© 2019 Deutscher Bundestag WD 5- 3000 - 062/19 Zu bergrechtlichen Sanierungsmaßnahmen im Kalibergbau Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 062/19 Seite 2 Zu bergrechtlichen Sanierungsmaßnahmen im Kalibergbau Aktenzeichen: WD 5- 3000 - 062/19 Abschluss der Arbeit: 27. Juni 2019 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 062/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Schutzzweck des Bundesberggesetzes (BBergG) 4 3. Gesetzlicher Anwendungsbereich 6 4. Übersicht über das gestufte Verfahren zur Zulassung von Bergbaubetrieben 6 5. Bergrechtliche Handlungsoptionen 7 5.1. Bergaufsicht 7 5.2. Konkurrenzverhältnis zwischen Berg- und Bodenschutzrecht 7 5.3. Anordnungsbefugnis nach § 71 BBergG 8 5.3.1. Voraussetzungen der Anordnungsbefugnis nach § 71 Abs. 1 S. 1 BBergG 9 5.3.2. Zur Bedeutung von § 71 Abs. 1 Satz 2 BBergG 11 5.3.3. Weitere Aspekte bei der Anwendung von § 71 BBergG 12 6. Bergschadenshaftung 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 062/19 Seite 4 1. Einführung Dieser Sachstand ist eine Ergänzung zu zwei Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages mit den Titeln „Zur Strafbarkeit nach § 324 StGB“ (WD 7 – 082/19) und „Rechtsfragen zur Sanierung von Kali-Abraumhalden“ (WD 8 – 057/19). Die Arbeit des Fachbereichs WD 7 befasst sich dabei mit der Strafbarkeit von Betreibern sanierungsbedürftiger Abraumhalden nach dem Strafgesetzbuch (StGB). Die Arbeit des Fachbereichs WD 8 behandelt die Inanspruchnahme der Betreiber von aus der Bergaufsicht entlassenen Betrieben beziehungsweise deren Rechtsnachfolgern aus bodenschutzrechtlicher Perspektive und schließt bergrechtliche Fragen ausdrücklich aus. Der vorliegende Sachstand bezieht sich daher ausschließlich auf noch unter der Bergaufsicht stehende Kalibergwerke und deren etwaige Sanierungspflicht nach dem Bundesberggesetz (BBergG)1. Aufgrund der zeitlichen Vorgaben des auftraggebenden Büros kann hier nur ein Überblick gegeben werden. Insbesondere wird nicht die Prüfung der wasser-/umweltrechtlichen Belange bei der Zulassung von obligatorischen Haupt-, Rahmen- oder Abschlussbetriebsplänen dargelegt . Vielmehr soll die Situation beleuchtet werden, dass im Betrieb eines zugelassenen und aktiv betriebenen Kalibergbaus vor dem Hintergrund etwaiger nachteiliger betriebsbezogener Umweltauswirkungen bergrechtliche Maßnahmen erforderlich werden. Weschpfennig schreibt dazu: „Problematisch ist hierbei insbesondere die Versenkung von Salzabwasser in den Untergrund sowie die Einleitung in Flüsse. Mögliche Folgen sind Gefahren für das Grund- und Trinkwasser sowie eine Versalzung der Flüsse.“2 2. Schutzzweck des Bundesberggesetzes (BBergG) Nach § 1 BBergG ist Zweck des Gesetzes „1. zur Sicherung der Rohstoffversorgung das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen unter Berücksichtigung ihrer Standortgebundenheit und des Lagerstättenschutzes bei sparsamem und schonendem Umgang mit Grund und Boden zu ordnen und zu fördern, 2. die Sicherheit der Betriebe und der Beschäftigten des Bergbaus zu gewährleisten sowie 3. die Vorsorge gegen Gefahren, die sich aus bergbaulicher Tätigkeit für Leben, Gesundheit und Sachgüter Dritter ergeben, zu verstärken und den Ausgleich unvermeidbarer Schäden zu verbessern.“ 1 Bundesberggesetz vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310), das zuletzt durch Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bbergg/ [letzter Abruf: 27. Juni 2019]. 