KfW-Kommunalbank und Direktkredite an Kommunen Vereinbarkeit mit der "Verständigung II" zwischen der EU-Kommission und der Bundesregierung sowie mit dem Subsidiaritätsprinzip - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 054/09 WD 5 - 3000 - 078/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: KfW-Kommunalbank und Direktkredite an Kommunen Vereinbarkeit mit der "Verständigung II" zwischen der EU-Kommission und der Bundesregierung sowie dem Subsidiaritätsprinzip Sachstand WD 2 - 3000 - 054/09 Sachstand WD 5 – 3000 - 078/09 Abschluss der Arbeit: 20.05.2009 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Telefon: Fachbereich WD 5: Wirtschaft und Technologie, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - - Zusammenfassung - Die Vergabe von Direktkrediten der KfW-Kommunalbank an Kommunen ist mit der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EU-Kommission getroffenen „Verständigung II“ vereinbar. Nach dieser Vereinbarung dürfen die selbständigen Förderinstitute in Deutschland, zu welchen die KfW-Bankengruppe gehört, die den staatlichen Haftunginstituten Anstaltslast und Gewährträgerhaftung immanenten Vorteile u. a. für die Durchführung von öffentlichen Förderaufgaben einsetzen. Die Vergabe von Krediten (auch von Direktkrediten) an Kommunen u. a. zum Zwecke der Infrastrukturfinanzierung durch die KfW-Kommunalbank hält sich im Rahmen der in der Verständigung II näher getroffenen Festlegungen. Im Übrigen ist die Vergabe von Direktkrediten der KfW-Kommunalbank an Kommunen auch mit dem Subsidiaritätsprinzip, welches eine vorrangige Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch möglichst niedrige und bürgernahe Ebenen sowie eine Minimierung staatlicher Präsenz gebietet, vereinbar. Denn allein durch die Vergabe von Krediten einer größtenteils im Eigentum des Bundes stehenden Kreditanstalt an die Kommunen erfolgt noch keine Verlagerung der kommunalen Aufgaben an den Bund. Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt vielmehr weiterhin durch die Kommunen, denen auch die Entscheidung darüber obliegt, ob sie die Möglichkeit eines Kredites der KfW- Kommunalbank überhaupt in Anspruch nehmen wollen. Angesichts des eng begrenzten Bereichs, in dem die KfW-Kommunalbank überhaupt zur Vergabe von Krediten an Kommunen befugt ist und des öffentlichen Interesses an den mit der Kreditvergabe verfolgten Zielen ist auch die Kreditvergabe durch eine staatliche Förderbank anstelle privater Banken zulässig und mit dem Subisdiaritätsprinzip vereinbar. Denn indem die KfW-Kommunalbank den Kommunen Kredite zur Finanzierung der Infrastruktur zur Verfügung stellt, ermöglicht sie diesen eine effiziente Erfüllung ihrer Aufgabe zur öffentlichen Daseinsvorsorge, an der ein überragendes öffentliches Interesse besteht. - 4 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 5 2. Verständigung I und II 6 2.1. Verständigung I 6 2.2. Verständigung II 6 3. Anwendung der Verständigung II auf die KfW- Kommunalbank und die Direktvergabe von Krediten an Kommunen 8 4. Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Staatsaufbauprinzip 10 4.1. Aufgaben- bzw. Kompetenzverteilung zwischen Staat und Kommunen 10 4.2. Aufgabenverteilung zwischen Privaten und dem Staat 12 5. Quellen 14 - 5 - 1. Einleitung Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW-Bankengruppe) bietet u. a. strukturschwachen Kommunen die Finanzierung von Investitionen im Bereich Infrastruktur und sonstigen Kommunen die Finanzierung von Investitionen in die kommunale und soziale Infrastruktur sowie im Bereich der Wohnwirtschaft in Form von Direktkrediten. Darüber hinaus findet auch eine Finanzierung von Investitionen in die kommunale und soziale Infrastruktur in deutschen Regionalfördergebieten statt, wobei in diesem Fall die Kredite an Unternehmen vergeben werden, die Träger der Investitionsmaßnahme mit Investitionsort in den neuen Ländern sowie in den Regionalfördergebieten