© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 067/20 Flüge über deutsches Hoheitsgebiet und Lärmschutz: Flughafen Basel-Mülhausen-Freiburg Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 067/20 Seite 2 Flüge über deutsches Hoheitsgebiet und Lärmschutz: Flughafen Basel-Mülhausen-Freiburg Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 067/20 Abschluss der Arbeit: 09.07.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 067/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Überflug von deutschem Hoheitsgebiet 4 2.1. Prinzip der Lufthoheit 4 2.2. Grundsatz: Freier Durchflug 5 2.3. Lärmschutz durch Flugverfahren 5 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 067/20 Seite 4 1. Fragestellung Der Flughafen Basel-Mülhausen-Freiburg (Markenname: EuroAirport Basel Mulhouse Freiburg) ist ein binationaler Flughafen auf französischem Staatsgebiet, den Schweiz und Frankreich gemeinsam betreiben. Es gibt einen französischen und einen schweizerischen Sektor.1 Die Schweiz ist über eine Zollfreistraße direkt mit dem Flughafen verbunden. Aufgrund seiner Lage im Dreiländereck und seiner Bedeutung für die Region hat der Flughafen den Zusatz „Freiburg“. Es stellt sich die Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten Bund und Länder haben, den Überflug deutschen Hoheitsgebiets von und zum Flughafen Basel-Mülhausen-Freiburg aus Gründen des Lärmschutzes zu beschränken. 2. Überflug von deutschem Hoheitsgebiet 2.1. Prinzip der Lufthoheit Auf internationaler Ebene legt das (Chicagoer Abkommen)2 in Artikel 1 das Prinzip der Lufthoheit fest.3 Danach besitzt jeder Staat die volle und ausschließliche Lufthoheit über seinem Hoheitsgebiet . Lufthoheit meint dabei die Befugnis jedes Staates, unbeschränkte und alleinige Hoheitsgewalt im Luftraum über seinem Hoheitsgebiet auszuüben.4 Folge dieses Prinzips ist, dass die Nutzung fremden Luftraums nur mit einer Erlaubnis des jeweiligen Staates möglich ist. 1 EuroAirport Basel Mulhouse Freiburg, Fragen und Antworten, Link: https://www.euroairport.com/de/faq/allgemeine -fragen.html#faq_50099; alle zitierten Links wurden zuletzt am 9.7.2020 aufgerufen. 2 Abkommen vom 7.12.1944 über die Internationale Zivilluftfahrt, BGBl. II S. 411, Link: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=//*%5B@attr_id=%27bgbl256i0411.pdf%27%5D#__bgbl__%2F %2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl256s0411.pdf%27%5D__1594037045817. 3 Deutschland ist 1956 beigetreten, vgl. Bundesregierung, International eng verbunden, 7.12.2017, Link: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/international-eng-verbunden-462230#:~:text=Die%20Luftfahrt %20ist%20ein%20internationaler,von%2052%20Staaten%20am%207. 4 Schladebach/Platek, Schwerpunktbereich – Einführung in das Luftrecht, JuS 2010, S. 499 (501), Link: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fjus%2F2010%2Fcont%2Fjus.2010.499.1.htm&pos=20&hlwords=on. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 067/20 Seite 5 2.2. Grundsatz: Freier Durchflug Für Deutschland ist insbesondere das Luftverkehrsgesetz (LuftVG)5 einschlägig.6 Gemäß § 1 Abs. 1 LuftVG ist die Benutzung des (deutschen) Luftraums durch Luftfahrzeuge frei, soweit andere Bestimmungen dies nicht beschränken. Hierzu gehören auch Bestimmungen zum Lärmschutz. 2.3. Lärmschutz durch Flugverfahren § 29b Abs. 2 LuftVG bestimmt einen Schutzauftrag: „Die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation haben auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken.