© 2019 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 065/19 Verkehrsfähigkeit von Cannabidiol(CBD)-haltigen Lebensmitteln Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 2 Verkehrsfähigkeit von Cannabidiol(CBD)-haltigen Lebensmitteln Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 065/19 Abschluss der Arbeit: 22. Juli 2019 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Vorbemerkung 4 3. Einleitung 4 4. Neuartiges Lebensmittel („novel food“) 5 4.1. Begriffsbestimmung 7 4.2. Beurteilung durch Unternehmer 8 4.3. Novel Food-Katalog 8 4.3.1. Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) kein neuartiges Lebensmittel 10 4.3.2. CBD als neuartiges Lebensmittel 11 5. Voraussetzungen für das Inverkehrbringen eines neuartigen Lebensmittels 13 5.1. Zulassungsverfahren 13 5.2. Unionsliste 14 5.3. Zulassungsfähigkeit 14 5.4. Übergangsregelungen 15 6. Lebensmittelüberwachung 16 7. Straf- und Bußgeldvorschriften 19 8. Aktueller Stand des EU-Zulassungsverfahrens von CBD bzw. CBD-haltigen Extrakten 19 9. Fazit 20 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 4 1. Fragestellung Erbeten war eine Ausarbeitung zur Rechtslage betreffend Cannabidiol(CBD)-Produkte. Thematisiert werden sollten die Verkehrsfähigkeit dieser Produkte und die Auswirkungen der Einstufung von CBD als neuartiges Lebensmittel ("novel food") durch die EU-Kommission. 2. Vorbemerkung Die nachfolgende Darstellung bezieht sich auf den Bereich der Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmittel , d.h. nur auf solche CBD-haltigen Produkte, die weder Betäubungs- noch Arzneimittel sind.1 Zur rechtlichen Einordnung von CBD als Arznei- bzw. Betäubungsmittel wurde vom Fachbereich WD 9 bereits ein Sachstand zur Verkehrsfähigkeit von Cannabidiol (CBD) als Arzneimittel mit einem Überblick über die wesentlichen rechtlichen Vorgaben (WD 9 - 3000 - 046 – 19) zugeleitet. 3. Einleitung CBD gehört zu den Cannabinoiden und ist ein natürlicher Inhaltsstoff der weiblichen Hanfpflanze (Cannabis sativa L.).2 Hanf wird in der EU angebaut. Für den Hanfanbau sind nur Sorten, zugelassen, die im Gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten aufgeführt sind.3 CBD kann auch synthetisch hergestellt werden. Derzeit sind in Deutschland CBD-haltige Produkte auf dem Markt. Der noch amtierende Vizepräsident der EU-Kommission Katainen äußerte am 26. April 2019, die Kommission sei sich des wachsenden Markts von Produkten, die Cannabis sativa L.-Extrakte enthalten , bewusst. Die Kommission prüfe derzeit, wie der Rechtsrahmen für diese Produkte als Le- 1 Vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. d der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit . (ABl. L 31 vom 01.02.2002, S. 1 ff.). https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32002R0178&from=DE; Ausführungen in der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Sabine Weiss vom 4. Juni 2019 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN), BT-Drs. 19/10765. 7. Juni 2019, S. 77. http://dip21.bundestag .btg/dip21/btd/19/107/1910765.pdf Alle in der Ausarbeitung angegebenen Links wurden zuletzt am 18. Juli 2019 abgerufen. 2 Vgl. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Cannabidiol – Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht (19.01.2016). https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel /Pharmakovigilanz/Gremien/Verschreibungspflicht/75Sitzung/anlage2.pdf?__blob=publicationFile&v=1. 3 Zu den einzelnen Sorten siehe unter https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/Landwirtschaft/Nutzhanf /Sortenliste.pdf?__blob=publicationFile&v=8 „Seit 1996 dürfen jene mehr als 40 Faserhanfsorten wieder legal angebaut werden, deren THC-Gehalt unter 0,2 Prozent liegt. Der Anbau ist genehmigungspflichtig. Den Zahlen des zuständigen Bundesamtes für Landwirtschaft und Ernährung zufolge haben 2014 insgesamt 100 Betriebe auf mehr als 700 Hektar Hanf angebaut.“ https://www.bzfe.de/inhalt/hanf-6580.html unter Hanf-Anbau. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 5 bensmittel weiter geklärt werden könne, auch im Einklang mit der Entschließung des Europäischen Parlaments4.5 Weiter führte er aus, dass Lebensmittel, die Cannabis sativa L. Extrakte („Cannabis sativa L. extracts“) enthielten, nicht nur unter die Verordnung (EG) Nr. 178/20026 fielen , sondern auch unter die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 über neuartige Lebensmittel (sog. Novel Food-Verordnung (NFV))7, es sei denn, es könne eine Verwendungsgeschichte dieser Erzeugnisse vor dem 15. Mai 1997 nachgewiesen werden. Seien Lebensmittelunternehmer nicht sicher, ob ein Lebensmittel in den Anwendungsbereich der Verordnung über neuartige Lebensmittel falle, sollten sie den Mitgliedstaat konsultieren, in dem sie das neuartige Lebensmittel erstmals platzieren wollen.8 4. Neuartiges Lebensmittel („novel food“) In den EU-Mitgliedstaaten sind die Gesetzgebungsbefugnisse im Lebensmittelrecht weitestgehend vergemeinschaftet, um den grenzüberschreitenden Handel im Binnenmarkt nicht zu behindern. Die NFV löste die Verordnung (EG) 258/979 ab und trat am 31. Dezember 2015 mit Wirkung zum 1. Januar 2018 in Kraft. Sie regelt die Zulassung von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten, die vor dem 15. Mai 1997 in der Europäischen Union noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Keine Verwendung für den menschlichen Verzehr „in nennenswertem Umfang“ liegt nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dann vor, 4 European Parliament resolution of 13 February 2019 on use of cannabis for medicinal purposes. https://oeil.secure.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?lang=en&reference=2018/2775(RSP); Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. Februar 2019 zum Einsatz von Cannabis in der Medizin (2018/2775(RSP)). http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=214355 5 Answer given by Vice-President Katainen on behalf of the European Commission. Question reference: P- 001420/2019. http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/P-8-2019-001420-ASW_EN.html 6 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit. ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1–24. https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32002R0178&qid=1563291905028&from=DE 7 Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission. ABl. L 327 vom 11.12.2015, S. 1–22. https://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R2283&qid=1563291986620&from=DE 8 Answer given by Vice-President Katainen on behalf of the European Commission. Question reference: P- 001420/2019. http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/P-8-2019-001420-ASW_EN.html 9 Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (ABl. L 43 vom 14.02.1997, S. 1 ff.), https://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31997R0258&from=DE Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 6 wenn das Lebensmittel vor dem 15. Mai 1997 von Menschen innerhalb der EU „nicht in erheblicher Menge verzehrt“ wurde.10 Die der NFV unterfallenden Lebensmittel sind zulassungspflichtig. Allgemeine lebensmittelrechtliche Vorschriften finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 wieder. National werden diese Vorgaben insbesondere im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB)11 und der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV)12 umgesetzt.13 Im Zuge der NFV wurde auf nationaler Ebene im Jahr 2017 z.B. die Neuartige Lebensmittel-Verordnung (NLV)14 erlassen. Lebensmittel15 im Sinne von § 2 Abs. 2 LFGB in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und mithin auch Nahrungsergänzungsmittel im Sinne von § 1 NemV dürfen, sofern sie den geltenden lebensmittelrechtlichen Bestimmungen entsprechen, grundsätzlich ohne weitere Genehmigung in Deutschland in den Verkehr gebracht werden.16 Eine Ausnahme vom Grundsatz der Genehmigungsfreiheit bilden jedoch die sog. neuartigen Lebensmittel („novel foods“). Mit der Einordnung von CBD als neuartiges Lebensmittel bedarf dieses vor dem Hintergrund der Gewährleistung eines hohen Niveaus beim Schutz der Gesundheit des Menschen und eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts gemäß Art. 6 NFV einer europarechtlichen Zulassung, bevor es in den Verkehr gebracht werden darf.17 10 EuGH, Rs. C-211/03, ECLI:EU:C:2005:370, Rn. 83; konkretisierend dazu Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 22. November 2007, Az. I ZR 77/05, Rn. 18 ff., juris. 11 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 24. April 2019 (BGBl. I S. 498) geändert worden ist. https://www.gesetze-im-internet.de/lfgb/BJNR261810005.html#BJNR261810005BJNG000104116 12 Nahrungsergänzungsmittelverordnung vom 24. Mai 2004 (BGBl. I S. 1011), die zuletzt durch Art. 11 der Verordnung vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2272) geändert worden ist. https://www.gesetze-im-internet .de/nemv/index.html#BJNR101110004BJNE000100000. 13 Siehe z.B. Rathke, Kurt-Dietrich, in: Zipfel, Walter/Rathke, Kurt-Dietrich, Lebensmittelrecht, Kommentar, 2018, Vorbemerkungen, Rn. 1. 14 Neuartige Lebensmittel-Verordnung vom 27. September 2017 (BGBl. I S. 3520), die durch Art. 1 der Verordnung vom 16. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2657) geändert worden ist. https://www.gesetze-im-internet .de/nlv_2018/BJNR352000017.html 15 „Lebensmittel sind alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.“ https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/04_AntragstellerUnternehmen /13_FAQs/FAQ_Lebensmittel/FAQ_Lebensmittel_node.html 16 Siehe z.B. Kostenzer, Eva, Neue Regeln für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel, in: Lebensmittel und Recht (LMuR) 2017, S. 189. 17 Siehe Erwägungsgrund 2 und Art. 1 Abs. 2 NFV. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 7 4.1. Begriffsbestimmung Der Begriff „neuartige Lebensmittel“ umfasst nach Art. 3 Abs. 2 lit. a NFV: „a) […] alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 unabhängig von den Zeitpunkten der Beitritte von Mitgliedstaaten zur Union nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und in mindestens eine der folgenden Kategorien fallen: i) Lebensmittel mit neuer oder gezielt veränderter Molekularstruktur, soweit diese Struktur in der Union vor dem 15. Mai 1997 nicht in Lebensmitteln oder als Lebensmittel verwendet wurde, […] iv) Lebensmittel, die aus Pflanzen oder Pflanzenteilen bestehen oder daraus isoliert oder erzeugt wurden, ausgenommen Fälle, in denen das Lebensmittel eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union hat und das Lebensmittel aus einer Pflanze oder einer Sorte derselben Pflanzenart besteht oder daraus isoliert oder erzeugt wurde, die ihrerseits gewonnen wurde mithilfe — herkömmlicher Vermehrungsverfahren, die vor dem 15. Mai 1997 in der Union zur Lebensmittelerzeugung eingesetzt wurden, oder — nicht herkömmlicher Vermehrungsverfahren, die vor dem 15. Mai 1997 in der Union nicht zur Lebensmittelerzeugung eingesetzt wurden, sofern diese Verfahren nicht bedeutende Veränderungen der Zusammensetzung oder Struktur des Lebensmittels bewirken, die seinen Nährwert, seine Verstoffwechselung oder seinen Gehalt an unerwünschten Stoffen beeinflussen, […] x) Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 in der Union ausschließlich in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet wurden, sofern sie in anderen Lebensmitteln als Nahrungsergänzungsmitteln gemäß Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/46/EG verwendet werden sollen;“ 18 Als Inhaltsstoff der Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) kommt für CBD eine Einordnung nach Art. 3 Abs. 2 lit. a sublit. iv NFV in Betracht.19 18 Hervorhebungen durch die Verfasserinnen der Ausarbeitung. 19 So z.B. auch Hütthaler-Brandauer, Jakob, Pflanzenextrakte: Alles novel, oder was?, in: LMuR 2019, S. 93. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 8 4.2. Beurteilung durch Unternehmer Gemäß Art. 4 Abs. 1 NFV beurteilt der Lebensmittelunternehmer selbstverantwortlich, ob das Produkt, das er in den Verkehr bringen möchte, unter den Anwendungsbereich der NFV fällt. Dabei dienen ihm unter anderem sog. Guidance-Dokumente als Orientierungshilfen.20 Im Falle dennoch bestehender Unsicherheiten, hat der Unternehmer nach Art. 4 Abs. 2 NFV die zuständigen Behörden des Mitgliedstaates, in dem das Produkt erstmals in den Verkehr gebracht werden soll, zu konsultieren. Die Verfahrensschritte bei der Konsultation regelt die Durchführungsverordnung (EU) 2018/45621. Gemäß Art. 4 Abs. 3 NFV können die Mitgliedstaaten hilfsweise auch andere Mitgliedstaaten und die EU-Kommission konsultieren. Nach § 1 Nr. 1 NLV ist in Deutschland auf Bundesebene das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die zuständige Behörde für das Konsultationsverfahren nach Art. 4 Abs. 2 und 3 NFV. 4.3. Novel Food-Katalog Der Novel Food-Katalog der EU-Kommission ist ein Guidance-Dokument, das als solches keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet, aber als Auslegungshilfe große praktische Bedeutung erlangte .22 Er besteht aus einer nicht abschließenden Zusammenstellung von Lebensmitteln, die von der Arbeitsgruppe für neuartige Lebensmittel bei der EU-Kommission auf ihre Neuartigkeit bewertet werden.23 Die Arbeitsgruppe besteht aus Vertretern der EU-Kommission und aus Vertretern der für neuartige Lebensmittel zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten.24 Die einzelnen Lebensmittel werden hier nach vier Kategorien eingestuft: Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 in nennenswerter Menge verzehrt wurden Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 nur als Nahrungsergänzungsmittel in nennenswerter Menge verzehrt wurden. Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswerter Menge verzehrt wurden 20 Kostenzer, Eva, Neue Regeln für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel, in: LMuR 2017, S. 190; z.B. Europäische Kommission, « Human Consumption to a Significant Degree » - Information and Guidance Document, https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/safety/docs/novel-food_guidance_human-consumption_en.pdf 21 Durchführungsverordnung (EU) 2018/456 der Kommission vom 19. März 2018 über die Verfahrensschritte bei der Konsultation zur Bestimmung des Status als neuartiges Lebensmittel gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel. (ABl. L 77 vom 20.03.2018, S. 6 ff.), https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32018R0456 22 Vgl. z.B. EuGH, Rs. C-113/15, ECLI:EU:C:2016:718, Rn. 78; Ballke, Christian, in: Zipfel, Walter/Rathke, Kurt- Dietrich, Lebensmittelrecht, Kommentar, 2018, Art. 3 VO (EU) 2015/2283, Rn. 41 f.; Kostenzer, Eva, Neue Regeln für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel, in: LMuR 2017, S. 190. 23 Ballke, Christian, in: Zipfel, Walter/Rathke, Kurt-Dietrich, Lebensmittelrecht, Kommentar, 2018, Art. 3 VO (EU) 2015/2283, Rn. 41; Kostenzer, Eva, Neue Regeln für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel , in: LMuR 2017, S. 190. 24 Ballke, Christian, in: Zipfel, Walter/Rathke, Kurt-Dietrich, Lebensmittelrecht, Kommentar, 2018, Art. 3 VO (EU) 2015/2283, Rn. 41. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 9 Lebensmittel, für deren Bewertung weitere Daten nötig sind.25 Am 20. Januar 2019 hatten sich die EU-Mitgliedstaaten und die EU-Kommission auf einen neuen Wortlaut im Novel Food-Katalog geeinigt. Die österreichische Regierung führte dahingehend aus, dass die Sichtweise zu CBD (und anderen Cannabionoiden) und deren Status als neuartiges Lebensmittel in den EU-Mitgliedstaaten einheitlich gewesen sei.26 Nunmehr werden Extrakte aus Cannabis sativa L. und daraus gewonnene Produkte, die Cannabinoide enthalten („extracts of Cannabis sativa L. and derived products containing cannabinoids“27), als neuartige Lebensmittel eingestuft.28 In einer Power-Point-Präsentation der European Industrial Hemp Association (EIHA) vom 16. Oktober 2018, die die Eintragungen zu CBD und zu Cannabis sativa L. im Novel Food-Katalog zeigt, heißt es unter dem vormals vorhandenen Eintrag „Cannabidiol“, dass nur Extrakte aus Cannabis sativa L., in denen der CBD-Gehalt höher sei als in der Cannabis sativa L- Pflanze, zu den neuartigen Lebensmitteln zählten (siehe folgende Tabelle).29 Die EIHA erläutert hierzu, die natürlich vorkommende Menge an Gesamt-CBD in der - aus dem Gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten der Europäischen Union stammenden - Pflanze Cannabis sativa L. liege zwischen einem und fünf Prozent in Abhängigkeit von der Sorte und den klimatischen Bedingungen. 25 Vgl. Europäische Kommission, EU Novel food catalogue. http://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue /search/public/?event=home&seqfce=72&ascii=C#. 26 Antwort auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2567/J der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen vom 25.2.2019. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02551/imfname _740266.pdf 27 http://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/?event=home&seqfce=72&ascii=C; dann weiter unter „Cannabinoids“. 28 EIHA presentation on Hemp Extracts Lorenza Romanese EIHA Managing Director Daniel Kruse, Board Member Tony Reeves, Advisory Committee. 12 March 2019. WG PAFF Committee. http://eiha.org/media/2019/03/19-03- 12_PAFF_WG_EIHA_Final_small.pdf 29 Präsentation Oktober 2018. S. 37. http://eiha.org/media/2019/01/18-10-16_NF-WG-EIHA-Presentation-Releasedfinal .pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 10 Quelle: EIHA (2018).30 Nachfolgend werden die aktuellen Eintragungen zu Cannabis sativa L. und CBD im Novel Food- Katalog aufgeführt. 4.3.1. Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) kein neuartiges Lebensmittel Die Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) als solche ist im Novel Food-Katalog als nicht neuartiges Lebensmittel ausgewiesen.31 Die EU-Kommission führt dort unter der Bezeichnung Cannabis sativa L. aus: „In der Europäischen Union ist der Anbau verschiedener Sorten von Cannabis sativa L. zulässig , sofern sie im Gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten der Europäischen Union („EU’s ‘Common Catalogue of Varieties of Agricultural Plant Species’“) registriert sind und der Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) 0,2 % (w/w) nicht übersteigt. Ei- 30 Cannabis Sativ L. as a traditional food source. Präsentation Oktober 2018 für die Novel foods working group. http://eiha.org/media/2019/01/18-10-16_NF-WG-EIHA-Presentation-Released-final.pdf; siehe auch https://www.medicpro.london/cbd-regulation-laws-uk/; https://www.icci.science/data/files/Whitepaper _CBD_as_Novel_Foods_FV.pdf 31 Europäische Kommission, EU Novel food catalogue, Begriff „Cannabis sativa L.“, http://ec.europa.eu/food/safety /novel_food/catalogue/search/public/?event=home&seqfce=72&ascii=C.%20Beispiele Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 11 nige Produkte, die aus der Cannabis sativa-Pflanze oder Pflanzenteilen wie Samen, Hanfsamenöl , Hanfsamenmehl, entfettetem Hanfsamen („such as seeds, seed oil, hemp seed flour, defatted hemp seed“) gewonnen werden, haben eine Verwendungsgeschichte als Lebensmittel innerhalb der EU und sind daher nicht neuartig.