© 2019 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 071/19 Abgrenzung der Begriffe Schienenpersonenfern- und Schienenpersonennahverkehr sowie Zuständigkeiten für das Schienennetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 2 Abgrenzung der Begriffe Schienenpersonenfern- und Schienenpersonennahverkehr sowie Zuständigkeiten für das Schienennetz Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 071/19 Abschluss der Arbeit: 2. August 2019 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. Kriterien zur Abgrenzung von SPFV und SPNV 5 2.1. Verfassungsrechtliche Vorgaben 5 2.2. Konkretisierung im einfachen Recht 6 2.2.1. SPNV 6 2.2.2. SPFV 10 3. Zuständigkeiten 10 3.1. Netzverantwortung 10 3.2. Verantwortung für das Verkehrsangebot 11 3.3. Verwaltungskompetenzen 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Die Wissenschaftlichen Dienste wurden gefragt, nach welchen Kriterien Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) und Schienenpersonennahverkehr (SPNV) voneinander abgegrenzt werden. Des Weiteren soll geklärt werden, für welche Bereiche des Schienennetzes der Bund zuständig ist und für welche die Länder bzw. noch weitere Körperschaften des öffentlichen Rechts. Für den Hintergrund weist der Fragesteller darauf hin, dass es mittlerweile viele SPNV-Strecken gebe, die ehemalige SPFV-Strecken (nach Auflösung des InterRegio-Systems1) abdeckten und deren Reisezeit sich auf bis zu vier Stunden oder auch eine Strecke von mehr als 200 Kilometer erstreckten . Für die Zuordnung der Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern im Schienenpersonenverkehr spielt die Abgrenzung des SPNV vom SPFV eine wichtige Rolle.2 Zudem ist die grundlegende Unterscheidung von Infrastruktur (Netz) und dem Bereich der Verkehrsleistungen, also dem Betrieb der Schienenwege mit Zügen, zentral. Hintergrund der Trennung von Netz und Verkehr ist das Ziel, im Bereich des Verkehrs für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen (Anbieter von Verkehrsleistungen) einen diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewährleisten, unabhängig von einem natürlichen Monopol im Bereich des Netzes.3 Die Verantwortlichkeit für die Eisenbahninfrastruktur hat 1993 durch die Bahnreform mit der Aufnahme von Art. 87e in das Grundgesetz (GG) eine wichtige Änderung erfahren. Art. 87e GG trifft allerdings nur Aussagen für die Eisenbahnen des Bundes, nicht jedoch für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen, für die nach der allgemeinen Kompetenzzuweisung gemäß Art. 83, 30 GG die Länder zuständig sind. 4 Das Grundgesetz gibt die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern für das Eisenbahnwesen letztlich in die Hand des einfachen Gesetzgebers. So ermöglichen Art. 87e Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 GG durch Bundesgesetz die Übertragung von Aufgaben des Bundes auf die Länder und umgekehrt.5 Insgesamt ist das System der Zuständigkeiten in diesem Bereich sehr komplex.6 Für das bessere Verständnis wird in dieser Ausarbeitung nicht nur auf die Zuständigkeit für das Schienennetz im engeren Sinne sondern auf die Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern im Ganzen einge- 1 Siehe dazu auch Knecht, Ingo in: Streichungen beim Schienenpersonenfernverkehr - welche Pflichten hat der Bund?; NVwZ 2003, S. 932ff. 2 Vgl. Oebbecke, Janbernd in: Was ist Personennahverkehr?, NVwZ 2017, S. 1084, S. 1085. 3 Vgl. dazu Möstl, Markus in: Maunz/Dürig u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 2019, Art. 87e GG, Rn. 111ff. 4 Möstl, a.a.O., Art. 87e GG, Rn. 13. 5 Möstl, a.a.O., Art. 87e GG, Rn. 161ff.; vgl. dazu auch Ausarbeitung WD vom 14. Oktober 2008 (WD 7 – 200/08), Einzelfragen zur Zuständigkeit für Infrastrukturmaßnahmen und Infrastrukturfinanzierung der Eisenbahn, S. 6. 6 Möstl, a.a.O., Art. 87e GG, Rn. 8ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 5 gangen. Die Beantwortung der Frage der Zuständigkeit einer bestimmten Körperschaft oder Behörde richtet sich immer nach den Besonderheiten des Einzelfalles. Dementsprechend müssen sich die Ausführungen zu den Verantwortungsbereichen der öffentlichen Körperschaften auf wesentliche Grundsätze beschränken. 2. Kriterien zur Abgrenzung von SPFV und SPNV 2.1. Verfassungsrechtliche Vorgaben Der Begriff des SPNV findet sich in verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Bestimmungen . Der Begriff ist für die Abgrenzung der Gewährleistungsverantwortung zwischen Bund und Ländern im Hinblick auf die Verkehrsangebote auf den Schienen maßgebend.7 Gemäß Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG gewährleistet der Bund, „dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen , beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird.