© 2019 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 058/19 Evaluierungen zur energetischen Gebäudesanierung Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 058/19 Seite 2 Evaluierungen zur energetischen Gebäudesanierung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 058/19 Abschluss der Arbeit: 24.07.2019 Fachbereich: WD 5 Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 058/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Evaluierungen im Rahmen der energetischen Gebäudesanierung 4 2.1. Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 4 2.2. Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB) 7 2.3. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW-Köln) 9 2.4. Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV) 10 2.5. Weitere Betrachtungen aus Investorensicht 11 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 058/19 Seite 4 1. Einleitung Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Aussage, dass sich energetische Gebäudesanierungen, d.h. das Verhältnis der eingesetzten Investitionen zu eingesparten Energiekosten, für Hauseigentümer nicht rentieren würden. Diese Aussage bezieht sich auf den folgenden, in der Wirtschaftswoche 2013 veröffentlichten Artikel: Wirtschaftswoche, 26. März 2013, Investitionen häufig unwirtschaftlich. Politik treibt Hausbesitzer in Energiesparwahn https://www.wiwo.de/finanzen/immobilien/investitionen-haeufig-unwirtschaftlich-politik -treibt-hausbesitzer-in-energiesparwahn/7980498.html (letzter Abruf: 23.07.2019) Der Artikel nimmt dabei Bezug auf die folgende von der Prognos AG im Auftrag der KfW Bankengruppe erstellte Studie: Prognos-Studie, 2013, Ermittlung der Wachstumswirkungen der KfW-Programme zum Energieeffizienten Bauen und Sanieren, Auftraggeber: KfW Bankengruppe. https://www.kfw.de/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-alle- Evaluationen/Wachstumseffekte-EBS-Endbericht.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Ziel der Prognos-Studie war es ausschließlich mögliche volkswirtschaftliche (makroökonomische ) Wachstumswirkungen der KfW-Programme Bauen und Sanieren darzustellen, die dem Klimaschutz /Energieverbrauch Rechnung tragen. Mikroökonomische Erwägungen wurden hierbei nicht in Betracht gezogen. Mikroökonomisch rechnen sich energetische Sanierungen oft erst nach vielen Jahren1, wobei eine seriöse Bewertung der Wirtschaftlichkeit energierelevanter Investitionen nur im Einzelfall möglich ist und sich nicht generalisieren lässt2. Im Folgenden werden weitere Evaluierungsstudien vorgestellt. 2. Evaluierungen im Rahmen der energetischen Gebäudesanierung 2.1. Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Die KfW verweist hinsichtlich ihrer zur Verfügung gestellten Programme auf folgende Vorgehensweise hin: „Die KfW Bankengruppe lässt die Wirkungen der Programme >Energieeffizient Sanieren< und >Energieeffizient Bauen< zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) für jeden Förderjahrgang umfassend von Forschungsinstituten evaluieren. 1 Ralph Henger / Rupert Pritzl, 31.05.2019, Gebäudesanierung: Förderung ist überfällig, Institut der deutschen Wirtschaft (IW-Köln), in: IW-Kurzbericht 33/2019 https://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachrichten/beitrag/ralph-henger-foerderung-ist-ueberfaellig.html (letzter Abruf: 23.07.2019) 2 Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB, 2018, Wirtschaftlichkeit baulicher Investitionen bei Erhöhung energetischer gesetzlicher Anforderungen, Metastudie, Studie im Auftrag des Bauherren-Schutzbund e. V. (BSB). http://www.irbnet.de/daten/rswb/18109005525.