© 2015 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 068/15 Sicherung der zukünftigen Verfügbarkeit potentieller Standortregionen und Standorte für die Endlagerung radioaktiver Abfälle Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 2 Sicherung der zukünftigen Verfügbarkeit potentieller Standortregionen und Standorte für die Endlagerung radioaktiver Abfälle Verfasser: Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 068/15 Abschluss der Arbeit: 5. Mai 2015 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Bedeutung und Reichweite des § 48 Abs. 2 BBergG für die Möglichkeit zur Verhinderung konkurrierender Untergrundnutzungen 4 2.1. Allgemeine Erläuterungen zum bergrechtlichen Betriebszulassungsverfahren und zur Anwendbarkeit von § 48 Abs. 2 BBergG 5 2.2. Maßgebliche öffentliche Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 BBergG 6 2.2.1. Überblick zur Rechtsprechung hinsichtlich des Begriffs des öffentlichen Interesses nach § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG 7 2.2.2. Findung eines Endlagerstandorts als öffentliches Interesse im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG 9 2.2.3. Offenhaltung Gorlebens als öffentliches Interesse im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG 11 2.3. Erforderlichkeit der Abwägung von Interessen 13 2.4. Fazit 14 3. Bedeutung der Gorleben-Veränderungssperren- Verordnung (Gorleben-VSpV) für die Möglichkeit zur Verhinderung konkurrierender Untergrundnutzungen im Bereich des Salzstocks Gorleben 15 3.1. Allgemeine Erläuterungen zu Hintergründen und Regelungsgehalt der Gorleben-VSpV 15 3.1.1. Hintergründe zur Gorleben-VSpV, Ermächtigungsgrundlage 15 3.1.2. Wesentliche Regelungen der Gorleben-VSpV und deren Auslegung durch die Rechtsprechung 17 3.2. Bedeutung eines potentiellen Auslaufens der Gorleben-VSpV für die Möglichkeiten zu Verhinderung konkurrierender Untergrundnutzungen im Bereich des Salzstocks Gorleben 19 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 4 1. Einleitung Der vorliegende Sachstand dient der Beantwortung zahlreicher Fragen im Zusammenhang mit der Problematik, dass es während der Verfahren zur Suche, Auswahl und Bestimmung eines Standortes für die Endlagerung radioaktiver Abfälle nach den Vorgaben des Standortauswahlgesetzes (StandAG)1 zu Nutzungskonflikten hinsichtlich potentieller Standortregionen und Standorten kommen kann. Die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ im Sinne des § 3 StandAG (Kommission) sowie deren Arbeitsgruppe 2 „Evaluierung“ (AG 2) beschäftigten sich im Rahmen ihrer Sitzungen im April 2015 mit dieser Thematik. So führte die AG 2 am 13. April 2015 eine Expertenanhörung durch, in der der Frage nachgegangen wurde, mit Hilfe welcher rechtlicher Instrumente sichergestellt werden kann, dass für die Endlagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe potenziell geeignete Standortregionen und Standorte zukünftig auch zur Verfügung stehen. Das wäre etwa dann nicht der Fall, wenn sie trotz Geeignetheit aufgrund anderer legitimer und gegebenenfalls genehmigter Nutzungen als mögliche Standorte ausscheiden, etwa weil aufgrund dieser Nutzungen die Barrierewirkungen der Wirtsgesteine nicht mehr gewährleistet werden könnten. Gegenstand der Anhörung war daher zum einen die spezielle Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung (Gorleben-VSpV)2 sowie die Frage, ob und ab welchem Zeitpunkt entsprechende Verordnungen für andere, sich im Laufe der o. g. Such-, Auswahl- und Bestimmungsverfahren nach StandAG als potentielle Endlagerstandortregionen und Endlagerstandorte herauskristallisierende Gebiete erlassen werden könnten. Zum anderen wurde die Frage diskutiert, ob mittels bereits bestehender rechtlicher Instrumente eine die Eignung als mögliche Standortregion oder Standort für ein Endlager gefährdende Nutzung in ausreichender Weise unterbunden werden kann. Da eine derartige gefährdende Nutzung insbesondere dann vorliegen kann, wenn Dritte in das Wirtsgestein etwa zum Zweck des Abbaus von Bodenschätzen eingreifen, wurde diskutiert, ob die bestehenden Vorgaben des Bundesberggesetzes (BBergG)3 und insbesondere des § 48 Abs. 2 BBergG ausreichen, um eine derartige Nutzung mit dem Argument zu unterbinden, an der Findung eines Endlagerstandortes für hoch radioaktive Abfälle im Sinne des StandAG bestehe ein überwiegendes öffentliches und damit die Konkurrenznutzung unterbindendes Interesse. 2. Bedeutung und Reichweite des § 48 Abs. 2 BBergG für die Möglichkeit zur Verhinderung konkurrierender Untergrundnutzungen Nachfolgend werden diejenigen Fragen im Sachzusammenhang beantwortet, die im Hinblick auf die Bedeutung und Reichweite des § 48 Abs. 2 BBergG gestellt wurden. 1 Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle vom 23.07.2013, BGBl. I S. 2553. 2 Verordnung zur Festlegung einer Veränderungssperre zur Sicherung der Standorterkundung für eine Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle im Bereich des Salzstocks Gorleben vom 25.07.2005, BAnz. 2005 Nr. 153 S. 12385). 3 Bundesberggesetz vom 13.08.1980, BGBl. I S. 1310; zuletzt geändert durch Gesetz vom 07.08.2013, BGBl. I S. 3154. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 5 2.1. Allgemeine Erläuterungen zum bergrechtlichen Betriebszulassungsverfahren und zur Anwendbarkeit von § 48 Abs. 2 BBergG Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BBergG dürfen Betriebe zur Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen nur aufgrund von Plänen (Betriebsplänen) errichtet, geführt und eingestellt werden, die von der zuständigen Behörde zugelassen worden sind. Dies gilt jedoch nur, wenn es sich bei den geplanten Tätigkeiten um Vorhaben handelt, die nach dem BBergG zulassungspflichtig sind. In diesem Zusammenhang führt Rechtsanwältin Dr. Bettina Keienburg in ihrer Stellungnahme zur Anhörung der AG 2 am 13. April 2015 aus: „Hinzu kommt, dass über [die Vorgaben des BBergG] nur Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeiten untersagt werden können, die nach Maßgabe des Bundesberggesetzes zulassungspflichtig sind. Vorhaben, die keiner Zulassung nach Bundesberggesetz bedürfen, können auch nicht [mit Instrumenten des BBergG] verboten und verhindert werden. Das Bundesberggesetz erfasst aber nicht sämtliche Maßnahmen mit Einwirkungen auf den bzw. im Untergrund. So erfordert zum einen der Abbau von Bodenschätzen, die nicht von der enumerativen Auflistung bergfreier und grundeigener Bodenschätze in § 3 Abs. 3 u. 4 BBergG erfasst sind, keine bergrechtliche Zulassung. Nicht vom Bundesberggesetz erfasst ist damit der Abbau sog. Grundeigentümerbodenschätze, die im Eigentum des Grundeigentümers stehen und deren Abbau abhängig vom jeweiligen Landesrecht ggf. einer Genehmigung nach Baurecht oder Abgrabungsrecht erfordert; dazu gehören etwa Kiese und Sande, […] und Ton, […]. Zum anderen nimmt das Bundesberggesetz in § 4 Abs. 2 2. Halbsatz bestimmte Tätigkeiten aus der Gewinnungsbegrifflichkeit und damit ebenfalls aus dem Geltungsbereich des Gesetzes und den berggesetzlichen Zulassungspflichten aus. Das gilt für das Lösen und Freisetzen jedweder Bodenschätze […] in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen baulicher oder sonstiger städtebaulicher Nutzung und in oder an einem Gewässer als Voraussetzung für dessen Ausbau oder Unterhaltung . Deshalb ist etwa das Ausheben von Baugruben für Gebäude aber auch das Ausschachten von Tunneln bergrechtlich nicht zulassungspflichtig. Ebenso ist die Gewinnung von Erdwärme für die bauliche Nutzung eines Grundstücks bergrechtlich jedenfalls bei Bohrungen mit einer Länge von nicht mehr als 100 m zulassungsfrei. Auch derartige Maßnahmen und Tätigkeiten können im Bereich eines potentiellen Endlagerhorizonts nachteilige Veränderungen bewirken, ohne dass dies über [Vorgaben des BBergG] verhinderbar wäre.