© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 057/21 Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 2 Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 057/21 Abschluss der Arbeit: 04.08.2021 Fachbereich: WD 5 Wirtschaft und Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Mittelstand und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) 4 2.1. Mittelstand 4 2.2. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) 5 2.3. KMU im Rahmen der Europäischen Kommission 7 2.4. Der Mittelstand im Rahmen der deutschen Volkswirtschaft 8 3. Finanzierungsumfeld 10 3.1. Bankensysteme 10 3.2. Finanzierungsinstrumente und Zugangsrestriktionen 12 3.3. Produktivität, Innovation und regionale Gleichheit 16 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Finanzierungsmöglichkeiten deutscher kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) im Vergleich zu anderen EU-Ländern und den daraus folgenden Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft Deutschlands in Bezug auf Produktivität, Innovation und regionale Gleichheit. 2. Mittelstand und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) 2.1. Mittelstand Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn führt zum Begriff Mittelstand wie folgt aus:1 „Der Begriff "Mittelstand" stellt eine Besonderheit im deutschsprachigen Raum dar und wird definiert durch die Einheit von Eigentum und Leitung. Für die Zugehörigkeit eines Unternehmens zum Mittelstand ist also nicht dessen Größe ausschlaggebend. Vielmehr sind es dessen qualitative Merkmale. Kennzeichnend für die Einheit von Eigentum und Leitung ist, dass der Unternehmer einen maßgeblichen persönlichen Einfluss ausübt, das unternehmerische Risiko trägt und das Unternehmen seine persönliche Erwerbs- und Existenzgrundlage sichert. Die Begriffe Mittelstand, Familienunternehmen, Eigentümerunternehmen und familiengeführte Unternehmen sind nach Definition des IfM Bonn als Synonyme anzusehen. Da sich die prägenden qualitativen Merkmale des Mittelstands (Geschäftsführung, Eigentumsverhältnisse , wirtschaftliche Unabhängigkeit) aus den amtlichen Statistiken nur unzureichend ablesen lassen, wird seine zahlenmäßige und volkswirtschaftliche Bedeutung hilfsweise unter Zugrundelegung der Daten der KMU in der Abgrenzung des IfM Bonn abgeschätzt . Tatsächlich erfüllt auch die Mehrheit der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die qualitativen Kriterien des Mittelstandsbegriffes. Ebenso können aber auch große Unternehmen zum Mittelstand zählen. Die Begriffe "Mittelstand" und "kleine und mittlere Unternehmen (KMU)" sind aber keine Synonyme . Das IfM Bonn definiert Mittelstand durch die Einheit von Eigentum und Leitung.“ 1 https://www.ifm-bonn.org/definition. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 5 Das IfM Bonn präzisiert die Mittelstandsdefinition wie folgt:2 „Um für statistische/empirische Analysen mittelständische Unternehmen aus der Gesamtheit aller Unternehmen herauszufiltern, wird die Mittelstandsdefinition wie folgt operationalisiert : In einem mittelständischen Unternehmen halten bis zu zwei natürliche Personen3 oder ihre Familienangehörigen (direkt oder indirekt ) mindestens 50 % der Anteile eines Unternehmens, diese natürlichen Personen gehören der Geschäftsführung an. Die Begriffe Mittelstand, Familienunternehmen, Eigentümerunternehmen und familiengeführte Unternehmen sind nach Definition des IfM Bonn als Synonyme anzusehen. Die Schnittmenge von mittelständischen Unternehmen/Familienunternehmen und unabhängigen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist sehr groß. Zugleich zählen aber auch Unternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten oder mehr als 50 Mio. € Jahresumsatz zum Mittelstand/Familienunternehmen, wenn sie die oben genannten Kriterien erfüllen. Kleine und mittlere Unternehmen, die in Abhängigkeit zu einem anderen Unternehmen stehen , erfüllen hingegen die Mittelstandsdefinition nicht.“ 2.2. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Das IfM Bonn verweist abgrenzend auf die folgende KMU-Definition:4 „Das IfM Bonn grenzt in seiner aktualisierten KMU-Definition nach wie vor alle kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) von den Großunternehmen mit Hilfe von quantitativen Kriterien wie Jahresumsatz (≤ 50 Millionen €) und Beschäftigtenzahl (< 500 Mitarbeiter) ab. Um eine Harmonisierung mit der KMU-Definition der EU-Kommission im Kleinst- und Kleinunternehmenssegment herbeizuführen, werden jetzt analog zur EU-Definition Kleinst- und Kleinunternehmen definiert. Für mittlere Unternehmen liegt der Schwellenwert beim IfM Bonn jedoch weiterhin bei 499 Beschäftigten, um die deutsche Besonderheit herauszustellen .