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 058/19 Seite 5 Der jährliche Monitoringbericht beschreibt, welche Maßnahmen im Detail unterstützt wurden und schätzt wichtige Wirkungen ab – etwa Energieeinsparungen, Reduktion von Treibhausgasen, Beschäftigungseffekte. Außerdem liefert er eine zeitliche Übersicht zu ausgewählten Kenngrößen seit 2005. Die KfW-Programme >Energieeffizient Bauen und Sanieren <, die mit Bundesmitteln gefördert werden, bringen dabei vielfachen Nutzen. Dies belegt die Evaluation vom Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) sowie vom Fraunhofer- Institut IFAM auch für das Förderjahr 2017. Im Jahr 2017 wurde die Steigerung der Energieeffizienz in fast 400.000 Wohnungen gefördert. Insgesamt konnten die Förderfälle jährlich 1.730 GWh an Endenergie und 619.000 Tonnen an Treibhausgasemissionen einsparen . Über die Nutzungsdauer sinken die Energiekosten um insgesamt rund 7 Mrd. EUR (diskontierter Barwert über 30 Jahre). Mit den Investitionen konnten außerdem 435.000 Arbeitsplätze für ein Jahr neu geschaffen bzw. gesichert werden, rund 75 % davon im Mittelstand .“3 Bei der erwähnten Evaluation handelt es sich um: Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt/ Fraunhofer IFAM, Bremen, 2018, Monitoring der KfW-Programme „Energieeffizient Sanieren“ und „Energieeffizient Bauen“ 2017, im Auftrag der KfW Bankengruppe. https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumentealle -Evaluationen/Monitoring-der-KfW-Programme-EBS-2017.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Weiter waren folgende Evaluationsberichte zu ermitteln: Kuckshinrichs, W./Aniello, G., 2018, Wirkungen der KfW-Programme „Energieeffizient Bauen“, „Energieeffizient Sanieren“, „IKK/IKU – Energieeffizient Bauen und Sanieren“ und „KfW-Energieeffizienzprogramm – Energieeffizient Bauen und Sanieren“ auf öffentliche Haushalte im Förderjahr 2016, Institut für Energie- und Klimaforschung Systemforschung und Technologische Entwicklung (IEK-STE) in: STE Research Report 01/2018, im Auftrag der KfW Bankengruppe. https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumentealle -Evaluationen/STE-Research-Report-%E2%80%93-Wirkungen-von-EBS-im-Foerderjahr -2016.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt/Fraunhofer IFAM, Bremen, 2018, Monitoring der KfW-Programme „Energieeffizient Sanieren“ und „Energieeffizient Bauen“ 2016 im Auftrag der KfW Bankengruppe. https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumentealle -Evaluationen/Monitoringbericht_EBS_2016.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) 3 KfW, Evaluationen Energieeffizient Bauen und Sanieren https://www.kfw.de/KfW-Konzern/Service/Download-Center/Konzernthemen/Research/Evaluationen/Evaluationen -Energieeffizient-Bauen-und-Sanieren/ (letzter Abruf: 23.07.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 058/19 Seite 6 Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt/Fraunhofer IFAM, Bremen, 2016, Monitoring der KfW-Programme „Energieeffizient Sanieren“ und „Energieeffizient Bauen“ 2015, im Auftrag der KfW Bankengruppe. https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumentealle -Evaluationen/Monitoringbericht_EBS_2015.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt, 2016, Einflussfaktoren auf die Sanierung im deutschen Wohngebäudebestand Ergebnisse einer qualitativen Studie zu Sanierungsanreizen und -hemmnissen privater und institutioneller Eigentümer, im Auftrag der KfW Bankengruppe . https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumentealle -Evaluationen/Einflussfaktoren-auf-die-Sanierung-im-deutschen-Wohngeb %C3%A4udebestand_2016.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Fraunhofer IFAM, Bremen, 2015, Wirkungen von Förderprogrammen der KfW im Bereich Nichtwohngebäude der Förderjahre 2011 bis 2014, im Auftrag der KfW Bankengruppe. https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumentealle -Evaluationen/Evaluation-Nichtwohngeb%C3%A4ude-2011-bis-2014.pdf (letzter Abruf : 23.07.2019) Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt/Fraunhofer IFAM, Bremen, 2015, Monitoring der KfW-Programme „Energieeffizient Sanieren“ und „Energieeffizient Bauen“ 2014, im Auftrag der KfW Bankengruppe. https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumentealle -Evaluationen/Monitoringbericht_EBS_2014.