“8 Der SPNV ist somit, soweit es um das Verkehrsangebot (und nicht die Vorhaltung der Eisenbahninfrastruktur ) geht, von dieser Gewährleistungsverantwortung des Bundes ausgenommen.9 Der Bund hat daher ein ausreichendes Verkehrsangebot nur für den SPFV der Eisenbahnen des Bundes zu leisten.10 Die Gewährleistungsverantwortung für die Verkehrsangebote im SPNV liegt bei den Ländern (vgl. auch § 1 Abs. 1 Regionalisierungsgesetz - RegG11). Der Begriff des SPNV muss so ausgelegt werden muss, dass er dieser verfassungsrechtlichen Abgrenzung der Verantwortlichkeiten dienen kann.12 7 Oebbecke, a. a. O., S. 1085; Fehling, Michael in: Hermes/Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 2, Rn. 131. 8 Hervorhebungen durch Verfasser. 9 Möstl, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 136; Gersdorf, Hubertus in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, 7. Aufl. 2018, Art. 87e GG, Rn. 67. 10 Gersdorf, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 67f. m. w. N. 11 Regionalisierungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2395), das zuletzt durch Art. 19 Abs. 23 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, abrufbar unter: http://www.gesetze-iminternet .de/regg/ (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 12 Oebbecke, a. a. O., S. 1085. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 6 2.2. Konkretisierung im einfachen Recht 2.2.1. SPNV Eine gesetzliche Definition des SPNV findet sich in § 2 Abs. 12 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG)13. Demnach ist „Schienenpersonennahverkehr […] ein Verkehrsdienst, dessen Hauptzweck es ist, die Verkehrsbedürfnisse im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr abzudecken. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Zuges die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.“ Weitgehend übereinstimmende Definitionen zum Personennahverkehr allgemein (unabhängig von einem bestimmten Verkehrsmittel) sind in § 2 des RegG und § 8 Abs. 1 Personenbeförderungsgesetz (PBefG)14 enthalten: „Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.“ In der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 12 AEG wird auf die entsprechende Begriffsbestimmung für den SPNV in der bisher geltenden (nahezu wortgleichen) Regelung des § 2 Abs. 5 AEG (a. F.) verwiesen.15 Zu § 2 Abs. 5 AEG (a. F.) heißt es wiederum in der Begründung: „Der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) wird funktional definiert. Maßgebend ist zunächst die Zweckbestimmung oder Aufgabenstellung, die das betreibende Unternehmen seinen Zügen beimisst. In der Mehrzahl der Fälle wird die Zuordnung der einzelnen Zuggattungen (in der Unternehmenssprache der DB ‚Produkte‘) zum Fern- oder Nahverkehr problemlos sein. Die Bezeichnung einzelner Zuggattungen unterliegt jedoch ständigen Veränderungen. Deshalb kommt eine konkrete Aufzählung einzelner z. Z. vorhandener Zuggattungen im Gesetz nicht in Betracht. Eine solche Aufzählung, wie sie als Begriffsbestimmung in § 61 des geltenden Schwerbehindertengesetz (SchwbG) enthalten ist, würde zu häufigen Gesetzesanpassungen führen. In Zweifelsfällen der Zuordnung soll daher die Beförderungsleistung beziehungsweise die Reisedauer in 13 Allgemeines Eisenbahngesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2396; 1994 I S. 2439), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1040) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze -im-internet.de/aeg_1994/index.html#BJNR239600993BJNE000104123 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 14 Personenbeförderungsgesetz vom 8. August 1990 (BGBl. I S. 1690), das zuletzt durch Art. 2 Abs. 14 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I 2808) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/pbefg/BJNR002410961.html#BJNR002410961BJNG000101305 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 15 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich , Bundestags-Drs. 18/8334 vom 4. Mai 2016, S. 248. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 7 der Mehrzahl der Beförderungsfälle in den betreffenden Zügen maßgebend sein. Diese Abgrenzung entspricht der Regelung in § 61 Abs. 1 Nr. 2 SchwbG (Omnibuslinienverkehr). Zugrunde gelegt werden dabei nicht nur die im jeweiligen Zug zurückgelegte Reiseentfernung bzw. Reisedauer , sondern die Gesamtbeförderungsweite und Reisedauer in allen während einer Reise mit der Eisenbahn benutzten Zügen (z. B. Benutzung eines Nahverkehrszuges und eines IC-Zuges über eine Gesamtweite von 85 km; wenn davon 6 km auf den Nahverkehrszug entfallen, fällt dieser Beförderungsfall nicht unter den Nahverkehrsbegriff im Sinne des Absatzes  5). […]“16 Ausweislich des Wortlauts der einfachgesetzlichen Grundlagen und der Gesetzesmaterialien ist für die Abgrenzung zwischen SPNV und SPFV zunächst auf die Zweckbestimmung des Schienenverkehrs abzustellen, wobei maßgeblich ist, ob ein Zug der Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort - oder Regionalverkehr dienen soll (§ 2 Abs. 12 S. 1 AEG). Ggf. kommt es in einem weiteren Schritt auf die Zweifelsfallregelung in § 2 Abs. 12 S. 2 AEG an.17 „Stadt- und Vorortverkehr“ meint nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 16 AEG einen Verkehrsdienst , dessen Hauptzweck es ist, die Verkehrsbedürfnisse eines Stadtgebietes oder eines, auch grenzüberschreitenden, Ballungsraumes sowie die Verkehrsbedürfnisse zwischen einem Stadtgebiet oder Ballungsraum und dem Umland abzudecken.18 „Regionalverkehr“ ist in § 2 Abs. 18 AEG definiert als Verkehrsdienst, dessen Hauptzweck es ist, die Verkehrsbedürfnisse einer, auch grenzüberschreitenden, Region abzudecken.19 Unter „Ballungsraum“ versteht man nach § 2 Abs. 17 AEG ein städtisches Gebiet mit einer Einwohnerzahl von mehr als 250 000 Einwohnern oder ein Gebiet mit einer Bevölkerungsdichte von mehr als 1 000 Einwohnern pro Quadratkilometer . Somit zählen etwa Stadtschnellbahnen/S-Bahnen, RegionalExpress und Regional- Bahn-Leistungen zum SPNV.20 Für die Abgrenzung SPNV und SPFV besonders wichtig ist die Frage nach den Grenzen des Regionalverkehrs . Administrative Grenzen sind für den verkehrsrechtlichen Begriff „Region“ nicht 16 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz — ENeuOG), Bundestags-Drs. 12/4609 vom 23. März 1993, S. 95; Hervorhebungen durch Verfasser. 17 Vgl. auch Neumann, Gabriele, Daseinsvorsorgeaufgabe Schienenpersonennahverkehr, 2015, zugl. Diss. Universität Bayreuth 2014, S. 32. 18 Vgl. auch Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:02012L0034-20190101&from=EN (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019); Nr. 6 entspricht Art. 3, 4. Spiegelstrich der (aufgehobenen) Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX%3A31991L0440 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 19 Vgl. auch ebenda, Art. 3 Nr. 7 abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:02012L0034-20190101&from=EN (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019); Nr. 7 entspricht Art. 3, 5. Spiegelstrich der (aufgehobenen) Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content /de/TXT/?uri=CELEX%3A31991L0440 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 20 Fehling, a. a. O., § 2, Rn. 135; Neumann, a. a. O., S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 8 ausschlaggebend. Jedoch können Einteilungen der Raumplanung wie Pendlerverflechtungen und oberzentrale Versorgungsbeziehungen eine Rolle spielen. Der Verkehr innerhalb einer Region kann über recht weite Strecken reichen. Dies betrifft z. B. den Verkehr zwischen einem Ballungsraum und seinem Umland, der über die Entfernung von 50 km hinausgehen kann. Regionsüberschreitender Verkehr ist hingegen kein Regionalverkehr.21 Ob SPNV im oben beschriebenen Sinne vorliegt, richtet sich in erster Linie nach der Zweckbestimmung oder Aufgabenstellung, die das jeweilige Eisenbahnverkehrsunternehmen den Zügen beimisst.22 Die DB Netz AG, eine 100-%ige Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG23, definiert den SPNV in den aktuellen Schienennetz-Benutzungsbedingungen (SNB) in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut wie folgt: „Schienenpersonennahverkehr im Sinne dieser SNB dient überwiegend der Beförderung von Personen im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr. Verkehre, die zwei Metropolbahnhöfe mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mindestens 130 km/h verbinden, dienen nicht dem Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr.“24 Für die Abgrenzung zwischen SPNV und SPFV kann demnach im Rahmen der SNB auch die Durchschnittsgeschwindigkeit, mit der zwei Metropolbahnhöfe durch den Schienenverkehr verbunden sind, entscheidend sein. Durch die funktionale Definition des SPNV anhand der Zweckbestimmung durch das Eisenbahnunternehmen besteht die Gefahr, dass auch Verkehrsleistungen, die eigentlich dem SPFV zuzuordnen wären, als SPNV durchgeführt und finanziert werden.25 Wie bereits oben unter 2.1 ausgeführt , hat der Bund nach Art. 87e Abs. 4 GG ein ausreichendes Verkehrsangebot im Schienenfernverkehr zu gewährleisten. So wäre in einer Situation, in der die Länder in erheblichem Maße 21 Vgl. dazu im Einzelnen, Oebbecke, a.a.O., S. 1087. 22 Vgl. Gesetzentwurfder Fraktionen der CDU/CSU und FDP , Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz — ENeuOG), Bundestags-Drs. 12/4609 vom 23. März 1993, S. 95 sowie Neumann, a. a. O., S. 32; kritisch diesbezüglich Oebbecke, a. a. O., S. 1085. 23 Geschäftsbericht der DB Netz AG 2018, S. 8, abrufbar unter: https://ir.deutschebahn.com/fileadmin /Deutsch/2018/Berichte/DB18_Netz_web.