Umweltbezogene Risiken der grünen Gentechnik - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 – 059/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Umweltbezogene Risiken der grünen Gentechnik Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 059/08 Abschluss der Arbeit: 25.04.2008 Fachbereich WD 5: Wirtschaft und Technologie; Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft; Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - 1. Zusammenfassung Der Sachverständigenrat für Umweltfragen nannte im Jahr 2004 zwar eine Reihe von Risiken der „Grünen Gentechnik“, sah sich aber zur Qualifizierung und Quantifizierung außerstande, da über den Schadensbegriff in Zusammenhang mit der Grünen Gentechnik bis dato kein Konsens hergestellt war. Dieses Problem besteht fort. Den einen erscheint bereits die Auskreuzung einer einzelnen Pflanze in die Natur als Schaden. Für die anderen ist dies ein Vorgang, der auch in der konventionellen Züchtung vorkommt ohne moniert zu werden. Auch sind in der Praxis bislang keine nennenswerten Schädigungen der Umwelt aufgetreten, die unzweifelhaft der Grünen Gentechnik zugerechnet werden könnten. So wird zwar vermutet, dass etwa das Bienensterben in den USA auf den vermehrten Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zurückzuführen ist. Einen Beleg dafür gibt es nicht. Andererseits ist aber auch nicht auszuschließen, dass veränderte Eigenschaften der Blütenpollen den in Monokulturen ohnehin geschwächten Bienenvölkern zusätzlichen Ernährungsstress bringen und sie dadurch noch krankheitsanfälliger werden. Dass direkte Schädigungen der Umwelt durch die Grüne Gentechnik nicht nachweisbar sind, werten Befürworter als Beleg für ihre Harmlosigkeit. Skeptiker sind hingegen der Auffassung, dies sei nur den strikten Reglementierungen zu verdanken, die im Hinblick auf die fortbestehenden Gefährdungen eingeführt worden seien. Bei einer weiteren Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzung gentechnisch veränderter Organismen, bzw. bei Lockerung der Vorschriften, käme es ihrer Ansicht nach unvermeidlich zu bisher noch nicht übersehbaren Schädigungen der Umwelt. Indirekte Schädigungen, wie etwa der Verlust von Extremstandorten als Rückzugsflächen für gefährdete Arten infolge der Erschließung durch gentechnisch veränderte Kulturpflanzen sind bislang nicht eingetreten. Die Züchtung von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO-Pflanzen) mit besonderen Toleranzen gegen Umweltfaktoren wie Hitze, Dürre und Salzgehalt ist noch nicht fortgeschritten. Vielmehr beschränkt sich die bisherige Züchtung auf Eigenschaften (erste Generation) wie Resistenz gegen Schadorganismen oder Herbizide. Im ersten Fall wirkt die Grüne Gentechnik durch Einsparung chemischer Pflanzenschutzmittel eher Umwelt entlastend. Im zweiten Fall wird der erhöhte Verbrauch von Herbiziden durch die dadurch ermöglichte schonendere Bodenbearbeitung tendenziell kompensiert. Die Forschung zur zweiten Generation von GVO konzentriert sich derzeit auf bestimmte vom Verbraucher gesuchte Eigenschaften wie Haltbarkeit , Geschmack, Nährstoffgehalt. - 4 - Bislang gibt es keine Hinweise auf damit einhergehende die Umwelt schädigende Eigenschaften der veränderten Pflanzen. 2. Einleitung Die Literatur zur Grünen Gentechnik und speziell zu deren Auswirkungen auf die Umwelt umfasst eine inzwischen unüberschaubare Anzahl von Titeln. Soweit sie auf wissenschaftlichen Untersuchen beruhen, behandeln sie in aller Regel sehr spezifische Problemstellungen, die sich nur sehr schwer zu einem Gesamtbild zusammenfügen lassen . Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass bereits den jeweiligen Arbeitshypothesen unterschiedliche Wertungen zugrunde liegen. Deshalb stützen sich die Ausführungen zu generellen (s. Ziff. 2) und spezifischen Umweltrisiken (s. Ziff. 3) im Wesentlichen auf zwei Veröffentlichungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU, 2004) und des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV, 2008), in denen die umweltbezogenen Risiken über die Grüne Gentechnik zusammenfassend und gleichgewichtig behandelt sind. 3. Generelle Auswirkungen Das Umweltgutachten 2004 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) fasst in Abschnitt 10.2.3 „Ökologische Risiken des Kapitels zur Grünen Gentechnik“ die möglichen Auswirkungen zusammen (s. Tabelle) und begründet dabei die fehlende Wertung und Gewichtung wie auch die Vermeidung des Begriffs “Umweltschäden“ mit den Schwierigkeiten bei der Definition wie auch der Bemessung des Schadenumfangs. In der Bewertung der verschiedenen Umweltrisiken führt der SRU (2004) aus: aus: SRU/UG 2004 / Tab. 10-3 - 5 - „Bezüglich der möglichen ökologischen Risiken der "grünen" Gentechnik liegen große Wissenslücken vor. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit von ökologischen Schäden als auch hinsichtlich der möglichen Schadensausmaße. Daher liegen Schadensmöglichkeiten im Modus der Ungewissheit vor … . Daher lässt sich aus den bisherigen Erfahrungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen nicht mit Sicherheit auf die objektive Wahrscheinlichkeit der Risiken der heutigen und erst recht nicht auf die Risiken in der Zukunft entwickelter gentechnisch veränderter Pflanzen schließen. Ein abwägendes und abschließendes Urteil über die ökologischen Risiken der "grünen" Gentechnik kann unter anderem auch deshalb noch nicht gefällt werden, weil das Eintreten der möglichen Schadensereignisse, und damit deren Nachweis, Jahrzehnte beanspruchen kann. Also muss gegenwärtig unter Ungewissheit sowie unter Bedingungen wissenschaftlicher Kontroversen entschieden und gehandelt werden. Aufgrund der bestehenden Ungewissheiten ist eine besondere Sorgfalt bei der Bewertung ökologischer Risiken an den Tag zu legen.“ 4. Spezifische Risiken In der öffentlichen Debatte häufig zitierte spezifische Risiken werden in einer unlängst vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im Auftrag des für den Bereich „Grüne Gentechnik“ zuständigen Bundesministeriums für Ernährung , Landwirtschaft und Verbraucherschutz herausgegebenen Broschüre beleuchtet1. Die nachfolgenden Ausführungen in den Unterpunkten zu Ziffer 4 sind Auszüge aus dem Kapitel „Umweltaspekte der grünen Gentechnik“. 4.1. Ausbreitung von Genen in der Umwelt („Gentransfer“) Die Auswirkungen einer Übertragung von gentechnisch veränderten Eigenschaften auf artverwandte ("vertikaler Gentransfer"), aber auch auf artfremde Organismen wie etwa auf Bodenbakterien ("horizontaler Gentransfer") werden in den Zulassungsverfahren geprüft. 1 DIE GRÜNE GENTECHNIK - Ein Überblick, hsg. vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit , Bonn 2008 - 6 - Der horizontale Gentransfer ist extrem selten und führt bei den bisher zugelassenen, gentechnisch veränderten Nutzpflanzen zu keinen schädlichen Effekten, da die verwendeten Gene fast ausnahmslos aus in der Natur vorkommenden Organismen stammen. Der horizontale Gentransfer könnte also nicht erst durch die gentechnisch veränderte Nutzpflanze erfolgen, sondern bereits durch die ursprünglichen Träger der Gene. Der vertikale Gentransfer tritt dagegen regelmäßig bei Pflanzen gleichen Verwandtschaftsgrades in der Natur auf. Er ist damit auch für gentechnisch veränderte Pflanzen zu erwarten. Die Häufigkeit und die Frage, ob dies eine Bedrohung für die Umwelt darstellt , werden bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen in Europa im Rahmen der Umweltrisikoprüfung umfassend berücksichtigt. Eine Zulassung von gentechnisch verändertem Raps für den Anbau in Europa ist genau aus diesem Grund heftig umstritten, denn Raps verfügt über einige verwandte Arten in der Wildflora, so dass eine Auskreuzung nicht vollständig zu begrenzen ist. Damit muss bewertet werden, ob eine Ausbreitung wissentlich in Kauf genommen werden kann.2 4.2. Toleranz gegen Herbizide Von jeder landwirtschaftlichen Tätigkeit gehen sowohl erwünschte wie unerwünschte Auswirkungen auf die Umwelt aus. Entscheidend sind die Anbauverfahren, deren Rahmenbedingungen sowie die konkreten Eigenschaften der gentechnisch