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Kuckshinrichs, W./Többen, J./Hansen, P., 2015, Wirkungen der KfW-Programme „Energieeffizient Bauen“, „Energieeffizient Sanieren“ und „Energetische Stadtsanierung – Energieeffizient Sanieren (IKK/IKU)“ auf öffentliche Haushalte im Förderjahr 2013, i Institut für Energie- und Klimaforschung Systemforschung und Technologische Entwicklung (IEK- STE) in: STE Research Report 02/2015, im Auftrag der KfW Bankengruppe. https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumentealle -Evaluationen/KfW-Studie-FJ-2013_07-Mai_1-(2).pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt/Fraunhofer IFAM, Bremen, 2014, Monitoring der KfW-Programme „Energieeffizient Sanieren“ und „Energieeffizient Bauen“ 2013, im Auftrag der KfW Bankengruppe. https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumentealle -Evaluationen/Monitoringbericht_2013_05-12-2014.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Prognos, 2019, Bericht: Evaluierung des Förderprogramms Energetische Stadtsanierung - Zuschuss Evaluation des KfW-Förderprogramms 432 für die Förderjahrgänge 2011-2017, im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat und der KfW Bankengruppe https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumentealle -Evaluationen/Prognos-Endbericht-Evaluation-KfW-Programm-432-(final).pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 058/19 Seite 7 Prognos, 2018, Endbericht Ermittlung der Förderwirkungen (Evaluierung) der inländischen KfW-Förderprogramme 201 und 202 im Bereich „Energetische Stadtsanierung“ für die Förderjahrgänge 2012-2016, im Auftrag der KfW Bankengruppe https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumentealle -Evaluationen/Foerderwirkung-Energetische-Stadtsanierung-2012-2016.pdf (letzter Abruf : 23.07.2019) Weitere Evaluierungsberichte bis zum Jahr 2007 sind dem Link der Fn.3 zu entnehmen. 2.2. Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB) Das Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB) hat im Jahr 2018 eine Metastudie zur „Wirtschaftlichkeit baulicher Investitionen bei Erhöhung energetischer gesetzlicher Anforderungen “ erstellt und kommt zu folgendem Fazit: „Zusammengefasst lässt sich sagen, dass eine seriöse Bewertung der Wirtschaftlichkeit energierelevanter Investitionen nur im Einzelfall möglich ist. Weder sind pauschale Aussagen richtig, dass sich solche Investitionen immer durch Energieeinsparungen rechnen, noch generelle Aussagen, dass eine solche Investition grundsätzlich unwirtschaftlich ist. Diese Feststellung ist der Komplexität der Thematik geschuldet. Statt nach einer vereinfachenden Formel zu suchen, ist es wichtig, den potenziellen Bauherren bewusst zu machen , dass sie ihre individuellen Ziele und Rahmenbedingungen herausarbeiten müssen. Nur so kann, mit Unterstützung eines Fachexperten, eine realistische Einschätzung vorgenommen werden. Dabei ist es wichtig anzumerken, dass aus individueller Sicht die Entscheidung nicht alleine anhand der finanziellen Vorteilhaftigkeit getroffen werden kann. So kann es Personen geben, die dem Thema Umweltschutz einen hohen Wert beimessen, oder es kann weitere nicht-monetäre Aspekte geben, wie etwa Wohnkomfort, die für den Einzelnen ausschlaggebend sind, die aber von den gängigen Bewertungsverfahren nicht erfasst werden. Ungeachtet der wesentlichen Voraussetzung, dass energieeffiziente Anforderungen finanzierbar sein müssen, darf man für eine umfassende Einschätzung den Kontext nicht ausblenden . Der private Bauherr hat bei einer Verschärfung der gesetzlichen Anforderung keine Wahlfreiheit: Die Einhaltung der Anforderungen – aktuell definiert über Jahres-Primärenergiebedarf und Transmissionswärmeverlust – sind bindend. Im Idealfall kann aber entschieden werden, wie die Vorgaben umgesetzt werden – auch wenn gerade die Technologieoffenheit und das Optimierungspotenzial integraler Planung noch zu wenig propagiert werden. Es muss jedoch konstatiert werden, dass weit mehr als 80 % der privaten Bauherren auf Komplettanbieter zurückgreifen, die fertige Lösungen anbieten, bei denen eine individuelle Einflussnahme bzw. Konfiguration nicht vorgesehen sind. Dennoch gibt es weitere wesentliche Faktoren, die hohe finanzielle Belastungen darstellen können, wie etwa die Entwicklung der Grundstückpreise gerade in Ballungsräumen sowie Kosten für Handwerkerleistungen und Baumaterial und eine schwankende Marktlage