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 24 Schienennetz-Benutzungsbedingungen der DB Netz AG 2020 (SNB 2029) in der Fassung vom 10.12.2017, gültig ab 9.12.2018, Punkt 6.1.2.2.1 - Schienenpersonennahverkehrsdienste, S. 69f., abrufbar unter https://fahrweg .dbnetze.com/fahrweg-de/kunden/nutzungsbedingungen/nutzungsbedingungen/schienennetz_benutzungsbedingungen /snb_2019-1369226 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019); Hervorhebungen durch Verfasser. 25 Vgl. in dem Zusammenhang Neumann, a. a. O., S. 32; Möstl, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 143. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 9 Züge finanzieren müssten, die sich in der Sache als Fernverkehrszüge erweisen, weil sie überwiegend von Fernreisenden benutzt werden, ein Verstoß gegen Art. 87e Abs. 4 GG anzunehmen .26 Ist die Zuordnung anhand einer Zweck- oder Aufgabenbestimmung nach § 2 Abs. 12 S. 1 AEG nicht möglich27, kommt auf einer zweiten Stufe die Vermutungsregel des § 2 Abs. 12 S. 2 AEG (subsidiäre Legalvermutung einer SPNV-Zweckbestimmung) zum Tragen.28 Danach liegt im Zweifel SPNV vor, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Zuges die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt. Für den konkreten Beförderungsfall ist dabei auf den einzelnen Fahrgast abzustellen. SPNV liegt im Zweifel vor, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Zuges die gesamte Reiseweite 50 km oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigen. Daher kommt es auf die gesamte Beförderungsweite und Reisedauer in allen während eines konkreten Beförderungsfalles benutzten Zügen an. Nicht maßgeblich sind die Reiselänge oder Gesamtfahrzeit des einzelnen Zuges (z. B. einer S-Bahn-Linie von einer Endstation zur anderen) oder der Umstand, dass einzelne Fahrgäste weiter oder länger fahren.29 Im Zusammenhang mit der Zweifelsregelung in § 2 Abs. 12 S. 2 AEG enthalten die SNB 2019 den folgenden Passus: „Der Verkehr auf allen sonstigen Halteabschnitten dient im Zweifel dann dem Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr, wenn ein Zug mehrheitlich Reisende befördert, deren Reiseweite 50 km oder deren Reisezeit eine Stunde nicht überschreitet. […] Wenn Zweifel darüber bestehen, ob in der Mehrzahl der Beförderungsfälle die Reiseweite von 50 Kilometer oder die Reisezeit von einer Stunde überschritten wird, ist die DB Netz AG berechtigt, den Nachweis der Betrauung mit öffentlichen Personenverkehrsdiensten, die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegen, durch einen Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs im Sinne des § 1 Abs. 2 des Regionalisierungsgesetzes oder die Vorlage einer repräsentativen, anerkannten wissenschaftlichen Standards genügenden Erhebung der Reiseweiten anhand der Fahrkarten bzw. der Reisedauer der Beförderungsfälle anhand einer Verkehrszählung pro Halteabschnitt auf Kosten des Zugangsberechtigten zu verlangen. Bei Neuverkehren kann an Stelle der Erhebung der Reiseweiten eine entsprechende Marktstudie vorgelegt werden. […]“30 26 Vgl. Möstl, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 143; Vgl. in diesem Kontext auch den Gesetzentwurf des Bundesrates– Entwurf eines Gesetzes zur Gestaltung des Schienenpersonenfernverkehrs, Bundestags-Drs. 19/2074 vom 9. Mai 2018. 27 Fehling, a. a. O., § 2, Rn. 136 nennt in dem Zusammenhang die früheren Interregio-Züge. Sie seien zwar von der DB Fernverkehr AG betrieben, aber zu einem wesentlichen Teil von Pendlern benutzt worden, wobei auch Verbundfahrscheine anerkannt worden seien. 28 Fehling, a. a. O., § 2, Rn. 136; Neumann, a. a. O., S. 32. 29 Ebenda. 30 Vgl. Schienennetz-Benutzungsbedingungen der DB Netz AG 2019 (SNB 2019) in der Fassung vom 10. Dezember 2017, gültig ab 9. Dezember 2018, Ziffer 6.1.2.2.1 - Schienenpersonennahverkehrsdienste, S. 69f., abrufbar unter https://fahrweg.dbnetze.com/fahrweg-de/kunden/nutzungsbedingungen/nutzungsbedingungen/schienennetz _benutzungsbedingungen/snb_2019-1369226 (zuletzt abgerufen am 25. Juli 2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 10 Gegebenenfalls wird man Fahrgastbefragungen durchführen und sich im Übrigen mit einer plausiblen Schätzung begnügen müssen.31 Bei Eisenbahnen des Bundes32 entscheidet im Zweifel das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, ob SPNV im Sinne von § 2 Abs. 12 AEG vorliegt.33 Soweit es sich um nichtbundeseigene Schienenbahnen handelt, wird diese Feststellung von der für Eisenbahnverkehr zuständigen obersten Landesbehörde im Benehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur getroffen (vgl. § 2a Nr. 2 AEG). 2.2.2. SPFV Der Begriff des SPFV ist nicht eigenständig definiert und ergibt sich im Umkehrschluss zu § 2 Abs. 12 AEG, d. h. er umfasst alle Züge, die nicht dem SPNV zuzuordnen sind.34 In dem Zusammenhang kann die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage aus dem Jahr 2001 zur Einordnung des Interregio-Verkehrs, der nach den damaligen Angaben der DB AG eine durchschnittliche Reiseweite von 170 Kilometern aufwies, zur Illustration angeführt werden. Die Bundesregierung führte dazu wie folgt aus: „Innerhalb der Konzernsparte „Reise & Touristik“ der DB AG wird der InterRegio (IR) im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) als „Schnellfahrender Reisezug mit gehobenem Komfort“ geführt . Die mittlere Reiseentfernung beim IR liegt über der für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) definierten Schwelle von 50 km. Damit ist das Zugangebot IR dem SPFV zuzuordnen .