© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 066/20 - Finanzhilfen für die Deutsche Bahn AG – verkehrsrechtliche Aspekte Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Subsidiarität der Hilfen 9 3.3. Nachweise für den Finanzbedarf 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 066/20 Seite 4 1. Fragestellung Dem Auftrag liegen Einzelfragen zu verkehrsrechtlichen Aspekten bei der Gewährung von Finanzhilfen des Bundes an die Deutsche Bahn AG zugrunde: – Gibt es gesetzliche Vorgaben, die den Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn dazu verpflichten , die Deutschen Bahn AG finanziell zu unterstützen? Falls ja, unter welchen Voraussetzungen ? – Gibt es gesetzliche Anforderungen, die besagen, dass die Deutsche Bahn AG die Ursachen für ihre aktuelle finanziellen Lage nachweisen muss, um finanzielle Hilfen durch die Bundesregierung zu erhalten? – Gibt es gesetzliche Vorgaben, die Unternehmen, die in Konkurrenz zu der Deutschen Bahn AG stehen, vor einer Benachteiligung auf Grund der finanziellen Hilfen für die Deutsche Bahn AG durch die Bundesregierung schützen? – Haben andere Unternehmen, die sich nachweislich in einer vergleichbaren finanziellen Lage wie die Deutsche Bahn AG befinden, ebenfalls einen Anspruch auf finanzielle Mittel von Seiten der Bundesregierung? Die Fragen stellen sich insbesondere vor dem Hintergrund der Ausgabeermächtigung für die Erhöhung des Eigenkapitals der Deutsche Bahn AG in Höhe von 5 Milliarden Euro im Rahmen des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes. Dieses Gesetz wurde zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie verabschiedet.1 Diese Ausarbeitung beschränkt sich auf die verkehrsrechtlichen Aspekte der Gewährung der Hilfen. Die haushaltsrechtlichen Fragen sowie die Vorschriften des EU-Wettbewerbsrechts sind nicht Gegenstand der hiesigen Ausführungen.2 2. Gewährleistungsverantwortung (Art. 87 Abs. 4 S. 1 GG) 2.1. Umfang Es stellt sich die Frage, inwieweit der Bund dazu verpflichtet sei, die Deutsche Bahn AG im Zuge der Corona-Krise finanziell zu unterstützen. Verkehrsrechtlicher Anknüpfungspunkt für die Beantwortung ist Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG. Diese Vorschrift lautet wie folgt: „Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen , beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.“ 1 Vgl. Plenarprotokoll 19/170 vom 2. Juli 2020, S. 21160 D sowie Bundestags-Drs. 19/20000 vom 17. Juni 2020, Bundestags-Drs. 19/20001 vom 1. Juli 2020 sowie Bundestags-Drs. 19/20600 und 19/20601 vom 2. Juli 2020. 2 Die haushaltsrechtlichen Aspekte sowie das EU-Wettbewerbsrecht haben die Fachbereiche WD 4 (WD 4 – 3000 – 069/20) und PE 6 (PE 6 – 3000 – 062/20) untersucht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 066/20 Seite 5 Dieser Gewährleistungsauftrag nach Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG bezieht sich auf die Eisenbahninfrastruktur („Ausbau und Erhalt des Schienennetzes“) und die Eisenbahnverkehrsangebote („Verkehrsangebote “). Ausgenommen davon bleibt der Schienenpersonennahverkehr. Diese Ausnahme bezieht sich nur auf das Verkehrsangebot, nicht aber auf die Vorhaltung der (multifunktionalen ) Eisenbahninfrastruktur.3 Für das Verkehrsangebot im Schienenpersonennahverkehr sind nach Art. 143a Abs. 3 GG die Länder zuständig. Der Bund besitzt keine Gewährleistungsverantwortung in Bezug auf andere Geschäftstätigkeiten der Deutschen Bahn AG, die nicht den in Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG genannten Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie die dort genannten Verkehrsangebote auf diesem Schienennetz betreffen. 