“4 Sollte jedoch für das konkrete Vorhaben das BBergG anzuwenden sein, werden die Voraussetzungen , bei deren Vorliegen der vom Unternehmer aufgestellte Betriebsplan ohne entsprechendes Ermessen der zuständigen Behörde zuzulassen ist (gebundene Entscheidung)5, durch § 55 4 Keienburg, Bettina (2015). Stellungnahme zur Anhörung „Bergrecht“ der Arbeitsgruppe 2 am 13.04.2015. Drucksache der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ (K-Drs./AG2-13). S. 2 f. 5 Weller, Herbert/Kullmann, Ulrich (2012). Bundesberggesetz. Kommentar. 1. Auflage 2012. Baden-Baden: Nomos Verlag. § 55 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 6 Abs. 1 sowie durch § 48 Abs. 2 BBergG aufgestellt,6 wobei § 48 Abs. 2 BBergG als Ergänzung des § 55 Abs. 1 BBergG anzusehen ist. 7 Dabei lautet der insbesondere für den vorliegenden Sachstand maßgebliche § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG: „§ 48 Allgemeine Verbote und Beschränkungen […] (2) In anderen Fällen als denen des Absatzes 1 und des § 15 kann, unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde eine Aufsuchung oder eine Gewinnung beschränken oder untersagen, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. […]“ Für das Bundesverwaltungsgericht ist daher das Nichtentgegenstehen überwiegender öffentlicher Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 BBergG eine zusätzliche Betriebsplanzulassungsvoraussetzung .8 Im Hinblick auf die Grenzen der Anwendbarkeit des § 48 Abs. 2 BBergG heißt es bei Boldt/Weller (1992) „Nach ihrem Wortlaut kommt [die Norm] nur „in anderen Fällen als denen des Absatzes 1 und des § 15“ zum Zuge. Demnach gilt sie nicht für bergbauliche Tätigkeiten, die sich auf im öffentlichen Interesse geschützte Grundstücke beziehen und zu deren Durchführung eine Befreiung von den in § 48 Abs. 1 genannten Schutzvorschriften erforderlich ist. Auch findet sie keine Anwendung bei der Erteilung von Bergbauberechtigungen, da insoweit die Berücksichtigung öffentlicher Interessen nach Maßgabe des § 11 Nr. 10 erfolgt […]. Ferner grenzt § 48 Abs. 2 die Befugnis der Behörde zur Beschränkung oder Untersagung von Aufsuchung und Gewinnung aufgrund entgegenstehender öffentlicher Interessen dahin ein, dass sie nur „unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften“ besteht. Sie ist also nur insoweit gegeben, wie nicht bereits andere öffentlich-rechtliche Vorschriften eine spezielle Behörde mit der Wahrnehmung der zu schützenden öffentlichen Interessen betraut hat […].“9 2.2. Maßgebliche öffentliche Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 BBergG Unter Zuhilfenahme der Fachliteratur wird nachfolgend zum einen ein Überblick über die Rechtsprechung zur Frage gegeben, welche Belange als öffentliche Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 6 Dazu Piens, Reinhart/Schulte, Hans-Wolfgang/Vitzthum, Stefan Graf (2013). Bundesberggesetz (BBergG). Kommentar . 2. Auflage (2013). Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer. § 48 Rn. 21; Schilling, Jan (2012). Planerische Steuerung von unterirdischen Raum- und Grundstücksnutzungen. 2012. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften. S. 141. 7 So Boldt, Gerhard/Weller, Herbert (1992). Bundesberggesetz. Ergänzungsband zum Kommentar. 1992. Berlin: Walter de Gruyter. § 48 Rn. 5 m. w. N. 8 So Weller, Herbert/Kullmann, Ulrich (2012). a. a. O. (Fn. 5). § 48 Rn. 2 m. w. N. 9 Boldt, Gerhard/Weller, Herbert (1992). a. a. O. (Fn. 7). § 48 Rn. 3. Fettungen sind Bestandteil des Originals. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 7 BBergG anzusehen sind. Zum anderen werden gerichtliche Entscheidungen dargestellt, die sich mit der Frage auseinandersetzten, ob die Findung eines Standorts zur Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle als öffentliches Interesse im Sinne des § 48 Abs. 2 anzusehen ist. 2.2.1. Überblick zur Rechtsprechung hinsichtlich des Begriffs des öffentlichen Interesses nach § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG Im Hinblick auf die Frage, was unter dem Begriff der entgegenstehenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu verstehen ist, heißt es bei Piens/Schulte/Vitzthum (2013): „Der Begriff der entgegenstehenden öffentlichen Interessen ist weit gefasst (OVG Lüneburg , ZfB 2008, 265; BVerwG, ZfB 2006, 159; VG Oldenburg, ZfB 2008, 306). Was das bedeutet , ist allerdings in der Rechtsprechung nicht eindeutig: § 48 Absatz 2 erweitere die Befugnisse der Bergbehörde auf die außerbergrechtlichen Vorschriften, „aber nur insoweit, als sie Verbote oder Beschränkungen für das Vorhaben aussprechen“ (BVerwG, ZfB 1991, 140, 144 = NVwZ 1991, 993). Oder es sollen als überwiegende öffentliche Interessen nur solche in Betracht kommen, die „in öffentlich-rechtlichen Vorschriften konkretisiert sind, indem sie Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen dienen könnten“ (BVerwG, ZfB 1995, 278, 287 = BVerwGE 100, 1, 16). In anderen Entscheidungen werden jedoch öffentliche Interessen berücksichtigt , die nicht in ausdrücklichen Verbotsnormen verankert sind: Die „abfallrechtlichen Grundpflichten der Erzeuger und Besitzer von Abfällen“ (BVerwG, ZfB 2005, 156, 161 = BVerwGE 123, 254) oder „die Anforderungen des Bodenschutzrechts“ (BVerwG aaO) oder die „Ziele der Raumordnung“ (BVerwG, ZfB 2006, 156, 160 – Garzweiler II - = BVerwGE 126, 210), die „Interessen der vom Tagebau unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümer “ (BVerwG, ZfB 2006, 159), „das öffentliche Interesse an der Findung eines Standorts zur Endlagerung radioaktiver Abfälle“ (OVG Lüneburg, ZfB 2008, 266). Die durch Artikel 28 Absatz 2 GG garantierte kommunale Selbstverwaltung wurde zu den Rechtsgütern gezählt, deren Schutz ein öffentliches Interesse i. S. von § 48 Absatz 2 ist (BVerwG, ZfB 2006, 306, 311 = NVwZ 2007, 702 = BVerwGE 127, 259 Tz 30), wenn sie unverhältnismäßig beeinträchtigt wird. […] Zu den gesetzlich normierten öffentlichen Belangen, die in § 48 Absatz 2 Satz 1 zu berücksichtigen sind, gehören für die nach dem BImSchG nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen die Gebote des § 22 BImSchG (BVerwGE 74, 315, 324 = ZfB 1987, 60 = NJW 1987, 1713 – Altenberg; […]) Immissionsschutzrechtliche Gesichtspunkte für nicht genehmigungspflichtige Bergbauanlagen sind demnach gemäß § 48 Absatz 2 Satz 1 im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigen. […] Das Gleiche gilt für das Bauplanungsrecht. Nach § 48 Absatz 2 Satz 1 hat die Bergbehörde bei bergbaulichen Vorhaben, die nicht den bergaufsichtlichen Genehmigungsverfahren unterstehen, über die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen des Vorhabens bei der Betriebsplanzulassung mit zu entscheiden (BVerwG, ZfB 1989, 210, 215 = NVwZ 1989, 1157 […]). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 8 Auch die Ziele der Raumordnung können über § 48 Absatz 2 Satz 1 in das Betriebsplanverfahren als öffentliche Interessen eingebracht werden (BVerwG, ZfB 2006, 156, 160 […]) Zwar gehören Raumordnungsziele in den Raumordnungsplänen nicht zu den Rechtsnormen , die Gewinnungstätigkeiten auf bestimmten Grundstücken unmittelbar verbieten oder beschränken. Dennoch ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 48 Absatz 2 Satz 1, dass diese Vorschrift als Raumordnungsklausel angesehen werden muss […]. […] Ein weiterer Anwendungsfall des § 48 Absatz 2 Satz 1 ist das Denkmalrecht. Sofern darüber nicht in einem eigenen fachlichen Genehmigungsverfahren oder im Rahmen von § 55 Absatz 1 Satz 1 Nr. 9 zu entscheiden ist, werden die denkmalschutzrechtlichen Fragen über § 48 Absatz 2 Satz 1 in das Betriebsplanverfahren transferiert (OVG NRW, ZfB 2008, 143 […]). […] Nach der Rechtsprechung sind auch die Anforderungen des Bodenschutzes mit Hilfe von § 48 Absatz 2 Satz 1 im Betriebsplanverfahren zu prüfen (BVerwG, ZfB 2005, 156, 161 = NVwZ 2005, 954 – Tontagebau „Fortuna“ –[…]) Insofern stellt § 48 Absatz 2 Satz 1 zwar keine Anforderungen an die Verwendung bergbaufremder Abfälle, durch die schädliche Einwirkungen auf den Boden hervorgerufen werden. Er stellt aber das zur Berücksichtigung der bodenschutzrechtlichen Anforderungen erforderliche Verfahren[…]. […] In die Prüfung des § 48 Absatz 2 Satz 1 sind auch die Belange der Grundeigentümer einzubeziehen , deren Grundstücke für die Verwirklichung des Vorhabens unmittelbar in Anspruch genommen werden müssen. Die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans enthält die Feststellung, dass die beabsichtigte Gewinnung von Braunkohle nicht aus überwiegenden öffentlichen Interessen, also auch nicht unter Berücksichtigung des Schutzes des unmittelbar betroffenen Eigentums, zu beschränken oder zu untersagen ist (BVerwG, ZfB 2006, 156, 160 – Garzweiler II – = BVerwGE 126, 205, 211[…]). Bereits erheblich früher hatte die Rechtsprechung entschieden, dass das öffentliche Interesse i. S. von § 48 Absatz 2 Satz 1 auch dann berührt ist, wenn Maßnahmen des Bergbaus das Grundstückseigentum in schwerer und unerträglicher Weise beschädigen (BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199 – Moers-Kapellen - = DVBl. 1989, 663 […]). […] Öffentliches Interesse i. S. von § 48 Absatz 2 Satz 1 kann auch das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen in Form der Planungshoheit sein. Vorausgesetzt ist, dass durch das Bergbauvorhaben nachhaltig eine hinreichend bestimmte gemeindliche Planung gestört oder wegen dessen Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren eigenen Planung entzogen werden und der entsprechende Eingriff unverhältnismäßig ist (OVG NRW, ZfB 2006, 32, 54 m. w. N. – Deiche Walsum […]). Jedoch kann der Schutz der gemeindlichen Planungshoheit gemäß § 48 Absatz 2 Satz 1 nicht weiter reichen als der Schutz der gemeindlichen Planungshoheit allgemein und insbesondere im Fachplanungsrecht (BVerwG, ZfB 1994, 215 = DVBl 1994, 1152 […]). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 9 […] Keine öffentlichen Interessen i. S. von § 48 Absatz 2 Satz 1 sind außerbergrechtlich, insbesondere umweltschutzrechtliche Belange, die nicht ihre Verfestigung in öffentlichen Verboten oder Beschränkungen gefunden haben. Die öffentlichen Interessen müssen aus rechtsstaatlichen Gründen rechtlich geregelt sein (BVerwG, ZfB 1991, 140, 143; […]; BVerwG, DVBl 1996, 258 = ZfB 1995, 287[…]). Dies folgt aus der prinzipiellen Funktion des § 48 Absatz 2 Satz 1 als Beschränkungs- und Versagungsnorm. Sie begrenzt die Ausübung der mit verfassungsmäßigem Eigentumsschutz ausgestatteten Bergbauberechtigung und ist deshalb an das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot von Eingriffsnormen gebunden . Eine klare Konturierung des öffentlichen Interesses auf solche Belange, die durch rechtliche Ver- oder Gebote fundamentiert sind, ist ferner wegen des Charakters der Zulassung als gebundener Verwaltungsakt erforderlich. Die Gründe zur Versagung der bergrechtlichen Zulassung müssen für den Unternehmer vorhersehbar und für das Gericht eindeutig nachvollziehbar sein. Politische Ansichten, Parteiprogramme, Koalitionsvereinbarungen , das „Klimaschutzpaket“ der Bundesregierung […], internationale Vereinbarungen zum Klimaschutz […] sind keine öffentlichen Interessen i. S. von § 48 Absatz 2 Satz 1 […].“10 2.2.2. Findung eines Endlagerstandorts als öffentliches Interesse im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG Wie oben bereits in der Darstellung von Piens/Schulte/Vitzthum (2013) kurz aufgeführt, hat sich das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG Lüneburg) in seinem Urteil vom 17. Juli 2008 auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Findung eines Endlagerstandortes für radioaktiven Abfall als öffentliches Interesse im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu berücksichtigen ist. In der zu entscheidenden Rechtssache begehrte der Kläger die Zulassung bzw. die Verlängerung eines Rahmenbetriebsplans zum Abbau von Salz im Bereich des Salzstocks Gorleben. Das Gericht versagte dies dem Kläger jedoch unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Satz 1 BBergG. Dazu führte das Gericht aus: „aa) Der Begriff der entgegenstehenden öffentlichen Interessen ist weit gefasst. Er bezieht sich in Abgrenzung zu § 55 Abs. 1 BBergG gerade auf andere Belange als den Schutz vor betrieblichen Gefahren im engeren Sinne. § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG stellt einen Auffangtatbestand dar. Nach ihm sind die Belange zu prüfen und abzuarbeiten, die nicht bereits im Rahmen von § 55 BBergG oder in Verfahren geprüft werden, die mangels einer Konzentrationswirkung der Zulassungsentscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlich sind (§ 48 Abs. 1 BBergG). […]. bb) Diese überwiegenden öffentlichen Interessen müssen sich nicht in expliziten öffentlich -rechtlichen Verbotsnormen manifestieren. Anlass zur gegenteiligen Annahme sind Formulierungen, die das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit im Kontext seiner Ausführung zu § 48 Abs. 2 BBergG getroffen 10 Piens, Reinhart/Schulte, Hans-Wolfgang/Vitzthum, Stefan Graf (2013). a. a. O. (Fn. 6). Rn. 37 ff. Fettungen und Kursivschreibweisen sind Bestandteil des Originals. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 10 hat. […Allerdings] hat es in jüngeren Entscheidungen zu § 48 Abs. 2 BBergG selbst mehrfach öffentliche Interessen berücksichtigt, die nicht in ausdrücklichen Verbotsnormen verankert sind […]. Der Umstand, dass es dieses weite Verständnis der öffentlichen Interessen nicht als Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung kennzeichnet, spricht für die Annahme, dass auch die eingangs zitierten Wendungen aus der älteren Rechtsprechung nicht im Sinne einer Forderung nach der Notwendigkeit expliziter Verbotsnormen zu verstehen gewesen sind […]. Deshalb hat der Senat das öffentliche Interesse an der Findung eines Standortes zur Endlagerung wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle im Rahmen des § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG zu berücksichtigen. Dieses öffentliche Interesse manifestiert sich in öffentlich-rechtlichen Vorschriften, denn es findet seinen Ausdruck in der Schutzpflicht des § 1 Nr. 2 des [Atomgesetzes (AtG)], die es zum Zweck des Atomgesetzes erhebt, Leben, Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen zu schützen, sowie in dem durch § 9a Abs. 3 S. 1 AtG statuierten Auftrag an den Bund, Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle zu errichten. Es wird flankiert von der in § 9g AtG gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, zur Sicherung oder Fortsetzung einer Standorterkundung für Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle Veränderungssperren zu verhängen. Darüber hinaus berücksichtigt auch das Bergrecht in § 126 Abs. 3 BBergG das öffentliche Interesse an der Suche und dem Betrieb eines Endlagers, indem es bestimmte Vorschriften des BBergG auf atomrechtliche Endlager für entsprechend anwendbar erklärt. Damit wird das öffentliche Interesse an der Errichtung und dem Betrieb eines Endlagers ausdrücklich anerkannt (so bereits Nds. OVG, Urt. v. 30.10.2003 – 7 L 3421/00 –, OVGE 49, 473 = NdsVBl. 2004, 180, 184). cc) Dieses solchermaßen bestehende öffentliche Interesse an der Endlagersuche überwiegt auch das Interesse des Klägers an der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen. Die Notwendigkeit, Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle einzurichten, liegt auf der Hand und ist durch § 9a Abs. 3 S. 1 AtG zu einem gesetzlichen Handlungsauftrag verdichtet worden. […] Ist die Standortfindung für die atomare Endlagerung wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle also eine weiterhin zu erfüllende gesetzliche Pflicht, überwiegt sie das privatnützige Interesse des Klägers an der Gewinnung der Salze, weil nach derzeitigem Erkenntnisstand der Salzstock G hierfür nicht ungeeignet ist. […] Zumindest so lange, wie nicht endgültig feststeht, dass das Südwestfeld des Salzstocks für eine Endlagerung nicht benötigt wird, ist daher von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der Endlagererkundung auszugehen. Dieses Wertigkeitsverhältnis findet seinen sinnfälligen Ausdruck in der [Gorleben-VSpV], durch die der Verordnungsgeber die Priorität der Standorterkundung sichern will.“11 Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ließ das OVG nicht zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde wies das BVerwG mit der insoweit wesentlichen Begründung zurück, die 11 Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (2008). Urteil vom 17.07.2008 – 7 LC 53/05. Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR). 19. Jahrgang (2008). S. 597 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 11 Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung, da das OVG die Klage zwar aus den oben zitierten Gründen, aber auch aufgrund der Existenz der Gorleben-VSpV zurückgewiesen habe. Insofern bedürfe die Frage keiner Klärung, ob die Argumentation des OVG zutrifft, die überwiegenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG müssten sich nicht in expliziten öffentlich-rechtlichen Verbotsnormen manifestieren, um Berücksichtigung zu finden.12 Folglich liegt keine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage vor, ob ein nach § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG zu beachtendes überwiegendes öffentliches Interesse an der Findung eines Standorts zur Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle besteht. Interessant in diesem Zusammenhang sind allerdings die Ausführungen in der Begründung zum Entwurf von § 9g Atomgesetz (AtG) 13. Diese Norm stellt die Ermächtigungsgrundlage für die Gorleben-VSpV dar. In der Entwurfsbegründung heißt es hinsichtlich der in § 9g Abs. 1 Satz 2 AtG normierten Möglichkeit, eine entsprechende Verordnung zweimal verlängern zu können: „Mit Rücksicht darauf, daß die Endlagerung radioaktiver Abfälle eine allgemeine, im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe ist, die aus der Natur der Sache heraus eines längerfristigen Planungs- und Vorbereitungszeitraums bedarf, sieht § 9g Abs. 1 Satz 2 die Möglichkeit einer zweimaligen Verlängerung der Festlegung um jeweils zehn Jahre durch Rechtsverordnung vor[…].14 2.2.3. Offenhaltung Gorlebens als öffentliches Interesse im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG Nachfolgend soll der Frage nachgegangen werden, ob an der Offenhaltung des Salzstocks Gorleben ein im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu berücksichtigendes öffentliches Interesse besteht , wenn die Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung (Gorleben-VSpV) wegfiele. In diesem Zusammenhang ist § 29 StandAG von erheblicher Relevanz. Die Norm lautet auszugsweise: „§ 29 Bestehender Erkundungsstandort (1) Der Salzstock Gorleben wird wie jeder andere in Betracht kommende Standort gemäß den nach dem Standortauswahlgesetz festgelegten Kriterien und Anforderungen in das Standortauswahlverfahren einbezogen. Der Salzstock Gorleben kann lediglich im jeweiligen Verfahrensabschnitt nach den §§ 13 bis 20 des Standortauswahlgesetzes mit einem oder mehreren anderen Standorten verglichen werden, solange er nicht nach Satz 5 ausgeschlossen wurde. Der Salzstock Gorleben dient nicht als Referenzstandort 12 Bundesverwaltungsgericht (2009). Beschluss vom 23.03.2009 – 7 B 54/08. Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ). 28. Jahrgang (2009). S. 778. 13 Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren vom 15.07.1985, BGBl. I S. 1565; zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.04.2015, BGBl. I S. 434. 14 Deutscher Bundestag (1997). Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes und ein Gesetz über die Errichtung eines Bundesamtes für Strahlenschutz vom 01.10.1997. BT-Drs. 13/8641. S. 