“32 Zum Status von Cannabis sativa L. wird konstatiert, dass dieses Produkt als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat auf dem Markt sei und in erheblichem Umfang vor dem 15. Mai 1997 verzehrt wurde, weshalb der Marktzugang nicht den Regelungen für neuartige Lebensmittel unterliege. Andere spezifische Rechtsvorschriften könnten jedoch das Inverkehrbringen dieses Produkts als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat in einigen Mitgliedstaaten einschränken. Daher werde empfohlen , sich bei den zuständigen nationalen Behörden zu erkundigen.33 Als nicht neuartig werden in der Regel Lebensmittel mit einer „Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel“ eingestuft.34 4.3.2. CBD als neuartiges Lebensmittel Die aus der Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) gewonnene Einzelsubstanz CBD wird im Novel Food-Katalog nunmehr als neuartiges Lebensmittel eingestuft, da für sie eine Verwendungsgeschichte vor dem 15. Mai 1997 nicht festgestellt werden konnte.35 Erklärend heißt es dort unter der Bezeichnung „Cannabionoids“36: „Unbeschadet der Angaben im Novel Food-Katalog für den Eintrag in Bezug auf Cannabis sativa L. gelten Extrakte aus Cannabis sativa L. und daraus gewonnene Produkte, die Cannabinoide enthalten, als Novel Food, da eine Verwendungsgeschichte nicht nachgewiesen werden konnte („extracts of Cannabis sativa L. and derived products containing cannabinoids are considered novel foods as a history of consumption has not been demonstrated“). Dies 32 Übersetzung durch die Verfasserinnen der Ausarbeitung. http://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue /search/public/index.cfm 33 http://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/index.cfm 34 Näheres dazu siehe Ballke, Christian, in: Zipfel, Walter/Rathke, Kurt-Dietrich, Lebensmittelrecht, Kommentar, 2018, Art. 3 VO (EU) 2015/2283, Rn. 88 ff. 35 Europäische Kommission, EU Novel food catalogue, vom Begriff „Cannabidiol“ wird auf den Begriff „Cannabinoids “ verwiesen. http://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/?event=home&seqfce =72&ascii=C 36 Zu „Cannabinoids“ heißt es: „The hemp plant (Cannabis sativa L.) contains a number of cannabinoids and the most common ones are as follows: delta-9-tetrahydrocannabinol (Δ9-THC), its precursor in hemp, delta-9-tetrahydrocannabinolic acid A (Δ9-THCA-A), delta-9-tetrahydrocannabinolic acid B (Δ9-THCA-B), delta-8-tetrahydrocannabinol (Δ8-THC), cannabidiol (CBD), its precursor in hemp cannabidiolic acid (CBDA), cannabigerol (CBG), cannabinol (CBN), cannabichromene (CBC), and delta-9-tetrahydrocannabivarin (Δ9-THCV).“ http://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/?event=home&seqfce=72&ascii=C; Hervorhebungen durch die Verfasserinnen der Ausarbeitung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 12 gilt sowohl für die Extrakte selbst als auch für alle Produkte, denen sie als Inhaltsstoffe zugesetzt werden (z.B. Hanfsamenöl37). Dies gilt auch für Extrakte anderer Pflanzen, die Cannabinoide enthalten. Synthetisch gewonnene Cannabinoide gelten als neuartig.“38 Zum Status von CBD wird erläutert, es liege ein Antrag vor, ob dieses Produkt nach der Verordnung über neuartige Lebensmittel zugelassen werden müsse.39 Nach den Informationen, die den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten vorlägen, sei dieses Produkt nicht vor dem 15. Mai 1997 als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat verwendet worden. Daher sei vor dem Inverkehrbringen in der EU als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat eine Sicherheitsbewertung gemäß der Verordnung über neuartige Lebensmittel erforderlich. („There was a request whether this product requires authorisation under the Novel Food Regulation. According to the information available to Member States' competent authorities, this product was not used as a food or food ingredient 37 Die österreichische Regierung führt unter Cannabis sativa L. am 25.2.2019 zu Hanfsamenöl näher aus: „Als herkömmliche Lebensmittel aus der Pflanze Cannabis sativa L. sind beispielsweise Hanfsamen, Hanfsamenöl , Hanfsamenmehl, entfettete Hanfsamen („Hanfprotein“) oder Hanfblätter (zur Zubereitung von Kräutertees ) zu nennen. Diese sind nicht als neuartig anzusehen. Cannabinoide (wie z.B. CBD) können hier als unerwünschte Kontaminanten vorkommen. Dies ist allerdings von einer absichtlichen Verwendung von Cannabinoiden in den sogenannten „CBD Produkten“ zu unterscheiden. Eine Verwendung von Hanfblüten und -blättern für die Gewinnung von Aromen ist grundsätzlich möglich, sofern die Sicherheit des Endprodukts gewährleistet werden kann und der Gehalt an Cannabinoiden kaum nachweisbar ist. Bei der Herstellung von Aromen aus Hanf sind die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften einzuhalten.“ (Quelle: Antwort auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2567/J der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen vom 25.2.2019. https://www.parlament .gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02551/imfname_740266.pdf); Hervorhebungen durch die Verfasserinnen der Ausarbeitung. Beim BVL heißt es unter „Cannabis sativa L.“ zu Hanfsamenöl: „Im Novel Food-Katalog der Europäischen Kommission (…) wird für die Herstellung folgender Produkte aus Cannabis sativa L.-Pflanzen oder -Pflanzenteilen eine dokumentierte Verwendung vor dem 15. Mai 1997 genannt. Diese gelten daher als „nicht neuartig“: Hanfsamen , Hanfsamenöl, Hanfsamenmehl, fettfreies Hanfsamenprotein.“ Des Weiteren schreibt das BVL unter „Cannabidiol (CBD)“ zu Hanfsamenöl mit CBD: „Die Neuartigkeit gilt sowohl für cannabinoidhaltige Extrakte aus Cannabis sativa L. als auch für jedes Produkt, zu dem cannabinoidhaltige Extrakte als Zutat zugesetzt werden (z.B. Hanfsamenöl mit CBD).“ (Quelle: BVL, Hanf, THC, Cannabidiol (CBD) & Co. https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/04_AntragstellerUnternehmen/13_FAQs/FAQ_Cannabidiol /FAQ_Cannabidiol_node.html). 38 Hervorhebungen und Übersetzung durch die Verfasserinnen der Ausarbeitung. „Without prejudice to the information provided in the novel food catalogue for the entry relating to Cannabis sativa L., extracts of Cannabis sativa L. and derived products containing cannabinoids are considered novel foods as a history of consumption has not been demonstrated. This applies to both the extracts themselves and any products to which they are added as an ingredient (such as hemp seed oil). This also applies to extracts of other plants containing cannabinoids. Synthetically obtained cannabinoids are considered as novel.“ http://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/?event=home&seqfce=72&ascii=C unter „Cannabinoids“. 