darauf auswirken kann, in welchem Umfang neue Leitungsvorhaben bei einzelnen Übertragungsnetzbetreibern anfallen? 2. Szenariorahmen beim Netzausbau Dem Neu- und Ausbau von Höchstspannungsleitungen im Energienetz geht ein mehrstufiges Planungsverfahren voraus.1 Der erste Schritt liegt dabei in der Erstellung eines sogenannten Szenariorahmens . Gemäß § 12a Abs. 1 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG)2 erstellen die vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) alle zwei Jahre einen Szenariorahmen, der mindestens drei Szenarien enthält. Die Szenarien sollen die Entwicklung der Energielandschaft für die nächsten 10 bis 15 bzw. 15 bis 20 Jahre analysieren, beispielsweise, ob der Stromverbrauch zu- oder abnehmen, wie der Ausbau der verschiedenen erneuerbaren Energien voranschreiten oder auch wie der Strom mit den europäischen Nachbarländern ausgetauscht wird.3 § 12a Abs. 1 S. 2 EnWG bestimmt darüber hinaus, dass die ÜNB bei der Aufstellung des Szenariorahmens auch die mittel- und langfristigen energiepolitischen Ziele der Bundesregierung zu berücksichtigen haben.4 Auf Basis des Szenariorahmens erstellen die ÜNB anschließend den Netzentwicklungsplan (zweiter Schritt). Beide müssen jeweils von der Bundesnetzagentur (BNetzA) genehmigt werden. Inwieweit die BNetzA dabei frei von Weisungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist, ist umstritten.5 Der Netzentwicklungsplan ist wiederum Grundlage für den bindenden Bundesbedarfsplan (dritter Schritt), der vom Deutschen Bundestag verabschiedet wird. 1 Zum Planungsverfahren von Höchstspannungsleitungen siehe auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestag, „Planungsverfahren beim Ausbau von Höchstspannungsnetzen“ (WD 5 – 3000 – 007/20) https://www.bundestag.de/resource/blob/684626/1527e1ead7de8a5310cdc20ba30cb0eb/WD-5-007-20-pdfdata .pdf. 2 Energiewirtschaftsgesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970, 3621), das zuletzt durch Artikel 249 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist: https://www.gesetze-im-internet.de/enwg_2005/BJNR197010005.html; alle zitierten Links wurden zuletzt am 20. Juli 2020 aufgerufen). 3 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Szenarien der Energieversorgung, https://www.netzausbau.de/5schritte/szenariorahmen/de.html. 4 Köck, Die Bedarfsplanung im Infrastrukturrecht, ZUR 2016, 579 (587): https://beck-online.beck.de/Dokument ?vpath=bibdata%2Fzeits%2Fzur%2F2016%2Fcont%2Fzur.2016.579.1.htm&pos=2&hlwords=on. 5 Siehe hierzu WD 3 - 3000 - 158/17, Rechtsstellung der Bundesnetzagentur, https://www.bundestag.de/resource /blob/529464/17d91d69577a4b1697c7c012218ed18b/WD-3-158-17-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 078/20 Seite 4 Ferner ist eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen.6 Die ÜNB sind für die Erstellung der Szenarien zuständig, da sie über eine umfangreiche Expertise verfügen und den Energiemarkt sehr praxisnah beurteilen können. Die BNetzA genehmigt den Szenariorahmen (ggf. mit Änderungen) im Wege eines Verwaltungsverfahrens. Den genehmigten Szenariorahmen müssen die ÜNB eins zu eins als Grundlage für die Erstellung des Netzentwicklungsplans heranziehen und dürfen von diesem nicht abweichen.7 3. Spielraum bei der Erstellung Die ÜNB haben bei der Erstellung der Szenarien zahlreiche energiepolitische Entwicklungen und erst in der Zukunft liegende Entscheidungen zu berücksichtigen (z. B.: Wo wird künftig Strom produziert? Wo wird künftig Strom benötigt?). Entsprechendes gilt für die BNetzA bei der Genehmigung . Dabei ist einem Szenario immanent, dass eine Aussage für die Zukunft getroffen werden soll. Naturgemäß eröffnen solche Prognosen einen Spielraum. Aufgrund dieser Unsicherheit gesteht die Rechtsprechung in solchen Fällen dem Entscheidungsträger einen Prognosespielraum zu. Eine solche Prognose ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Nach dem Bundesverwaltungsgericht ist maßgebend, „ob die Prognose mit den zu ihrer Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist.“8 Zugleich können aber einer weiten Nutzung des Prognosespielraums die oben unter Nr. 2 genannten Verfahrensaspekte entgegenwirken (Beteiligung verschiedener Netzbetreiber mit unterschiedlichen Interessen, Öffentlichkeitsbeteiligung, Prüfung durch die BNetzA, etc.). 4. Auswirkungen auf die Leitungsvorhaben der Übertragungsnetzbetreiber Die im Szenario zugrunde gelegten Prognosen wirken sich in der Regel am Ende auch auf die Leitungsvorhaben der Übertragungsnetzbetreiber aus. Denn durch die Überlegungen des Szenariorahmens werden in den Bundesbedarfsplan solche Vorhaben aufgenommen, die für die zukünftige Energieversorgung erforderlich sein werden. Für diese werden der vordringliche Bedarf und damit die Planrechtfertigung gesetzlich festgelegt. Der Ausbau und Betrieb der entsprechend notwendigen Leitungen fällt sodann beim regional zuständigen Netzbetreiber an. *** 6 Bundesnetzagentur, Das Verfahren – Netzausbau in fünf Schritten, https://www.netzausbau.de/5schritte/de.html. 7 Bundesnetzagentur, Bedarfsermittlung 2019-2030 - Allgemeine energiewirtschaftliche Themen aus der Konsultation Netzentwicklungsplan Strom, Dezember 2019, S. 11, Dokument kann hier abgerufen werden: https://www.netzausbau.de/SharedDocs/Downloads/DE/2030_V19/NEP/NEP2030_AllgemeineThemen.html. 8 BVerwG, Urteil vom 5. Dezember1986 – 4 C 13/85.