“7 In vorliegendem Fall sind für den Lärmschutz die An- und Abflugrouten des Flughafens maßgeblich . Diese ergeben sich aus den Flugverfahren. Flugverfahren sind festgelegte, standardisierte Regelungen für den Ablauf des Luftverkehrs einschließlich der An- und Abflüge zu und von Flugplätzen.8 Damit schließen Flugverfahren insbesondere Flugwege, Flughöhe und Meldepunkte mit ein.9 Primär dient die Bestimmung der Flugverfahren zwar der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs. Lärmschutzbelange sind aber auch von Belang.10 Letztere haben sich jedoch der Sicherheit des Luftverkehrs unterzuordnen.11 Die Festlegung von Flugverfahren ist gem. § 33 Abs. 2 Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) Aufgabe der Flugsicherung. Diese nimmt das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) wahr, eine 5 Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.5.2007 (BGBl. I S. 698), das zuletzt durch Artikel 340 der Verordnung vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, Link: https://www.gesetze-im-internet.de/luftvg/BJNR006810922.html. 6 Das EU-Recht verweist insoweit auch auf nationales Recht, Artikel 19 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.9.2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft, Link: https://www.lba.de/SharedDocs/Downloads/DE/B/Rechtsvorschriften /VO_1008_2008.pdf?__blob=publicationFile&v=1. 7 Hervorhebung durch Autor. 8 Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Festlegung von Flugverfahren, Link: https://www.baf.bund.de/DE/Themen /Luftraum_Flugverfahren_Recht/Flugverfahren/flugverfahren_node.html#:~:text=Flugverfahren%20werden %20in%20Form%20von,erlassen%20und%20im%20Bundesanzeiger%20ver%C3%B6ffentlicht .&text=Rechtliche%20Grundlage%20f%C3%BCr%20den%20Erlass,8%20und%20Abs. 9 Umweltbundesamt, Lärmschutz – Fluglärm, Link: https://www.bmu.de/themen/luft-laerm-verkehr/laermschutz /themenbereiche-laerm/fluglaerm-hintergrund/. 10 BVerwG, Urteil vom 24.6.2004 – 4 C 11/03. 11 BVerwG, Beschluss vom 4.5.2005 – 4 C 6/04. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 067/20 Seite 6 Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur .12 Dies gilt auch für Flugverfahren von Luftfahrzeugen, die einen ausländischen Flughafen anfliegen oder von ihm abfliegen,13 also auch für den Flughafen Basel-Mülhausen-Freiburg. Denn durch die Flugverfahren wird grundsätzlich nicht der Betrieb des (ausländischen) Flughafens geregelt oder in seinen Bestand eingegriffen. Soweit es sich um den Überflug deutschen Hoheitsgebiets handelt, kann das BAF entsprechende Regelungen treffen.14 Anders wäre dies z. B. bei nächtlichen Betriebsbeschränkungen für Flughäfen oder Luftfahrzeuge . Diese knüpfen am Flughafen selbst an. Für solche Maßnahmen besteht für deutsche Bundes - und Landesbehörden hinsichtlich des Flughafens Basel-Mülhausen-Freiburg kein Spielraum . Bezüglich des Flughafens Basel-Mülhausen-Freiburg besteht kein Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich (oder der Schweiz).15 Andere Ziele der Flugsicherung, nämlich die Gewährleistung einer sicheren und flüssigen Verkehrsabwicklung , können mit dem Lärmschutz kollidieren.16 Umwege und zeitliche Verzögerungen sind grundsätzlich zu vermeiden. Demnach hat das BAF eine Abwägungsentscheidung zu treffen.17 Dabei räumt