in den alten Ländern und in Berlin sind. In diesen Fällen werden jedoch keine Direktkredite vergeben, sondern erfolgt einer Vergabe der Kredite ausschließlich über Kreditinstitute, die für die von ihnen durchgeleiteten Kredite die Haftung übernehmen. Schließlich erfolgt auch eine Finanzierung der energetischen Sanierung von Schulen, Schulsporthallen, Kindertagesstätten und Gebäuden der Kinder- und Jugendarbeit, wobei in diesen Fällen eine Kreditvergabe an Kommunale Gebietskörperschaften, rechtlich unselbständige Eigenbetriebe von kommunalen Gebietskörperschaften sowie an kommunale Zweckverbände, die auf Basis des Zweckverbandsgesetzes bzw. der entsprechenden Landesgesetze zur kommunalen Zusammenarbeit der jeweiligen Bundesländer gegründet wurden1. Die Kreditvergabe erfolgt demnach entweder an die Kommunen in Form von Direktkrediten , oder aber an Investoren, dann jedoch nicht direkt, sondern über ein von dem Investor ausgewähltes Kreditinstitut. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Direktvergabe von Krediten der KfW-Bankengruppe bzw. der KfW Kommunalbank mit der zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission infolge einer Beihilfebeschwerde der Bankenvereinigung der Europäischen Union getroffenen „Verständigung II“ vom 1. März 2002 vereinbar ist. Diese Vereinbarung wurde am 27. März 2002 gemeinsam mit der „Verständigung I“ vom 17. Juli 2001 zu einer Entscheidung umgewandelt, die genaue Vorgaben für die Tätigkeit von sog. Spezialkreditinstituten beinhaltet. Des Weiteren stellt sich bei der Direktvergabe von Krediten durch die KfW Kommunalbank an Kommunen die Frage, ob dies mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. 1 http://www.kfw-foerderbank.de/DE_Home/Service/KfW- Formul26/Merkblaetter/Infrastruktur/Merkblatt_-_Kommunalkredit_- _Investitionsoffensive_Infrastruktur.jsp; http://www.kfw-foerderbank.de/DE_Home/Service/KfW- Formul26/Merkblaetter/Infrastruktur/Merkblatt.jsp; http://www.kfwfoerderbank .de/DE_Home/Service/KfW-Formul26/Merkblaetter/Infrastruktur/Merkblatt_- _Kommunal_Investieren_-_Investitionsoffensive_Infrastruktur.jsp ; http://www.kfwfoerderbank .de/DE_Home/Service/KfW-Formul26/Merkblaetter/Infrastruktur/Merkblatt21828.jsp [Stand: 15.5.2009]. - 6 - 2. Verständigung I und II Im Zusammenhang mit einer Beschwerde der Bankenvereinigung der Europäischen Union gegen Anstaltslast und Gewährträgerhaftung ist es am 17. Juli 2001 und am 1. März 2002 zwischen der EU-Kommission und der Bundesrepublik Deutschland zu zwei Vereinbarungen gekommen, die auch „Verständigung I“ und „Verständigung II“ genannt werden. Die darin enthaltenen Verständigungen und Schlussfolgerungen wurden am 27. März 2002 in eine Kommissionsentscheidung umgestaltet2. 2.1. Verständigung I Am 17. Juli 2001 trafen Kommissar Mario Monti, Staatssekretär Caio Koch-Weser, die Finanzminister der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen und der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Dietrich Hoppenstedt, eine als „Verständigung I“ bezeichnete Vereinbarung. Diese befasst sich mit der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung betreffend Landesbanken und Sparkassen. Unter Anstaltslast versteht man die Verpflichtung des Gewährträgers, die wirtschaftliche Basis einer Anstalt zu sichern, sie für die gesamte Dauer ihres Bestehens funktionsfähig zu halten und etwaige finanzielle Lücken durch Zuschüsse oder auf andere Weise auszugleichen. Gewährträgerhaftung meint hingegen die direkte, auf Gesetz oder Verordnung basierende Verpflichtung einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Einrichtung des öffentlichen Rechts, gegenüber den Gläubigern eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts für alle Verbindlichkeiten dieses Instituts aufzukommen. Beide entsprechen damit wirtschaftlich einer Ausfallbürgschaft, die das Insolvenzrisiko der öffentlichen Bankhäuser ausschließt3. Die Verständigung I sieht für den Bereich der Sparkassen und Landesbanken eine Abschaffung der Gewährträgerhaftung und eine Ersetzung der Anstaltslast durch eine normale wirtschaftliche Eigentümerbeziehung nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen vor. Allerdings sind für beide Haftungsinstitute Übergangsfristen vorgesehen, die teilweise bis ins Jahr 2015 reichen. 