“ 2 https://www.ifm-bonn.org/definitionen/mittelstandsdefinition-des-ifm-bonn. 3 Hervorhebungen seitens IfM. 4 https://www.ifm-bonn.org/definitionen-/kmu-definition-des-ifm-bonn Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 6 KMU-Definition des IfM Bonn seit 01.01.2016 Unternehmensgröße Zahl der Beschäftigten und Umsatz €/Jahr kleinst bis 9 bis 2 Millionen klein* bis 49 bis 10 Millionen mittel* bis 499 bis 50 Millionen (KMU) zusammen unter 500 bis 50 Millionen © IfM Bonn Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 7 2.3. KMU im Rahmen der Europäischen Kommission Das IfM Bonn verweist abgrenzend auf die KMU-Definition der Europäischen Kommission:5 „Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden in der EU-Empfehlung 2003/361[6] definiert. Danach zählt ein Unternehmen zu den KMU, wenn es nicht mehr als 249 Beschäftigte hat und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen € erwirtschaftet oder eine Bilanzsumme von maximal 43 Millionen € aufweist. KMU-Schwellenwerte der EU seit 01.01.2005 Unternehmensgröße Zahl der Beschäftigten und Umsatz €/Jahr oder Bilanzsumme €/Jahr kleinst bis 9 bis 2 Millionen bis 2 Millionen klein bis 49 bis 10 Millionen bis 10 Millionen mittel bis 249 bis 50 Millionen bis 43 Millionen (KMU) zusammen unter 250 bis zu 50 Millionen bis zu 43 Millionen Diese Schwellenwerte gelten für Einzelunternehmen. Bei einem Unternehmen, das Teil einer größeren Gruppe ist, müssen je nach Höhe der Beteiligung die Mitarbeiterzahl und der Umsatz bzw. die Bilanzsumme der Gruppe mit berücksichtigt werden. Die Abgrenzung eines KMU gemäß der KMU-Definition der EU-Kommission ist wichtig für den Zugang zu Finanzmitteln und EU-Förderprogrammen, die speziell auf diese Unternehmen ausgerichtet sind. Für statistische/empirische Analysen werden die KMU in der Regel nach der Zahl der Beschäftigten bzw. der Umsatzgröße abgegrenzt: Kleinstunternehmen: bis 9 Beschäftigte und bis 2 Millionen € Umsatz/Jahr Kleines Unternehmen: bis 49 Beschäftigte und bis 10 Millionen € Umsatz/Jahr und kein kleinstes Unternehmen 5 https://www.ifm-bonn.org/definitionen/kmu-definition-der-eu-kommission. 6 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003H0361&from=EN. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 8 Mittleres Unternehmen: bis 249 Beschäftigte und bis 50 Millionen € Umsatz/Jahr und kein kleinstes oder kleines Unternehmen Verflechtungen von KMU mit anderen Unternehmen können in den amtlichen Statistiken (noch) nicht berücksichtigt werden.“ 2.4. Der Mittelstand im Rahmen der deutschen Volkswirtschaft Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) charakterisiert die KMU als Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft wie folgt:7 „Die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) prägen den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Stärke unseres Wirtschaftsmodells beruht nicht auf der Dominanz einzelner Unternehmen, Branchen oder Wirtschaftsregionen – sondern auf der Vielfalt kleiner, mittlerer und großer Unternehmen. Sie sind in den unterschiedlichsten Bereichen spezialisiert, oftmals eng verzahnt und im ganzen Land verteilt. Der Mittelstand ist äußerst vielseitig. Das Spektrum reicht vom traditionellen Familienunternehmen bis zum hippen Start-up, vom klassischen Handwerksbetrieb über Selbstständige und Dienstleister wie zum Beispiel Händler und Freiberufler bis zum hoch innovativen High- Tech-Unternehmen, vom regionalen Anbieter bis zum Global Player, vom Solo- oder Kleinstunternehmen bis hin zu Unternehmen mit vielen Hundert Beschäftigten weltweit. Zum Mittelstand zählen traditionsreiche Marken ebenso wie Newcomer oder weniger bekannte Marken , die in gleicher Weise für Qualität, Präzision und Innovation stehen. Diese Mischung macht den deutschen Mittelstand stark. Der Mittelstand – ein starker Partner für Großunternehmen: Der Mittelstand kooperiert eng mit Großunternehmen und übernimmt Aufgaben entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Als verlässlicher – und oftmals hochspezialisierter – Partner deckt der Mittelstand vor- und nachgelagerte Stufen des Wertschöpfungsprozesses ab