© 2015 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 – 067/15 Rechtliche Rahmenbedingungen für ein gesetzliches Verbot von gewerblichen Tierbörsen für exotische Tiere Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 2 Rechtliche Rahmenbedingungen für ein gesetzliches Verbot von gewerblichen Tierbörsen für exotische Tiere Verfasser: Aktenzeichen: WD 5 - 3000 – 067/15 Abschluss der Arbeit: 27. Mai 2015 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung, tatsächliche Hintergründe der zu bearbeitenden Fragestellung und inhaltliche Reichweite der vorliegenden Bearbeitung 4 2. Vereinbarkeit eines gesetzlichen Verbots gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere mit Vorgaben des Europarechts 7 2.1. Grundsätzliche europarechtliche Vorgaben für die Verteilung der Zuständigkeit zum Erlass von Rechtsakten 7 2.2. Europarechtliche Grundfreiheiten 8 3. Vereinbarkeit eines gesetzlichen Verbots gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere mit Vorgaben des Grundgesetzes 9 3.1. Relevante Aspekte der formellen Verfassungsmäßigkeit für die Frage nach der Zulässigkeit eines Gesetzes zum Verbot gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere 9 3.1.1. Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeit im Grundgesetz 9 3.1.2. Gesetzgebungsverfahren 9 3.2. Relevante Aspekte der materiellen Verfassungsmäßigkeit für die Frage nach der Zulässigkeit eines Gesetzes zum Verbot gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere 10 3.2.1. Vereinbarkeit mit Grundrechten 10 3.2.1.1. Art. 12 Abs. 1 GG – Berufsfreiheit 10 3.2.1.1.1. Schutzbereich und Eingriff 10 3.2.1.1.2. Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG – Drei-Stufen- Theorie des Bundesverfassungsgerichts 11 3.2.1.2. Subsidiarität allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG 14 3.2.2. Vereinbarkeit mit sonstigen Verfassungsgrundsätzen 15 3.2.2.1. Vorgaben des Art. 19 GG 15 3.2.2.2. Verfassungsprinzipien des Art. 20 GG 16 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 4 1. Einleitung, tatsächliche Hintergründe der zu bearbeitenden Fragestellung und inhaltliche Reichweite der vorliegenden Bearbeitung Im Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ vom 16. Dezember 2013 vereinbarten die Regierungsfraktionen CDU/CSU sowie SPD im Hinblick auf „Naturschutz und biologische Vielfalt […] Wir verbessern den Wildtierschutz und gehen gegen Wilderei sowie den illegalen Wildtierhandel und deren Produkte vor; Handel mit und private Haltung von exotischen Wildtieren wird bundeseinheitlich geregelt. Importe von Wildfängen in die EU sollen grundsätzlich verboten und gewerbliche Tierbörsen für exotische Tiere untersagt werden.“ 1 Auf die in diesem Zusammenhang gestellte Frage einer Abgeordneten der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom Dezember 2014, wann die Bundesregierung gewerbliche Tierbörsen für exotische Tiere untersagen wird und in welcher Weise ein derartiges Verbot auch die Terraristika Hamm beträfe, antwortete die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit für die Bundesregierung: „Die Bundesregierung wird zeitnah eine Analyse der Situation von exotischen Tieren und Wildtieren in privater Haltung in Auftrag geben. Unter anderem sollen Informationen über die Zahl und Art der gehaltenen Tiere und über die Art des Erwerbs erhoben werden. Außerdem sollen insbesondere etwaige Probleme bei der Haltung sowie deren Ursachen ermittelt werden. Auf der Grundlage wird geprüft werden, welche Maßnahmen geeignet sind, um etwaigen Problemen entgegenzuwirken. Solche Maßnahmen können sich auch auf den Handel exotischer Tiere über Tierbörsen beziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Tierbörsen zwar eine Herausforderung in Bezug auf den Tier- und Artenschutz darstellen , Restriktionen aber nicht dazu führen dürfen, dass der Handel mit Tieren über andere , schlechter zu überwachende Wege verläuft. Sofern die Bundesregierung aufgrund der obigen Analyse Maßnahmen initiiert, werden diese generell abstrakter Natur sein. Ob und in welcher Weise diese die Terraristika Hamm betreffen, wird von den in Nordrhein-Westfalen für den Vollzug zuständigen Behörden zu beurteilen sein.“2 1 Bundesregierung (2013). Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen den Bundestagsfraktionen CDU/CSU und SPD vom 16.12.2013. S. 119. Link: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten /Breg/koalitionsvertrag-inhaltsverzeichnis.html (letzter Abruf: 08.05.2015). Interessant dazu die gegensätzliche Auffassung der Bundesregierung aus dem Jahr 2011. Vgl. Deutscher Bundestag (2011). Tierschutz auf Tierbörsen . Antwort der Bundesregierung vom 31.01.2011 auf die Kleine Anfrage u. a. der Fraktion DIE LINKE. BT- Drs. 17/4618. 