2.2. Weites Gestaltungsermessen Die Ausfüllung des Auftrags muss sich am Wohl der Allgemeinheit orientieren. Damit sind insbesondere die Verkehrsbedürfnisse, d. h. die nachweisbare Nachfrage nach Verkehrsleistungen gemeint. Die Gemeinwohlfokussierung steht der Berücksichtigung anderer Belange, z. B. des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes, nicht entgegen. Dem Verkehrsbedürfnis wird in der Vorschrift besonderes Gewicht, aber kein automatischer Vorrang eingeräumt („insbesondere“). Zielkonflikte mit der durch Art. 87 Abs. 3 S. 1 garantierten Privatwirtschaftlichkeit („Führung als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form“) sind im Wege der Abwägung auszugleichen. Bei der Erfüllung des Gewährleistungsauftrags im Einzelnen hat der Bund ein weites Gestaltungsermessen . Eine Bestandsgarantie für einzelne Strecken kann aus Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG nicht abgeleitet werden. Jedoch wäre ein massiver oder kontinuierlicher Abbau des Schienennetzes im Hinblick auf die Gewährleistungsverantwortung des Bundes unzulässig. Eine adäquate Grundversorgung ist zu gewährleisten; eine optimale, flächendeckende Schieneninfrastruktur und Aufrechterhaltung des Status quo ist nicht erforderlich.4 Zur Erfüllung des Auftrags kommen z. B. Planungs- und Finanzierungsmittel bei der Eisenbahninfrastruktur oder der Einkauf von Dienstleistungen bei den Verkehrsangeboten in Betracht.5 2.3. Infrastrukturunternehmen Der Bund kann Minderheitsanteile an seinen Eisenbahninfrastrukturunternehmen grundsätzlich an Private veräußern. Dazu bedarf es eines förmlichen Gesetzes (Art. 87e Abs. 3 S. 3, 1. HS GG). Bei einer solchen Veräußerung muss die Mehrheit der Anteile stets beim Bund verbleiben (Art. 87e Abs. 3 S. 3, 2. HS GG). Eisenbahninfrastrukturunternehmen müssen im Eigentum des Bundes verbleiben, soweit die Tätigkeit des Unternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfasst (Art. 87e Abs. 3 S. 2 GG). 3 Gersdorf, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 87e GG, Rn. 67. 4 Windhorst, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 87e, Rn. 63 und 64. 5 Remmert, in: Epping/Hillgruber, Beck-Online Kommentar Grundgesetz, 43. Edition (Stand 15. Mai 2020), Art. 87e, Rn. 19. Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2016, Az.: 10 C 7.15, Rn. 26, abrufbar unter https://www.bverwg.de/140616U10C7.15.0. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 066/20 Seite 6 Für Unternehmen, von denen die eigentliche Verkehrsleistung erbracht wird (Eisenbahnverkehrsunternehmen des Bundes), gelten diese Einschränkungen des Art. 87e Abs. 3 GG (Schienenwegevorbehalt ) hingegen nicht. Für die Privatisierung ist kein Gesetz erforderlich, der Bund kann seine Anteile vollständig oder mehrheitlich aufgeben. Aufgrund dieser Besonderheit geht die Literatur wohl eher davon aus, dass die Infrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn AG nicht insolvenzfähig sind.6 Insoweit könnten je nach Einzelfall Finanzhilfen des Bundes erforderlich werden.7 2.4. Bestimmtes Eisenbahnunternehmen? Den Bund trifft aufgrund des Gewährleistungsauftrags keine Verantwortung, den Gewährleistungsauftrag durch ein bestimmtes Eisenbahnunternehmen (Infrastruktur und/oder Verkehr) zu erfüllen. Art. 87e Abs. 4 GG enthält nämlich keine Verpflichtung, ein bestimmtes Eisenbahnunternehmen zu führen oder zu erhalten.8 2.5. Berichte von Bundesrechnungshof und Gutachten der Monopolkommission Bei der