AUSARBEITUNG Thema: Kurzgutachten: Zu den bundesrechtlichen Möglichkeiten, die Vereinbarung, den Abschluss und die Durchführung von branchen- oder regionalspezifischen Umlagesystemen für die Kosten von betrieblichen Ausbildungsplätzen zu fördern Fachbereich V Wirtschaft und Technologie; Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft; Tourismus Tel.: (030) 227-35881/35762 Verfasser/in: Abschluss der Arbeit: 16.3.2006 Reg.-Nr.: WF V 059/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 3 2. Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts zur Ausbildungsverantwortung 3 3. Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Ausbildungsabgaben bzw. Ausbildungsumlagen 4 4. Das Konzept des Berufsausbildungssicherungsgesetzes in der 15. Wahlperiode 5 5. Fazit 6 - 3 - 1. Einleitung Die Bereitstellung einer ausreichenden Zahl von Arbeitsplätzen ist ein Problem, das die Politik bereits seit längerem beschäftigt. So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits im Jahr 1980 das Ausbildungsplatzförderungsgesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen gehabt.1 In der 15. Wahlperiode wurde vom Deutschen Bundestag das Gesetz zur Sicherung und Förderung des Fachkräftenachwuchses und der Berufsausbildungschancen der jungen Generation (Berufsausbildungssicherungsgesetz – BerASichG) verabschiedet.2 Das Gesetz scheiterte indes im Vermittlungsausschuss. Neben gesetzlichen Bemühungen um die Einführung einer Ausbildungsabgabe wurden auch außergesetzliche Wege beschritten, um möglichst vielen Jugendlichen eine berufliche Ausbildung zu ermöglichen. So weist der Deutsche Gewerkschaftsbund auf Beispiele der tarifvertraglichen Förderung von Ausbildungsplätzen hin.3 Im Berliner Einzelhandel gebe es eine tarifliche Vereinbarung über eine spätere Anhebung der Ausbildungsvergütung bei Erhalt aller Ausbildungsplätze oder sogar Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze.4 Auch in der Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zum BerASichG haben Sachverständige auf solche außergesetzlichen Modelle hingewiesen, z.B. auf die seit 1977 Jahren in der Baubranche bestehende tarifliche Regelung.5 Dabei handelt es sich um einen zwischen den Tarifparteien vereinbarten Branchenfonds, in den alle Bauunternehmen einzuzahlen verpflichtet sind.6 Solche Vereinbarungen unterliegen der Tarifautonomie und entziehen sich bundesrechtlichen Regelungen. Hier kann daher nur auf die Möglichkeit einer gesetzlichen Ausbildungsumlage eingegangen werden. 2. Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts zur Ausbildungsverantwortung In seiner Entscheidung zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz hat das BVerfG Grundsätzliches zur Verantwortung für betriebliche Ausbildungsplätze festgestellt: 1 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) Bd. 55, S. 274 ff. Die Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz wurde für begründet erachtet, da die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG notwendig gewesen wäre aber nicht vorlag. 2 In der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung, und Technikfolgen abschätzung, BT-Drs. 15/3064. 3 DGB, „Fakten und Argumenten zur Ausbildungsumlage“ 2006, unter dem Link http://www.dgb.de/themen/themen_a_z/abisz_doks/a/ausbildungsplatzumlage.htm . 4 DGB a.a.O. 5 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Protokoll Nr. 15/36, Stenografisches Wortprotokoll zur Öffentlichen Anhörung zum BerASichG, S. 13. 6 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Protokoll Nr. 15/36, Stenografisches Wortprotokoll zur Öffentlichen Anhörung zum BerASichG, S. 20. - 4 - „In dem in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden dualen Berufsausbildungssystem mit den Lernorten Schule und Betrieb (Behörde) liegt die spezifische Verantwortung für ein ausreichendes Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen der Natur der Sache nach bei den Arbeitgebern, denn nur sie verfügen (…) typischerweise über die Möglichkeit, Ausbildungsplätze zu schaffen und anzubieten. Die praxisbezogene betriebliche Berufsausbildung der Jugendlichen - und damit die besondere Verantwortung der Arbeitgeber für diesen Bereich - hat in Deutschland historische Wurzeln. Schon im Mittelalter , jedenfalls seit der Ausformung des Ausbildungs- und Erziehungsmodells des spätmittelalterlichen Zunftsystems, lagen das Recht und die Pflicht zu einer geordneten praktischen beruflichen Ausbildung bei den jeweiligen Arbeitgebern. Daran hat sich in der weiteren geschichtlichen Entwicklung des betrieblichen Ausbildungswesens nichts Grundsätzliches geändert, weder im Laufe der im 19. Jahrhundert beginnenden Industrialisierung noch in der nachfolgenden Entwicklung der Wirtschaft bis hin zur Gegenwart. Die praktische Berufsausbildung war also nie in einem engeren Sinne der staatlichen Sphäre überantwortet. Bestrebungen, sie "staatsnäher" zu organisieren, sind von den Arbeitgebern, die sich immer zu der geschichtlich gewachsenen Aufgabenteilung zwischen staatlicher und privater Verantwortung im Berufsausbildungswesen bekannt haben, stets abgelehnt worden.