2 Deutscher Bundestag (2014). Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 8. Dezember 2014 eingegangenen Antworten der Bundesregierung vom 12.12.2014. BT-Drs. 18/3519. S. 48. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 5 Die in dieser Antwort der Bundesregierung angesprochene Analyse liegt noch nicht vor. Vielmehr läuft im Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Arbeit das Ausschreibungs- und Vergabeverfahren für ein entsprechendes Forschungsvorhaben.3 In den entsprechenden Ausschreibungsunterlagen heißt es u. a.: „Die private Haltung[…] von exotischen Tieren und Wildtieren steht zunehmend in der öffentlichen Kritik. Die Begriffe „exotisches Tier“ und „Wildtier“ sind dabei nicht näher definiert . Als Gründe werden eine vermutete nicht artgerechte Haltung sowie negative Auswirkungen auf den Artenschutz in den Ursprungsländern der Tiere angeführt. Zudem handelt es sich teilweise um Tiere gefährlicher Arten, die die öffentliche Sicherheit gefährden können. […] Zahlen über die Haltung von exotischen Tieren und Wildtieren in Privathand, insbesondere zu tierschutzrelevanten Missständen und deren Ursachen bei der Haltung dieser Tiergruppen, sind nur begrenzt bzw. nicht verfügbar. Mit den vom BMEL[4] herausgegebenen Gutachten und Leitlinien existieren Handlungsempfehlungen für viele Arten von exotischen Tieren und Wildtieren.[5] Daneben hat unter anderem die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz Merkblätter mit empfohlenen Haltungsbedingungen für verschiedene Tierarten und –gruppen herausgegeben. Es liegen jedoch keine Daten darüber vor, ob und wie diese Haltungsempfehlungen in der Praxis von den Tierhaltern beachtet werden. Die wenigen verfügbaren Informationen zur Haltung von exotischen Tieren und von Wildtieren in Deutschland sind auf einzelne Tierarten oder Tiergruppen beschränkt, eine Gesamtbetrachtung fehlt. Den für den Vollzug des Tierschutzgesetzes zuständigen Behörden der Länder werden Tierschutzprobleme bei der privaten Haltung von exotischen Tieren und Wildtieren aufgrund der meist ausschließlichen Wohnungshaltung der Tiere und dem beschränkten Zugangsrecht der Behörden in Privatwohnungen meist nur in Zusammenhang mit anderen Delikten bekannt. Das BMEL benötigt konkrete und möglichst umfassende belastbare Informationen über die Haltung von exotischen Tieren und Wildtieren in Privathand . […] 3 Vgl. Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (2015). Bekanntmachung Nr. 05/2015/31 über die Durchführung eines Forschungsvorhabens im Bereich Tierschutz vom 05.03.2015. Bundesanzeiger vom 17.03.2015. BAnz AT 17.03.2015 B7. S. 1. Link: http://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/09_Presse/150317_Bekanntmachung Tierschutz.pdf;jsessionid=973926981EFB8AE885D65B65F3966FC8.1_cid325?__blob=publicationFile (letzter Abruf: 21.05.2015). 4 Gemeint ist das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Anmerkung des Verfassers. 5 Für das Thema „Gewerbliche Tierbörsen“ vgl. etwa Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2006). Leitlinien zur Ausrichtung von Tierbörsen unter Tierschutzgesichtspunkten vom 01.06.2006. Link: http://www.bmel.de/DE/Tier/Tierschutz/Tierschutzgutachten/_texte/GutachtenDossier.html?docId=5614596 (letzter Abruf: 21.05.2015). Zum Thema „Tierhaltung“ finden sich die entsprechenden Leitlinien ebenfalls auf den Internetseiten des BMEL. Link: http://www.bmel.de/DE/Tier/Tierschutz/Tierschutzgutachten/_texte/Gutachten Dossier.html (letzter Abruf: 21.05.2015). Anmerkungen des Verfassers. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 6 Benötigt werden Informationen über Zahl und Art der gehaltenen Tiere ebenso wie Informationen über die Art des Erwerbs (Zoofachhandel, Internet, Tierbörse, privater/gewerblicher Verkäufer). Dabei sollte auf alle Tiergruppen (Amphibien, Reptilien, Fische, Vögel, Säugetiere) eingegangen werden. […] Besonderes Interesse besteht an der Erhebung von Daten zum Vorkommen von Tierschutzproblemen bei der Haltung von exotischen Tieren und Wildtieren. Zu diesem Zweck sollte eine Erhebung bei Tierärzten, die exotische Tiere und Wildtiere behandeln, durchgeführt werden. Inhalt der Erhebung sollten die Beobachtungen der Tierärzte zu Krankheiten sein, die aus fehlerhaften Haltungsbedingungen resultieren. Dabei sollten die Tierärzte auch um eine Einschätzung gebeten werden, welches die Ursachen für die gegebenenfalls schlechten Haltungsbedingungen sind. Auch Tierheime, Zoos und Tierauffangstationen, die ausgesetzte, abgegebene und behördliche weggenommene Tiere unterbringen, sollten in die Erhebung einbezogen werden. Nicht zuletzt sollten auch die privaten Tierhalter und Züchter um Angaben zur Tierhaltung und Einschätzung der eigenen Sachkunde gebeten werden. Wenn möglich, sollten auch Schätzungen über die Größe und die Haltungsbedingungen im Dunkelfeld abgefragt werden. […] Die erhobenen Daten sollten auch dahingehend ausgewertet werden, ob Hinweise oder Belege vorliegen, dass bestimmte Tierarten grundsätzlich nicht tierschutzgerecht gehalten werden können. Basierend auf den gewonnenen Informationen, sollen Tierschutzprobleme bei der Haltung von exotischen Tieren und Wildtieren in Privathand und deren Ursachen aufgezeigt sowie Maßnahmen vorgeschlagen werden, um diesen Problemen entgegenzuwirken.