© 2019 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 073/19 Makroökonomische Auswirkungen von Rücküberweisungen (Remittances) auf Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 073/19 Seite 2 Makroökonomische Auswirkungen von Rücküberweisungen (Remittances) auf Deutschland Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 073/19 Abschluss der Arbeit: 05.09.2019 Fachbereich: WD 5 Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 073/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Quellenlage und Analyse zu makroökonomischen Auswirkungen von Rücküberweisungen auf Deutschland 5 2.1. Wirtschaftswoche 5 2.2. Makroökonomische Implikationen von Arbeitsmigration und Migrantentransfers 6 2.3. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) 7 2.4. Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP) 7 2.5. Analyse anhand eines dynamisch angewandten Gleichgewichtsmodells 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 073/19 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Arbeit analysiert die makroökonomischen Auswirkungen von Rücküberweisungen (Remittances) durch Migrantinnen und Migranten auf Deutschland. Definitorisch handelt es sich bei Remittances um Rücküberweisungen von im Ausland lebenden Personen an Freunde und Verwandte in ihrer Heimat. Sie stellen einen wichtigen Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung des Empfängerlandes dar, da Remittances dort nicht nur für den privaten Konsum zur Verfügung stehen, sondern auch Investitionen, insbesondere in kleine und mittlere Unternehmen , ermöglichen. Im Rahmen des G20-Treffens der Finanzminister und Notenbankgouverneure wurde festgestellt, Remittances an Entwicklungsländer machten rund das Dreifache der öffentlichen Entwicklungshilfe aus1. Ausführliche Zahlen sind den folgenden Dokumenten zu entnehmen : Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Markus Frohnmaier, Dietmar Friedhoff, Ulrich Oehme und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/1955 – Rücküberweisungen aus Deutschland, Drucksache 19/3186 v. 10.07.2018 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/031/1903186.pdf (letzter Abruf: 02.09.2019) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten René Springer, Waldemar Herdt, Armin-Paulus Hampel, Dr. Roland Hartwig und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/8377 – Rücküberweisungen von Migranten ins Ausland, Drucksache 19/8885 v. 02.04.2019 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/088/1908885.pdf (letzter Abruf: 02.09.2019) Eine aktuelle Grafik des Handelsblatts basierend auf Zahlen der Weltbank/dem Internationalen Währungsfonds verdeutlicht die weltweiten Ströme der Rücküberweisungen für das Jahr 2017 in US-Dollar2. Eine Recherche des Begriffs „Rücküberweisungen (Remittances)“ führt überwiegend zu Literaturergebnissen makroökonomischer Auswirkungen in den Ursprungsländern der Migrantinnen und Migranten. Im Folgenden wird anhand von Quellen diesem Umstand, unter dem erweiterten Aspekt der makroökonomischen Auswirkungen auf Deutschland, Rechnung getragen. 1 BMF, 2017, Treffen der G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure in Baden-Baden, in: Analysen und Berichte , Monatsbericht April 2017. https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2017/04/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-1-Treffen- G20-Finanzminister-Notenbankgouverneure-Baden-Baden.html (letzter Abruf: 02.09.2019) 2 Handelsblatt, 26.07.2019, Geld für die Heimat. https://www.handelsblatt.com/infografiken/grafik/infografik-geld-fuer-die-heimat/24701806-all.html?v2hbgdebugoptions =false&v2hbgfontcssgotham=https://cloud.typography .com/6111652/6952372/css/fonts.css&v2hbgmode=web&v2hbgfontcssgothamnarrow=https://cloud.typography .com/6111652/777268/css/fonts.css&v2hbgtrackingscript=/downloads/13858302/50/vhb_g_embed _v2_tracking.js&nlayer=Grafik%20des%20Tages_13818414 (letzter Abruf: 02.09.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 073/19 Seite 5 2. Quellenlage und Analyse zu makroökonomischen Auswirkungen von Rücküberweisungen auf Deutschland 2.1. Wirtschaftswoche Ein aktueller, in der Wirtschaftswoche erschienener Beitrag verweist ergänzend zu den Rücküberweisungen von Migranten/-innen in ihre Heimatländer auch auf die stattlichen Transfers deutscher Auswanderer in ihre Heimat, wobei auch die unterschiedliche Erfassungsweise der Daten seitens der Weltbank/dem Internationalen Währungsfonds sowie der Bundesbank wie folgt thematisiert wird: „Deutschland ist nicht nur eines der Hauptzielländer von Migranten aus aller Welt, sondern auch ein klassisches Auswanderungsland. Deutlich wird das nicht zuletzt an einer Zahl, die die Weltbank Jahr für Jahr ermittelt. 