2 Weschpfennig, Armin, Pfadabhängigkeiten im Bergrecht und nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung, in: Die öffentliche Verwaltung (DÖV) 2017, S. 23 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 062/19 Seite 5 Weschpfennig erkennt trotz des Hinweises auf einen sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden keinen ausdrücklich nachhaltigkeitsbezogenen oder umweltschonenden Gesetzeszweck im BBergG.3 Anders sieht das Frenz, der zum Gesetzeszweck schreibt: „Traditionell werden in § 1 BBergG die Elemente verankert gesehen, welche die bergbaulichen Sachgesetzlichkeiten widerspiegeln. Dazu gehören die in Nr. 1 zum Ausdruck kommende Standortgebundenheit bergbaulicher Tätigkeit aufgrund der Lagerstättenbezogenheit , die Dynamik des Rohstoffabbaus in Anpassung an die nicht vorhersehbaren Gegebenheiten der Lagerstätte, ein nicht zuletzt daraus resultierender spezifischer Arbeits- und Gesundheitsschutz vor allem im untertägigen Bergbau (Nr. 2) sowie die insbesondere bei Letzterem auftretenden Oberflächenschäden (Nr. 3). Aus diesen Sachgesetzlichkeiten sowie der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Bergbaus wird eine besondere Stellung des Bergrechts im System des Bundesrechts abgeleitet. Damit erscheint das BBergG vordergründig als reines Rohstoffgesetz, auch wenn schon in diesem Zusammenhang die Auswirkungen auf die Umwelt durch § 1 Nr. 3 BBergG umfasst gesehen werden: Ihre besonderen und typischen Manifestationen werden aber in Oberflächenschäden verortet. Indes ist der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung umfassend zu verstehen im Sinne einer durchgängigen gleichgewichtigen Berücksichtigung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Belangen. Zudem dürfen nicht nur die Belange der gegenwärtigen Generationen einbezogen werden, sondern auch die der künftigen Generationen sind zu wahren. Den letzten Aspekt greift die GG-Umweltstaatszielbestimmung eigens auf und verlangt damit einen langfristigen Umweltschutz. Zwar wirkt Art. 20a GG nicht unmittelbar, sondern verlangt eine Verwirklichung durch den Gesetzgeber , der dabei erhebliche Gestaltungsfreiheit hat. Indes prägt die Umweltstaatszielbestimmung die Auslegung vorhandenen Rechts. So wird die Aufnahme der Klausel zum schonenden Umgang mit Grund und Boden 1990 in §1 Nr. 1 BBergG in Verbindung mit dem Bodenschutzkonzept der Bundesregierung und dem Katalog der „Maßnahmen zum Bodenschutz “ gesehen. Sie hat mithin einen umweltschützenden Hintergrund, so dass die Umweltstaatszielbestimmung einwirken kann und bei der Auslegung zu berücksichtigen ist.“4 3 Ebenda (Fn. 2), S. 24. 4 Frenz, Walter, Das BBergG mit rein nationalem, ausschließlichem Rohstoffversorgungszweck?, in: Umwelt- und Planungsrecht (UPR) 2017, S. 174 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 062/19 Seite 6 3. Gesetzlicher Anwendungsbereich Gemäß § 2 Absatz 1 BBergG fällt unter den Anwendungsbereich des Gesetzes vorrangig das Aufsuchen , Gewinnen und Aufbereiten5 von Bodenschätzen6, das Wiedernutzbarmachen der Oberfläche 7 während und nach der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen, sowie Betriebsanlagen und Betriebseinrichtungen, die überwiegend einer der genannten Tätigkeiten dienen oder zu dienen bestimmt sind. Dieser Sachstand bezieht sich auf den aktiven Kalibergbau, der auf den Abbau von Kalisalzen gerichtet ist. Der Abraum der