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 12 für andere zu erkundende Standorte. Der Umstand, dass für den Standort Gorleben Erkenntnisse aus der bisherigen Erkundung vorliegen, darf ebenso wenig in die vergleichende Bewertung einfließen, wie der Umstand, dass für den Standort Gorleben bereits Infrastruktur für die Erkundung geschaffen ist. […] (2) Die bergmännische Erkundung des Salzstocks Gorleben wird mit Inkrafttreten dieses Gesetzes beendet. Maßnahmen, die der Standortauswahl dienen, dürfen nur noch nach diesem Gesetz und in dem hier vorgesehenen Verfahrensschritt des Standortauswahlverfahrens durchgeführt werden. Das Erkundungsbergwerk wird bis zur der Standortentscheidung nach dem Standortauswahlgesetz unter Gewährleistung aller rechtlichen Erfordernisse und der notwendigen Erhaltungsarbeiten offen gehalten, sofern der Salzstock Gorleben nicht nach Absatz 1 aus dem Verfahren ausgeschlossen wurde. […]“ In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es dazu: „Zu Absatz 1 Der Salzstock Gorleben wird in das Standortauswahlverfahren überführt und nimmt wie jeder andere Standort an dem Auswahlverfahren teil. Dabei dient er nicht als Referenzstandort , sondern der Standort wird wie jeder andere in Betracht kommende Standort in allen Verfahrensschritten an den noch festzulegenden Kriterien und Anforderungen gemessen und mit den anderen Standorten verglichen werden, mit der Folge, dass er in jedem Verfahrensschritt aus dem Auswahlverfahren ausscheiden kann, wenn er die Anforderungen nicht erfüllt, oder bei einem Vergleich mit sicherheitstechnisch gleichwertigen Standorten eine Abwägung zu einem für den Salzstock Gorleben negativen Ergebnis führt. […] Zu Absatz 2 […] Das Erkundungsbergwerk wird solange unter Gewährung aller rechtlichen Erfordernisse (z. B. Verlängerung der Gorleben-Veränderungssperre) und der notwendigen tatsächlichen Erhaltungsarbeiten offen gehalten, wie der Standort Gorleben nicht nach dem Standortauswahlgesetz […] ausgeschlossen wurde (Satz 3). Mit dem Offenhaltungsbetrieb des Erkundungsbergwerks wird die Verpflichtung, den Standort Gorleben in das Standortauswahlverfahren einzubeziehen, tatsächlich und rechtlich gewährleistet. […] Die Offenhaltung erfolgt aber konsequenterweise nur so lange, wie sich der Standort Gorleben noch im Auswahlverfahren befindet. […]“15 Für die Beantwortung der Frage, ob – im Falle des Wegfalls der Gorleben-VSpV – § 29 StandAG ein öffentliches Interesse an der Offenhaltung Gorlebens formuliert, das seinerseits in bundesbergrechtlichen Betriebsplanverfahren über § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu berücksichtigen wäre, 15 Deutscher Bundestag (2013). Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN für ein Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und zur Änderung anderer Gesetze (Standortauswahlgesetz – StandAG) vom 14.05.2013. BT-Drs. 17/13471. S. 30. Fettungen sind Bestandteil des Originals. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 13 ist zunächst festzuhalten, dass die Norm keine Verbote oder Beschränkungen für bergbauliche Vorhaben formuliert mit Ausnahme des Verbots weiterer bergmännischer Erkundungsmaßnahmen am Standort Gorleben. Unter der Voraussetzung jedoch, dass die o. g. Auslegung des OVG Lüneburg zutrifft, dass öffentliche Interessen, die nach § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu berücksichtigen sind, nicht explizit in Verbotsnormen geregelt sein müssen, ließe sich aufgrund des Wortlauts von § 29 StandAG sowie der Erläuterungen in der Begründung zum Entwurf dieser Vorschrift die Schlussfolgerung vertreten , dass an der Offenhaltung Gorlebens ein öffentliches Interesse besteht, das in entsprechenden Betriebsplanverfahren nach § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu berücksichtigen ist. Es sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass das BVerwG die Frage der Auslegung des Begriffs des öffentlichen Interesses im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG im o. g. Beschluss zur Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich offen gelassen hat. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass, wenn ein öffentliches Interesse im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG an der Offenhaltung Gorlebens zu bejahen ist, damit nicht konkret und damit für die Exekutive und Judikative maßgeblich klargestellt ist, welche bergrechtlich zulassungspflichtigen Handlungen dieses öffentliche Interesse gefährden könnten. 2.3. Erforderlichkeit der Abwägung von Interessen Liegt ein öffentliches Interesse im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG vor, das dem geplanten Vorhaben entgegensteht, führt dies nicht automatische dazu, dass der Betriebsplan des zu Grunde liegenden Vorhabens nicht zuzulassen ist. Dazu heißt es bei Boldt/Weller (1992): „Eine auf § 48 Abs. 2 gestützte Beschränkung oder Untersagung der Aufsuchung oder Gewinnung setzt voraus, daß überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Es genügt nicht das bloße Entgegenstehen, sondern die öffentlichen Interessen müssen das Interesse an der Aufsuchung oder Gewinnung der betreffenden Bodenschätze „überwiegen“. Dies erfordert eine abwägende Entscheidung der Bergbehörde. In die Abwägung sind auf der einen Seite alle entgegenstehenden öffentlichen Interessen, soweit sie im Rahmen des § 48 Abs. 2 berücksichtigt werden können einzustellen; auf der anderen Seite steht das Interesse des Bergbauberechtigten an der Ausübung seines durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechts, wobei zusätzlich ins Gewicht fällt, daß das BBergG mit der Rohstoffsicherungsklausel in § 48 Abs. 1 Satz 2 und der Vorschrift des § 1 Nr. 1 zu erkennen gibt, daß es dem Interesse an der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen jedenfalls grundsätzlich den Vorrang eingeräumt wissen will (BVerwG v. 16. 3. 1989, BVerGE 81, 329 = ZfB 130, 199 [206] […]) Die nach § 48 Abs. 2 vorzunehmende Abwägung ist dogmatisch als eine nachvollziehende Abwägung bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im Gegensatz zu einer gestaltenden Abwägung bei der Planung einzustufen […]. Das BBergG hat die Zulassung eines bergrechtlichen Betriebsplans in § 55 als eine gesetzlich gebundene Entscheidung ausgestaltet […]. Der Unternehmer hat einen Zulassungsanspruch, wenn Versagungsgründe nicht vorliegen. Nichts anderes gilt aufgrund des § 48 Abs. 2; […] § 48 Abs. 2 ermächtigt die Bergbehörde nicht zu einer planerischen oder fachplanerischen Entscheidung, bei Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 14 der die bergbaulichen Interessen des Unternehmers, die gem. § 55 einschlägigen öffentlichen Interessen und alle sonstigen einschlägigen Interessen im Sinne einer planerischen Abwägung zu berücksichtigen wären.