anzurechnender Preise. Daher sollte die Diskussion über die Kostenerhöhung durch energiebedingte Maßnahmen in Relation gestellt werden zu sonstigen Kostenanstiegen. Denn auch wenn aus Eigentümersicht allein die energiebedingten Kosten (gesetzlich) veränderlich sind und gegebenenfalls nicht den versprochenen Nutzen in Form von Energiekosteneinsparungen in mindestens gleicher Höhe (über einen festzulegenden Zeitraum) bringen, Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 058/19 Seite 8 tragen die übrigen Kosten natürlich wesentlich zur Gesamtbelastung bei. Wenngleich berücksichtigt werden sollte, dass es sich bei den derzeitigen Kostensteigerungen um vorübergehende Effekte handeln kann. Ganz grundlegende Kritik an den gesetzlichen Vorgaben wird dagegen aus bauökonomischer Sicht an den bisherigen Strategien der Energiewende im Gebäudesektor geübt. So wird festgestellt, dass klar zu erkennen sei, dass die vorgegeben Ziele verfehlt wurden. Was im Wesentlichen daran liegt, dass sich die Ziele nicht an der Wirtschaftlichkeit als Engpassfaktor orientieren, sondern dass die Wirtschaftlichkeit lediglich eine Nebenanforderung darstellt. Die Wirtschaftlichkeit sollte aber – nach Pfnür/Müller – Ziel einer jeden Maßnahme sein, damit die Energiewende im Gebäudesektor vorangebracht werden kann. Eine Bewertung der Effizienz von Maßnahmen ist jedoch – wie eingangs erwähnt – immer sichtweisenspezifisch. Wenn die abweichenden Bewertungsmaßstäbe aber nicht berücksichtigt werden, führt das zu Zielkonflikten: Aus Stakeholdersicht handelt es sich dann um ineffiziente Anforderungen. Insgesamt wird bemängelt , dass »[…] die bisherige Umsetzungsstrategie sich zu wenig am Engpass der Finanzierbarkeit und Bezahlbarkeit orientiert. Weiterhin wird untersucht und in Fachkreisen diskutiert, ob der Jahres-Primärenergiebedarf wirklich als zentrale Zielgröße geeignet ist. Im Kontext der Energieeffizienz, mit Hinblick auf das letztliche Ziel des Klimaschutzes, gibt es Gegenvorschläge, die als Zielgröße eine direktere Orientierung an den CO2-Emmissionen vorsehen – statt über Jahres-Primärenergiebedarf auf eine »[…] falsche, umständliche und unverständliche EnEV-Novellierung […] zu setzen. Nach Betrachtung aller themenspezifischen Studien muss zusammenfassend festgestellt werden, dass diese überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass ein höherer Energiestandard in der Regel zu höheren Baukosten führt. Die Mehrzahl der Studien stützt die Aussage des INWIS-Gutachtens, »[…] dass der Energiestandard eines Gebäudes einen (sehr) hohen Einfluss auf die Höhe der Baukosten besitzt. Besonders im Hinblick auf bezahlbares Wohnen wird daher ein wirtschaftlich vertretbarer Energiestandard empfohlen. Zielführender erscheint hier der Ansatz einiger Publikationen, eine differenzierte Betrachtung aller Einflussfaktoren vorzunehmen, um so die Gestaltungsmöglichkeiten genauer auszuloten und eine ausgewogene Entscheidung im Sinne einer Einzelfallbetrachtung zu unterstützen. Mit dieser vergleichenden Metastudie sollten die wesentlichen Erkenntnisse der jeweiligen Studien herausgestellt und die Annahmen, Randbedingungen und Methoden, auf denen sie basieren verdeutlicht werden. Sollte auf diese Weise eine Einordnung der Studienergebnisse ermöglicht und ein Bewusstsein dafür geschaffen worden sein, welche Faktoren im Einzelfall zu betrachten sind, ist ihr Ziel damit erreicht. Die gemeinsame Betrachtung zeigt auch, dass eine (direkte) Vergleichbarkeit der Studien nur eingeschränkt möglich ist und Ergebnisse – gerade bei diesem komplexen Thema – immer im Kontext zu betrachten sind. Was diese Untersuchung nur in Ansätzen streifen konnte, ist, dass die gesamte Thematik der Wirtschaftlichkeit in ein weites Spannungsfeld verschiedenster Akteursinteressen sowie einzel- gegenüber gesamtgesellschaftlichen Interessen eingebunden ist.“4 4 Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB, 2018, Wirtschaftlichkeit baulicher Investitionen bei Erhöhung energetischer gesetzlicher Anforderungen, Metastudie, Studie im Auftrag des Bauherren-Schutzbund e. V. (BSB), 53 ff. http://www.irbnet.de/daten/rswb/18109005525.