39 Siehe hierzu den Antrag zu Trans-Cannabidiol unter Punkt 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 13 before 15 May 1997. Therefore, before it may be placed on the market in the EU as a food or food ingredient a safety assessment under the Novel Food Regulation is required.”40) Nachfolgend wird ein Überblick über die rechtlichen Anforderungen an das Inverkehrbringen von CDB-haltigen Produkten, die behördliche Lebensmittelüberwachung und etwaige Sanktionen gegeben sowie der aktuelle Stand zur Verkehrsfähigkeit von CBD in Lebensmitteln dargestellt. 5. Voraussetzungen für das Inverkehrbringen eines neuartigen Lebensmittels Gemäß Art. 6 Abs. 2 NFV dürfen nur zugelassene und in der Liste der Europäischen Union (Unionsliste ) aufgeführte neuartige Lebensmittel nach Maßgabe der in der Unionsliste festgelegten Bedingungen und Vorschriften in den Verkehr gebracht werden. 5.1. Zulassungsverfahren Die NFV sieht für neuartige Lebensmittel mittlerweile ein zentralisiertes Zulassungsverfahren auf europäischer Ebene vor.41 Wer ein noch nicht zugelassenes neuartiges Lebensmittel bzw. ein solches enthaltendes Produkt in den Verkehr bringen möchte, muss nach Art. 10 NFV zunächst bei der EU-Kommission einen Zulassungsantrag stellen.42 Darin soll der Antragsteller insbesondere darlegen, dass das neuartige Lebensmittel kein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit birgt.43 Nach Art. 10 Abs. 1 NFV stellt die EU-Kommission den Antrag anschließend den Mitgliedstaaten zur Verfügung und veröffentlicht eine Zusammenfassung. Darauf folgt in der Regel eine Risikobewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu den Auswirkungen des Lebensmittels auf die menschliche Gesundheit.44 Der weitere Ablauf des Genehmigungsverfahrens ist in Art. 10 ff. NFV geregelt und wird in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/246945 konkretisiert. So hat die EU-Kommission den Entwurf eines Durchführungsrechtsaktes über die Genehmigung des neuartigen Lebensmittels zu erstellen und diesen gemäß Art. 12 Abs. 1 NFV innerhalb von sieben Monaten ab dem Datum der Veröffentlichung des EFSA- 40 Übersetzung durch die Verfasserinnen der Ausarbeitung. http://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue /search/public/index.cfm# 41 Näheres zum gesamten Verfahren siehe Ballke, Christian, in: Zipfel, Walter/Rathke, Kurt-Dietrich, Lebensmittelrecht , Kommentar, 2018, VO (EU) 2015/2283, Kapitel III. Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel. 42 Siehe Portal für die Antragstellung bei der EU-Kommission, e-submission in accordance with the new Novel Foods regulation. https://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/e-submission_en 43 Kostenzer, Eva, Neue Regeln für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel, in: LMuR 2017, S. 191; siehe z.B. EFSA, Guidance on the preparation and presentation of an application for authorisation of a novel food in the context of Regulation (EU) 2015/2283. http://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/4594 44 Vgl. Art. 10 Abs. 3 NFV („auf Ersuchen der Kommission“), Kostenzer, Eva, Neue Regeln für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel, in: LMuR 2017, S. 191. 45 Durchführungsverordnung (EU) 2017/2469 der Kommission vom 20. Dezember 2017 zur Festlegung administrativer und wissenschaftlicher Anforderungen an die Anträge gemäß Artikel 10 der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel (Text von Bedeutung für den EWR.) (ABl. L 351 vom 30.12.2017, S. 64 ff.). https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32017R2469 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 14 Gutachtens an den Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (Ständigen Ausschuss) zu übermitteln, der binnen einer „angemessenen“ Frist eine Stellungnahme zum Entwurf der EU-Kommission abzugeben hat. Der Ständige Ausschuss ist mit Vertretern der EU-Mitgliedstaaten besetzt. Nur im Falle einer positiven Stellungnahme des Ständigen Ausschusses kann die EU-Kommission die Zulassung des neuartigen Lebensmittels nach Art. 10 Abs. 5 und Art. 17 NFV mittels Durchführungsrechtsaktes erteilen.46 Für traditionelle Lebensmittel aus Drittstaaten im Sinne des Art. 3 Abs. 2 lit. c NFV ist das Zulassungsverfahren gemäß Art. 14 NFV insoweit erleichtert, als lediglich eine Meldung über das Inverkehrbringen an die EU-Kommission vorgesehen ist. Das Meldeverfahren ist in Art. 14 bis 20 NFV geregelt. Da der Antragsteller „sämtlichen Aufwand für das Zulassungsverfahren alleine zu tragen hat“47, soll dieser Nachteil durch die Datenschutzregelung des Art. 26 NFV ausgeglichen werden. Demnach „dürfen neu gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse oder wissenschaftliche Daten zur Stützung des Antrags für eine Dauer von fünf Jahren ab dem Datum der Zulassung des neuartigen Lebensmittels ohne die Zustimmung des ursprünglichen Antragstellers für einen späteren Antrag nicht verwendet werden.“48 5.2. Unionsliste Bereits zugelassene oder gemeldete neuartige Lebensmittel werden nach Art. 6 Abs. 1 NFV in die Unionsliste (Positivliste) aufgenommen, der eine generelle Wirkung für alle Unternehmen zukommt .49 Sie ist im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) 2017/247050 enthalten und in zwei Tabellen gegliedert. In Tabelle 1 findet sich eine Aufzählung der zugelassenen neuartigen Lebensmittel nebst Verwendungszweck, in Tabelle 2 dagegen Spezifikationen der zugelassenen neuartigen Lebensmittel. Die Unionsliste wird gemäß Art. 9 Abs. 1 NFV fortlaufend aktualisiert. 5.3. Zulassungsfähigkeit Art. 7 NFV legt dabei inhaltliche Kriterien für die Zulassung neuartiger Lebensmittel und deren Aufnahme in die Unionsliste fest. Dort heißt es wörtlich: 46 Dazu Kostenzer, Eva, Neue Regeln für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel, in: LMuR 2017, S. 191. 47 Kostenzer, Eva, Neue Regeln für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel, in: LMuR 2017, S. 192. 48 Art. 26 Abs. 1 NFV. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R2283&from=DE 49 Siehe z.B. Ballke, Christian, Die neue Novel Food-Verordnung ist da – und nun? – Der Übergang vom alten auf das neue Recht, in: Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht (ZLR) 2018, S. 10. Kostenzer, Eva, Neue Regeln für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel, in: LMuR 2017, S. 192. 