“16 Konkretisierend heißt es bei Piens/Schulte/Vitzthum (2013) dazu: „Nach der Formulierung des Gesetzes ist auf der Tatbestandsseite eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen zu treffen: Es ist einerseits das für die Aufsuchung oder Gewinnung sprechende öffentliche Interesse des Unternehmers einschließlich der für seinen Betrieb sprechenden öffentlichen Interessen zu ermitteln und zu gewichten in Abwägung andererseits mit den gegen das Bergbauvorhaben sprechenden öffentlichen Interessen . […] Überwiegen die der Aufsuchung oder Gewinnung entgegenstehenden öffentlichen Interessen , muss die Behörde tätig werden. […] Ein Ermessen unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat die Bergbehörde nur in Bezug auf die Art und Weise ihrer Tätigkeit : Im Betriebsplanverfahren hat sie die Wahl zwischen Nebenbestimmungen und im Extremfall Versagung, […]. Nach dem Gesetzeswortlaut steht im Übrigen fest, dass es nicht ausreicht, wenn öffentliche Interessen entgegenstehen: Sie müssen auch überwiegend sein. […] Die nach § 48 Abs. 2 gebotene Abwägung unterliegt nicht den Grundsätzen der planerischen Gestaltungsfreiheit. Sie entspricht der gerichtlich voll überprüfbaren Abwägung im Rahmen eines unbestimmten Tatbestandsmerkmals (BVerwG, ZfB 2006, 161 […]).“17 In diesem Zusammenhang sei nochmals daran erinnert, dass keine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage vorliegt, ob ein gegebenenfalls bestehendes öffentliches Interesse an der Findung eines Endlagerstandortes für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle sämtliche für ein Bergbauvorhaben streitende Interessen überwiegt. Wie oben dargestellt, hat lediglich das OVG Lüneburg diese Frage zugunsten des öffentlichen Interesses entschieden. 2.4. Fazit Zusammenfassend lassen sich aus dem oben Dargestellten hinsichtlich der Frage nach der Eignung von § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG, solche Flächen- und Untergrundnutzungen in rechtssicherer Weise während eines bergrechtlichen Betriebsplanzulassungsverfahren zu unterbinden, die die Eignung potentieller Standortregionen oder Standorte für ein atomares Endlager gefährden, folgende Schlussfolgerungen ziehen: 16 Boldt, Gerhard/Weller, Herbert (1992). a. a. O. (Fn. 7). § 48 Rn. 12 f. Fettungen sind Bestandteil des Originals. 17 So Piens, Reinhart/Schulte, Hans-Wolfgang/Vitzthum, Stefan Graf (2013). a. a. O. (Fn. 6). Rn. 33 ff. Fettungen sind Bestandteil des Originals. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 15 - Das Bundesberggesetz erfasst nicht sämtliche Maßnahmen mit Einwirkungen auf den bzw. im Untergrund (Anwendbarkeit des BBergG).18 - Die Frage, ob die Findung eines Endlagers für radioaktive Abfälle ein öffentliches Interesse ist, das im Rahmen von § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu berücksichtigen ist, ist höchstrichterlich nicht entschieden. - Gleiches gilt für die Frage, ob – im Falle des Wegfalls der Gorleben-VSpV – das Offenhalten von Gorleben ein öffentliches Interesse im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG darstellt . - Selbst wenn dies so wäre, ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden, dass diese öffentlichen Interessen die Interessen an der Durchführung des konkreten bergbaulichen Vorhabens überwiegen. - Selbst wenn das Überwiegen derartiger Interessen seitens der Verwaltung bejaht würde, besitzt die Bergbehörde – nach Literaturansicht – in Bezug auf die Art und Weise ihres Tätigwerdens (Zulassung des Betriebsplans mit Nebenbestimmungen oder Versagung der Zulassung) Ermessen. 3. Bedeutung der Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung (Gorleben-VSpV) für die Möglichkeit zur Verhinderung konkurrierender Untergrundnutzungen im Bereich des Salzstocks Gorleben Nachfolgend werden die Fragen im Sachzusammenhang beantwortet, die im Kontext der Bedeutung der Gorleben-VSpV für die Verhinderung konkurrierender Untergrundnutzungen gestellt wurden. 3.1. Allgemeine Erläuterungen zu Hintergründen und Regelungsgehalt der Gorleben-VSpV Einleitend werden nachfolgend einige Hintergründe und der Regelungsgehalt der Gorleben-VSpV überblicksartig erläutert. Dabei wird auch auf die Rechtsprechung zur Auslegung der Gorleben- VSpV eingegangen. 3.1.1. Hintergründe zur Gorleben-VSpV, Ermächtigungsgrundlage Die ursprüngliche Gorleben-VSpV vom 25. Juli 2005, erlassen von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates (§ 54 Atomgesetz (AtG)19), wird mit Ablauf des 16. August 2015 außer Kraft treten. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass dieser Verordnung ist im Wesentlichen § 9g Abs. 1 AtG. Die Norm lautet auszugsweise: „§ 9g Veränderungssperre (1) Zur Sicherung von Planungen für Vorhaben nach § 9b oder zur Sicherung oder Fortsetzung einer Standorterkundung für Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle 18 So auch Keienburg, Bettina (2015). a. a. O. (Fn. 4). S. 2. 19 Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren vom 15.07.1985, BGBl. I S. 1565; zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.04.2015, BGBl. I S. 434. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 16 können durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens zehn Jahren Planungsgebiete festgelegt werden, auf deren Flächen oder in deren Untergrund wesentlich wertsteigernde oder das Vorhaben nach § 9b oder die Standorterkundung erheblich erschwerende Veränderungen nicht vorgenommen werden dürfen. Eine zweimalige Verlängerung der Festlegung um jeweils höchstens zehn Jahr durch Rechtsverordnung ist zulässig, wenn die Voraussetzungen nach Satz 1 fortbestehen. […] […]“ In der Begründung zum Entwurf dieser Norm heißt es: „§ 9g Abs. 1 enthält Bestimmungen über eine Veränderungssperre, durch die vorhabenserschwerende Veränderungen unabhängig von einem konkreten Planfeststellungsverfahren nach § 9b oder § 57a BBergG verhindert werden sollen. Bei Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle ist eine möglichst frühzeitig wirkende Veränderungssperre notwendig, denn die in Aussicht genommene Endlagerstätte (z. B. ein Salzstock) muß aus Gründen der Langzeitsicherheit unversehrt bleiben und deshalb schon im Zusammenhang mit einer Erkundung und bis zum Beginn des Planfeststellungsverfahrens nach § 9b vor Veränderungen von außen geschützt werden. Die getroffene Regelung über die Veränderungssperre lehnt sich an die gesetzlichen Vorschriften des § 9a Abs. 3 FStrG und des § 36a Abs. 1 WHG an. Absatz 1 Satz 1 ermächtigt, durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens zehn Jahren die Planungsgebiete festzulegen, die von der Veränderungssperre erfaßt werden. Mit Rücksicht darauf, daß die Endlagerung radioaktiver Abfälle eine allgemeine, im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe ist, die aus der Natur der Sache heraus eines längerfristigen Planungs- und Vorbereitungszeitraums bedarf, sieht § 9g Abs. 1 Satz 2 die Möglichkeit einer zweimaligen Verlängerung der Festlegung um jeweils zehn Jahre durch Rechtsverordnung vor[…].