Kalisalzförderung wird dabei auf sogenannten Kali-Abraumhalden gelagert.8 Das BBergG unterscheidet in § 3 BBergG zwischen bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen . Kalisalze gehören nach § 3 Abs. 3 Satz 1 [4. Gruppe] BBergG zu den bergfreien Bodenschätzen , soweit sich aus aufrechterhaltenen alten Rechten (§§ 149 bis 159 BBergG) oder aus § 3 Abs. 4 BBergG nichts anderes ergibt. Der Abbau der Kalisalze stellt dabei ein Gewinnen von Bodenschätzen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nummer 1 BBergG dar, das nach § 4 Abs. 2 BBergG als „das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen einschließlich der damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten“ definiert ist. Die Aufschüttung des Abraums auf Halden ist dabei eine begleitende Maßnahme zur Gewinnung des Bodenschatzes. 4. Übersicht über das gestufte Verfahren zur Zulassung von Bergbaubetrieben Die Aufsuchung oder Gewinnung bergfreier Bodenschätze setzt zunächst eine Bergbauberechtigung voraus (§§ 6 ff BBergG). Dabei handelt es sich nicht um eine Gestattung zur Aufsuchung oder Gewinnung des Bodenschatzes, sondern darum, eine Rechtsposition an den bergfreien Bodenschätzen zu gewähren.9 Im zweiten Schritt muss zwingend eine Betriebsplanzulassung erfolgen (§§ 51 ff. BBergG). Das BBergG sieht verschiedene Arten von Betriebsplänen vor, bei deren Zulassung in verschiedener Weise umweltrelevante Fragen eine Rolle spielen können.10 So muss beispielsweise nach 5 Zu den Begriffsbestimmungen siehe § 4 Abs. 1 bis 3 BBergG. 6 Zur Begriffsbestimmung siehe § 3 Abs. 1 BBergG. 7 Zur Begriffsbestimmung siehe § 4 Abs. 4 BBergG. 8 Näheres dazu siehe Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Bergbau und Rohstoffe, abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Branchenfokus/Industrie/branchenfokus-bergbauund -rohstoffe.html [letzter Abruf: 27. Juni 2019]; Verband der Kali- und Salzindustrie e.V. (VKS), Kali und Salz: Wertvolle Rohstoffe aus Deutschland, abrufbar unter: https://www.vks-kalisalz.de/home/ [letzter Abruf: 27. Juni 2019]. 9 Siehe z.B. Weschpfennig, Armin, Pfadabhängigkeiten im Bergrecht und nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung, in: DÖV 2017, S. 23 ff.; Ludwig, Grit, Umweltaspekte in Verfahren nach dem BBergG, in: Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2012, S. 150. 10 Näheres dazu siehe Ludwig, Grit, Umweltaspekte in Verfahren nach dem BBergG, in: ZUR 2012, S. 152 ff. und Keienburg, Bettina, Das bergrechtliche Betriebsplanzulassungsverfahren, Unter besonderer Berücksichtigung des Sonderbetriebsplans „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungs- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 062/19 Seite 7 § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 und Nr. 9 BBergG die erforderliche Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche getroffen worden und gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung oder Gewinnung nicht zu erwarten sein. Die Betriebsplanzulassung ist materiell nur unter den Voraussetzungen des § 55 BBergG zu erteilen.11 Auch dürfen ihr gemäß § 48 Abs. 2 BBergG keine überwiegenden öffentlich-rechtlichen, insbesondere umweltrechtlichen, Interessen entgegenstehen.12 5. Bergrechtliche Handlungsoptionen 5.1. Bergaufsicht Der Bergbau unterliegt gemäß § 69 Abs. 1 BBergG der Aufsicht durch die zuständige Bergbehörde . Diese wird gemäß § 142 S. 1 BBergG von der