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 058/19 Seite 9 Zum Thema „Akteursinteressen“ wird exemplarisch ergänzend auf die folgende Dokumentation des Fachbereichs WD 5 verwiesen: Deutscher Bundestag/Wissenschaftliche Dienste, 22.03.2018, Energetische Gebäudesanierung und Warmmietenneutralität https://www.bundestag.de/resource /blob/551618/1c6039c9cc6028681076321bc292d214/wd-5-020-18-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) 2.3. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Ralph Henger/Rupert Pritzl greifen in einem aktuellen Kurzbericht des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln das Thema Gebäudesanierung wie folgt auf: „Deutschlands Gebäude sind schlecht isoliert. Rund 62 Prozent aller Wohngebäude wurden vor mindestens 40 Jahren gebaut, und damit deutlich vor der ersten Wärmeschutzverordnung . Weniger als ein Prozent aller Gebäude werden jährlich saniert und modernisiert – folglich befinden sich die meisten dieser 19 Millionen alten Gebäude aus energetischer Sicht in einem schlechten Zustand. Die Fenster sind dünnglasig, Dächer und Außenwände schlecht gedämmt, Heizungen alt und ineffizient. Energetische Sanierungen sind teuer und rechnen sich oft erst nach vielen Jahren, das schreckt Eigentümer ab. Dabei geht durch die schlecht isolierten Gebäude viel Energie verloren – deshalb müssen die Gebäude dringend saniert werden, wenn Deutschland seine Klimaschutzziele nicht ganz aus den Augen verlieren will. >Dafür brauchen wir unbedingt auch eine steuerliche Förderung, die Eigentümer dazu bewegt, hochwertig zu modernisieren <, sagt IW-Ökonom Ralph Henger. >Um die Klimaziele bis 2050 zu erreichen, muss diese Förderung einfach sein und langfristig bestehen bleiben.< Bisher können sich Eigentümer über die KfW oder vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) unterstützen lassen, allerdings sind die Anträge oft aufwendig. Die Forderung nach steuerlicher Unterstützung für Gebäudesanierungen ist nicht neu. Bereits 2011 ist eine Gesetzesinitiative – nachdem sie den Bundestag schon passiert hatte – im Bundesrat gescheitert. Das größte Problem: Bundesländer, die finanziell nicht gut aufgestellt sind, pochen darauf, dass sie vom Bund entschädigt werden, wenn ihnen durch die steuerliche Förderung Verluste entstehen. Bislang hat Berlin jedoch kaum finanzielle Zugeständnisse gemacht. Kredite können die Länder auch nicht aufnehmen, weil ihnen die Schuldenbremse auferlegt wurde. >Nach den vielen Hin und Her sollte die Förderung nun endlich umgesetzt werden<, sagt Henger. >Über Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit besteht längst Konsens. Jetzt ist es Zeit, zu handeln<.“5 5 Ralph Henger / Rupert Pritzl, 31.05.2019, Gebäudesanierung: Förderung ist überfällig, Institut der deutschen Wirtschaft (IW-Köln), in: IW-Kurzbericht 33/2019 https://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachrichten/beitrag/ralph-henger-foerderung-ist-ueberfaellig.html (letzter Abruf: 23.07.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 058/19 Seite 10 Folgende weitere Veröffentlichungen des IW geben Handlungsempfehlungen zur Steigerung der Investitionen im Gebäudesektor: Ralph Henger/Petrik Runst/Michael Voigtländer, 23.01.2018, Immobilien: Sanieren für mehr Klimaschutz, Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft im Rahmen der Reihe IWD https://www.iwd.de/artikel/sanieren-fuer-mehr-klimaschutz-375792/ (letzter Abruf: 23.07.2019) Ralph Henger/Petrik Runst/Michael Voigtländer, 2017, Energiewende im Gebäudesektor Handlungsempfehlungen für mehr Investitionen in den Klimaschutz, Forschungsberichte aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, IW-Analysen Nr. 119 https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/IW-Analysen/PDF/2017/IW- Analyse_119-2017_Geb%C3%A4udesanierung.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) 2.4. Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV) Der Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV) bemerkt zum Thema energetische Sanierung bei Wohnungseigentümergesellschaften (WEG) wie folgt: „Größtes Hindernis von energetischen Sanierungen ist oftmals die Finanzierung. Häufig mangelt es an ausreichend Instandhaltungsrücklagen für umfassende Gebäudemodernisierungen . Das Bankendurchleitungs-Prinzip erschwert zudem die Beantragung von KfW- Krediten. Denn noch immer lehnen viele Banken Kredite für WEG ab. Bei Einzelanträgen der Eigentümer entsprechen die geringen Kreditsummen und die dafür ausgereichten Provisionen nicht den Vorstellungen der Hausbanken. Beantragt eine WEG als Verbund einen Kredit, wird dieser oft mit der Begründung fehlender Sicherheiten abgelehnt. Einzelne Bundeländer haben die Probleme erkannt und inzwischen Förderprogramme eigens für WEG entwickelt. Diese sind jedoch bisher nicht bundesweit verfügbar. Hier gilt es, wirksamere Anreizmodelle und Finanzierungshilfen zu schaffen.“6 Das Wirtschaftsmagazin „Capital“ verweist auf eine 2018 erfolgte Stellungnahme des DDIV wie folgt: „Erst im Juli meldete der Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV) einen >alarmierenden Rückgang< bei energetischen Sanierungen. Bei der jüngsten Jahresumfrage des Verbands gab nur noch jeder dritte Verwalter an, im vergangenen Jahr Sanierungsaktivitäten begleitet zu haben. Im Jahr 2015 waren es noch 44 Prozent der Befragten. Der Verband führt den Rückgang unter anderem auf das Desinteresse vieler Wohnungseigentümer zurück. >In der Praxis hat sich gezeigt, dass viele Eigentümergemeinschaften nicht von den Einspareffekten einer energetischen Sanierung überzeugt sind<, sagt DDIV- Geschäftsführer Martin Kaßler. Zu Unrecht, wie er findet. >Die Bundesregierung sollte 6 Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV), Energetische Sanierung in WEG. https://ddiv.de/hp764/Energetische-Sanierung.htm (letzter Abruf: 23.07.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 058/19 Seite 11 eine bundesweite Informationskampagne starten, um die Vorteile einer energetischen Sanierung für Eigentümer und Mieter abzubilden<.“7 Ergänzend wird auf das im Jahre 2017 in dritter Auflage veröffentlichte „DDIV-Kompendium Energieeffizienzmaßnahmen in Wohnungseigentümergemeinschaften“ verwiesen, in dem zum Thema „Wirtschaftlichkeit“ (S. 62 ff.) ausführlich Stellung bezogen wird: Dachverband Deutscher Immobilienverwalter e.V, 2017, DDIV-Kompendium Energieeffizienzmaßnahmen in Wohnungseigentümergemeinschaften. Praxisnahes Fachwissen für Immobilienverwaltungen und Wohnungseigentümergemeinschaften - inklusive Musterbeschlüsse . https://ddiv.de/download/d1kuijl9luv8es2fpfh43ia1e8/DDIV-Kompendium%202017_Webversion .pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) 2.5. Weitere Betrachtungen aus Investorensicht Buildings Performance Institute Europe (BPIE)/Technische Universität Wien (TU Wien)/ Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, 2015, Die Sanierung des deutschen Gebäudebestandes – eine wirtschaftliche Bewertung aus Investorensicht http://bpie.eu/wp-content/uploads/2016/02/BPIE_Renovating-Germany-s-Building-Stock- _DE_09.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Eine Kurzfassung ist dem folgenden Link zu entnehmen: Jan Steinbach, Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI Dan Staniaszek, Filippos Anagnostopoulos, Ralf Lottes, Buildings Performance Institute Europe (BPIE) Lukas Kranzl, Agne Toleikyte, Technische Universität Wien (TU Wien), 2016, Die Sanierung des deutschen Gebäudebestandes – eine wirtschaftliche Bewertung aus Investorensicht, in: Jahrbuch Energieeffizienz in Gebäuden 2016, VME Verlag und Medienservice Energie. http://bpie.eu/wp-content/uploads/2016/05/Jahrbuch-Energieeffizienz-in-Gebäuden -2016-S-76-86-Artikel-Steinbach-et-.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) Ipsos, 2019, Beweggründe und Hindernisse für energetische Sanierung Umfrage im Auftrag der European Climate Foundation. https://europeanclimate.org/wp-content/uploads/2019/03/IPSOS_results_Germany_German -compressed.pdf (letzter Abruf: 23.07.2019) *** 7 Capital, 20.08.2018, Immobilien: Darum lohnt sich eine energetische Sanierung https://www.capital.de/immobilien/darum-lohnt-sich-eine-energetische-sanierung (letzter Abruf: 23.07.2019)