“35 Und in der Begründung seines Gesetzentwurfs zur Gestaltung des Schienenpersonenfernverkehrs führt der Bundesrat aus: „[…] Da der SPNV bereits in § 2 RegG definiert ist, erübrigt sich eine nähere Definition des SPFV durch die Angabe von Reisezeit und Entfernung. […]“36 3. Zuständigkeiten 3.1. Netzverantwortung Nach Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG hat der Bund eine Grundverantwortung für das gesamte Eisenbahnwesen . Er ist verpflichtet, beim „Ausbau und Erhalt des Schienennetzes“ sowie bei den 31 Fehling, a. a. O., § 2, Rn. 137. 32 Vgl. zum Begriff „Eisenbahnen des Bundes“ unten unter 3.3. 33 Fehling, a. a. O., § 2, Rn. 151. 34 Vgl. Kramer, Urs in Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, Kommentar, 2012, § 2, Rn. 13. 35 Vgl. die Antwort der Bundesregierung, Bundestags-Drs. 14/5745 vom 29. März 2001; Hervorhebungen durch Verfasser. 36 Vgl. Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Gestaltung des Schienenpersonenfernverkehrs (Schienenpersonenfernverkehrsgesetz – SPFVG) des Bundesrates, Bundestags-Drs. 19/2074 vom 27. April 2018, S. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 11 „Verkehrsangeboten“ der Eisenbahnen des Bundes (Gewährleistungsgegenstand) dem „Wohl der Allgemeinheit“, „insbesondere den Verkehrsbedürfnissen“ (Gewährleistungsziel) zu entsprechen .37 Dieser Gewährleistungsauftrag bezieht sich auf die Eisenbahninfrastruktur („Ausbau und Erhalt des Schienennetzes“) und die Eisenbahnverkehrsangebote („Verkehrsangebote“). Ausgenommen davon bleibt der SPNV. Diese Ausnahme bezieht sich nur auf das Verkehrsangebot, nicht aber auf die Vorhaltung der (multifunktionalen) Eisenbahninfrastruktur.38 Die Aufgabe des Bundes, (durch ein öffentliches Unternehmen39) die Vorhaltung eines funktionstüchtigen Netzes sicherzustellen, besteht unabhängig davon, ob es sich um Fern- oder Nahverkehrsnetze handelt.40 Die volle Netzverantwortung des Bundes für das Gesamtnetz der bundeseigenen Eisenbahnen macht insoweit Sinn, als Schienenwege häufig zugleich für Fern- und Nahverkehrswege genutzt werden.41 Allerdings sind die Länder bei der Planung ausreichender Nahverkehrsangebote (vgl. dazu unten unter 3.2.) aufgrund der Verantwortung des Bundes für das Schienennetz der bundeseigenen Eisenbahnen von diesem abhängig. Diese Abhängigkeit besteht insbesondere dann, wenn der nötige Ausbau von Schienenwegen unterbleiben sollte oder Schienenwege stillgelegt werden. In der Literatur wird daher z.T. vertreten, dass die Länder wegen des Grundsatzes der Bundestreue einen Anspruch gegen den Bund haben, dass dieser den Verkehrsbedürfnissen (bei denen den Ländern im Nahverkehrsbereich aufgrund deren Aufgabenverantwortung eine Einschätzungsprärogative zukomme) angemessen Rechnung trägt.42 3.2. Verantwortung für das Verkehrsangebot Der Bund hat bei der Erfüllung seines Gewährleistungsauftrages nach Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG den „Verkehrsbedürfnissen“ zu entsprechen. Er ist verpflichtet, bei den Verkehrsangeboten im SPFV (siehe oben unter 2.1., 2.2.1 und 3.1.) für eine angemessene Grundversorgung zu sorgen. Dies ist sachlich (ausreichende Dienstleistungen) als auch räumlich (flächendeckend) zu verstehen .43 Wie bereits oben unter 2.1., 2.2.1. und 3.1. erwähnt, liegt die Aufgabenverantwortung für das Verkehrsangebot im SPNV bei den Ländern. Dies lässt sich im Einzelnen wie folgt begründen: 37 Gersdorf, a.a.O., Art. 87e GG, Rn. 66. 38 Gersdorf, a.a.O., Art. 87e GG, Rn. 67. 39 Vgl. Art. 87e Abs. 3 GG (Schienenwegevorbehalt). 40 Vgl. dazu Möstl, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 137; Ausarbeitung WD vom 14. Oktober 2008 (WD 7 – 200/08), Einzelfragen zur Zuständigkeit für Infrastrukturmaßnahmen und Infrastrukturfinanzierung der Eisenbahn, S. 6. 41 Möstl, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 142. 42 Vgl. Möstl, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 142, m .w. N.; Dolde, Klaus Peter/Porsch, Winfried in: Eisenbahninfrastruktur und Finanzverfassung, NVwZ 2011, S. 833, S. 836; vgl. in dem Zusammenhang auch die Position der Länder im Rahmen des Stilllegungsverfahrens nach § 11 AEG. 43 Vgl. dazu Möstl, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 184. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 12 - Art. 143a Abs. 3 GG ordnet an, dass die Erfüllung der Aufgaben im Bereich des SPNV der Eisenbahnen des Bundes bis zum 31. Dezember 1995 Sache des Bundes ist (argumentum e contrario), - Art. 30, 83 GG, die mangels anderweitiger Grundgesetzbestimmungen die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich den Ländern zuweisen, - Umkehrschluss aus Artikel 87e Abs. 4 S. 1 letzter Hs. GG, der vom Gewährleistungsauftrag des Bundes eine Ausnahme für den SPNV macht, - Art. 106a Abs. 1 GG und dem dort zugunsten der Länder geregelten Personennahverkehrsausgleich .44 Die Finanzverantwortung der Länder deckt sich mit ihrer Aufgabenverantwortung (Konnexitätsgrundsatz nach Art. 104 Abs. 1 GG). Die genaue Verteilung dieser Aufgabenverantwortung unter den Gebietskörperschaften der Länder ergibt sich aus dem Landesrecht, d. h. den Nahverkehrsgesetzen der Länder.45 Diese sehen in Bayern (Art. 15 Abs. 1 S. 1 BayÖPNVG)46, Berlin (§ 27 MobG BE)47, Schleswig-Holstein (§ 2 Abs. 1 ÖPNVG-SH)48 und Thüringen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ThürÖPNVG)49 die Aufgabenträgerschaft der Länder ohne Übertragungsmöglichkeit auf die kommunale Ebene vor. In einigen Bundesländern ist die Übertragung unter bestimmten Voraussetzungen möglich, so z. B. in Baden- 44 Vgl. Dolde/Porsch, a. a. O., S. 836; Ausarbeitung WD vom 14. Oktober 2008 (WD 7 – 200/08), S. 6. 45 Neumann, a. a. O., S. 124. 46 Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern (BayÖPNVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juli 1996 (BayGVBl., S. 336), das zuletzt durch § 1 Abs. 367 der Verordnung vom 26. März 2019 (BayGVBl., S. 98) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-bayern.de/Content /Document/BayOePNVG-15?AspxAutoDetectCookieSupport=1 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 47 Berliner Mobilitätsgesetz (MobG BE) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Juni 2018 (GVBl. Berlin, S. 464, abrufbar unter: http://gesetze.berlin.de/jportal/?quelle=jlink&query=MobG+BE&psml=bsbeprod .psml&max=true&aiz=true#jlr-MobGBEpP27 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 48 Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Schleswig-Holstein (ÖPNVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 1995 (GVOBl. Schl.-H., S. 262), abrufbar unter: http://www.gesetze-rechtsprechung .sh.juris.de/jportal/;jsessionid =CA4A3D36922C3726735B7866CB135EFE.jp20?quelle=jlink&query=%C3%96PNVG+SH&psml=bsshoprod .psml&max=true&aiz=true#jlr-%C3%96PNVGSHV4P2 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 49 Thüringer Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr (ThürÖPNVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juni 2005, zuletzt geändert durch Artikel 46 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (GVBl. Thür., S. 731, 764), abrufbar unter: http://www.landesrecht-thueringen.de/jportal/portal/t/24ws/page/bsthueprod .psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults =13&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-%C3%96PNVGTH2005rahmen&doc.part=X&doc.price=0.0&doc.hl=1 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 13 Württemberg (§ 7 ÖPNVG-BW)50, Brandenburg (§ 3 Abs. 1, 2 BbgÖPNVG)51 und Mecklenburg- Vorpommern (§ 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ÖPNVG-MV).52 In Niedersachsen sind der Zweckverband Großraum Braunschweig und die Region Hannover in ihrem jeweiligen Gebiet SPNV-Aufgabenträger , im Übrigen Gebiet das Land (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1, 2 NNVG).53 In Sachsen (§§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 SächsÖPNVG)54 ging die Aufgabenträgerschaft für den SPNV zum 1. Juni 2002 vom Land auf kommunale Gebietskörperschaften bzw. deren Zusammenschlüsse über. In Hessen (§§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 2 HessÖPNVG)55, Rheinland-Pfalz (§ 6 Abs. 2, 3 NVG-RP)56, Bremen 50 Gesetz über die Planung, Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juni 1995 (GBl. BW, 417), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (GBl. BW, S. 1561, 1562), abrufbar unter: http://www.landesrecht-bw.de/jportal /?quelle=jlink&query=%C3%96PNVG+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz=true (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 51 Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Brandenburg (ÖPNV-Gesetz - ÖPNVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Oktober 1995 (GVBl. I Brdb., S. 252), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2017 (GVBl. I Brdb., Nr. 30), abrufbar unter: https://bravors.brandenburg.de/gesetze/oepnvg (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 52 Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern (ÖPNVG M-V) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 1995 (GVOBl. M-V, S. 550), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. November 2009 (GVOBl. M-V, S. 606), abrufbar unter: http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal _nrw.cgi?xid=188143,4 (zuletzt abgerufen am 305. Juli 2019). 