“6 Diese umfassende Darstellung des Inhalts der Ausschreibungsunterlagen verdeutlicht zum einen, dass bisher noch eine hohe Daten- und Informationsunsicherheit hinsichtlich der Frage besteht, ob und wenn ja inwiefern und weshalb Tierschutzprobleme bei der Haltung von exotischen Tieren und Wildtieren in Privathand bestehen. Zum anderen wird deutlich, dass ein Verbot von gewerblichen Tierbörsen für exotische Tiere, nur eine von möglicherweise weiteren gesetzgeberischen Optionen darstellt, um eventuell vorhandene Probleme bei der Haltung von exotischen Tieren in Privathand zu lösen. Vor dem Hintergrund der Informationsunsicherheiten und der Tatsache, dass kein konkreter Gesetzesvorschlag o. Ä. zur Prüfung vorliegt, können im Rahmen der vorliegenden Arbeit allenfalls diejenigen rechtlichen Aspekte benannt und überblicksartig erläutert werden, die seitens des Gesetzgebers bedacht werden müssten, wenn etwa unter Tierschutzgesichtspunkten ein gesetzliches 6 Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (2015). a. a. O. (Fn. 3). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 7 Verbot von gewerblichen Tierbörsen für exotische Tiere erlassen werden soll. Da ein solches Gesetz in formeller und materieller Hinsicht recht- und damit vor allem auch verfassungsmäßig sein müsste, werden nachfolgend vor allem diejenigen Vorgaben dargestellt, die sich für ein solches Gesetz aus Sicht des Verfassers aus dem Grundgesetz (GG)7 ergeben. Aufgrund des aus Art. 288 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)8 abgeleiteten Vorrangs des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts9 wird auf europarechtliche Fragestellungen aber ebenfalls eingegangen. Wegen der dargestellten Informationsunsicherheiten hinsichtlich der tatsächlichen Situation und weil kein zu prüfender Gesetzentwurf vorliegt, kann die vorliegende Arbeit keinen Anspruch darauf erheben, sämtliche bei Erlass eines solchen Gesetzes zu berücksichtigenden vor allem verfassungsrechtlichen Aspekte darzustellen. Vielmehr ist sie allenfalls als ein Beitrag in der aktuellen Debatte zu verstehen. 2. Vereinbarkeit eines gesetzlichen Verbots gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere mit Vorgaben des Europarechts In einem ersten Schritt wäre zu prüfen, ob ein derartiges Gesetz europarechtskonform wäre. Dies wäre zum einen der Fall, wenn die Bundesrepublik Deutschland und nicht die Europäische Union aufgrund der Vorgaben des Vertrages über die Europäische Union (EUV)10 sowie des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) für den Erlass derartiger Rechtsakte zum Verbot von gewerblichen Tierbörsen für exotische Tiere zuständig wäre. Zum anderen dürfte ein derartiges von der Bundesrepublik Deutschland erlassenes Gesetz nicht gegen die europäischen Grundfreiheiten verstoßen, die im AEUV geregelt sind. 2.1. Grundsätzliche europarechtliche Vorgaben für die Verteilung der Zuständigkeit zum Erlass von Rechtsakten Nach Art. 5 EUV gilt für die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Union der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung. Das bedeutet, dass die EU nur dann die Zuständigkeit für die Regelung einer konkreten Materie besitzt, wenn ihr diese ausdrücklich zugewiesen ist.11 Nach Art. 2 AEUV unterscheidet die Kompetenzordnung der EU zwischen ausschließlicher und so genannter geteilter Zuständigkeit. Wird der EU für bestimmte Bereiche durch die genannten Verträge eine ausschließlich Zuständigkeit übertragen, kann grundsätzlich nur die EU gesetzgeberisch tätig werden (Art. 2 Abs. 1 AEUV). Wird der EU hingegen für einen bestimmten Bereich eine mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit übertragen, so können 7 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2014, BGBl. I S. 2438. 8 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU Nr. C 326 vom 26.10.2012. S. 47. 9 Vgl. dazu Degenhart, Christoph (2013). Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht mit Bezügen zum Europarecht. 29. Auflage (2013). Heidelberg: C. F. Müller. S. 103. 10 Vertrag über die Europäische Union, ABl. EU Nr. C 326 vom 26.10.2012. S. 13. 11 Degenhart, Christoph (2013). a. a. O. (Fn. 9). S. 108. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 8 EU und Mitgliedstaaten in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen. Allerdings können die Mitgliedstaaten ihr Zuständigkeit nur wahrnehmen, sofern und soweit die EU ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat (Art. 2 Abs. 2 AEUV). So hat die EU etwa die ausschließlich Zuständigkeit für die Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln (Art. 3 Abs. 1 lit. b AEUV). Eine geteilte Zuständigkeit besteht etwa für den Bereich Umwelt (Art. 4 Abs. 2 lit. e AEUV). Insofern müsste vor Erlass eines Gesetzes zum Verbot von gewerblichen Tierbörsen für exotische Tiere unter Heranziehung des einschlägigen europäischen Primär- und Sekundärrechts12 geprüft werden, ob die Bundesrepublik Deutschland überhaupt für einen derartigen Erlass zuständig ist. Im Hinblick auf die Frage, ob bestehendes EU-Sekundärrecht ein Tätigwerden des deutschen Gesetzgebers verhindert, könnte die Verordnung (EG) Nr. 338/97 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels13 von erheblicher Bedeutung sein.14 So bestimmt etwa Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 338/97, dass der Kauf, das Angebot zum Kauf, der Erwerb zu kommerziellen Zwecken, die Zurschaustellung und die Verwendung zu kommerziellen Zwecken sowie der Verkauf, das Vorrätig halten, das Anbieten oder Befördern zu Verkaufszwecken von Exemplaren von im Anhang A der Verordnung bestimmten Tierarten verboten sind. Im Anhang A der Verordnung werden unterschiedliche Tierarten benannt, die, obwohl der Begriff der exotischen Tiere nicht definiert ist, aller Voraussicht nach unter diesen Begriff zu fassen sind. 2.2. Europarechtliche Grundfreiheiten Ein etwaiges Gesetz dürfte weiterhin nicht gegen die europarechtlichen Grundfreiheiten verstoßen . Dies sind die Freiheit des Warenverkehrs (Art. 28 ff. AEUV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 45 ff. AEUV), die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 ff. AEUV) sowie die Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 63 ff. AEUV). So müsste ein Gesetz zum Verbot von gewerblichen Tierbörsen für exotische Tiere insbesondere mit der Freiheit des Waren- sowie des Dienstleistungsverkehrs vereinbar sein. Insofern wäre unter Heranziehung der maßgeblichen Vorgaben des AEUV sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu prüfen, ob das entsprechende Gesetz gegen diese europarechtlichen Grundfreiheiten verstößt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Gesetz in den jeweiligen Schutzbereich der konkreten Grundfreiheit eingriffe und dieser Eingriff nicht gerechtfertigt wäre. So können etwa Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein (Art. 62 i. V. m. Art. 52 12 Die Vorgaben des EUV sowie des AEUV bilden zusammen das primäre Unionsrecht. Das sekundäre Unionsrecht ergeht auf Grundlage des Primärrechts und wird durch die Rechtsakte der EU (Richtlinien, Verordnungen, Beschlüsse sowie nicht verbindliche Empfehlungen und Stellungnahmen) gebildet. Vgl. Degenhart, Christoph (2013). a. a. O. (Fn. 9). S. 102. 13 Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 09.12.1996, ABl. Nr. L 61 vom 03.03.1997. S. 1. 14 Vgl. zu dieser Verordnung auch Hess, Karoline (2014). Artenschutz – Handel und Haltung gefährdeter Tiere. Präsentation des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit im Rahmen des SPD-Symposiums zum Wildtierhandel am 05.11.2014. Link: http://www.bna-ev.de/download/presse/Fachgespr %C3%A4ch_Wildtierhandel/2014-11-05_Symposium-Wildtierhandel-SPD_BMUB_Hess.pdf (letzter Abruf: 22.05.2015). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 9 AEUV). Und die Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit kann etwa gerechtfertigt sein, wenn sie dem Schutz von Tieren dient (Art. 36 AEUV). 3. Vereinbarkeit eines gesetzlichen Verbots gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere mit Vorgaben des Grundgesetzes Ein Gesetz zum Verbot von gewerblichen Tierbörsen für exotische Tiere müsste weiterhin mit den nationalstaatlichen Vorgaben und damit mit den Regelungen des Grundgesetzes vereinbar sein. Dabei wird klassischerweise zwischen dem Erfordernis der formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit eines Gesetz unterschieden. 3.1. Relevante Aspekte der formellen Verfassungsmäßigkeit für die Frage nach der Zulässigkeit eines Gesetzes zum Verbot gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere Das Gesetz wäre dann formell verfassungsgemäß, wenn es unter Berücksichtigung der maßgeblichen Vorgaben im Hinblick auf Gesetzgebungszuständigkeit und Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen wäre. 3.1.1. Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeit im Grundgesetz Nach Art. 70 GG haben die Länder Gesetzgebungsbefugnis, soweit das Grundgesetz sie nicht dem Bund verleiht. Dabei erfolgt die Abgrenzung zwischen den Gesetzgebungsbefugnissen des Bundes und der Länder nach den Vorschriften über die ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung . Nach den oben dargestellten tatsächlichen Hintergründen würde ein Gesetz zum Verbot gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere aller Voraussicht nach mit Erwägungen zum Tierschutz begründet . Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit auch auf den Bereich des Tierschutzes. Nach den Vorgaben des Art. 72 GG haben die Länder für Bereiche der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Dabei gilt für den Bereich des Tierschutzes , dass der Bund nur dann das Gesetzgebungsrecht hat, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse ein bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht (Art. 72 Abs. 2 GG). Ein Bundesgesetz zum Verbot gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere müsste diese Kriterien und Vorgaben erfüllen. Insbesondere wäre das Gesetz nur dann verfassungsgemäß, wenn es zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechtsoder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich wäre. 3.1.2. Gesetzgebungsverfahren Weiterhin müssten die Vorgaben der Art. 76 ff. GG für das Gesetzgebungsverfahren beachtet werden . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 10 3.2. Relevante Aspekte der materiellen Verfassungsmäßigkeit für die Frage nach der Zulässigkeit eines Gesetzes zum Verbot gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere Ein gesetzliches Verbot gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere, das in formeller Hinsicht verfassungsgemäß ist, müsste darüber hinaus auch in materieller Hinsicht verfassungsgemäß sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Gesetz mit den Grundrechten und darüber hinaus mit weiteren insbesondere rechtsstaatlichen Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist. 3.2.1. Vereinbarkeit mit Grundrechten Sollte ein gesetzliches Verbot gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere erlassen werden, müsste das entsprechende Gesetz aller Voraussicht nach insbesondere mit der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG sowie der Allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar sein. Insofern werden nachfolgend die wesentlichen Grundzüge beider Grundrechte überblicksartig dargestellt. 3.2.1.1. Art. 12 Abs. 1 GG – Berufsfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Berufsfreiheit. Die Norm lautet: „Art 12 (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. […]“ 3.2.1.1.1. Schutzbereich und Eingriff Die Norm schützt u. a. die Wahl eines Berufes sowie seine Ausübung (Schutzbereich). Beruf ist dabei jede auf Dauer angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit .15 Dabei umfasst das Tatbestandsmerkmal „Beruf“ nicht nur gesellschaftlich oder rechtlich vorgeprägte Berufsbilder, sondern ist als ein weit auszulegender, aufgrund der fortschreitenden technischen, sozialen oder wirtschaftlichen Entwicklung prinzipiell offener Begriff zu verstehen .16 Das Veranstalten von gewerblichen Tierbörsen für exotische Tiere könnte daher als Beruf im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG anzusehen sein. Allerdings könnte argumentiert werden, das Veranstalten von Tierbörsen an sich sei zwar ein Beruf im Sinne der Norm. Das Veranstalten von Tierbörsen für exotische Tiere sei dabei allerdings nur eine denkbare Form der Ausübung dieses Berufs. Diese Diskussion ist allerdings für die Frage, ob das Veranstalten von Tierbörsen für exotische Tiere in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fällt, unbeachtlich. Diese Frage wäre 15 Epping, Volker (2015). Grundrechte. In Zusammenarbeit mit Sebastian Lenz und Philipp Leydecker. 6. Auflage (2015). Springer-Lehrbuch. Springer Verlag: Berlin, Heidelberg. Rn. 378. 16 Mann, Thomas (2014). In: Sachs, Michael (Hrsg.). Grundgesetz. Kommentar. 7. Auflage (2014). C.H.Beck: München . Art. 12 Rn. 43. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 11 wohl zu bejahen, weil die speziellere Tätigkeit in der allgemeineren Tätigkeit aufgeht und der Berufsbegriff ohnehin weit auszulegen ist. Für die weiter unten zu prüfende Frage, ob und wie Eingriffe in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt sein können, wäre diese Diskussion jedoch zu führen und der (gegebenenfalls gerichtlichen) Entscheidung dieser Frage käme erhebliche Bedeutung zu. Weiterhin wäre zu prüfen, ob ein Gesetz, das die Durchführung solcher Veranstaltungen verbieten würde, einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellte. Klassischerweise liegt ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG vor, wenn - die Beeinträchtigung des grundrechtlichen Schutzbereichs durch das staatliche Handeln gerade bezweckt ist (Finalität), - die Grundrechtsbeeinträchtigung dem staatlichen Handeln ohne Zwischenursachen folgt (Unmittelbarkeit), - der in Rede stehende Rechtsakt durch rechtliche und nicht bloß tatsächliche Wirkungen gekennzeichnet ist (Rechtsakt) und - das staatliche Handeln auf eine verbindliche Anordnung gerichtet ist bzw. nötigenfalls mit Befehl und Zwang durchgesetzt werden kann (Imperativität).17 Je nach konkreter Ausgestaltung des Gesetzes könnten diese Voraussetzungen bei einem gesetzlichen Verbot gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere erfüllt sein. 3.2.1.1.2. Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG – Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts Insofern müsste geprüft werden, ob Rechtfertigungsgründe vorliegen, die einen derartigen Grundrechtseingriff legitimierten. Aufgrund des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und des Wortlauts des Art. 12 Abs. 1 GG ist dafür in jedem Fall ein Gesetz erforderlich (Gesetzesvorbehalt ).18 Dieses Gesetz müsste seinerseits verhältnismäßig sein. Dazu heißt es bei Epping, Volker (2015): „Das BVerfG[19] trägt dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 GG dadurch Rechnung, dass es die Voraussetzungen einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Eingriffe unterschiedlich beurteilt. Ansonsten würde durch die Konstruktion eines einheitlichen Schutzbereiches der „Berufsfreiheit“ überspielt, dass gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG ausdrücklich nur die Berufsausübung, nicht jedoch die Wahl des Berufes geregelt werden kann. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene umso stärker in seinen Rechten eingeschränkt wird, je stärker die Berufswahlfreiheit betroffen ist. Es besteht ein Unterschied, ob der Einzelne bereits daran gehindert wird, seinen Wunschberuf zu ergreifen, oder ob er lediglich – etwa durch eine Hygienevorschrift – in der Ausübung des von ihm gewählten Berufes 17 Epping, Volker (2015). a. a. O. (Fn. 15). Rn. 392. 18 Details dazu bei Epping, Volker (2015). a. a. O. (Fn. 15). Rn. 404 ff. sowie Mann, Thomas (2014). a. a. O. (Fn. 16). Art. 12 Rn. 108 ff. 19 Bundesverfassungsgericht. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 12 eingeschränkt wird. Um den unterschiedlichen Eingriffsintensitäten gerecht zu werden, hat das BVerfG […] die sog. Drei-Stufen-Theorie entwickelt. Danach ist zu unterscheiden, ob ein Eingriff in die Berufsausübung vorliegt oder die Berufswahl betroffen ist, wobei im letzten Fall wiederum zwischen subjektiven und objektiven Zulassungsvoraussetzungen zu unterscheiden ist.“20 Die Berufsausübung („Wie“ der beruflichen Tätigkeit) umfasst die Modalitäten (Art und Weise), in denen sich die berufliche Tätigkeit vollzieht. Entscheidend ist, dass der Einzelne durch die entsprechende hoheitliche Regelung weder davon abgehalten wird, den Beruf zu ergreifen, noch dazu gezwungen wird, den Beruf aufzugeben. […] Von der Berufsausübung ist die Berufswahl zu unterscheiden. Die Berufswahl betrifft das „Ob“ der beruflichen Tätigkeit, d. h. ob der Einzelne das Recht hat, einen bestimmten Beruf auszuwählen. An dieser Stelle ist zwischen subjektiven und objektiven Berufszulassungsvoraussetzungen zu unterscheiden. […] Eine subjektive Zulassungsvoraussetzung liegt dann vor, wenn dem Betroffenen der Zugang zu der von ihm angestrebten beruflichen Betätigung aus Gründen erschwert oder unmöglich gemacht wird, die in seiner Person zu finden sind. Nach der Rechtsprechung des BVerfG kommt es hingegen nicht darauf an, ob er die Erfüllung der Voraussetzungen beeinflussen kann. Hier sind insbesondere persönliche Eigenschaften und Fertigkeiten sowie Ausbildungserfordernisse zu nennen. […] Eine hoheitliche Maßnahme stellt dann eine objektive Zulassungsvoraussetzung dar, wenn der Zugang zu einem bestimmten Beruf an Voraussetzungen geknüpft wird, die außerhalb der Person des Berufswilligen liegen und von seinen persönlichen Eigenschaften wie der Qualifikation unabhängig sind. In diese Kategorie gehören die Verwaltungsmonopole wie etwa das Spielbankmonopol.“21 Insofern wäre an dieser Stelle die bereits oben angedeutete Diskussion zu führen und zu entscheiden , ob ein gesetzliches Verbot der Veranstaltung von gewerblichen Tierbörsen für exotische Tiere als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit oder als Eingriff in die Berufswahlfreiheit zu qualifizieren wäre und, sollte Letzteres bejaht werden, ob durch das in den Schutzbereich des Grundrechts eingreifende Gesetz subjektive oder objektive Zulassungsvoraussetzungen aufgestellt 20 Epping, Volker (2015). a. a. O. (Fn. 15). Rn. 409. Fettung ist Bestandteil des Originals. 