das Bundesverwaltungsgericht einen weiten Gestaltungsspielraum ein, dessen Grenzen erst beim Willkürverbot erreicht sind.18 Insbesondere bei ausländischen Flughafen sieht das BVerwG einen größeren Abwägungsspielraum, unter Beachtung völkerrechtlicher und europarechtlicher Bindungen. Die ausländischen Behörden können bei der Standortwahl eines Flughafens nicht eine für deutsche Behörden bindende Entscheidung darüber treffen, in welchem Umfang der deutsche Luftraum für An- und Abflüge zur Verfügung gestellt wird. Nichtsdestotrotz hat das BAF bei der Festlegung von Flugverfahren für ausländische Flughäfen die Auswirkungen der Regelungen auf den Betrieb des Flughafens zu berücksichtigen. Würden die festgelegten Flugverfahren die Zugänglichkeit des Flughafens in einem erheblichen Maße beeinträch- 12 Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Aufgaben, Link: https://www.baf.bund.de/DE/BAF/Aufgaben/aufgaben _node.html;jsessionid=F9A5928154DAA73F0BD6A3F647D6E3DE.live21304; siehe auch § 33 Abs. 2 Luftverkehrs -Ordnung (LuftVO) in Verbindung mit § 32 Abs. 4 Nr. 8 und § 32 Abs. 4c LuftVG. 13 BVerwG, Beschluss vom 4.5.2005 – 4 C 6/04. 14 BVerwG, Beschluss vom 4.5.2005 – 4 C 6/04. 15 Siehe aber den Schweizerisch-Französischen-Staatsvertrag über den Bau und den Betrieb des Flughafens Basel- Mülheim vom 4.7.1949, abrufbar unter: https://www.euroairport.com/de/euroairport/unternehmen/wir-ueberuns /schweizerisch-franzoesischer-staatsvertrag.html 16 Wöckel, Schutz vor Fluglärm bei der Festlegung von Flugverfahren, NVwZ 2016, S. 347 (352). 17 BVerwG, Beschluss vom 4.5.2005 – 4 C 6/04. 18 Wöckel, Schutz vor Fluglärm bei der Festlegung von Flugverfahren, NVwZ 2016, S. 347 (353). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 067/20 Seite 7 tigen oder gar verhindern, so kann in diesem Fall ein gesteigerter grenzüberschreitender Abstimmungsbedarf erforderlich werden.19 Bestimmungen über Flugverfahren können auch zeitliche Beschränkungen enthalten.20 Die Rechtsverordnungen über Flugverfahren werden i. d. R. als Durchführungsverordnung zur LuftVO erlassen und im Bundesanzeiger veröffentlicht.21 2.4. Länderkompetenzen? Für die Länder bestehen im vorliegenden Fall keine eigenen Kompetenzen, den Überflug im Zusammenhang mit dem Flughafen Basel-Mülhausen-Freiburg zu beschränken. Regelungen, die am Betrieb des Flughafens anknüpfen und sich so mittelbar auf den Überflug auswirken (können), kommen hier nicht in Betracht, da es sich um einen ausländischen Flughafen handelt. *** 19 BVerwG, Beschluss vom 4.5.2005 – 4 C 6/04. 20 BVerwG, Beschluss vom 4.5.2005 – 4 C 6/04. 21 Beispielsweise die Zwanzigste Verordnung zur Änderung der Zweihundertsiebenunddreißigsten Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung (Festlegung von Flugverfahren für An- und Abflüge nach Instrumentenflugregeln zum und vom Verkehrsflughafen München), Link: https://www.bundesanzeiger.de/ebanzwww /wexsservlet?page.navid=official_starttoofficial_view_publication&session.sessionid =42f8074adaed8f52c13d8e2c4e352c5b&fts_search_list.selected=e0992ef605330a40&&fts_search_list.destHistory Id=96216&fundstelle=BAnz_AT_11.02.2019_V1; Zur Festlegung von Flugverfahren siehe auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages „Festlegung von Flugrouten“ (WD 7 - 3000 – 25/13), Link: https://www.bundestag.de/resource/blob/407510/cd947ef6760bf0bff3e0bd25baeef613/WD-7-025- 13-pdf-data.pdf.