jeweiligen Landesregierung bestimmt, soweit nicht die Zuständigkeit einer Bundesbehörde gegeben ist. Die Zuständigkeit der Bergbehörde endet gemäß § 69 Abs. 2 BBergG „nach der Durchführung des Abschlußbetriebsplanes (§ 53) oder entsprechender Anordnungen der zuständigen Behörde (§ 71 Abs. 3) zu dem Zeitpunkt, in dem nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, daß durch den Betrieb Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter, für andere Bergbaubetriebe und für Lagerstätten, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden.“ Ausweislich der Gesetzesbegründung hat die für die Bergaufsicht zuständige Behörde insbesondere zu überwachen , dass die Vorgaben des BBergG und die auf Grundlage dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen (Bergverordnungen), sowie die von ihr erlassenen Anordnungen und die zugelassenen Betriebspläne eingehalten werden.13 Um diese Aufgaben zu erfüllen, stehen ihr nach §§ 70 ff. BBergG einzelne Befugnisse zu. 5.2. Konkurrenzverhältnis zwischen Berg- und Bodenschutzrecht Inwieweit diese Befugnisse Handlungsmaßnahmen zur Sanierung eines aktiven Kalibergwerks umfassen, wenn es im Zuge der bergbaulichen Tätigkeit zu Bodenverunreinigungen kommt, ist zunächst deshalb fraglich, weil der Schutz des „Boden“ seit dem Jahr 1998 in einem eigenständigen Bundesgesetz normiert ist, namentlich dem Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG)14. Die recht (NVwZ) 2013, S. 1123 ff.; vgl. zum Lavaabau WD 5 – 005/16, https://www.bundestag.de/resource /blob/415874/d4e4ecce07f1248d53bd65eb22378dce/WD-5-005-16-pdf-data.pdf [letzter Abruf: 27. Juni 2019]. 11 Müggenborg, Hans-Jürgen: Abgrenzungsfragen zwischen Bodenschutz- und Bergrecht, in: NVwZ 2012, S. 660. 12 Uhlenbrock, Karin, Bergrecht und Wasserrecht – ein auflösbarer Konflikt?, in: Zeitschrift für Bergrecht (ZfB) 2018, S. 182; weitergehende Genehmigungserfordernisse (z.B. nach Wasser- oder Naturschutzrecht) bleiben mangels Konzentrationswirkung der Betriebszulassung bestehen, sofern nicht nach § 57a BBergG ein Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erfolgt, siehe dazu z.B. Weller, Herbert/Kullmann, Ulrich, Bundesberggesetz, Kommentar, 1. Auflage 2012, § 55, Rn. 1. 13 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Bundesberggesetzes (BBergG), BT-Drs. 08/1315 vom 09. Dezember 1977, S. 121, http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/08/013/0801315.pdf [letzter Abruf: 27. Juni 2019]. 14 Bundes-Bodenschutzgesetz vom 17. März 1998 (BGBl. I S. 502), das zuletzt durch Art. 3 Abs. 3 der Verordnung vom 27. September 2017 (BGBl. I S. 3465) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/bbodschg/index.html#BJNR050210998BJNE000100000 [letzter Abruf: 27. Juni 2019]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 062/19 Seite 8 Abgrenzungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG legt jedoch fest, dass das BBodSchG auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten nur insoweit Anwendung findet, als dass die Vorschriften des BBergG und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen Einwirkungen auf den Boden nicht regeln. Soweit also das Bergrecht Regelungen zum Schutz des Bodens enthält, ist das BBodSchG subsidiär.15 Mangelt es jedoch im Einzelfall an bergrechtlichen Vorschriften, welche die konkret in Rede stehenden Einwirkungen auf den Boden regeln, ist das BBodSchG anwendbar.16 5.3. Anordnungsbefugnis