2.2. Verständigung II Am 1. März 2002 folgte zwischen Kommissar Mario Monti und Staatssekretär Caio Koch-Weser die sog. „Verständigung II“. In dieser wurden Sonderregelungen für die rechtlich selbständigen Förderbanken mit wettbewerbsneutralem Struktur- und Fördergeschäft geschaffen. Diese deutschen Spezialkreditinstitute dürfen weiterhin im Genuss 2 Europäische Kommission, C(2002) 1286, Staatliche Beihilfe Nr. E 10/2000 – Deutschland. 3 Witte/Rafiqpoor, Privatisierung öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute, WM 2003, 1885, 1886. - 7 - staatlicher Haftungen stehen, soweit sie mit Förderaufgaben betraut sind, die mit den Beihilferegeln der Gemeinschaft in Einklang stehen. Unter Spezialbank bzw. –kreditinstitut versteht man Kreditinstitute, die sich auf bestimmte Geschäfte spezialisiert haben. Darunter fallen unter anderem Kreditinstitute mit Sonderaufgaben, die insbesondere Aufgaben des öffentlichen Interesses erfüllen4. Dazu gehört auch die KfW-Bankengruppe. Die KfW-Bankengruppe versteht sich als Förderbank der deutschen und europäischen Wirtschaft und ist in den folgenden Geschäftsfeldern tätig: Förderung von Mittelstand und Existenzgründern, Globaldarlehen, Bauen, Wohnen, Energie sparen, Finanzierung kommunaler Infrastrukturvorhaben, Bildungsfinanzierung , Export- und Projektfinanzierung, finanzielle Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern sowie Beratung und andere Dienstleistungen. Ihr Kapital wird zu vier Fünftel von der Bundesrepublik Deutschland und zu einem Fünftel von den Bundesländern gehalten. Nach § 1a des Gesetzes über die KfW (KfWG) haftet die Bundesrepublik für alle Verbindlichkeiten und Kredite der KfW. Ferner besteht für die KfW die sog. Anstaltslast der Bundesrepublik Deutschland. Damit fällt die KfW in den Geltungsbereich der Verständigung II. Diese betrifft nämlich rechtlich selbständige Förderinstitute in Deutschland, für die staatliche Haftungsinstitute wie Anstaltslast und/oder Gewährträgerhaftung und/oder Refinanzierungsgarantien gelten. Damit Spezialkreditinstitute weiterhin im Genuss staatlicher Haftungen stehen dürfen, müssen jedoch bestimmte, von der EU-Kommission aufgestellte Voraussetzungen erfüllt sein, die auch als „Grundsätze für deutsche Förderinstitute“ bezeichnet werden5: Zunächst müssen die Geschäftstätigkeiten der Förderinstitute nach ihrem Förderauftrag auf die Unterstützung der Struktur- und Wirtschaftspolitik sowie der Sozialpolitik und der öffentlichen Aufgaben ihrer staatlichen Träger ausgerichtet sein. Die beihilferechtliche Überprüfung dieser Tätigkeiten bleibt von dieser Entscheidung allerdings unberührt . Zudem dürfen die den staatlichen Haftungsinstituten Anstaltslast und /oder Gewährträgerhaftung und /oder Refinanzierungsgarantien für die Förderinstitute immanenten Vorteile nur in bestimmten Bereichen eingesetzt werden. Zu diesen Bereichen gehören u. a. die Durchführung von öffentlichen Förderaufgaben sowie die Gewährung von Darlehen und anderen Finanzierungsformen an Gebietskörperschaften und öffentlich-rechtliche Zweckverbände. 4 http://www.brockhaus-enzyklopaedie.de/be21_article.php [Stand: 14.05.2009]. 