50 Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 der Kommission vom 20. Dezember 2017 zur Erstellung der Unionsliste der neuartigen Lebensmittel gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel. (ABl. L 351 vom 30.12.2017, S. 72 ff.). https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?uri=CELEX:32017R2470 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 15 „Die Zulassung eines neuartigen Lebensmittels und seine Aufnahme in die Unionsliste durch die Kommission hängt von folgenden Bedingungen ab: a) Das Lebensmittel bringt auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Daten kein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit mit sich; b) durch die beabsichtigte Verwendung des Lebensmittels werden Verbraucher nicht irregeführt, insbesondere dann, wenn das Lebensmittel ein anderes ersetzen soll und eine bedeutende Veränderung des Nährwerts vorliegt; c) sofern das Lebensmittel ein anderes Lebensmittel ersetzen soll, unterscheidet es sich nicht derart von jenem Lebensmittel, dass sein normaler Verzehr für den Verbraucher in Bezug auf die Ernährung nachteilig wäre.“51 Wann insbesondere ein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit besteht, ist in der NFV nicht definiert. Nach Art. 3 Nr. 9 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist unter „Risiko“ jedoch „eine Funktion der Wahrscheinlichkeit einer die Gesundheit beeinträchtigenden Wirkung und der Schwere dieser Wirkung als Folge der Realisierung einer Gefahr“ zu verstehen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist nach Ballke der Begriff „Sicherheit“ als „Lebensmittelsicherheit“ im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zu verstehen.52 Danach gelten Lebensmittel dann als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie gesundheitsschädlich oder für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind.53 5.4. Übergangsregelungen In Art. 35 NFV sind Bestimmungen geregelt, die den Übergang von der Verordnung (EG) Nr. 258/97 auf die darauf gefolgte NFV regeln. So bestimmt Art. 35 Abs. 1 NFV den Übergang für Zulassungsanträge, die nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 gestellt worden sind und über die bis zum Geltungsbeginn der NFV am 1. Januar 2018 noch keine Entscheidung getroffen wurde.54 Solche Anträge werden gemäß Art. 35 Abs. 1 NFV als Anträge nach Art. 10 NFV behandelt , weshalb sich ihre Zulassung grundsätzlich ausnahmslos nach den Regelungen der NFV richtet.55 Lediglich eine Risikobewertung durch die EFSA soll nach Art. 35 Abs. 1 NFV nicht ersucht werden, wenn auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 258/97 bereits die Erstprüfung von einem Mitgliedstaat durchgeführt wurde und kein anderer Mitgliedstaat begründete Einwände 51 Hervorhebungen durch die Verfasserinnen der Ausarbeitung. 52 Ballke, Christian, in: Zipfel, Walter/Rathke, Kurt-Dietrich, Lebensmittelrecht, Kommentar, 2018, Art. 7 VO (EU) 2015/2283, Rn. 11. 53 Näheres siehe Ballke, Christian, in: Zipfel, Walter/Rathke, Kurt-Dietrich, Lebensmittelrecht, Kommentar, 2018, Art. 7 VO (EU) 2015/2283, Rn. 7 ff.; zu den Definitionen der weiteren Kriterien siehe ebenda, Rn. 20 ff. 54 Näheres dazu Ballke, Christian, Die neue Novel Food-Verordnung ist da – und nun? – Der Übergang vom alten auf das neue Recht, in: ZLR 2018, S. 6. 55 Ballke, Christian, in: Zipfel, Walter/Rathke, Kurt-Dietrich, Lebensmittelrecht, Kommentar, 2018, Art. 35 VO (EU) 2015/2283, Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 16 gegen die Bewertung erhoben hat. Weitere Vorschriften, beispielsweise zur Aktualisierung des Antrags, finden sich in Art. 8 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2469. Art. 35 Abs. 2 NFV regelt dagegen den Fall, dass Lebensmittel nach der Verordnung (EG) Nr. 258/97 nicht als neuartig eingestuft wurden und deshalb vor dem 1. Januar 2018 rechtmäßig im Verkehr waren, nunmehr jedoch in den Anwendungsbereich der neuen NFV fallen und damit einer Zulassung bedürfen. Solche Lebensmittel dürfen nach Maßgabe des Art. 35 Abs. 2 NFV bis zu einer Entscheidung über den Zulassungsantrag übergangsweise weiterhin rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden.56 6. Lebensmittelüberwachung In Deutschland ist der Vollzug lebensmittelrechtlicher Vorschriften grundsätzlich Aufgabe der jeweils zuständigen Behörden der Bundesländer.57 In § 39 LFGB finden sich Regelungen zu den Aufgaben und Maßnahmen der Überwachungsbehörden . Dort heißt es wörtlich: „(1) Die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes über Erzeugnisse und lebende Tiere im Sinne des § 4 Absatz 1 Nummer 1 ist Aufgabe der zuständigen Behörden. Dazu haben sie sich durch regelmäßige Überprüfungen und Probennahmen davon zu überzeugen, dass die Vorschriften eingehalten werden . (2) Die zuständigen Behörden treffen die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Sie können insbesondere 56 Näheres dazu Ballke, Christian, Die neue Novel Food-Verordnung ist da – und nun? – Der Übergang vom alten auf das neue Recht, in: ZLR 2018, S. 7 f. 57 Vgl. Art. 83 Grundgesetz (GG), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 28. März 2019 (BGBl. I S. 404) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet .de/gg/BJNR000010949.html; Meyer, Alfred Hagen, in Meyer, Alfred Hagen /Streinz, Rudolf, LFGB, Kommentar , 2. Auflage 2012, § 38, Rn. 4; ausnahmsweise kann eine Zuständigkeit des Bundes für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen (§§ 67 f. LFGB) und für den Erlass von Allgemeinverfügungen gemäß § 54 LFGB begründet werden, Ausnahmen finden sich auch im Bereich des Zolls und der Bundeswehr, siehe dazu Meyer, Alfred Hagen, in Meyer, Alfred Hagen /Streinz, Rudolf, LFGB, Kommentar, 2. Auflage 2012, § 38, Rn. 6 f.; siehe auch Überblick bei BVL, Lebensmittelsicherheit – Wer macht was?, https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel /01_Aufgaben/01_WerMachtWas/lm_WerMachtWas_node.html; BVL, Lebensmittelüberwachung: Eine Aufgabe der Bundesländer, https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/01_Aufgaben/01_WerMachtWas/01_Landesbehoerden /lm_vet_ueberw_node.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 17 1. anordnen, dass derjenige, der ein Erzeugnis hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht hat oder dies beabsichtigt, a) eine Prüfung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Prüfung mitteilt, b) ihr den Eingang eines Erzeugnisses anzeigt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Erzeugnis den Vorschriften dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen oder der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht entspricht, 2. vorübergehend verbieten, dass ein Erzeugnis in den Verkehr gebracht wird, bis das Ergebnis einer entnommenen Probe oder einer nach Nummer 1 angeordneten Prüfung vorliegt, […].