nach § 71 BBergG Das BBergG sieht in § 71 eine allgemeine Anordnungsbefugnis vor. Die Vorschrift lautet: „§ 71 Allgemeine Anordnungsbefugnis (1) Die zuständige Behörde kann im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen zur Durchführung der Vorschriften dieses Gesetzes, der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen und der nach § 176 Abs. 3 aufrechterhaltenen Rechtsverordnungen zu treffen sind. Dabei können Anordnungen, die über die auf Grund einer Rechtsverordnung oder eines zugelassenen Betriebsplans gestellten Anforderungen hinausgehen, nur getroffen werden, soweit dies zum Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter erforderlich ist. (2) Führt ein Zustand, der diesem Gesetz, einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung , einem zugelassenen Betriebsplan, einer Nebenbestimmung der Zulassung, einer nachträglichen Auflage oder einer Anordnung nach Absatz 1 widerspricht, eine unmittelbare Gefahr für Beschäftigte oder Dritte herbei, so kann die zuständige Behörde anordnen, daß der Betrieb bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes vorläufig ganz oder teilweise eingestellt wird, soweit sich die Gefahr auf andere Weise nicht abwenden läßt oder die Einstellung zur Aufklärung der Ursachen der Gefahr unerläßlich ist. § 51 Abs. 1 gilt nicht. (3) Im Falle der Einstellung des Betriebes ohne zugelassenen Abschlußbetriebsplan kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen anordnen, um die Erfüllung der in § 55 Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen sicherzustellen.“ 15 Vgl. Müggenborg, Hans-Jürgen: Abgrenzungsfragen zwischen Bodenschutz- und Bergrecht, in: NVwZ 2012, S. 660; siehe dazu z.B. auch BVerwG, Beschl. v. 21. April 2015 – 7 B 9/14 –, in: NVwZ-RR 2015, S. 566 ff., Rn. 10 f. 16 So z.B. auch BVerwG, Beschl. v. 21. April 2015 – 7 B 9/14 –, in: NVwZ-RR 2015, S. 566 ff., Rn. 10 f.; im Bodenschutzrecht findet sich für eine Sanierungsanordnung die Ermächtigungsgrundlage des § 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG als bodenschutzrechtliche Generalklausel. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 062/19 Seite 9 5.3.1. Voraussetzungen der Anordnungsbefugnis nach § 71 Abs. 1 S. 1 BBergG Die Anordnungsbefugnis nach § 71 Abs. 1 S. 1 BBergG gestattet der Behörde im Einzelfall, Anordnungen zur Einhaltung der Vorschriften des BBergG und der darauf basierenden Rechtsverordnungen zu treffen.17 Hier sollen nur einige mögliche Vorschriften, auf denen eine Anordnung basieren kann, dargestellt werden. Neben Betriebsplanzulassungen können sich berggesetzliche Vorschriften beispielsweise aus § 55 Abs. 1 S. 1 BBergG ergeben, sofern sich die in der Norm gelisteten Rechtsgüter und Belange auf den Schutz des Bodens beziehen und den konkreten Einzelfall umfassen.18 Zunächst kommt hier der Gesundheits- und Sachgüterschutz nach § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BBergG in Frage, wonach eine Vorsorgeverpflichtung gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern [im Betrieb] besteht.19 Muss beispielsweise ein stark kontaminierter Bodenbereich wegen Gesundheitsgefahren für Beschäftigte und Dritte geräumt werden, erlaubt dies die Beachtung von Bodenschutzaspekten.20 Die Bergbehörde könnte in einem solchen Fall einen bestimmten Umgang mit dem in Rede stehenden Boden vorschreiben.21 Zudem in Betracht kommt die Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche nach § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 BBergG. So ist auch hier an Bodenschutzaspekte zu denken, wenn der Boden beispielsweise durch den Bergbaubetrieb seine Standfestigkeit verlieren würde, wodurch eine weitere Nutzungsfähigkeit beeinträchtigt würde und eine Wiederherstellung der Bodenmassen im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs geboten wäre.22 Unter Oberfläche werden dabei jedoch nur die Flächen erfasst, die unmittelbar als bergbauliche Betriebsflächen genutzt werden.23 17 Siehe das Beispiel: BVerwG, Urt. v. 18. Dezember 2014 – 7 C 22/12 –, in: NVwZ 2015, S. 742 ff., hier wurde ein Bergbauunternehmen auf Basis des § 71 Abs. 1 S. 1 BBergG zur Vorlage eines Sonderbetriebsplans betreffend der Reinigung von mit Schwermetallen belasteten Grubenwassers verpflichtet (Sanierungsplan). 18 Vgl. Keienburg, in: Boldt, Gerhard/Weller, Herbert [Begr.], Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Auflage 2016, § 71, Rn. 3. 19 Vgl. Müggenborg, Hans-Jürgen: Abgrenzungsfragen zwischen Bodenschutz- und Bergrecht, in: NVwZ 2012, S. 660 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 29. April 2010, - 7 C 18/09 -, in dem das BVerwG feststellt, dass auch Gefahren außerhalb des Betriebs erfasst werden. 20 Müggenborg, Hans-Jürgen: Abgrenzungsfragen zwischen Bodenschutz- und Bergrecht, in: NVwZ 2012, S. 660. 21 Ebenda (Fn. 20). 22 Ebenda (Fn. 20), S. 660 f. 23 Von Mäßenhausen, in: Boldt, Gerhard/Weller, Herbert [Begr.], Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Auflage 2016, § 55, Rn. 89. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 062/19 Seite 10 Auch ist der Schutz vor gemeinschädlichen Einwirkungen nach § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 BBergG in Erwägung zu ziehen. Der Begriff „gemeinschädliche Einwirkungen“ wird dabei eng ausgelegt.24 Ausweislich der Gesetzesbegründung kann von einem „Gemeinschaden“ dann gesprochen werden , wenn er in solchem Umfang droht, dass er sich auf das Allgemeinwohl auswirkt.25 Darunter werden vor allem das Leben, die Gesundheit oder auch Sachgüter von hohem Wert verstanden.26 Auch umfasst ist grundsätzlich die Erhaltung umweltrechtlicher Anforderungen.27 Insbesondere Wasser wird als ein Gut angesehen, das dem Gemeinwohl dient.28 Doch nicht jede bergbaubedingte Gewässerverunreinigung erlangt die hohe Schwelle des Gemeinschadens.29 So wurden durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) solche Veränderungen der Wasserbeschaffenheit als gemeinschädliche Einwirkungen anerkannt, die die Merkmale einer Gewässerverunreinigung nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG)30 aufweisen und durch welche die Gefahr einer Beeinträchtigung des Grundwassers und damit der öffentlichen Wasserversorgung entsteht.31 Nach § 3 Nr. 5 und Nr. 10 WHG muss die Gewässerverunreinigung oder die Einwirkung auf das Gewässer nachhaltig, dauerhaft oder erheblich sein und die Gewässereigenschaft maßgeblich verändern .32 Ein Gemeinschaden ist nur dann anzunehmen, wenn die bergbauliche Tätigkeit nicht mehr mit den Anforderungen des WHG übereinstimmt.33 Weiterhin muss der Gemeinschaden nach § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 BBergG zu erwarten sein. Das ist der Fall, wenn die schädlichen Gewässerverunreinigungen bei normalem Geschehensablauf nach allgemeiner Lebenserfahrung 24 Ludwig, Grit, Umweltaspekte in Verfahren nach dem BBergG, in: ZUR 2012, S. 152; allgemein dazu siehe auch Frenz, Walter, Bergbau und Gemeinschäden, in: UPR 2005, S. 1 ff. und Kremer, Eduard, Gemeinschaftliche Einwirkungen i. S. d. § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 BBergG (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG), in: UPR 1999. S. 135 ff. 25 BT-Drs. 08/1315, S. 111. 