Beurteilung der Einhaltung von Art. 104a Abs. 1 GG hat der Bundesrechnungshof auf die erforderliche Einhaltung der Grenzen des in Art. 87e Abs. 4 GG beschriebenen Aufgabenbereiches des Bundes hingewiesen. Nach Art. 104a Abs. 1 GG tragen Bund und Länder – vorbehaltlich anderweitiger grundgesetzlicher Bestimmungen – gesondert die Ausgaben, die sich aus der Finanzierung ihrer Aufgaben ergeben. Die Finanzierung knüpft an die wahrzunehmende Aufgabe an. Die Ausgabentragung ist eine Kompetenz. Kompetenz bedeutet dabei Finanzierungspflicht 6 Gegen eine Insolvenzfähigkeit Gersdorf, in: DVBl 2009, 942 (951f.) mit verfassungsrechtlicher Begründung; Bredt, in N&R 2010, 151 (156) spricht insbesondere von „nicht weiter begründeten Behauptungen“ der Insolvenzunfähigkeit , ohne aber auf die Begründung von Gersdorf einzugehen; für eine Insolvenzfähigkeit wohl Möstl , in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 80. Einzellieferung, Juni 2017, Art. 87e, Rn. 122, unter Berufung auf Bredt; siehe auch Zecher, Insolvenzrisiko eines staatlichen Verkehrsunternehmens am Beispiel der Deutschen Bahn, 2009, S. 138: „Eine Liquidation eines EIUs […] ist jedoch auf Grund der Vorschrift des Art. 87e Abs. 3 GG nicht denkbar“. 7 Siehe aber Zecher, Insolvenzrisiko eines staatlichen Verkehrsunternehmens am Beispiel der Deutschen Bahn, 2009, S. 138, mit dem ausdrücklich theoretischen Szenario einer Liquidation mit sofortiger Neugründung eines Infrastrukturunternehmens und Übernahme der Infrastruktur. 8 Vgl. die Verwendung des Plurals „Eisenbahnen des Bundes“ im Hinblick auf Bau, Erhaltung und Betreiben der Schienenwege (Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG). So wird keine bestimmte Zahl von Eisenbahnunternehmen des Bundes vorgeschrieben. Vgl. Möstl, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 82. Einzellieferung, Januar 2018, Art. 87e, Rn. 181. Siehe auch Zecher, Insolvenzrisiko eines staatlichen Verkehrsunternehmens am Beispiel der Deutschen Bahn, 2009, S. 137, sowie Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste (WD 7 – 3000 – 024/16) vom 22. Februar 2016 („Insolvenz von Eisenbahnunternehmen nach Artikel 87e Absatz 3 GG“), abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/416958/94a8e5e6132a0bedb6686557aa4cac12/WD-7-024-16-pdfdata .pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 066/20 Seite 7 und Finanzierungsbefugnis.9 In seinem Bericht an den Haushaltsausschuss zur oben genannten Eigenkapitalerhöhung hat der Bundesrechnungshof Folgendes ausgeführt: „Artikel 104a Grundgesetz bestimmt, dass der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben tragen , die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Nach Artikel 87e Absatz 4 Grundgesetz gewährleistet der Bund, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen , beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz Rechnung getragen wird. Dies gilt explizit nicht für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Dazu gehören nicht nur DB Regio in Deutschland, sondern insbesondere auch Arriva, die zudem SPNV außerhalb Deutschlands in ganz Europa durchführt. Ebenfalls nicht zu den Bundesaufgaben gehört die Ausübung von Logistikgeschäften (z. B. Schenker) und das Einsetzen von Wagniskapital in Geschäftsbereiche, die ebenfalls nicht dem Bund zur Aufgabenwahrnehmung übertragen wurden, beispielsweise die Geschäftstätigkeiten in Formen der New Mobility, die dem ‚Tür-zu-Tür-Geschäft auf dem letzten Kilometer ‘ zuzuordnen sind. Diese Verkehrsformen werden vorwiegend auf der Straße und zur Ergänzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) angeboten. Sie unterfallen daher ebenfalls nicht der Finanzierungskompetenz des Bundes. Es ist daher zu vermeiden, dass über die beabsichtigte erneute Eigenkapitalerhöhung aus dem Bundeshaushalt Aufgaben finanziert werden, die nicht zu den Bundesaufgaben gehören.