© 2015 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 070/15 Geplante Regelungen zur Anwendung der Fracking-Technologie in Wasserschutzgebieten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 070/15 Seite 2 Geplante Regelungen zur Anwendung der Fracking-Technologie in Wasserschutzgebieten Verfasser: Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 070/15 Abschluss der Arbeit: 20. Mai 2015 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 070/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Geplante Regelungen zur Anwendung der Fracking- Technologie in Wasserschutzgebieten 5 2.1. Regelungsgehalt der geplanten Neuregelungen im WHG, Begründungen zum Gesetzentwurf 5 2.2. Auslegung der Regelungsentwürfe zur Anwendung der Fracking- Technologie in Wasserschutzgebieten 6 2.3. Umgang mit Bestandsanlagen, Möglichkeit des Widerrufs wasserrechtlicher Erlaubnisse und Bewilligungen 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 070/15 Seite 4 1. Einleitung Am 23. April 2015 brachte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wasser - und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie in den Bundestag ein.1 Der Deutsche Bundestag hat diesen Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 7. Mai 2015 erstmals beraten und an die Parlamentsausschüsse überwiesen, wobei der Ausschuss Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit federführend ist.2 Für den 8. Juni 2015 ist eine öffentliche Anhörung im federführenden Ausschuss geplant. Mit diesem geplanten Artikelgesetz soll vor allem das Wasserhaushaltsgesetz (WHG)3 geändert werden. So heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf „Die vorgesehenen Neuregelungen im Wasserhaushaltsgesetz dienen insbesondere dem Schutz des Grundwassers und der Trinkwasserversorgung vor den möglichen Risiken, die mit Maßnahmen verbunden sind, bei denen zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas, Erdöl oder Erdwärme Gesteine unter hydraulischem Druck aufgebrochen werden (Fracking -Technologie).“4 Der vorliegende Sachstand dient der Beantwortung der folgenden Fragen im Zusammenhang mit einigen Regelungen des Gesetzesentwurfs zur Änderung des WHG: 1. „Nach § 13a WHG […] sollen Horizontalbohrungen zu in Wasserschutzgebieten (WSG) liegenden Gasfeldern verboten werden. In dem [der Anfrage zu Grunde liegenden] Fall wird zwar in einem WSG gebohrt, aber mit Hilfe einer Horizontalbohrung unter eben diesem , außerhalb gefrackt – sieht der Gesetzentwurf nun vor, generell Horizontalbohrungen in und unter WSG zu verbieten oder wird sich „nur“ gegen Fracking-Maßnahmen in WSG mit Horizontalbohrungen von außen ausgesprochen?“ 2. Wie verhält es sich mit aktuellen Bohrungen – werden diese weiterhin bedient werden können, greift hier das Bestandsrecht?“ 1 Deutscher Bundestag (2015a). Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking- Technologie vom 23.04.2015. BT- Drs. 18/4713. 2 Deutscher Bundestag (2015b). Stenografischer Bericht der 103. Sitzung des Deutschen Bundestages am 07.05.2015. Plenarprotokoll 18/103. S. 9803. 3 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts vom 31.07.2009, BGBl. I S. 2585; zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.11.2014, BGBl. I S. 1724. 4 Deutscher Bundestag (2015a). a. a. O. (Fn. 1). S. 14. Fettung durch den Verfasser. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 070/15 Seite 5 2. Geplante Regelungen zur Anwendung der Fracking-Technologie in Wasserschutzgebieten Nachfolgend wird die Frage nach dem Regelungsgehalt der geplanten Neuregelungen im WHG vor dem Hintergrund der der Anfrage zu Grunde liegenden Fallkonstellation beantwortet. Anschließend wird der Frage nachgegangen, wie es sich mit Bestandsanlagen verhält. 2.1. Regelungsgehalt der geplanten Neuregelungen im WHG, Begründungen zum Gesetzentwurf Zur Beantwortung der ersten Frage werden nachfolgend die wesentlichen Regelungen des o. g. Gesetzesentwurfs für die Änderungen im WHG sowie die entsprechenden Begründungen wiedergegeben . So heißt es im Gesetzentwurf u. a.: „2. § 9 Absatz 2 wird wie folgt geändert: […] Folgende Nummern 3 und 4 werden angefügt: „3. das Aufbrechen von Gesteinen unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas, Erdöl oder Erdwärme, einschließlich der zugehörigen Tiefbohrungen, […]“ 3. Nach § 13 werden die folgenden §§ 13a und 13b eingefügt: „§ 13a Versagung und Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis für bestimmte Gewässerbenutzungen; unabhängige Expertenkommission (1) Eine Erlaubnis für eine Gewässerbenutzung nach § 9 Absatz 2 Nummer 3 und 4 ist zu versagen, wenn 1. Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder Kohleflözgestein oberhalb von 3 000 Meter Tiefe unter Normalhöhennull zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas aufgebrochen werden soll oder 2. die Gewässerbenutzung erfolgen soll in oder unter a) festgesetzten Wasserschutzgebieten […]“ In der Begründung des Gesetzentwurfs zur geplanten Neuregelung des § 9 Abs. 2 WHG heißt es: „Mit den vorgesehenen Änderungen in § 9 Absatz 2 werden zwei weitere Tatbestände sog. unechter Gewässerbenutzungen eingeführt (Nummern 3 und 4). […] Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 070/15 Seite 6 Mit den Neuregelungen in § 9 Absatz 2 Nummer 3 und 4 soll sichergestellt werden, dass für Fracking-Vorhaben […] immer eine Erlaubnis nach § 8 Absatz 1 WHG erforderlich ist. […] Die Neuregelung trägt dem Gefährdungspotenzial der betroffenen Vorhaben für das Grundwasser und die Trinkwasserversorgung Rechnung.“5 In der Begründung des Gesetzentwurfs zur geplanten Neuregelung des § 13a WHG heißt es u. a.: „Die Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas, aber auch von Erdöl oder Erdwärme mit Einsatz hydraulischer Verfahren zum Aufbrechen der Gesteine kann in Wasserschutzgebieten […] eine besondere Gefahr für Gewässer, insbesondere das Grundwasser darstellen. Aus Vorsorgegründen im Hinblick auf die Gefahren über Tage durch die Bohrstelle selbst (Lagerung und Verwendung wassergefährdender Stoffe, Anfall von Abwasser und Abfall) und unter Tage durch die mögliche Schwächung der Schutzfunktion des Untergrundes (z. B. Schaffung potenzieller Wegsamkeiten zwischen Kohlenwasserstoffe und Grundwasser führenden Schichten) soll hier daher bundeseinheitlich ein Verbot von Fracking -Maßnahmen gelten (§ 13a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstaben a und b). Dieses Verbot trägt der besonderen Schutzbedürftigkeit der genannten Gebiete Rechnung.“6 „Fracking-Maßnahmen sind […] auch unterhalb der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Schutzgebiete unzulässig. Diese Klarstellung ist notwendig, um jegliche Risiken in diesen Gebieten auszuschließen, da bei Einsatz der Fracking-Technologie durch Horizontalbohrungen von außen in die Gebiete hinein gebohrt werden kann.“ 2.2. Auslegung der Regelungsentwürfe zur Anwendung der Fracking-Technologie in Wasserschutzgebieten Festzuhalten ist daher, dass die geplanten Regelungen die Anwendung der Fracking-Technologie in oder unter einem festgesetzten Wasserschutzgebiet für unzulässig erklären. Unter der Voraussetzung , dass diese Regelungen in Kraft treten, wäre bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eine wasserrechtliche Erlaubnis zu versagen. Darüber hinaus wird die Möglichkeit, eine wasserrechtliche Bewilligung7 für die Anwendung der Fracking-Technologie zu erteilen, grundsätzlich durch die geplante Änderung des § 14 WHG ausgeschlossen .8 Allerdings ist fraglich, ob die Voraussetzungen des geplanten § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a WHG in der der Anfrage zu Grunde liegenden Fallkonstellation tatsächlich vorliegen. Dafür spricht der sich aus dem Wortlaut dieser Norm („…in oder unter…“) sowie aus den aufgeführten Begründungen ergebende Sinn und Zweck des Gesetzentwurfs. Dieser verfolgt das Ziel, 5 Deutscher Bundestag (2015a). a. a. O. (Fn. 1). S. 21. 6 Deutscher Bundestag (2015a). a. a. O. (Fn. 1). S. 23. Fettung durch den Verfasser. 7 Zur Unterscheidung vgl. § 10 WHG. 8 Vgl. dazu auch Deutscher Bundestag (2015a). a. a. O. (Fn. 1). S. 28. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 070/15 Seite 7 insbesondere Wasserschutzgebiete umfassend und vollständig vor den potenziellen Gefahren zu schützen, die sich aus der Anwendung der Fracking-Technologie für Gewässer in diesen Gebieten ergeben können. So thematisiert die Begründung zum Entwurf des § 13a WHG insbesondere die möglichen Risiken über Tage durch die Bohrstelle selbst. Diese Risiken bestehen auch und gerade dann, wenn – wie offenbar im zu Grunde liegenden Fall – die Bohrstelle zwar innerhalb eines Wasserschutzgebietes liegt, die Fracking-Technologie aber nicht unterhalb des Wasserschutzgebietes angewendet wird. Auch in derartigen Fällen werden wassergefährdende Stoffe in einem Wasserschutzgebiet verwendet und gelagert. Dagegen lässt sich mit Blick auf den Wortlaut der oben dargestellten Normen auch argumentieren , dass genau die der Anfrage zu Grunde liegende Fallkonstellation nicht von den geplanten Regelungen zur Anwendung der Fracking-Technologie in Wasserschutzgebieten erfasst ist. Wie gezeigt, definiert der geplante § 9 Abs. 2 Nr. 3 WHG die Anwendung der Fracking-Technologie, also