5 Europäische Kommission, C (2002) 1286, Staatliche Beihilfe Nr. E 10/2000 – Deutschland, S. 11 ff. - 8 - Die öffentlichen Förderaufgaben der Förderinstitute bestehen in der Durchführung und Verwaltung von Fördermaßnahmen im staatlichen Auftrag in präzise zu benennenden Förderbereichen, insbesondere Mittelstandsfinanzierung, Finanzierung von Umweltschutzinvestitionen , Technologie-/Innovationsfinanzierung, Infrastrukturfinanzierung, Wohnungswirtschaft sowie international vereinbarte Förderprogramme und Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. Sie sind in einschlägigen Regelwerken konkret zu beschreiben . Zur Durchführung ihrer öffentlichen Förderaufgaben können sich die Förderinstitute aller ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente bedienen. Sie dürfen zu diesem Zweck allerdings nur die Geschäfte und Dienstleistungen betreiben, die mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Förderaufgaben in direktem Zusammenhang stehen: der Effektenhandel, das Einlagengeschäft und das Girogeschäft sind den Förderinstituten nur für eigene Rechnung und nur insoweit gestattet, als sie mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Förderaufgaben in direktem Zusammenhang stehen. Bei den Förderinstituten stellen die Gewährträgerhaftung und Anstaltslast demnach nach der Verständigung II dann keine europarechtswidrige Beihilfen im Sinne der Art. 87 Abs. 1 und Art. 88 Abs. 3 EGV dar, wenn und soweit die Tätigkeit des Instituts lediglich in der Durchführung von Förderaufgaben im staatlichen Auftrag in Förderbereichen wie z. B. Mittelstands-, Infrastruktur-, Umweltschutzfinanzierung, Wohnungswirtschaft sowie in der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern liegt. 3. Anwendung der Verständigung II auf die KfW-Kommunalbank und die Direktvergabe von Krediten an Kommunen Um eine Übereinstimmung mit den europäischen Beihilferegelungen zu erreichen, mussten die Tätigkeitsbereiche der Förderinstitute, soweit sie öffentliche Aufgaben betreffen , von denjenigen Bankaktivitäten getrennt werden, die mit privaten Kreditinstituten im Wettbewerb standen. Zu diesem Zweck hat der Bundestag das Gesetz zur Neustrukturierung der Förderbanken des Bundes (Förderbankenneustrukturierungsgesetz) beschlossen (BGBl. I 2003, S. 1657). Dieses bewirkte auch eine Änderung des Gesetzes über die KfW (KfWG). Zweck des Förderbankenneustrukturierungsgesetzes war es unter anderem, in Umsetzung der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 27. März 2002 eine Präzi- - 9 - sierung der im staatlichen Auftrag durchgeführten Förderaufgaben der KfW zu erreichen 6. Ziel war darüber hinaus eine europarechtskonforme Strukturierung der KfW7. Die von der Kommission gemachten Vorgaben wurden genauest möglich umgesetzt und zwar auch bezüglich der von der KfW wahrzunehmenden Aufgaben und der Finanzierungsmodalitäten . Insbesondere erfolgte eine Präzisierung ihrer Aufgaben und eine Einschränkung der Aufgaben in Orientierung an der Kommissionsentscheidung, wobei teilweise eine wörtliche Übernahme erfolgte. Eine Beanstandung der seitdem bestehenden Vorgaben des KfWG durch die Kommission oder weitere Beschwerden gegen die nunmehr nur noch bei den Förderbanken bestehenden Haftungsinstitute Anstaltslast und Gewährträgerhaftung hat es – soweit ersichtlich – nicht mehr gegeben. Das lässt den Schluss zu, dass die nunmehrige Ausgestaltung europarechtskonfom, also vereinbar auch mit der Verständigung II ist. Einen Direktkredit der KfW-Kommunal- bzw. Privatkundenbank können kommunale Gebietskörperschaften, rechtlich unselbständige Eigenbetriebe kommunaler Gebietskörperschaften sowie kommunale Zweckverbände erhalten8 und zwar - wie oben bereits dargestellt - für Zwecke der Infrastukturinvestitionen, der Wohnwirtschaft sowie der energetischen Sanierung bestimmter öffentlicher Gebäude. Damit hält sich die KfW-Kommunalbank an den ihr gesetzlich und durch die Verständigung II allen deutschen Förderinstituten vorgegebenen Aufgabenrahmen. Denn nach § 2 Abs. 1 KfWG, der insoweit beinahe wörtlich mit den Vorgaben der Verständigung II übereinstimmt, hat die KfW die Aufgabe, im staatlichen Auftrag Fördermaßnahmen, insbesondere Finanzierungen, u. a. im Bereich der Wohnungswirtschaft, des Umweltschutzes und der Infrastruktur vorzunehmen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KfWG, der ebenfalls fast wortgleich mit den Vorgaben der Verständigung II ist, hat die KfW des Weiteren die Aufgabe, Darlehen und andere Finanzierungsformen an Gebietskörperschaften und öffentlich-rechtliche Zweckverbände zu gewähren. Danach ist die Vergabe von Krediten an Kommunen mit der Verständigung II vereinbar , zumal in dieser ausdrücklich bestimmt ist, dass sich die Förderinstitute zur Durchführug ihrer öffentlichen Förderaufgaben aller ihnen zur Verfügung stehenden Mittel bedienen dürfen. 