“20 Am 25. März 2015 hat das Bundeskabinett eine Verlängerung der Gorleben-VSpV beschlossen.21 Wann der Bundesrat über die nach § 54 Abs. 2 Satz 1 AtG erforderliche Zustimmung entscheidet, ist im Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Arbeit nicht ersichtlich. Wird die verlängerte Gorleben-VSpV wie vom Bundeskabinett beschlossen in Kraft treten, so soll sie an dem Tag wieder außer Kraft treten, an dem der Salzstock Gorleben nach § 29 Abs. 1 Satz 5 StandAG aus dem Standortauswahlverfahren ausgeschlossen wird, spätestens jedoch mit Ablauf des 16. August 2025.22 20 Deutscher Bundestag (1997). a. a. O. (Fn. 14). S. 16. 21 Vgl. dazu Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015a). Kabinett beschließt Verlängerung der Veränderungssperre für Gorleben. Pressemitteilung vom 25.03.2015. Link: http://www.bmub.bund.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/kabinett-beschliesst-verlaengerung-der-veraenderungssperre -fuer-gorleben/?tx_ttnews%5BbackPid%5D=309 (letzter Abruf: 04.05.2015). 22 Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015b). Erste Verordnung zur Änderung der Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung. S. 4. Link: http://www.bmub.bund.de/themen/atomenergie -strahlenschutz/endlagerprojekte/details-endlagerprojekte/artikel/erste-verordnung-zur-aenderung-dergorleben -veraenderungssperren-verordnung/?tx_ttnews%5BbackPid%5D=289 (letzter Abruf: 04.05.2015). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 17 3.1.2. Wesentliche Regelungen der Gorleben-VSpV und deren Auslegung durch die Rechtsprechung In § 1 der Gorleben-VSpV wird entsprechend § 9b Abs. 1 Satz 1 AtG ein Planungsgebiet zur Sicherung der Standorterkundung für eine Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle im Bereich des Salzstocks Gorleben festgelegt. Die Norm benennt konkrete Gemarkungen und Gemeinden bzw. deren Grenzen im Bereich des Salzstocks, in denen das Planungsgebiet liegt. Darauf aufbauend lautet § 2 Gorleben-VSpV auszugsweise: „§ 2 Veränderungssperre, Entschädigung, Ausnahmen (1) Im Planungsgebiet dürfen in den in Absatz 2 festgelegten Gebieten die Standorterkundung erheblich erschwerende Veränderungen unterhalb einer Tiefe, gemessen ab der Geländekante, von 50 Metern und im übrigen Planungsgebiet von 100 Metern nicht vorgenommen werden. Es wird vermutet, dass Veränderungen des Untergrunds unterhalb der in Satz 1 festgelegten Tiefen die Standorterkundung erheblich erschweren.“ Im Hinblick auf die Bedeutung dieser Norm führte das OVG Lüneburg in der o. g. Entscheidung vom 17. Juli 2008, in der um die Zulassung bzw. die Verlängerung eines Rahmenbetriebsplans zum Abbau von Salz im Bereich des Salzstocks Gorleben gestritten wurde, aus: „dd) Selbst wenn man dessen ungeachtet die Forderung erheben wollte, die öffentlichen Interessen müssten einen Ausdruck in öffentlich-rechtlichen Verbotsnormen finden, kann vorliegend mit § 2 Abs. 1 GVSpV eine solche Verbotsnorm benannt werden, aus der sich ergibt, dass ein öffentliches Interesse an einer Erkundung von Lagerstätten für eine geordnete Endlagerung besteht. […] Zweifel, ob von der Veränderungssperre in § 2 Abs. 1 GVSpV auch die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans betroffen ist, bestehen insoweit, als einerseits ein Rahmenbetriebsplan noch keine Gestattungswirkung entfaltet, aufgrund eines zugelassenen Rahmenbetriebsplans also noch nicht mit der tatsächlichen Ausführung von Arbeiten begonnen werden darf (BVerwG, Urt. v. 13.12.1991 – 7 C 25.90, BVerwGE 89, 246 <253 f.>[…]), während andererseits § 2 Abs. 1 GVSpV tatbestandlich nur untersagt, dass ab einer bestimmten Tiefe unterhalb der Erdoberfläche „Veränderungen … vorgenommen“ werden. Darauf kommt es jedoch nicht an, denn wenn man unter Zugrundelegung eines engen Verständnisses aus Formulierungen in der älteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgert, dass das im Rahmen des § 48 Abs. 2 BBergG maßgebliche öffentliche Interesse in einem Verbotsgesetz niedergelegt sein muss, wird man diese Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts in ihrem gesamten Wortlaut ernst nehmen müssen. Die Aussage, § 48 Abs. 2 BBergG erlaube die Anwendung außerbergrechtlicher Vorschriften „nur insoweit, als sie Verbote oder Beschränkungen für das Vorhaben aussprechen“ (BVerwG, Urt. v. 14.12.1990 – 7 C 18.90 –, NVwZ 1991, 992 <993>), stellt ebenso wie die Wendung, als überwiegende öffentliche Interessen kämen solche in Betracht, „die in öffentlich-rechtlichen Vorschriften konkretisiert sind, indem sie Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen dienen könnten“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 18 (BVerwG, Urt. v. 02.11.1995 – 4 C 14.94, BVerwGE 100, 1 <16>), auf einen weiteren Blickwinkel ab. Das „Vorhaben“ und die „Tätigkeiten“ sind die beabsichtigte Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen. Diese bergbaulichen Handlungen müssen durch Verbotsgesetz untersagt sein, nicht hingegen die zu ihrer Vornahme erforderlichen Betriebspläne. Nur ein solches Verständnis deckt sich im Übrigen mit dem Wortlaut des § 48 Abs. 2 BBergG, der mit der rückbezüglichen Wendung „ihr“ sprachlich ebenfalls darauf abstellt, dass der „Aufsuchung oder Gewinnung“ die öffentlichen Interessen entgegenstehen. In diesem Sinne kann es keinem Zweifel unterliegen, dass § 2 Abs. 1 GVSpV die vom Kläger beabsichtigte Salzgewinnung, deren Vorbereitung der Rahmenbetriebsplan dienen soll, erfasst. Die GVSpV ist entgegen der Ansicht des Klägers auch verfassungsgemäß. Veränderungssperren sind keine Besonderheiten des Atomrechts. Als Instrumente zur Sicherung der Verwirklichung von Planungen sind sie in diversen Fachgesetzen vorgesehen, so etwa in § 14 BauGB § 36a WHG, […] oder § 9a FStrG. Das Bergrecht kennt mit den Baubeschränkungsgebieten nach den §§ 107 ff. BBergG ein ähnliches Rechtsinstitut für die Sicherung der Inanspruchnahme von Grundstücken zur Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen . Solche Veränderungssperren konkretisieren die Sozialgebundenheit des Eigentums der betroffenen Grundstückseigentümer und stellen damit zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar [umfassender Verweis auf zahlreiche Nachweise in Rechtsprechung und Literatur]. Sie genügen dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt, wenn, wie hier in Gestalt des § 9g AtG, die Ermächtigung zum Erlass einer Veränderungssperre in einem Parlamentsgesetz enthalten ist und durch die Verordnung die räumliche Ausdehnung des Gebietes, in dem die Veränderungssperre gelten soll, festgelegt wird [Verweis auf Nachweise in der Literatur]. […]“23 Das BVerwG setzte sich in dem oben bereits genannten Beschluss, mit der die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wurde, auch mit der Frage auseinander, ob § 2 Abs. 1 Gorleben- VSpV denn überhaupt in einem Verfahren zur Zulassung eines Rahmenbetriebsplans anzuwenden sei, da die Norm selbst ja nur von dem Verbot tatsächlicher Veränderungen spreche. Das Gericht führt dazu aus: „Es trifft zwar zu, dass nach § 2 I Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung Veränderungen unterhalb einer bestimmten Tiefe, die die Standorterkundung erheblich erschweren, nicht vorgenommen werden dürfen. Die Verordnung stellt damit ihrem Wortlaut nach auf tatsächliche Veränderungen ab. Es liegt aber auf der Hand und bedarf deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass § 2 I Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung damit nicht nur die tatsächliche Vornahme bestimmter Veränderungen verbietet, sondern bereits als rechtliches Genehmigungshindernis der Zulassung solcher Handlungen entgegensteht . § 2 I Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung will jegliche Veränderungen verhindern, die die Standorterkundung für das Endlager erheblich erschweren können, 23 Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (2008). Urteil vom 17.07.2008 – 7 LC 53/05. BeckRS 2008, 39346 (Abrufbar auf der kostenpflichtigen Datenbank www.beckonline.de, die über die Intranetseite der Bibliothek des Deutschen Bundestages erreichbar ist.