53 Niedersächsisches Nahverkehrsgesetz (NNVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Juni 1995 (Nds. GVBl., S. 180), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 02.03.2017 (Nds. GVBl., S. 53), abrufbar unter: http://www.nds-voris.de/jportal/?quelle=jlink&query=NVG+ND+%C2%A7+4&psml=bsvorisprod .psml&max=true (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 54 Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Freistaat Sachsen (ÖPNVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1995 (SächsGVBl., S. 412), zuletzt geändert durch Artikel 36 des Gesetzes vom 27. Januar 2012 (SächsGVBl., S. 130, 145), abrufbar unter: https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/3863- OePNVG (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 55 Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Hessen (ÖPNVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Dezember 2005 (GVBl. Hess., S. 786), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 24. Mai 2018 (GVBl. Hess., S. 182), abrufbar unter: http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?xid=1400006,6 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 56 Landesgesetz über den öffentlichen Personennahverkehr (Nahverkehrsgesetz - NVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. November 1995 (GVBl. RP, S. 450), zuletzt geändert durch § 12 des Gesetzes vom 22. Dezember 2015 (GVBl. RP, S. 516), abrufbar unter: http://landesrecht.rlp.de/jportal /?quelle=jlink&query=%C3%96PNVG+RP+%C2%A7+5&psml=bsrlpprod.psml (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 14 (§ 6 Abs. 1 BremÖPNVG)57 und Nordrhein-Westfalen (§ 5 Abs. 3 S. 1 ÖPNVG-NRW)58 weisen die landesnahverkehrsrechtlichen Vorschriften die SPNV-Aufgabenträgerschaft unmittelbar der Kommunalebene zu. 3.3. Verwaltungskompetenzen Gemäß Art. 30, 83 GG führen die Länder die Bundesgesetze grundsätzlich als eigene Angelegenheit aus, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Nach Art. 87e Abs. 1 S. 1 GG, § 5 Abs. 1a Nr. 1 AEG wird die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes in bundeseigener Verwaltung geführt. „Eisenbahnverkehrsverwaltung“ in diesem Sinne meint alle hoheitlichen Ordnungs- und Steuerungsaufgaben, die das Eisenbahnwesen einschließlich des Baus und des Betriebs der Eisenbahnen betreffen.59 Es geht hierbei um die Verwaltungsfragen im Zusammenhang mit dem Verkehr sowie der Infrastruktur der Eisenbahn.60 Der Betrieb von wirtschaftlichen Unternehmen, sei es bezüglich des Transports, sei es bezüglich der Infrastruktur , ist davon nicht erfasst.61 Es wird vielmehr das ganze Spektrum präventiver und repressiver ordnungsbehördlicher Maßnahmen (z. B. Aufsicht, Genehmigungen und Versagungen), der Gewährleistungsauftrag , die Regulierung (z. B. betreffend Netzzugang und Entgelte) und auch die Fachplanung im Zusammenhang mit der Bahninfrastruktur abgedeckt.62 Sonstige Bahnen, also nichtbundeseigene Bahnen, unterliegen der Eisenbahnverkehrsverwaltung der Länder (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AEG).63 Maßgeblich für die Frage der Zuständigkeit über die Eisenbahnverkehrsverwaltung ist daher die Zuordnung der jeweiligen Eisenbahn zu den Eisenbahnen des Bundes. 57 Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Bremen (BremÖPNVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 1995 (Brem. GBl., S. 317), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. November 2017 (Brem. GBl., S. 566), abrufbar unter: https://www.transparenz.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen 2014_tp.c.107853.de&template=20_gp_ifg_meta_detail_d (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 58 Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. März 1995 (GV. NRW, S. 196), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2016 (GV. NRW, S. 1157), abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=2&gld_nr=9&ugl_nr=93&bes_id=3913&aufgehoben=N (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 59 Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28. Januar 1998, 2 BvF 3/92, Rn. 101; BVerfGE 97,198, 222. 60 Fehling, a. a. O. Einf. C, Rn. 12; Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestags-Drs. 12/5015 vom 25. Mai 1993, S. 7. 61 Pieroth, Bodo in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 15. Aufl. 2018, Art. 87e GG, Rn. 1. 62 Fehling, a. a. O., Einf. C, Rn. 12; Möstl, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 149. Vgl. auch Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2394), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2237) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/bevvg/BEVVG.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 63 Vgl. dazu auch Fehling, a. a. O. Einf. C, Rn. 10 sowie Bundestags-Drs. 12/5015, S. 15. Die Landeseisenbahngesetze enthalten nähere Bestimmungen zur Eisenbahnverkehrsverwaltung der Länder. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 15 Nach der Legaldefinition des Art. 73 Abs. 1 Nr. 6a GG meint „Eisenbahnen des Bundes“ Eisenbahnen , die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen. Die Abgrenzung erfolgt also nach dem formalen Kriterium des mehrheitlichen Anteilseigentums.64 Nach Art. 87e Abs. 1 S. 2 GG können durch Bundesgesetz einzelne Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden. Davon wurde z. B. mit § 5 Abs. 4 AEG (Genehmigung von Tarifen im SPNV) Gebrauch gemacht. In der Literatur wird teilweise auch eine Verpflichtung des Bundes angenommen, den Ländern die für die Aufgabenverantwortung im Nahverkehr notwendigen Verwaltungskompetenzen zu übertragen.65 Art. 87e Abs. 2 GG ermöglicht eine fakultative Übertragung von Zuständigkeiten der Eisenbahnverwaltung auf den Bund.66 Beispiele hierfür sind etwa die in § 5 Abs. 1a Nr. 1c AEG zugewiesene Aufsicht über ausländische Verkehrsunternehmen oder die Zuständigkeit der Bundespolizei als Bahnpolizei gemäß § 3 BPolG67, soweit dabei auch der Verkehr von nicht bundeseigenen Bahnen erfasst ist.68 Als weiterer Fall einer fakultativen Zuständigkeitsänderung (auf den Bund bzw. die Länder)69 bestimmt § 5 Abs. 1c AEG, dass die für die Eisenbahnaufsicht über eine Eisenbahninfrastruktur zuständige Behörde auch die Aufsicht über Eisenbahnverkehrsunternehmen hat, soweit diese die ihrer Aufsicht unterliegende Eisenbahninfrastruktur benutzen. Abweichend von der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung nach § 5 Abs. 1a AEG, Art. 87e Abs. 1 GG überwacht damit aus Gründen der Sachnähe und der Praktikabilität die für die Aufsicht über ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen zuständige Bundes- oder Landesbehörde auch den auf der Infrastruktur dieses Unternehmens abgewickelten Bahnverkehr.70 Dies gilt unabhängig von der Einordnung als bundeseigene Eisenbahn (grundsätzlich Bundeszuständigkeit) oder nichtbundeseigene Eisenbahn (grundsätzlich Länderzuständigkeit). Organisatorisch ist das Eisenbahnbundesamt (EBA) sowohl Genehmigungs- als auch Sicherheitsund Aufsichtsbehörde für die bundeseigene Eisenbahnen sowie für nichtbundeseigene Eisenbahnen , soweit diese einer Sicherheitsgenehmigung bedürfen (vgl. § 5 Abs. 1a Nr. 1, Abs. 1e, Abs. 2 S. 1 AEG i. V. m. § 3 Abs. 1 BEVVG). Der Aufsicht durch das EBA unterliegen mehr als 64 Möstl, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 144; Remmert, Barbara in: BeckOK Grundgesetz, 2019, Art. 87e GG, Rn. 1. 65 Vgl. dazu Möstl, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 141. 66 Fehling, a. a. O., Einf. C, Rn. 13. 67 Bundespolizeigesetz vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2978, 2979), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2017 (BGBl. I S. 1066) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/bgsg_1994/BJNR297900994.html#BJNR297900994BJNG000100000 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 68 Möstl, a. a. O., Art. 87e GG, Rn. 169. 69 Sowohl nach Art. 87e Abs. 1 S. 1 GG (Übertragung auf die Länder bei an sich gegebener Bundeszuständigkeit) als auch nach Art. 87e Abs. 2 GG (Übertragung auf den Bund bei an sich gegebener Länderzuständigkeit). 70 Kramer, a. a. O., § 5 AEG, Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 071/19 Seite 16 zwei Drittel aller Eisenbahnunternehmen in Deutschland.71 Die Bundesnetzagentur überwacht die Einhaltung der Rechtsvorschriften über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur (vgl. § 3 Abs. 4 BEVVG). Für die Eisenbahnverkehrsverwaltung der nichtbundeseigenen Eisenbahnen durch die Länder ist jeweils die von der Landesregierung bestimmte Behörde zuständig (§ 5 Abs. 2 S. 1 AEG).72 Den Ländern steht es jedoch gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 AEG frei, die Eisenbahnaufsicht und die Befugnis zur Erteilung von Genehmigungen im Wege der Vereinbarung ganz oder teilweise dem EBA zu übertragen. Von dieser Möglichkeit haben bislang elf Bundesländer Gebrauch gemacht.73 *** 71 Vgl. https://www.eba.bund.de/DE/DasEBA/daseba_node.html (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 72 Vgl. beispielsweise die vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Bundeslandes Niedersachsen im Jahr 2004 erlassene Verwaltungsvorschrift „Zuständigkeiten der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr“. Unter 8. ist die Zuständigkeit der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens/ÖPNV geregelt, abrufbar unter: http://www.nds-voris .de/jportal/?quelle=jlink&query=VVND-20120-MW-20041222-SF&psml=bsvorisprod.psml&max=true#ivz8 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 73 Siehe: https://www.eba.bund.de/DE/DasEBA/LEA/lea_node.html#doc1528532bodyText1 (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019).