veränderten Pflanzen. Besonders deutlich wird dies bei der Anwendung von Herbiziden in der Landwirtschaft. Eindeutig ist: Je effektiver das jeweilige System der Unkrautkontrolle ist, umso gravierender sind die Folgen für Wildkräuter und Tierarten (z.B. Insekten- und Vogelarten). Das gilt auch für das neue System aus gentechnisch veränderten Pflanzen und passendem Herbizid. Andererseits können unnötige Anwendungen von Herbiziden bei gentechnisch veränderten Pflanzen vermieden werden, da der Landwirt die Unkrautentwicklung abwarten kann. Zusätzlich bedecken die abgestorbenen Unkräuter den Boden , was der Erosion entgegenwirkt. Durch die geringe Anwendungshäufigkeit wird außerdem fossile Energie in Form von Treibstoff gespart. Die zu häufige Anwendung der gleichen Herbizide birgt sowohl beim konventionellen als auch beim Anbau von 2 Für die einzige bis heute in Europa zum Anbau zugelassene gentechnisch veränderte Nutzpflanzenart, den Mais, ist ein Gentransfer mangels verwandter Wildpflanzen ausgeschlossen. Die Maispflanze stammt aus den Tropen und Subtropen und ist in Europa selbst nicht überlebensfähig. - 7 - herbizidtoleranten Pflanzen (Ht-Pflanzen) die Gefahr der Selektion resistenter Unkräuter . Dieser Selektion wird in der Praxis durch regelmäßigen Wechsel der angebauten Kulturart entgegen gewirkt. Die neuen Möglichkeiten der Ht-Pflanzen können aber auch zu vermehrten Monokulturen führen. 4.3. Resistenz gegen Insektenschädlinge Neben der Fähigkeit zur Herbizid-Toleranz ist die zweite Eigenschaft die Fähigkeit, Abwehrstoffe gegen bestimmte Insekten selbst zu produzieren. Dazu wurde den Pflanzen eine Erbinformation aus einem Bodenbakterium (Bacillus thuringiensis - Bt) eingebaut . Der dadurch von der gentechnisch veränderten Pflanze erzeugte Wirkstoff, der auch in zugelassenen biologischen Pflanzenschutzmitteln enthalten ist, hat dieselbe Wirkung wie das großflächig ausgebrachte Pflanzenschutzmittel. Die Wirkung auf so genannte Nicht-Zielorganismen ist eines der wichtigsten Themen der biologischen Sicherheitsforschung zu Bt-Mais. Geprüft wurden potentielle Nebenwirkungen auf Insekten (einschließlich Schmetterlinge und Bienen) sowie Kleinlebewesen. Wenn es unerwünschte Effekte geben sollte, dann sind sie nach bisherigen Beobachtungen sehr gering. Nachgewiesen wurden diese nachteiligen Wirkungen in der Umwelt bislang allerdings nicht. Um unerwartete Wirkungen zu erkennen, die z.B. auf Langzeitwirkungen beruhen, ist eine ständige Beobachtung sinnvoll. Dazu werden bei der Genehmigung des Anbaus und der Verwendung gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU so genannte „Monitoring “-Pläne vereinbart, mit deren Hilfe auch unerwartete Effekte erfasst werden sollen . Da gerade Insekten sehr anpassungsfähig sind, sind sie auch in der Lage, Resistenzen zu entwickeln, egal ob gegen Insektizide oder Stoffe, welche die Pflanze – wie beim Bt-Mais selbst zu ihrem Schutz produziert. Befürchtungen, dass ein großflächiger Anbau von Bt-Pflanzen die Resistenzbildung gegen die verwendeten Bt-Wirkstoffe beschleunigen könnte, haben sich trotz mehrjährigem Anbau von Bt-Mais nicht bewahrheitet . 5 Sortenspektrum und genetische Ressourcen Teilweise wird befürchtet, dass durch den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ältere, einheimische Pflanzensorten verdrängt werden und damit die genetische Vielfalt abnimmt. Da die Landwirte weltweit auch auf ihren wirtschaftlichen Erfolg und damit auf die Optimierung ihrer Ernteerträge bedacht sind, besteht grundsätzlich eine - 8 - Tendenz zum Anbau leistungsfähiger Pflanzensorten. Diese Tendenz könnte durch den vermehrten Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen noch verstärkt werden, wenn diese gegenüber anderen Sorten große Vorteile hätten. Da gentechnische Veränderungen bevorzugt in ausgewählte Hochleistungssorten eingekreuzt werden, die ohnehin eine dominante Stellung am Markt haben, dürfte der zusätzlich durch gentechnisch veränderte Pflanzen erzeugte Effekt auf die Biodiversität allerdings eher begrenzt sein.