21 Epping, Volker (2015). a. a. O. (Fn. 15). Rn. 411 ff. Fettungen sind Bestandteil des Originals. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 13 werden. Das Ergebnis wäre entscheidend für die Beantwortung der Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit dieser konkrete Eingriff im Sinne der Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts gerechtfertigt ist.22 Dazu heißt es bei Epping, Volker (2015): „Bei einem Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung („wie“ – erste Stufe) findet eine ganz normale Verhältnismäßigkeitsprüfung statt. Ausreichend ist jeder legitime Zweck. Anschließend wird geprüft, ob das eingesetzte Mittel zur Zweckerreichung geeignet, erforderlich und angemessen ist. Werden subjektive Zulassungsvoraussetzungen aufgestellt, d. h. liegt ein Eingriff auf der zweiten Stufe („ob“) vor, so muss dieser Eingriff dem Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts dienen. Dies ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung beim Prüfungspunkt „legitimer“ Zweck zu prüfen. Als besonders wichtige Gemeinschaftsgüter wurden vom BVerfG etwa anerkannt: die Sicherheit der Energieversorgung[…], die geordnete Steuerrechtspflege […], der Rechtsfrieden[…], Verringerung der Arbeitslosigkeit sowie die finanzielle Stabilität des Systems der sozialen Sicherung[…]. Für die Erforderlichkeit gilt eine Besonderheit . Zu prüfen ist, ob ein Eingriff auf der ersten Stufe zur Zweckerreichung ausreicht , da ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung grundsätzlich als ein milderes Mittel angesehen wird. Eingriffe in die Berufswahl, die auf objektiven Zulassungsvoraussetzungen beruhen, stellen für den Einzelnen besonders intensive Einschränkungen dar. Schließlich hängt der Berufszugang hier von Faktoren ab, die von den Eigenschaften der Person und ihren Einflussmöglichkeiten völlig unabhängig sind. Dementsprechend dürfen objektive Zulassungsvoraussetzungen nur zur Abwehr schwerer, nachweisbarer bzw. höchstwahrscheinlicher Gefahren zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts dienen. Entsprechende Schutzgüter sind beispielsweise die Sicherung der Volksgesundheit[…], der Volksernährung[…], die Funktionsfähigkeit der Universitäten[…] und der Rechtspflege[…]. Darüber hinaus muss die objektive Zulassungsvoraussetzung zwingend erforderlich sein, wobei sich die Erforderlichkeit auch auf den Eingriff auf der dritten Stufe beziehen muss, d. h. eine Regelung auf einer niedrigeren Stufe darf nicht in gleichem Maße Erfolg versprechend sein. Die erste und zweite Stufe sind also als mildere Mittel anzusehen.“23 Unabhängig von der Frage, ob ein gesetzliches Verbot der Durchführung gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere ein Eingriff in die Berufsausübungs- oder Berufswahlfreiheit darstellte, ergibt sich aus diesen Erwägungen auch, dass die Frage, ob ein solches gesetzliches Verbot verhältnismäßig ist – also geeignet, erforderlich und angemessen in Hinblick auf die Erreichung eines legitimen Zwecks –, erst beantwortet werden kann, wenn die Ergebnisse des oben genannten Forschungsvorhabens vorliegen. Erst bei Vorliegen konkreter belastbarer Daten und Informationen hinsichtlich eventuell bestehender Problem kann konkret geprüft werden, ob und inwieweit ein solches gesetzliches Verbot unter Tierschutzgesichtspunkten und – etwa bei giftigen exotischen Tieren – unter Gesichtspunkten der Volksgesundheit verhältnismäßig wäre. 22 Grundsätzlich dazu Epping, Volker (2015). a. a. O. (Fn. 15). Rn. 417. 23 Epping, Volker (2015). a. a. O. (Fn. 15). Rn. 419 ff. Fettungen sind Bestandteil des Originals. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 14 3.2.1.2. Subsidiarität allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG Daneben könnte ein gesetzliches Verbot der Durchführung gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere an der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG zu messen sein. Die Norm lautet: „Art 2 (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. […]“ Zum Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG heißt es bei Murswiek, Dietrich (2014): „[Art. 2 Abs. 1 GG] schützt nicht nur die Integrität der Persönlichkeit, sondern auch ihre Selbstverwirklichung in der sozialen Umwelt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG und der ganz herrschenden Literaturmeinung wird sogar die umfassende Freiheit, zu tun und zu lassen, was man will – die „allgemeine Handlungsfreiheit“ – gewährleistet […]. Art. 2 I fungiert daher als allgemeines Freiheitsrecht, das gegen jede staatliche Freiheitsbeschränkung Schutz bietet, welche nicht in den Schutzbereich eines Spezialfreiheitsrechts fällt. Die Garantie der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 I hat eine „Auffangfunktion“: Sie gewährleistet die Lückenlosigkeit des Grundrechtsschutzes. Jeder staatliche Freiheitseingriff muss sich an einem Grundrecht messen lassen – wenn nicht an einem speziellen Freiheitsrecht, dann an Art. 2 I.