“10 In ihrem Siebten Sektorgutachten Bahn vom 25. Juli 2019 führte die Monopolkommission – unter Bezugnahme auf den Bundesrechnungshof11 – wie folgt aus: „25. Es liegt im öffentlichen Interesse, dass der Bund im Rahmen seines grundgesetzlichen Gewährleistungsauftrages verpflichtet wird, dass Ausbau und Erhalt des Schienennetzes und die Verkehrsangebote der Eisenbahnen des Bundes auf diesem Schienennetz dem Wohl der Allgemeinheit Rechnung tragen. Im Gegensatz dazu ist es nicht dem öffentlichen Interesse zuträglich, dass der Staat über seine Beteiligung an der DB-Gruppe auf ausländischen Wettbewerbsmärkten aktiv wird und das damit verbundene wirtschaftliche Risiko trägt. Jüngst konstatierte der Bundesrechnungshof, dass sich aus der internationalen Geschäftstätigkeit der DB-Gruppe keine positiven Effekte für die deutsche Eisenbahninfrastruktur- und die Eisenbahnverkehrsunternehmen des Bundes ergäben. So fänden alle im Ausland realisierten Gewinne zwar Berücksichtigung 9 Vgl. Kube, in: Epping/Hillgruber, Beck-Online Kommentar Grundgesetz, 43. Edition (Stand 15. Mai 2020), Art. 104a Rn. 5. 10 Bericht des Bundesrechnungshofes an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung (BHO), 25. Mai 2020, Nummer 9.4., S. 56, abrufbar unter https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/beratungsberichte/langfassungen/langfassungen -2020/2020-bericht-aktuelle-erkenntnisse-zur-wirtschaftlichen-lage-und-zum-corona-bedingtenzusaetzlichen -finanzierungsbedarf-des-db-ag-konzerns-pdf. (Hervorhebung durch Autor). 11 Vgl. Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO zur strukturellen Weiterentwicklung und Ausrichtung der Deutschen Bahn AG am Bundesinteresse, 17. Januar 2019, Tz. 4.1.1., S. 14, abrufbar unter https://www.bundesrechnungshof .de/de/veroeffentlichungen/produkte/beratungsberichte/langfassungen/langfassungen-2020/2020- bericht-aktuelle-erkenntnisse-zur-wirtschaftlichen-lage-und-zum-corona-bedingten-zusaetzlichen-finanzierungsbedarf -des-db-ag-konzerns-pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 066/20 Seite 8 in der Ertragslage des gesamten Konzerns, diese würden allerdings nicht in dem deutschen Eisenbahnverkehrsmarkt zu Gute kommen, sondern im Ausland reinvestiert. Demgegenüber trägt der Staat als Eigentümer der DB-Gruppe mit ihren inländischen Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen die Geschäftsrisiken der internationalen Aktivitäten, welche je nach Geschäftsfeld und Gerichtsbarkeit in erheblichem Maße variieren können. Aus diesem Grund ist insbesondere auch die Veräußerung der Arriva PLC und der DB Schenker AG anzustreben.“12 Der Bericht des Bundesrechnungshofes vom 25. Mai 2020 zitiert die Sicht der Bundesregierung, wonach die derzeit angestrebte Eigenkapitalerhöhung erforderlich ist, „um die Finanzierungsfähigkeit des DB AG-Konzerns auch mit Blick auf die Großbeteiligungen sicherzustellen“.13 Zu den Großbeteiligungen sollen nach dem vorgenannten Bericht auch „Schenker und Arriva“ gehören.14 Letztlich kommt es entscheidend auf die Frage an, ob die Hilfen betriebswirtschaftlich dazu dienen , dass weiterhin eine Mindestversorgung in den Bereichen Schienenwegeinfrastruktur und Verkehrsangebot im Fernverkehr (vgl. Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG) sichergestellt ist. Eine entsprechende betriebswirtschaftliche Analyse und Untersuchung der zwischen den Konzerngliedern der Deutsche Bahn AG greifenden Wechselwirkungen ist nur auf Grundlage interner Finanzdaten des Konzerns möglich und würde im Übrigen den Rahmen dieser Ausarbeitung sprengen. 2.6. Nachweise für den Finanzbedarf Bei der Frage, inwieweit der Finanzbedarf der Deutschen Bahn AG nachzuweisen ist, hält der Bundesrechnungshof eine Behandlung für geboten, die sich mit anderen Wirtschaftsunternehmen vergleichen lässt, die Corona-bedingte Hilfsmaßnahmen des Bundes beanspruchen (dazu unten unter Abschnitt 3.3.). In dem Zusammenhang fordert er insbesondere Nachweise zum Liquiditätsbedarf und zur Frage, inwiefern dieser durch die Corona-Pandemie verursacht wurde.15 3. Wirtschaftsstabilisierungsfonds Unter dem „Maßnahmenpaket für Unternehmen gegen die Folgen des Corona-Virus“ können Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen finanzielle Hilfen erhalten. Dabei geht es z. B. um Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen, Kredite, Bürgschaften oder Hilfen für Löhne und Gehälter, Steuern und Sozialversicherungen sowie Absicherung von Exportgeschäften . Der im Zuge der Corona-Pandemie errichtete Wirtschaftsstabilisierungsfonds 12 Monopolkommission, Siebtes Sektorgutachten Bahn, Mehr Qualität und Wettbewerb auf die Schiene, 2019, Tz. 25, abrufbar unter https://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/7sg_bahn_volltext.pdf. (Hervorhebung durch Autor). 13 Vgl. dazu Bericht des Bundesrechnungshofes, Bericht des Bundesrechnungshofes an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung (BHO), 25. Mai 2020, Nummer 7, S. 50, abrufbar unter https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/beratungsberichte/langfassungen /langfassungen-2020/2020-bericht-aktuelle-erkenntnisse-zur-wirtschaftlichen-lage-und-zum-coronabedingten -zusaetzlichen-finanzierungsbedarf-des-db-ag-konzerns-pdf. 14 Vorige Fn., S. 30. 15 Bundesrechnungshof, a. a. O. (Fn. 13), Nummer 9.2., Seite 54. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 066/20 Seite 9 stellt zudem branchenübergreifend Hilfen zur Stärkung der Kapitalbasis und zur Überwindung von Liquiditätsengpässen bereit.16 3.1. Allgemeine Voraussetzungen Nach § 16 Abs. 1 des Stabilisierungsfondsgesetzes (StFG)17 dient der Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Stabilisierung von Unternehmen der Realwirtschaft durch Überwindung von Liquiditätsengpässen und durch Schaffung der Rahmenbedingungen für eine Stärkung der Kapitalbasis von Unternehmen, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt hätte. Unternehmen des Finanzsektors sind keine Unternehmen der Realwirtschaft (vgl. § 16 Abs. 2 StFG). Die Unternehmen müssen in den letzten beiden bereits bilanziell abgeschlossenen Geschäftsjahren vor dem 1. Januar 2020 mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt haben: 1. eine Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro, 2. mehr als 50 Millionen Euro Umsatzerlöse sowie 3. mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt. 3.2. Subsidiarität der Hilfen Nach § 25 Abs. 1 des StFG dürfen anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Durch die Stabilisierungsmaßnahmen muss eine klare eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Pandemie bestehen. Zudem dürfen Unternehmen, die eine Maßnahme nach dem Stabilisierungsfondsgesetz beantragen, zum 31. Dezember 2019 nicht die EU- Definition von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ erfüllt haben.18 Damit sind die Instrumente des Wirtschaftsstabilitätsfonds subsidiär: Sie greifen nur, wenn keine anderen wirtschaftlich tragfähigen Finanzierungsmöglichkeiten bestehen und keine Hilfsprogramme des Bundes bzw. der Länder anwendbar sind. Daher dürfte die Deutsche Bahn AG als hundertprozentiges Unternehmen des Bundes keine Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds beanspruchen können. Der Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn AG hat nämlich die Möglichkeit, diese mit Mitteln 16 Vgl. die Informationen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum „Maßnahmenpaket für Unternehmen gegen die Folgen des Corona-Virus“ (Stand: 17. August 2020), abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/massnahmenpaket-fuer-unternehmen-gegen-die-folgendes -coronavirus.pdf?__blob=publicationFile&v=46. 17 Stabilisierungsfondsgesetz vom 17. Oktober 2008 (BGBl. I S. 1982), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1633) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/fmstfg/StFG.pdf. 18 Vgl. auch die Informationen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum „Maßnahmenpaket für Unternehmen gegen die Folgen des Corona-Virus“ (Stand: 17. August 2020), abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/massnahmenpaket-fuer-unternehmen-gegen-die-folgendes -coronavirus.pdf?__blob=publicationFile&v=46 sowie die Zusammenfassung „Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) – Staatliche Hilfen für die Realwirtschaft in der Covid-19-Krise“ vom 29. Juli 2020 auf der Internetseite der Wirtschaftsprüfergesellschaft, bei der die Anträge auf staatliche Hilfen zu stellen sind, abrufbar unter https://www.pwclegal.de/eu-beihilfenrecht/wirtschaftsstabilisierungsfonds-wsf-staatliche-hilfen-fuer-die-realwirtschaft -in-der-covid-19-krise/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 066/20 Seite 10 aus dem Bundeshaushalt, z. B. in Form der geplanten Kapitalerhöhung, zu unterstützen.19 Für andere Eisenbahnunternehmen hingegen besteht diese Möglichkeit grundsätzlich. 3.3. Nachweise für den Finanzbedarf Die genauen vom Unternehmen beizubringenden Informationen und Unterlagen für die Beantragung sind in einer Checkliste im Online-Antragsportal aufgelistet. Unter anderem werden die aktuellen Finanzierungsverhältnisse, die Darstellung von Finanzbedarf und Finanzierung und eine Darstellung der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Mittelfristplanung (Gegenüberstellung zum Szenario ohne Corona-Pandemie) als Nachweise für die Förderungsfähigkeit gefordert .20 *** 19 Dieses Ergebnis deckt sich mit der Antwort des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) vom 19. August 2020 auf eine Anfrage der Wissenschaftlichen Dienste; anders Handelsblatt vom 11. Mai 2020, „Bis zu 12 Milliarden Euro Corona-Schäden – Deutsche Bahn braucht Geld vom Bund“, abrufbar unter https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/coronakrise-bis-zu-13-milliarden-eurocoronaschaeden -deutsche-bahn-braucht-geld-vom-bund/25817858.html?ticket=ST-4217741-tg1POrhRSsr SLixMCTbg-ap6; dazu sowie zur Frage, inwieweit öffentliche bzw. kommunale Unternehmen die Möglichkeit haben sollen, Corona-Hilfen des Bundes zu erhalten, vgl. auch die Forderungen auf der Internetseite des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), abrufbar unter https://www.dstgb.de/dstgb/Homepage/Schwerpunkte /Coronavirus/Aktuelle%20Hinweise/Staatliche%20Corona-Hilfen/. 20 Vgl. https://wsf-antrag.pwc.de/wp-content/uploads/202007_WSF_Antragscheckliste.pdf.