6 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/902; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses , BT-Drs. 15/1127. 7 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/902; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses , BT-Drs. 15/1127. 8 http://www.kfw-foerderbank.de/DE_Home/Service/KfW-Formul26/Wiebeantra20/Ausnahmen.jsp [Stand: 14.05.2009]. - 10 - 4. Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Staatsaufbauprinzip Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die KfW-Kommunalbank mit den Direktkrediten an die Kommunen gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt. Dabei stellt sich zunächst das Problem der näheren Bestimmung des Subsidiaritätsprinzips. Denn seitdem der Begriff der Subsidiarität zum Allgemeingut geworden ist, Eingang in politische Programme etc. gefunden hat und kaum eine politische Debatte auf seine Appellqualität verzichten möchte, hat er an Konturen eingebüßt: so verstehen manche Subsidiarität als Deregulierungsgrundsatz gegenüber einer überbordenden staatlichen Kompetenzanmaßung , andere sehen sie schlicht als Dezentralisierungsprinzip, wieder andere als Nichteinmischungsprinzip , welches das „Recht der kleinen Lebenskreise“ zu sichern habe. Schließlich begnügen sich einige damit, Subsidiarität in Föderalismus zu übersetzen9. Im hier bestehenden Kontext der Direktkredite einer staatlichen Förderbank an Kommunen sind zwei Aspekte des Subsidiaritätsprinzips von besonderem Interesse, und zwar einerseits die Kompetenzverteilung zwischen Staat und Kommunen, und andererseits die Trennung zwischen Staat und Gesellschaft. 4.1. Aufgaben- bzw. Kompetenzverteilung zwischen Staat und Kommunen Zunächst beinhaltet das Subsidiaritätsprinzip die organisatorischen Fragen, welcher gesellschaftlichen Handlungsebene bestimmte Aufgaben zugewiesen werden sollen, unter welchen Bedingungen Zuständigkeiten entzogen und nach oben verlagert werden dürfen: Subsidiarität bedeutet deshalb grundsätzlich, dass Aufgaben nach Möglichkeit den Einzelpersonen bzw. den je personnäheren Gemeinschaften zugewiesen werden10. Soweit es spezifisch um die Aufgaben –und Kompetenzverteilung zwischen Staat und Gemeinden geht, ist auch Art. 28 Abs. 2 GG zu beachten. Subsidiarität verkörpert sich in der institutionellen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung11. Nach Art. 28 Abs. 2 GG kommt den Gemeinden die Allzuständigkeit für alle ortsgebundenen und ortsbegrenzten Verwaltungsaufgaben zu. Ihnen ist nicht nur der Wirkungskreis von Verfassung wegen gesichert, sondern auch die Eigenverantwortung in der Wahl und Wahrnehmung der Aufgaben, die innerhalb des Wirkungskreises liegen12. Hinter der institutionellen Garantie zeichnet sich das Leitbild der Subsidiarität ab, wonach die Gemeinde die Angelegenheiten, die in ihrer örtlichen Gemeinschaft wurzeln und auf sie einen speziellen Bezug haben, selbst und eigenverantwortlich verwaltet, 9 Baumgartner, S. 13 f. 10 Baumgartner, S. 18 ff. 11 Isensee, Subsidiarität – Das Prinzip und seine Prämissen, S. 159. 12 Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, Art. 28 Rn 16. - 11 - soweit sie ihnen mit ihren administrativen Mitteln gewachsen ist und sie den Erfordernissen des staatlich definierten Gemeinwohls zu genügen vermag13. Insoweit könnte es mit dem Subsidiaritätsprinzip in Konflikt stehen, dass die Finanzierung kommunaler Aufgaben durch Kredite einer Förderbank erfolgt, die mehrheitlich im Eigentum des Bundes steht. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass eine Beeinträchtigung der gemeindlichen Selbstverwaltung in der Regel „nur“ bei belastenden Regelungen gemeindlicher Angelegenheiten durch andere Träger öffentlicher Gewalt anzunehmen ist, namentlich bei der Übertragung von Aufgaben oder der Pflicht zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung mit anderen Gebietskörperschaften14. Bei der Vergabe von Krediten der KfW-Kommunalbank an Kommunen handelt es sich jedoch nicht um belastende Maßnahmen, vielmehr wird den Kommunen eine weitere Finanzierungsmöglichkeit eröffnet und damit ihre Handlungsfreiheit erweitert. Indem der Staat bzw. eine in seinem Eigentum stehende Förderbank den Kommunen Hilfe bei der Finanzierung ihrer Aufgaben in Form von Krediten anbietet, greift er auch nicht in ihre Aufgabenwahrnehmung ein. Die Durchführung der Infastrukturmaßnahmen etc. liegt vielmehr weiterhin bei den Kommunen; sie verwalten ihre Angelegenheiten weiter selbst und eigenverantwortlich . Insoweit ist die Vergabe von (Direkt-)Krediten der KfW-Kommunalbank an Kommunen etc. also durchaus mit dem Subsidiaritäsprinzip vereinbar: es erfolgt keine Aufgabenverschiebung von der unteren, personnäheren Ebene auf eine übergeordnete Ebene, sondern lediglich eine Finanzierungshilfe. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten , dass es den Kommunen aufgrund ihrer angespannten Haushaltslage vielfach nicht möglich sein wird, die entsprechenden finanziellen Mittel alleine aufzubringen und dass auch insoweit eine Hilfe der finanzstärkeren übergeorneten Ebene nach dem Subsidiaritätsprinzip zulässig sein dürfte. Denn die Aufgabenwahrnehmung durch die untere Ebene steht immer unter dem Vorbehalt des Möglichen. Aufgrund des Umstandes, dass die KfW-Kommunalbank lediglich Kredite an die Kommunen vergibt, eine Finanzierung kommunaler Aufgaben durch sie also nicht erfolgt , ist zudem auch ein Verstoß gegen andere im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip stehende Verfassungsnormen ist nicht ersichtlich. Denn soweit sich das Grundgesetz überhaupt mit der Beziehung zwischen dem Bund und den Kommunen beschäftigt, verbietet es keine Kreditvergabe des Bundes an Kommunen. Durch Art. 104a Abs. 1 GG wird dem Bund lediglich eine direkte Finanzierung von kommunalen 13 Isensee, Subsidiarität – Das Prinzip und seine Prämissen, S. 160. 14 Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, Art. 28 Rn 18. - 12 - Aufgaben verboten15. Eine solche findet bei der Kreditvergabe der KfW an Kommunen jedoch gerade nicht statt, da die Finanzierungslast letztendlich bei den Kommunen verbleibt . Schließlich erfolgt durch die Vergabe von Krediten auch keine Auflösung bzw. Aufweichung der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, welche zu einem Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip (im Sinne einer strengen Kompetenz- und Aufgabenverteilung bzw. -trennung) führen könnte. Die Vergabe von (Direkt-)Krediten der KfW-Kommunalbank an Kommunen ist deshalb unter dem Aspekt der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kommunen mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar. 4.2. Aufgabenverteilung zwischen Privaten und dem Staat Zum anderen wird Subsidiarität häufig im Sinne einer Option für die Minimierung jeder staatlichen Tätigkeit und Präsenz interpretiert. Subsidiarität bedeutet dann „soviel Staat wie notwendig, soviel gesellschaftliche Freiheit wie möglich“16. Bei einem derartigen Verständis von Subsidiarität stellt sich die Frage, ob eine praktisch staatliche Kreditvergabe nicht nachrangig gegenüber der Kreditvergabe durch privatwirtschaftliche Kreditinstitute ist. Das Subsidiaritätsprinzip konvergiert in diesem Bereich mit dem grundrechtlichen Rechtfertigungszwang, wobei die Anforderungen der Grundrechte durchweg konkreter und differenzierter ausfallen als