17,4 Milliarden Dollar überwiesen ausgewanderte Deutsche 2018 in ihre Heimat, ergaben erste Schätzungen der Organisation mit Sitz in Washington. Das sind umgerechnet 15,5 Milliarden Euro – so viel wie nie. Heimatüberweisungen von deutschen Auswanderern Quelle: Weltbank, Internationaler Währungsfonds https://www.wiwo.de/unternehmen/banken/geldtransfer-deutsche-auswanderer-ueberweisen-milliarden-in-die-heimat /24250230.html (letzter Abruf: 02.09.2019) Damit halten sich Geldtransfers von Aus- und Einwanderern der Weltbank zufolge in etwa die Waage. So schickten in Deutschland lebende Migranten 2017 – neuere Daten liegen noch nicht vor – rund 22 Milliarden Dollar (19,6 Milliarden Euro) in ihre Herkunftsländer. Die von der Bundesbank ermittelte Summe der Heimatüberweisungen aus Deutschland Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 073/19 Seite 6 liegt mit 5,1 Milliarden Euro für 2018 deutlich darunter. Die Werte sind aber nicht vergleichbar , was im Wesentlichen statistische Gründe hat. Die Bundesbank3 schätzt konservativ, weil Überweisungen in der Regel unter der Meldegrenze von 12.500 Euro liegen und die von Banken und Finanzdienstleistern übermittelten Daten daher bruchstückhaft sind. Hingegen arbeitet die Weltbank mit Daten des Internationalen Währungsfonds, an den sämtliche Notenbanken ihre Zahlungsbilanzen melden. Einige nationale Zentralbanken versuchen zunehmend auch informelle Transfers wie Gütersendungen zu erfassen. Zudem berücksichtigt die Weltbank grenzüberschreitende Lohnzahlungen.“4 Der Beitrag verweist weiterhin auf die unterschiedlichen Motive von Transferzahlungen von Migranten/ -innen in ihre Heimatländer sowie Deutschen in ihr Heimatland. Nach Deutschland Eingewanderte unterstützten mit den Transfers Verwandte, wobei den Familien wegen der Kaufkraftunterschiede oft schon eine kleine Summe genüge, um der Armut zu entfliehen oder den Nachwuchs zur Schule zu schicken. Im Ausland lebende Deutsche hingegen finanzierten parallel zu ihrem Auslandsaufenthalt das Studium der Kinder, eine Auslandskrankenversicherung, bestehende Verträge in Form von laufender Haftpflichtund Berufsunfähigkeitsversicherung bzw. Kosten für die weiterhin bestehende Wohnung. 2.2. Makroökonomische Implikationen von Arbeitsmigration und Migrantentransfers Lars Bennöhr relativiert in seinem 2015 erschienen Buch „Makroökonomische Implikationen von Arbeitsmigration und Migrantentransfers“ die Transferzahlungen und führt wie folgt aus: „Auch die Untersuchung makroökonomischer Auswirkungen privater Migrantentransfers erfordert die Unterscheidung in Auswirkungen auf Empfängervolkswirtschaften und Sendevolkswirtschaften . Brown (2006), Docquier und Rapoport (2005) und Chami et al. (2008) tragen die verschiedenen Erkenntnisse zusammen. Die Migrationsliteratur konzentriert sich vor allem auf die Empfängerländer der Migranten , also die typischen Sendeländer von Migrantentransfers. In den Untersuchungen der Auswirkungen von Transfers dagegen stehen die Empfängerländer im Fokus. Begründet werden kann dieser Umstand damit, dass in den Aufnahmeländern von Migranten, die dann die Transfers leisten, in der Regel deutlich schwächere Auswirkungen spürbar wer- 3 Deutsche Bundesbank, Merkblatt Allgemeine Übersicht Zahlungen im Außenwirtschaftsverkehr - Stand der Forderungen und Verbindlichkeiten im Außenwirtschaftsverkehr - Stand der grenzüberschreitenden Unternehmensbeteiligungen . https://www.bundesbank.de/resource/blob/611832/54a4090802ed33005a0f05feb73d865e/mL/awvzm-2013- data.pdf (letzter Abruf: 02.09.2019) 4 Wirtschaftswoche, 25.04.2019, Geldtransfer Deutsche Auswanderer überweisen Milliarden in die Heimat. https://www.wiwo.de/unternehmen/banken/geldtransfer-deutsche-auswanderer-ueberweisen-milliarden-in-dieheimat /24250230.html (letzter Abruf: 02.09.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 073/19 Seite 7 den als in den Empfängerländern, da die Relation der geleisteten Transfers zum BIP regelmäßig relativ klein für die Sendeländer und relativ groß für die Empfängervolkswirtschaften von Transfers ist.“5 2.3. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Ein am 1. Juli 2018 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) erschienener Artikel, der Bezug auf einen im Deutschlandfunk gesendeten Beitrag nimmt, zitiert den Göttinger Professor für Ökonomie Stephan Klasen wie folgt: „Die Geberländer müssen nach Einschätzung von Stephan Klasen, Göttinger Professor für Ökonomie, kaum befürchten, dass sie unter dem Kapitalabfluss leiden. >Für die Geberländer insgesamt sind die Auswirkungen so gering, dass das vernachlässigbar ist<, sagte Klasen im Deutschlandfunk. >Wenn wir überlegen, wie viel Geld aus Deutschland rausfließt über Rücküberweisungen und wieder reinfließt über Gewinne deutscher Unternehmen im Ausland, da fällt das kaum auf.