“58 Neben den Regelungen des LFGB sind durch die zuständigen Behörden auch etwaige Vorgaben des EU-Rechts zu beachten, die gegenüber den nationalen Regelungen des LFGB Vorrang haben.59 Zu nennen ist hier insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 882/200460, welche Vorgaben über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittelrechts enthält. So regelt Art. 54 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 Maßnahmen im Fall eines Verstoßes und stellt in Art. 54 Abs. 2 lit. a bis h einen Maßnahmenkatalog vor. Wörtlich heißt es dort: „(1) Stellt die zuständige Behörde einen Verstoß fest, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen , um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. Sie berücksichtigt dabei die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers mit Blick auf Verstöße. (2) Dazu können gegebenenfalls folgende Maßnahmen gehören: 58 Hervorhebungen durch die Verfasserinnen der Ausarbeitung. 59 Vgl. Rathke, Kurt-Dietrich, in: Zipfel, Walter/Rathke, Kurt-Dietrich, Lebensmittelrecht, Kommentar, 2018, Vorbemerkungen LFGB, Rn. 11, 16; Meyer, Alfred Hagen, in Meyer, Alfred Hagen /Streinz, Rudolf, LFGB, Kommentar , 2. Auflage 2012, § 39, Rn. 1. 60 Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (ABl. L 165 vom 30.04.2004, S. 1 ff.). https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32004R0882&from=DE. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 18 a) Verhängung von Gesundheitsschutz- oder anderen Maßnahmen, die als notwendig erachtet werden, um die Sicherheit von Futtermitteln oder Lebensmitteln oder die Einhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz zu gewährleisten; b) Einschränkung oder Untersagung des Inverkehrbringens und der Ein- oder Ausfuhr von Futtermitteln, Lebensmitteln oder Tieren; c) Überwachung und, falls erforderlich, Anordnung der Rücknahme, des Rückrufs und/oder der Vernichtung der Futtermittel oder Lebensmittel; […].“ Aus der grundsätzlichen Vollzugszuständigkeit der einzelnen Bundesländer können sich Divergenzen in der Umsetzung lebensmittelrechtlicher Vorgaben in den Ländern ergeben.61 Das BVL weist darauf hin, dass die Einstufung von Erzeugnissen und die Bewertung der Verkehrsfähigkeit Aufgabe der für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Landesbehörden sei. Seine Auffassung zur Verkehrsfähigkeit könne daher nur vorbehaltlich einer abweichenden Ansicht der jeweils zuständigen Überwachungsbehörden in den Bundesländern gelten.62 Ihm sei allerdings aktuell keine Fallgestaltung bekannt, nach der die Substanz CBD in Lebens- und damit auch Nahrungsergänzungsmitteln, verkehrsfähig wäre, bevor nicht eine Zulassung als neuartiges Lebensmittel auf europäischer Ebene erfolgt sei.63 So wurden z.B. im Freistaat Sachsen von der Landesuntersuchungsanstalt im Berichtsjahr 2018 zwei Nahrungsergänzungsmittel-Proben „CBD-Kapseln“ als „nicht zugelassene neuartige Lebensmittel und somit als nicht verkehrsfähig beurteilt“.64 61 Vgl. auch BVL, Hanf, THC, Cannabidiol (CBD) & Co. https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/04_Antragsteller Unternehmen/13_FAQs/FAQ_Cannabidiol/FAQ_Cannabidiol_node.html 62 https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/04_AntragstellerUnternehmen/13_FAQs/FAQ_Cannabidiol /FAQ_Cannabidiol_node.html 63 Siehe BVL, Hanf, THC, Cannabidiol (CBD) & Co. 64 Freistaat Sachsen. Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2018. https://publikationen.sachsen .de/bdb/artikel/33800, dann weiter zur Publikation. Siehe auch in den Anfragen zum Plenum (zu den Plenarsitzungen am 14./15./16. Mai 2019) mit den dazu eingegangenen Antworten der Staatsregierung die Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration (Bayern) auf die Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). S. 10f https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Basisdrucksachen /0000001500/0000001718.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 19 7. Straf- und Bußgeldvorschriften Für die Verwendung und das Inverkehrbringen nicht zugelassener neuartiger Lebensmittel normiert die NFV selbst keine Rechtsfolgen. In Art. 29 NFV werden die Mitgliedstaaten jedoch verpflichtet , entsprechende Vorschriften zur Ahndung von Verstößen zu erlassen. Laut Erwägungsgrund (38) der NFV sollten diese Sanktionen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein.65 Solche sind in Deutschland in der Neuartige Lebensmittel-Verordnung (NLV)66 enthalten. 8. Aktueller Stand des EU-Zulassungsverfahrens von CBD bzw. CBD-haltigen Extrakten Am 24. Februar 2016 wurde bei der EU-Kommission durch das tschechische Unternehmen Cannabis Pharma, s.r.o. ein Antrag auf Zulassung von CBD als neuartiges Lebensmittel („Cannabidiol extracted from Cannabis sativa L. to be used in food supplements“) gestellt. Der Antrag zu Trans-Cannabidiol67 ist derzeit in Bearbeitung.68 Es handelt sich dabei um einen Antrag nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 258/97, also nach altem Recht, dessen Zulassung sich jedoch gemäß Art. 35 Abs. 1 NFV nach der aktuellen NFV richtet.69 Nachfolgend findet sich ein Auszug aus der Zusammenfassung des Antragdossiers von Cannabis Pharma, s.r.o.: „This is an application for authorisation to place on the market (-)-trans-cannabidiol (CBD) as a novel food in food supplements in the European Union (EU) intended for the adult population and excluding pregnant and lactating women. The application has been compiled in line with the administrative and scientific requirements of Commission Implementing Regulation (EU) 2017/2469 laying down for applications referred to in Article 10 of Regulation (EU) 2015/2283 of the European Parliament and of the Council on novel foods. It is also in line with the European Food Safety Authority (EFSA) guidance on the preparation and presentation of an application for authorisation of a Novel Food in the Context of Regulation (EU) 2015/2283. Cannabidiol (CBD) is to be obtained through a series of purification steps from Cannabis sativa L. plants. C. sativa is one of the first cultural crops used in many applications including food (seed oil), fibres for ropes, twines and coarse textiles and woody core for animal bedding. Hemp seed oil has been traditionally consumed as food. (…). The overall data package as submitted aims to support the safety of cannabidiol as a novel food in food supplements for