das Aufbrechen von Gesteinen unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas, als eine Gewässerbenutzung. Und diese Gewässerbenutzung soll nach dem Wortlaut des § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a WHG nur in oder unter einem festgesetzten Wasserschutzgebiet unzulässig sein. Folglich könnte argumentiert werden, dass in Fallkonstellationen, in denen zwar das Bohrloch in einem Wasserschutzgebiet liegt, das eigentliche Aufbrechen von Gesteinen unter hydraulischem Druck allerdings nicht inner- bzw. unterhalb des Wasserschutzgebiets stattfindet, die mit dem Gesetz reglementierte Gewässerbenutzung gerade nicht in dem festgesetzten Wasserschutzgebiet im Sinne der Norm stattfindet. Im Ergebnis scheint es daher zwar vertretbar, aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des geplanten § 13a Abs. 1 WHG sowie aus den genannten Erwägungen in der Begründung zum Gesetzentwurf den Schluss zu ziehen, dass auch und gerade dann der Tatbestand des geplanten § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a WHG erfüllt sein wird, wenn eine konkrete Bohrstelle in einem Wasserschutzgebiet liegt, aber das eigentliche Aufbrechen von Gesteinen unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas (Fracking-Technologie) selbst nicht unterhalb des Wasserschutzgebietes stattfindet. Ausdrücklich wird der dem Auftrag zu Grunde liegende Sachverhalt derzeit im Gesetzentwurf allerdings nicht geregelt. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass das Gesetzgebungsverfahren noch andauert und es daher durchaus möglich ist, dass derartige Fallkonstellationen etwa im Verlauf der öffentlichen Anhörung im federführenden Ausschuss am 8. Juni 2015 zur Sprache gebracht werden. 2.3. Umgang mit Bestandsanlagen, Möglichkeit des Widerrufs wasserrechtlicher Erlaubnisse und Bewilligungen Vor dem Hintergrund, dass das Gesetzgebungsverfahren noch andauert, lässt sich die Frage, wie mit dem der Anfrage zu Grunde liegenden Sachverhalt umzugehen sein wird, wenn die Gesetzesänderungen in Kraft treten, nur sehr theoretisch beantworten. Festzuhalten ist jedenfalls, dass der Gesetzentwurf keine Regelungen enthält, die derartigen, bereits bestehenden Bohranlagen Bestandsschutz vermitteln. Allerdings stellt sich die Frage, wie mit möglicherweise bereits erteilten wasserrechtlichen Erlaubnissen und Bewilligungen im Zusammenhang mit der Anwendung der Fracking-Technologie in festgesetzten Wasserschutzgebieten für den Fall umzugehen ist, dass die geplanten Regelungen des WHG so wie dargestellt in Kraft treten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 070/15 Seite 8 Im Hinblick darauf, dass u. a. der geplante § 9 Abs. 2 Nr. 3 WHG lediglich der Klarstellung dient, heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf: „Bereits nach geltender Rechtslage war in der Regel von Gewässerbenutzungen sowohl bei den Fracking-Maßnahmen und den ihnen vorausgehenden Tiefbohrungen als auch bei der Verpressung des Flowback auszugehen.“9 Aus dem bereits bestehenden § 8 Abs. 1 WHG ergibt sich weiterhin, dass jede Benutzung eines Gewässers der Erlaubnis oder der Bewilligung bedarf, soweit das WHG oder Vorschriften, die aufgrund des WHG erlassen wurden, etwas anderes bestimmen. Diese Erlaubnis- bzw. Bewilligungspflicht ist bußgeldbewehrt (§ 103 Abs. 1 Nr. 1 WHG). Insofern kann davon ausgegangen werden, dass auch in der der Anfrage zu Grunde liegenden Fallkonstellation entsprechende wasserrechtliche Erlaubnisse bzw. Bewilligungen vorliegen. Unter den Voraussetzungen, dass - die geplanten Regelungen des WHG in der Form in Kraft treten, wie sie oben dargestellt wurden, und - die zuständige Behörde die Auffassung vertritt, dass die Fälle, bei denen die konkrete Bohrstelle zwar in einem Wasserschutzgebiet liegt, aber die eigentliche Anwendung der Fracking-Technologie selbst nicht unterhalb des Wasserschutzgebietes stattfindet, gleichwohl vom Anwendungsbereich des geplanten § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a WHG erfasst sind, hätte die zuständige Behörde für jeden konkreten Einzelfall, zu prüfen, ob bereits erteilte wasserrechtliche Erlaubnisse bzw. Bewilligungen auf der Basis des § 18 WHG seitens der zuständigen Behörde widerrufen werden könnten oder müssten und welche Folgen derartige Widerrufe hätten . Die Norm lautet auszugsweise: „§ 18 Widerruf der Erlaubnis und der Bewilligung (1) Die Erlaubnis ist widerruflich. (2) Die Bewilligung darf aus den in § 49 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes genannten Gründen widerrufen werden. […]“ 9 Deutscher Bundestag (2015a). a. a. O. (Fn. 1). S. 16.