und hilft Großunternehmen, innovative und komplexe Produkte, Dienstleistungen und Systemlösungen umzusetzen. Der deutsche Mittelstand ist international stark aufgestellt. Etwa 44 Prozent der deutschen Unternehmen tragen direkt oder als Zulieferer zum außenwirtschaftlichen Erfolg der deutschen Volkswirtschaft bei. Ab einem Jahresumsatz von zwei Millionen Euro weist mindestens jedes zweite Unternehmen Auslandsaktivitäten auf. Der Weg ins Ausland lohnt sich auch für die kleinen Unternehmen: Das erkennt man auch daran, dass selbst bei sehr kleinen Betriebsgrößen durchschnittlich über 20 Prozent des Umsatzes aus dem Auslandsgeschäft generiert werden. Der Mittelstand ist Innovations- und Technologiemotor: Im EU-Vergleich schneiden deutsche Mittelständler bei den Innovationsaktivitäten sehr gut ab: So brachten mehr als 42 Prozent der deutschen KMU im Jahr 2014 eine Produkt- oder Prozessinnovation auf den Markt; im EU-Mittel waren es gut 30 Prozent. Viele kleine Unternehmen, meist Familienbetriebe, sind 7 BMWi, -Mittelstandspolitik: Erfolgsmodell Mittelstand, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/politik-fuer-den-mittelstand.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 9 zudem mit Hightech-Produkten in bestimmten Marktnischen oder in Zulieferketten für große Unternehmen Weltmarktführer (‚hidden champions‘). Mittelstand in Deutschland ist eine (Geistes-)Haltung. Was alle mittelständischen Unternehmen eint, ist eine Unternehmenskultur, in der Eigentum und Leitung in einer Hand liegen – und damit auch Verantwortung und Risiko. Das garantiert kurze Entscheidungswege und schnelle Entscheidungsprozesse und schafft die nötige Flexibilität, um schnell auf Marktveränderungen zu reagieren. Zugleich führt es zu einer Geschäftspolitik, die auf Kontinuität und Langfristigkeit ausgerichtet ist. Dies findet seinen Ausdruck im verantwortungsvollen Umgang mit Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern und einer engen Verwurzelung in der Region, in der die Unternehmen ansässig sind. Dank der Nähe zum Kunden und seinen Bedürfnissen können Marktveränderungen frühzeitig aufgespürt und in tragfähige, innovative Lösungen übersetzt werden. Der deutsche Mittelstand hat sich international zum Markenzeichen entwickelt (‚German Mittelstand ‘). Aus Deutschland kommen überproportional viele ‚Hidden Champions‘. Sie produzieren in engem Kontakt zu ihren weltweiten Kunden hochspezialisierte und meist innovative Produkte und Problemlösungen. Das Erfolgsrezept: Beste Qualität, hohe Wertschöpfungstiefe und Konzentration auf die ureigenen Kompetenzen. Vielfältig und dynamisch, bodenständig und innovativ - dank dieser Stärken erweist sich der Mittelstand als enorm krisenfest und trägt entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit und zum hohen Beschäftigungsstand in Deutschland bei. Mittelständler betreiben auch in einem schwierigen weltwirtschaftlichen Umfeld eine langfristig orientierte Personalpolitik, investieren in ihre Beschäftigten und bilden aus. Damit verhelfen mittelständische Unternehmen Deutschland zu wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Stabilität und der geringsten Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Damit mittelständische Unternehmen auch weiterhin diese Schlüsselfunktion in unserem Wirtschaftsmodell einnehmen können, stellt das BMWi sie ins Zentrum seiner Wirtschaftspolitik . Mit seiner modernen Mittelstandspolitik verbessert das BMWi die Rahmenbedingungen für Unternehmertum, wirbt für ein gründer- und unternehmerfreundliches Klima und setzt Anreize für eine langfristig erfolgreiche unternehmerische Betätigung.“ Eine Grafik des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft Unternehmerverband Deutschland e.V. (BVMV) veranschaulicht wesentliche Zahlen und Fakten zur mittelständischen Wirtschaft:8 8 Der Mittelstand BVMW – Bundesverband mittelständische Wirtschaft Unternehmerverband Deutschlands e.V., Der Mittelstand ist Garant für Stabilität und Fortschritt. https://www.bvmw.de/themen/mittelstand/zahlen-fakten/. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 10 Quelle: https://www.bvmw.de/themen/mittelstand/zahlen-fakten/. 