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 19 gleichgültig, ob diese Veränderungen überhaupt einer öffentlich-rechtlichen Zulassung bedürfen und gegebenenfalls auf welcher Rechtsgrundlage eine solche Zulassung zu erteilen ist. Daraus erklärt sich ohne Weiteres, dass § 2 I Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung nicht ausdrücklich an behördliche Zulassungsentscheidungen, sondern sprachlich an Veränderungen allgemein anknüpft. Unerheblich ist ferner, dass die Zulassung des Rahmenbetriebsplans die beabsichtigte Erkundungsbohrung und gegebenenfalls die Gewinnung von Salz noch nicht gestattet, sondern hierfür noch die Zulassung von Hauptbetriebsplänen erforderlich ist. Das zuständige Bergamt hat grundsätzlich schon die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans zu versagen, wenn dem Vorhaben als solchem rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die seine Zulassungsfähigkeit ausschließen.“24 3.2. Bedeutung eines potentiellen Auslaufens der Gorleben-VSpV für die Möglichkeiten zu Verhinderung konkurrierender Untergrundnutzungen im Bereich des Salzstocks Gorleben Sollte die Gorleben-VSpV ohne Verlängerung auslaufen, würde § 2 Abs. 1 Gorleben-VSpV keine Sperrwirkung mehr über § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG entfalten können. Anträge auf Zulassung von Betriebsplänen könnten nicht mehr entsprechend der dargestellten Rechtsprechung allein unter Verweis auf die Verbotsnorm in § 2 Abs. 1 Gorleben-VSpV abgelehnt werden. Eine erneute Verlängerung der ausgelaufenen Gorleben-VSpV wäre nicht möglich. Sie verlöre ihre rechtliche Existenz und müsste vielmehr erneut erlassen werden.25 Ob dies allerdings auf der Grundlage von § 9g AtG nach wie vor möglich ist, ist umstritten und Gegenstand einer seit Januar 2014 vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg anhängigen Klage. Die Kläger begehren darin die Feststellung, dass die Gorleben-VSpV aufzuheben ist, da die Voraussetzungen für deren Erlass nach § 9g Abs. 1 AtG nicht mehr vorliegen. Dies ergebe sich aus § 29 StandAG, da insbesondere § 29 Abs. 2 Satz 1 StandAG anordne, dass die bergmännische Erkundung Gorlebens mit Inkrafttreten des StandAG beendet werde.26 Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist bisher zwar nicht ergangen. Aber entsprechende Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen sind in dieser Rechtssache bereits durch das Gericht abgewiesen worden.27 Allerdings ist nicht ersichtlich , dass sich das Gericht in diesen Beschlüssen mit der eigentlichen Frage danach auseinandergesetzt hat, ob § 9g AtG auch unter der Geltung von § 29 StandAG als Ermächtigungsgrundlage für die Gorleben-VSpV dienen kann. 24 Bundesverwaltungsgericht (2009). a. a. O. (Fn. 12). S. 779. 25 Vgl. Bundesministerium der Justiz (2008). Handbuch der Rechtsförmlichkeit. 3. Auflage (2008). Rn. 804 ff., 471. Link: http://hdr.bmj.de/impressum.html (letzter Abruf: 04.05.2015). 26 Wollenteit, Ulrich (2014). Klage des Herrn Fried Graf von Bernstorff sowie des Greenpeace e. V. vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg wegen Feststellung der Verpflichtung zur Aufhebung der Gorleben-Veränderungssperre vom 30.01.2014. Link: https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications /pdf_an_gericht_mdtklaeger.pdf (letzter Abruf: 05.05.2015). 27 Vgl. Verwaltungsgericht Lüneburg (2015). Verwaltungsgericht Lüneburg weist Gorleben-Eilanträge ab. Pressemitteilung vom 15.04.2015. Link: http://www.verwaltungsgericht-lueneburg.niedersachsen.de/portal /live.php?navigation_id=19487&_psmand=127 (letzter Abruf: 05.05.2015). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 068/15 Seite 20 Insofern sind die folgenden Ausführungen allenfalls als theoretische Überlegungen aufzufassen: In dem theoretischen, aber denkbaren Fall, dass - die Gorleben-VSpV nicht verlängert, sondern auslaufen und erst nach einer bestimmten Zeit mit dem identischen Wortlaut der aktuellen Gorleben-VSpV wieder in rechtmäßiger Weise neu erlassen würde und - in der Zeit zwischen Auslaufen und Neuerlass die für die Aufsuchung und Gewinnung erforderlichen Betriebspläne bestandskräftig zugelassen sowie die erforderlichen sonstigen Zulassungs- und Genehmigungsentscheidungen bestandskräftig erteilt würden und - im Anschluss daran und bevor die neu erlassene Gorleben-VSpV in Kraft tritt, entsprechende , rechtlich zulässige bergmännische Tätigkeiten durchgeführt würden, könnten diese Tätigkeiten und Veränderungen aller Voraussicht nach nicht mehr unter Berufung auf die dann neu erlassene Gorleben-VSpV wegen der Regelung in § 2 Abs. 3 Gorleben-VSpV unterbunden werden. Die Norm lautet: „§ 2 Veränderungssperre, Entschädigung, Ausnahmen […] (3) Veränderungen, die in rechtlich zulässiger Weise vorher begonnen worden sind, Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher rechtmäßig ausgeübten Nutzung werden hiervon nicht berührt. […]“ In der Begründung zur ursprünglichen, von der Bundesregierung im Mai 2005 beschlossenen und dem Bundesrat mit der Bitte um Zustimmung übersandten Gorlegen-VSpV heißt es dazu: „Absatz 3 nimmt aus Gründen des Bestandsschutzes bestimmte Maßnahmen von der Veränderungssperre aus. Von ihr nicht berührt sind Unterhaltungsarbeiten, die Fortführung einer bisher rechtmäßig ausgeübten Nutzung sowie Veränderungen, die in rechtlich zulässiger Weise vorher begonnen worden sind. Für den Beginn der vorgenannten Veränderungen ist der Beginn der tatsächlichen Verwirklichung des Vorhabens maßgeblich; es genügt nicht, dass die erforderlichen Erlaubnisse oder Genehmigungen vorliegen oder Planungen abgeschlossen sind.“28 28 Bundesrat (2005). Verordnung der Bundesregierung zur Festlegung einer Veränderungssperre zur Sicherung der Standorterkundung für Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle im Bereich des Salzstocks Gorleben (Gorleben -Veränderungssperren-Verordnung – GorlebenVSpV) vom 06.05.2005. BR-Drs. 337/05. S. 10.