“24 Im Hinblick auf die Bedeutung möglicher Konkurrenzen von speziellen Freiheitsrechten mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit belastender staatlicher Handlungen heißt es bei Epping, Volker (2015): „Versteht man Art. 2 Abs. 1 GG als „allgemeine Handlungsfreiheit“, die durch jeden belastenden Hoheitsakt betroffen ist, ist das Zusammentreffen des Art. 2 Abs. 1 GG mit speziellen Freiheitsrechten eher die Regel als die Ausnahme. Jede Beeinträchtigung eines speziellen Freiheitsrechts stellt zugleich eine Beeinträchtigung des Art. 2 Abs. 1 GG dar. Daraus ergibt sich bereits das Konkurrenzverhältnis in diesen Fällen: Die besonderen Freiheitsrechte gehen Art. 2 Abs. 1 GG im Wege der Spezialität vor; Art. 2 Abs. 1 GG tritt als subsidiär zurück und stellt kein eigenhändiges Element der Prüfung dar.“25 Wie gezeigt wird ein gesetzliches Verbot der Durchführung gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere vorrangig mit der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sein müssen. Insofern 24 Murswiek, Dietrich (2014). In: Sachs, Michael (Hrsg.). Grundgesetz. Kommentar. 7. Auflage (2014). C.H.Beck: München. Art. 2 Rn. 10. Fettungen sind Bestandteil des Originals. 25 Epping, Volker (2015). a. a. O. (Fn. 15). Rn. 577. Fettungen sind Bestandteil des Originals. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 15 wäre dieses gesetzliche Verbot nicht an Art. 2 Abs. 1 GG zu prüfen. Im Übrigen wäre ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG durch dieses Gesetz dann gerechtfertigt, wenn es formell und materiell verfassungsmäßig und damit insbesondere verhältnismäßig wäre.26 3.2.2. Vereinbarkeit mit sonstigen Verfassungsgrundsätzen Neben der Vereinbarkeit mit den Grundrechten dürfte ein gesetzliches Verbot gewerblicher Tierbörsen für exotische Tiere auch nicht gegen die sonstigen im konkreten Fall einschlägigen Verfassungsgrundsätze verstoßen. Die nachfolgende Auflistung ist dabei allerdings nicht abschließend und soll lediglich einen Überblick darstellen. Die vollständige Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines solchen gesetzlichen Verbots ist vor Erlass eines entsprechenden Gesetzes nicht möglich. 3.2.2.1. Vorgaben des Art. 19 GG Da, wie gezeigt, ein solches Gesetz die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG einschränken könnte, müssten die Vorgaben des Art. 19 Abs. 1, 2 GG beachtet werden. Die Norm lautet: „Art 19 (1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen. (2) In keinem Fall darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden. […]“ Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist ein Gesetz dann „allgemein“ im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG und damit kein Einzelfallgesetz, „wenn sich wegen der abstrakten Fassung der gesetzlichen Tatbestände nicht absehen lässt, auf wie viele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet […], wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolgen möglich ist […]. Daß der Gesetzgeber eine Anzahl konkreter Fälle vor Augen hat, die er zum Anlass seiner Regelung nimmt, verleiht dieser nicht den Charakter eines Einzelfallgesetzes, wenn sie nach der Art der in Betracht kommenden Sachverhalte geeignet ist, unbestimmt viele weitere Fälle zu regeln […].“27 26 Dazu Epping, Volker (2015). a. a. O. (Fn. 15). Rn. 570 ff, 576. 27 Bundesverfassungsgericht (1999). Urteil vom 02.03.1999 – 1 BvL 2-91. Neue Juristische Wochenschrift (NJW). 52. Jahrgang (1999). S. 1539. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 – 067/15 Seite 16 3.2.2.2. Verfassungsprinzipien des Art. 20 GG Weiterhin müssten die Verfassungsprinzipien beachtet werden, die in Art. 20 GG niedergelegt sind. Dazu gehören etwa das Demokratie-, das Rechtsstaats-, das Sozialstaats- sowie das Bundesstaatsprinzip . Aus dem Rechtsstaatsprinzip wird u. a. das Bestimmtheitsgebot abgeleitet. Dazu heißt es bei Degenhart , Christoph (2013): „Das Gebot der Bestimmtheit der Norm folgt aus dem Gebot der Rechtssicherheit als einem „Unterprinzip“ des Rechtsstaatsprinzips. […] In jedem Fall bedeutet Klarheit und Bestimmtheit der Norm Erkennbarkeit des vom Gesetzgeber Gewollten. Dass das Gesetz auslegungsbedürftig ist, steht dem noch nicht entgegen, ebenso wenig die Verwendung von Generalklauseln, deren Bedeutung durch Verwaltung und Rechtsprechung zu konkretisieren ist.“28 28 Degenhart, Christoph (2013). a. a. O. (Fn. 9). S. 142. Fettungen und Kursivschreibweise sind Bestandteil des Originals.