26 Ludwig, Grit, Umweltaspekte in Verfahren nach dem BBergG, in: ZUR 2012, S. 152. 27 So z.B. BVerwG, Urt. v. 18. Dezember 2014 – 7 C 22.12 –, in: NVwZ 2015, S. 742 ff., Rn. 46. 28 Von Mäßenhausen, in: Boldt, Gerhard/Weller, Herbert [Begr.], Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Auflage 2016, § 55, Rn. 103. 29 Ebenda (Fn. 28). 30 Wasserhaushaltsgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2254) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/whg_2009/BJNR258510009.html#BJNR258510009BJNG000100000 [letzter Abruf: 27. Juni 2019]. 31 Siehe BVerwG, Urt. v. 09. November 1995 – 4 C 25.94 –, Leitsatz 1, in: NVwZ 1996, S. 712 ff. 32 Näheres dazu siehe von Mäßenhausen, in: Boldt, Gerhard/Weller, Herbert [Begr.], Bundesberggesetz, Kommentar , 2. Auflage 2016, § 55, Rn. 103. 33 Jordan, Isabelle, Das Zusammenspiel von Bergrecht und Wasserrecht im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, in: ZfB 2018, S. 104. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 062/19 Seite 11 wahrscheinlich und ihrer Natur nach vorhersehbar sind.34 Gerade gemeinschädliche Einwirkungen können mit zeitlichem Verzug auftreten und ein nachträgliches Eingreifen in Form von nachträglichen Anordnungen erforderlich machen.35 Die Befugnisse der Bergaufsicht gehen jedoch nicht über die Befugnisse der Bergbehörde im Betriebszulassungsverfahren hinaus.36 Daher bilden die zwingenden Voraussetzungen der §§ 55 und 48 Abs. 2 BBergG die Grenze der behördlichen Anordnungsbefugnisse.37 Daraus ergibt sich auch, dass die nachträglichen Eingriffsmöglichkeiten der Bergaufsicht in einen bereits zugelassenen Bergbetrieb in Form von Auflagen nach § 56 Abs. 1 S. 2 BBergG grundsätzlich Vorrang haben.38 Die Bergaufsicht hat daher zunächst zu prüfen, ob der Zweck der Anordnung nicht durch Nebenbestimmungen zum Betriebsplan oder durch nachträgliche Auflagen gemäß § 56 Abs. 1 S. 2 BBergG erreicht werden kann.39 Ist dies der Fall, ist die Anwendung des § 71 Abs. 1 S. 1 BBergG ausgeschlossen.40 5.3.2. Zur Bedeutung von § 71 Abs. 1 Satz 2 BBergG Durch die Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 BBergG wird das Vertrauen von Bergbaubetreibenden auf die Geltung bestehender Regelungen der zu erfüllenden Anforderungen geschützt.41 Dementsprechend können Anordnungen, die über die aufgrund einer Rechtsverordnung oder eines zugelassenen Betriebsplans gestellten Anforderungen hinausgehen, nur getroffen werden, soweit dies zum Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter erforderlich ist. Nach Müggenborg dürfte dies bei Bodenkontaminationen selten der Fall sein, so z.B. wenn es zur Ausgasung von Schadstoffen in einer ortsnahen Lage käme, durch welche die Gesundheit der Anwohner konkret gefährdet werde.42 Geht es dagegen lediglich darum, den Übertritt der Schadstoffe ins Grundwasser zu verhindern, scheiden Anordnungen auf der Grundlage von § 71 Abs. 1 S. 2 BBergG in der Regel aus und es kommen lediglich solche nach dem BBodSchG in Betracht.43 34 Ebenda (Fn. 33), S. 105. 35 Vgl. BVerwG, Urt. v. 18. Dezember 2014 – 7 C 22.12 –, in: NVwZ 2015, S. 742 ff., Rn. 33. 