das allgemeine Prinzip17. Das Subsidiaritätsprinzip gewinnt jedoch eigenständige Bedeutung, wenn es darum geht, der Wirksamkeit des Staates Grenzen zu setzen, wo dieser durch schlichet Aktivitäten – etwa Leistungsofferten, Konkurrenzveranstaltungen – den Handlungsraum der Grundrechtsträger einschränkt und damit grundrechtliche Freiheitspotentiale von ihren realen Voraussetzungen her mindert: wenn und soweit die öffentliche Hand ihre Agenden nicht mehr vor dem grundrechtlich fundierten Subsidiaritätsprinzip zu rechtfertigen vermag, hat sie sich aus diesen zurückzuziehen und sie den Privaten zu überlassen18. Vor diesem Hintergrund erscheint es problematisch, dass der Bund bzw. eine ihm eigene Förderbank Kredite an Kommunen vergibt, die anderenfalls von privaten Banken gewährt werden müssten. 15 Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, Art. 104a Rn 3. 16 Baumgartner, S. 21. 17 Isensee, Subsidiarität – Das Prinzip und seine Prämissen, S.162. 18 Isensee, Subsidiarität – Das Prinzip und seine Prämissen, S.162. - 13 - Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei der Bereitstellung und Instandhaltung von Infrastruktur – wie sie durch die Kreditvergabe der KfW-Kommunalbank bezweckt ist – um öffentliche Daseinsvorsorge handelt. Unter öffentliche Daseinsvorsorge wird traditionell nicht nur die Versorgung mit Wasser, Gas und Elekrizität verstanden, sondern auch die Bereitstellung von Verkehrsmitteln jeder Art, die hygienische Sicherung, Post, die Vorsorge für Alter, Invalidität, Krankheit, Arbeitslosigkeit und vieles mehr19. Dass sich der Staat und seine Untergliederungen, namentlich die Kommunen, ganz allgemein um die „Daseinsvorsorge“ zu kümmern haben, folgt aus dem Sozialstaatsprinzip sowie aus grundrechtlichen Schutzpflichten20. Ist hiernach der Staat unter anderem zur Bereitstellung von Infrastruktur verpflichtet, erscheint es als sachgerecht, dass er zugleich Sorge für die sichere Finanzierung derselben trägt und durch die Veranlassung der Vergabe günstiger Kredite auch finanzschwachen Kommunen die Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglicht, was diesen bei der Inanspruchnahme teurerer Kredite privater Banken ggf. nicht möglich wäre. Auch beschränkt sich die Kreditvergabe der KfW-Kommunalbank auf einen engen Bereich von festgelegten Förderaufgaben. Der damit bewirkte Eingriff in Freiheitsrechte privater Konkurrenten ist demnach beschränkt. Das mit der Kreditvergabe verfolgte Ziel und der durch sie bewirkte Eingriff in Freiheitsrechte privater Kreditinstitute stehen deshalb nicht außer Verhältnis zueinander, so dass sich die Kreditvergabe als verhältnismäßiger und damit legitimer Eingriff darstellen dürfte. Folglich ist auch unter dem Gesichtspunkt der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Privaten bzw. der grundsätzlichen Nachrangigkeit staatlicher Aufgabenwahrnehmung von der Vereinbarkeit der Vergabe von Krediten an Kommunen durch die KfW- Kommunalbank mit dem Subsidiaritätsprinzip auszugehen. 19 Johann-Christian Pielow, Öffentliche Daseinsvorsorge zwischen „Markt“ und „Staat“, JuS 2006, S. 692. 20 Johann-Christian Pielow, Öffentliche Daseinsvorsorge zwischen „Markt“ und „Staat“, JuS 2006, S. 692. - 14 - 5. Quellen Alois Baumgartner. „Jede Gesellschaftstätigkeit ist ihrem Wesen nach subsidiär“ – Zur anthropologischen und theologischen Begründung der Subsidiarität. In: Subsidiarität: Idee und Wirklichkeit. Tübingen, 1997. S. 13 ff. Josef Isensee. Subsidiarität – Das Prinzip und seine Prämissen. In: Rechtstheorie, Beiheft 20. Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft. Berlin, 2002. Hans D. Jarass/Bodo Pieroth. Grundgesetz Kommentar. 10. Auflage (2009). Johann-Christian Pielow. Öffentliche Daseinsvorsorge zwischen „Markt“ und „Staat“. JuS 2006, S. 692 ff. Jürgen Witte/Parwäz Rafiqpoor. Privatisierung öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute. WM 2003, 1885. Düsseldorf, 2003.