“7 Ein staatlicher Eingriff in diesen der Verantwortung der Arbeitgeber obliegenden Bereich muss bestimmten Anforderungen gerecht werden. So hat das BVerfG die Regelungen des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes als „erzwungene Selbsthilfe“ angesehen, „deren Ausgestaltung die Gruppenverantwortung für den Bereich der betriebsbezogenen Ausbildung unberührt lässt.“8 3. Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Ausbildungsabgaben bzw. Ausbildungsumlagen Dabei ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Regelung, wie sie mit dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz und dem Berufsausbildungssicherungsgesetz unternommen wurde, aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 Grundgesetz (GG). Danach hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft. Dieses ist in einem weiten Sinne aufzufassen. Das BVerfG führt hierzu aus: 7 BVerfG, 2 BvF 3/77, Urteil vom 10.12.1980 (BVerfGE 55/274ff), hier zitiert nach der Jurisfassung, Absätze 88, 89. 8 BVerfG, 2 BvF 3/77, Urteil vom 10.12.1980 (BVerfGE 55/274ff), hier zitiert nach der Jurisfassung, Absatz 103. - 5 - „Er9 umfaßt nicht nur die Vorschriften, die sich in irgendeiner Form auf die Erzeugung, Herstellung und Verteilung von Gütern des wirtschaftlichen Bedarfs beziehen, sondern auch alle anderen das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung als solche regelnde Normen (BVerfGE 8, 143 (148 f.); 28, 119 (146)). Zum "Recht der Wirtschaft" gehört auch der Fragenkreis der praktischen beruflichen Ausbildung, die traditionell und strukturell von den in der Wirtschaft tätigen Arbeitgebern wahrzunehmen ist. Die Einbeziehung der öffentlichen Hand und der Religionsgemeinschaften steht dem nicht entgegen, da sie hier nur in einer speziellen typisch wirtschaftlichen Betätigung - der Ausbildung und Heranbildung nicht beamteter Arbeitnehmer - betroffen sind. Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ist in diesem Zusammenhang nicht auf Gesetze beschränkt, die nur die Rechtsbeziehungen der in Art. 74 Nr. 11 GG einzeln aufgeführten Wirtschaftszweige regeln (BVerfGE 4, 7 (13)). Der Bund kann vielmehr nach Art. 74 Nr. 11 GG auch Gesetze erlassen , die ordnend und lenkend in das Wirtschaftsleben eingreifen; ebenso steht dem Bund die Befugnis zu, im Rahmen derartiger Regelungen Abgabenerhebungen vorzusehen (vgl. BVerfGE 11, 105 (110 ff.); 18, 315 (328 f.); 37, 1 (16 f.)).“10 4. Das Konzept des Berufsausbildungssicherungsgesetzes in der 15. Wahlperiode Das in der 15. Wahlperiode verabschiedete BerASichG stützte sich auf diese Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Dem Gesetz lag das Konzept zugrunde, eine Förderung und Finanzierung zur Anwendung kommen zu lassen, wenn bis zum 30. September des jeweiligen Jahres die Zahl der vorhandenen Ausbildungsplätze eine bestimmte Quote unterschritt. Hiermit sollten die Arbeitgeber als Ausbildungsverantwortliche dazu angeregt werden, ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, um die Anwendung der Umlageregelung abzuwenden. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 15/2820) wurde explizit darauf hingewiesen, diese – so wörtlich – „erzwungene Selbsthilfe“ solle nur dann eingreifen, wenn dies angesichts der Ausbildungsplatzsituation und des ersichtlich brachliegenden, ungenutzten Fachkräftepotenzials nötig sei (BT-Drs. 15/2820, S. 15, zu § 3 – Auslösung der Förderung und Finanzierung). 9 Der Begriff „Recht der Wirtschaft“ – Anm. der Verfasserin. 10 BVerfG, 2 BvF 3/77, Urteil vom 10.12.1980 (BVerfGE 55/274ff), hier zitiert nach der Jurisfassung, Absatz 79. - 6 - Die Ausgestaltung der Regelungen im Einzelnen war Gegenstand der erwähnten Anhörung im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, so dass für einzelne Aspekte der Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit dieses Konzeptes auf das Wortprotkoll verwiesen wird. 5. Fazit Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Möglichkeiten, mittels Bundesrecht branchen - und regionalspezifische Umlagesysteme zur Ausbildungsförderung zu beeinflussen , begrenzt sind. Zu denken wäre allenfalls an ein an das BerASichG angelehntes Konzept, bei dem das Wirksamwerden einer Förderung und Finanzierung nach dessen Vorbild vom erfolgreichen Abschluss entsprechender Vereinbarungen abhängig gemacht würde. Ob und wie ein solches Modell allerdings verfassungsmäßig ausgestaltet werden könnte, muss im Rahmen dieses Kurzgutachtens offen bleiben.