adults with a daily intake of up to 130 mg or 1.86 mg/kg body weight. As an 65 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R2283&from=DE 66 https://www.gesetze-im-internet.de/nlv_2018/BJNR352000017.html 67 Weitere chemische Namen für Cannabidiol sind u.a. (-)-Cannabidiol bzw. (-)-trans-Cannabidiol. https://pubchem .ncbi.nlm.nih.gov/compound/Cannabidiol#section=Depositor-Supplied-Synonyms 68 Siehe Internetseite der EU-Kommission, Summary of applications and notifications, Trans-cannabidiol, https://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/authorisations/summary-applications-and-notifications_en und EU-Kommission, Applications under Regulation (EC) N° 258/97 of the European Parliament and of the Council, Current Applications, Ref. No 19. https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/safety/docs/novel-food_applications -status_en.pdf 69 Siehe zur Übergangsregelung Gliederungspunkt 5.4. und zum weiteren Verfahrensgang Gliederungspunkt 5.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 20 additional precautionary measure, the food supplements containing cannabidiol will be limited to the adult population and will exclude pregnant and lactating women.“70 Zum Stand des EU-Zulassungsverfahrens äußerte der zuständige Parlamentarische Staatssekretär Michael Stübgen am 13. März 2019: „Im März 2016 hat ein Unternehmen aus Tschechien für ein CBD-haltiges Nahrungsergänzungsmittel eine Zulassung als neuartiges Lebensmittel beantragt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wurde von der Europäischen Kommission damit beauftragt, die Auswirkungen dieses Erzeugnisses auf die menschliche Gesundheit zu prüfen. Die Antragsunterlagen wiesen erhebliche Mängel auf. Daher musste die EFSA vom Antragsteller mehrfach Informationen nachfordern, um eine Aussage zu den gesundheitlichen Wirkungen treffen zu können. Die Prüfung der nachgeforderten Daten seitens der EFSA ist noch nicht abgeschlossen . Sobald die EFSA-Stellungnahme verfügbar ist, wird die Europäische Kommission einen Regelungsentwurf zur Ablehnung oder Zulassung des Erzeugnisses vorlegen. Wann dies der Fall sein wird, kann derzeit nicht vorhergesagt werden.“71 Nach Angaben des Beratungsunternehmens Medic Pro Limited wird der Antrag derzeit geprüft und soll laut einer Branchenquelle möglicherweise im März 2020 genehmigt werden. („In fact, one company, Cannabis Pharma S.R.O, pre-empted the update to the status and submitted an application some time ago. It is currently under assessment and, according to one industry source, may get approval in March 2020.“72). 9. Fazit Ausweislich der Kategorisierung von CBD im Novel Food-Katalog fallen CBD-haltige Produkte (i.e. Lebensmittel bzw. Lebensmittelzutaten, die Extrakte aus Cannabis sativa L. und daraus gewonnene Produkte, die Cannabinoide enthalten („extracts of Cannabis sativa L. and derived products containing cannabinoids“73) nach Ansicht der Vertreter der EU-Kommission und der für neuartige Lebensmittel zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten als neuartiges Lebensmittel unter den Anwendungsbereich der NFV.74 Ob ein konkretes Produkt allerdings die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 lit. a NFV tatsächlich erfüllt und als zulassungsbedürftiges neuartiges Lebensmittel einzustufen ist oder nicht, bedarf 70 Trans-Cannabidiol. https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/safety/docs/novel-food_sum_ongoing-app_2018- 0349.pdf 71 PlPr. 19/85. 13. März 2019. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btp/19/19085.pdf#P.10042 72 https://www.medicpro.london/cbd-regulation-laws-uk/ 73 http://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/?event=home&seqfce=72&ascii=C; dann weiter unter „Cannabinoids“. 74 Vgl. auch Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. BT-Drs. 19/11377 vom 4. Juli 2019, S. 3 f., http://dserver.bundestag.btg/btd/19/113/1911377.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 065/19 Seite 21 stets einer Einzelfallprüfung und ist daher im Streitfalle vom jeweiligen Lebensmittelunternehmer darzulegen und zu beweisen.75 Um die Einordnung von CBD als neuartiges Lebensmittel bzw. neuartige Lebensmittelzutat im Einzelfall zu negieren, müsste jedoch nachweisbar sein, dass der Stoff vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang innerhalb der EU für den menschlichen Verzehr verwendet wurde oder dass der Stoff eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der EU hat. Der EU-Kommission steht es gemäß Art. 5 NFV jedoch auch zu, nach eigenem Ermessen oder auf Antrag eines EU-Mitgliedstaates mittels Durchführungsrechtsaktes zu entscheiden, ob ein konkretes Lebensmittel unter den Anwendungsbereich der NFV fällt oder nicht. Dazu bedarf es eines Prüfverfahrens nach Art. 30 Abs. 3 NFV unter Mitwirkung des Ständigen Ausschusses. Die Qualifizierung im Novel Food-Katalog von CBD als neuartiges und damit zulassungsbedürftiges Lebensmittel wird sowohl in der Presse als auch in der juristischen Literatur kontrovers diskutiert .76 *** 75 Siehe Kostenzer, Eva, Neue Regeln für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel, in: LMuR 2017, S. 190; BGH, Urt. v. 16. April 2015, Az. I ZR 27/14, Rn. 22, juris. 76 Siehe z.B. Deutscher Hanfverband (DHV), Gefahr für CBD in Lebens- und Nahrungsergänzungsmitteln, 28. März 2019, https://hanfverband.de/nachrichten/news/gefahr-fuer-cbd-in-lebens-und-nahrungsergaenzungsmitteln; Kuroczik, Johanna, Heimliche Legalisierung – Der Hype um Cannabidiol scheint Behörden zu überfordern, in: Süddeutsche Zeitung, 18. April 2019, https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/cbd-oel-gesundheit-rechtslage- 1.4413846; Mertens, Markus, Interview: Suchtforscher Derik Hermann vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit sieht Cannabidiol als Nahrungsergänzungsmittel – „Man sollte es in der Drogerie kaufen können “, in: Mannheimer Morgen, 19. Januar 2019, https://www.morgenweb.de/mannheimer-morgen_artikel,- mannheim-man-sollte-es-in-der-drogerie-kaufen-koennen-_arid,1386853.html; Hütthaler-Brandauer, Jakob, Pflanzenextrakte: Alles novel, oder was?, in: LMuR 2019, S. 93 ff; siehe z.B. auch Ausführungen zur Verwendungsgeschichte von CBD-haltigen Produkten im juristischen Gutachten des Rechtsanwalts Hermes Piper im Auftrag der European Industrial Hemp Association (EIHA) mit dem Titel „Beurteilung der Pflanze ‘Cannabis Sativa‘ und deren Pflanzenteile als Novel Food“ vom 05. März 2019. http://imperma.at/AC-daten/Piper-Gutachten -2019.pdf