36 Keienburg, in: Boldt, Gerhard/Weller, Herbert [Begr.], Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Auflage 2016, § 71, Rn. 4. 37 Ebenda (Fn. 36). 38 Ebenda (Fn. 36), Rn. 5. 39 Vgl. Weller, Herbert/Kullmann, Ulrich, Bundesberggesetz, Kommentar, 1. Auflage 2012, § 71, Rn. 1. 40 BVerwG, Urt. v. 18. Dezember 2014 – 7 C 22/12 –, in: NVwZ 2015, S. 742 ff., Rn. 38. 41 Vgl. Weller, Herbert/Kullmann, Ulrich, Bundesberggesetz, Kommentar, 1. Auflage 2012, § 71, Rn. 1. 42 Müggenborg, Hans-Jürgen: Abgrenzungsfragen zwischen Bodenschutz- und Bergrecht, in: NVwZ 2012, S. 662. 43 Vgl. ebenda (Fn. 42). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 062/19 Seite 12 5.3.3. Weitere Aspekte bei der Anwendung von § 71 BBergG Die Anordnungsbefugnis des § 71 BBergG steht dem Wortlaut der Regelung zufolge im Ermessen der Bergaufsicht.44 Die konkret getroffene Maßnahme muss außerdem dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.45 Danach muss die behördliche Anordnung zur Erreichung eines legitimen Ziels geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein, das heißt das Verhältnis von Mittel und Zweck muss angemessen sein, die Maßnahme mithin keinen Nachteil herbeiführen , der zum beabsichtigten Erfolg außer Verhältnis steht.46 Die Anordnungsbefugnis der Bergaufsicht nach § 71 BBergG unterliegt weder der Verjährung, noch der Verwirkung und findet ihre zeitliche Grenze lediglich im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz .47 6. Bergschadenshaftung Spezielle Haftungsregelungen für Bergschäden finden sich in den §§ 114 ff. BBergG. Ein nach § 117 Abs. 1 BBergG ersatzpflichtiger Bergschaden liegt dann vor, wenn ein Schaden an einem der in § 114 Abs. 1 BBergG aufgelisteten Rechtsgüter festgestellt werden kann, der auch kausal durch den Bergbaubetrieb verursacht wurde. Hierunter fallen nach § 114 Abs. 1 BBergG neben dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit eines Menschen auch Sachen. Der Begriff der Sache umfasst dabei jedoch nicht fließendes Gewässer oder Grundwasser.48 Haftungsrechtliche Probleme im Bergschadensrecht entstehen insbesondere bei der Kausalität zwischen dem eingetretenen Schaden und der bergbaulichen Tätigkeit; vor allem dann, wenn z.B. die Gefährdung des Grundwassers oder des Gewässers erst durch weitere Naturereignisse droht.49 *** 44 Näheres dazu Keienburg, in: Boldt, Gerhard/Weller, Herbert [Begr.], Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Auflage 2016, § 71, Rn. 12. 45 Näheres dazu ebenda (Fn. 44). 46 Vgl. BVerwG, Urt. v. 18. Dezember 2014 – 7 C 22/12 –, in: NVwZ 2015, S. 742 ff., Rn. 41. 47 Keienburg, in: Boldt, Gerhard/Weller, Herbert [Begr.], Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Auflage 2016, § 71, Rn. 15; zur Nachsorgehaftung eines Bergbauunternehmers siehe BVerwG, Urt. v. 18. Dezember 2014 – 7 C 22/12 –; dazu Frenz, Walter, Wasserreinhaltung und bergbauliche Ewigkeitshaftung: das Meggen-Urteil des BVerwG, in: Natur und Recht (NuR) 2016, S. 184 – 187. 48 Vgl. Schubert, in: Boldt, Gerhard/Weller, Herbert [Begr.], Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Auflage 2016, § 114, Rn. 21; zu den Fällen einer Veränderungen des Grundwasserstandes und eines Anstiegs des Grubenwassers siehe Näheres ebenda, Rn. 32 ff. 49 Vgl. dazu Frenz, Walter, Grundwasseranstieg im Kohlebergbau: Bergschadenshaftung und wasserrechtliche Pflichten, in: NuR 2006, S. 680 ff.