3. Finanzierungsumfeld 3.1. Bankensysteme Franz Flögel/Stefan Gärtner vergleichen in einem Diskussionspapier dezentrale Bankensysteme in Deutschland, Spanien und dem Vereinigten Königreich und kommen dabei zu folgendem Fazit :9 „Der durchgeführte Ländervergleich verdeutlicht, dass das deutsche Bankensystem wie erwartet am stärksten dezentralisiert ist. Dies liegt vor allem an den regionalen und gemeinwohlorientierten Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Während es im Vereinigten Königreich keine dezentrale Bankengruppe mehr gibt und echte Sparkassen in Spanien fast verschwunden sind, dominieren die mehr als 1.400 dezentralen Sparkassen und Genossenschaftsbanken die Unternehmensfinanzierung in Deutschland. Der Ländervergleich hat drei Erfolgsfaktoren identifiziert, die zur Persistenz des dezentralen Bankings beitragen: Geringe operationale und funktionale Distanz sowie Einbettung in einen unterstützenden Regionalbankenverband : Geringe Distanzen bzw. räumliche Nähe zwischen regionaler Bank und 9 Franz Flögel/Stefan Gärtner, 2018, Ein Vergleich der Bankensysteme in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Spanien aus räumlicher Perspektive. Befunde und Handlungsbedarf, IAT Discussion Paper 18/01B, https://www.iat.eu/discussionpapers/download/IAT_Discussion_Paper_18_01B.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 11 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erleichtern den Zugang zu weichen Informationen bei der Kreditvergabe, und die Einbettung in einen Verband ermöglicht es regionalen Banken, auch in peripheren Regionen auf fortschrittliches Bankwissen zurückzugreifen. Die Entwicklung zu ‚echten‘ dezentralen Universalbanken: Hier ist entscheidend, ab wann regionale Sparkassen und Genossenschaftsbanken das Recht der Kreditvergabe erhielten. Die späte Erlaubnis, Kredite zu gewähren, machte die Sparkassen in Spanien und dem Vereinigten Königreich zu Nachzüglern im KMU-Kreditgeschäft. In Deutschland hingegen waren kleine Unternehmen von Anfang an Kreditkunden der Sparkassen. Das Kreditvergabeverbot im Vereinigten Königreich und Spanien führte dazu, dass die regionalen Banken dort die aus der Nähe resultierenden weichen Informationsvorteile nicht nutzen konnten. Das Zusammenspiel aus Regionalprinzip (regionale Marktsegregation), regionaler Einbettung und einem nationalen Umverteilungssystem, welches regionale Disparitäten reduziert: Dieser Dreiklang hilft regionalen Banken, auch in schwachen Regionen ausreichend erfolgreich zu sein, verringert den Wettbewerb zwischen den Banken und unterstützt damit eine enge Zusammenarbeit in den Bankenverbänden. Ferner fördert ein geringerer Wettbewerb das Entstehen von stabilen Hausbankbeziehungen, wovon Banken sowie Unternehmen profitieren können . Sparkassen waren im Vereinigten Königreich und Spanien zu keinem Zeitpunkt so relevant wie in Deutschland. In beiden Ländern gibt es jedoch einige Banken, die sich im Unterschied zu den Großbanken auf Kreditvergabe an KMU spezialisiert haben. Um die Kreditvergabe an KMU und die dazu notwendige Berücksichtigung weicher Informationen zu unterstützen , schlagen wir ein Förderprogramm vor, welches den Screening- und Monitoringaufwand von Banken subventioniert. Solch eine Förderung könnte Banken dazu anregen, ihre Kreditentscheidungsprozesse auf die regionale Ebene zu verlagern (bzw. sie dort zu belassen) und in Zeiten niedriger Zinsen die Notwendigkeit zur Standardisierung, Zentralisierung von Kreditvergabeentscheidungen sowie Bankenfusionen etwas abmildert.“ Die bundeseigene Förderbank KfW unterstützt Unternehmen, Privatpersonen und Kommunen mit Förderkrediten und Zuschüssen. Einen Schwerpunkt bildet hierbei die Gründungs- und Mittelstandsfinanzierung . Darunter finden sich Programme zur Förderung innovativer Geschäftsideen , zur Steigerung der Energieeffizienz oder auch zur Nutzung erneuerbarer Energien. Die KfW Capital verbessert als Tochtergesellschaft der KfW für die Beteiligungsfinanzierung speziell den Kapitalzugang für junge, technologie-orientierte Wachstumsunternehmen. Da die KfW über keine Bankfilialen verfügt, gilt für viele Vorhaben dass der Kredit nicht direkt beantragt werden kann, sondern über einen der Finanzierungspartner erfolgt. Dazu zählen die Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Geschäftsbanken vor Ort, die die Anträge an die KfW weiterleiten .10 10 https://www.kfw.de/KfW-Konzern/Arbeitsweise-und-Unternehmensf%C3%BChrung/. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 12 3.2. Finanzierungsinstrumente und Zugangsrestriktionen Die KfW-Bankengruppe veranschaulicht in einem Research-Dossier die Eigenkapitalquote sowie die Finanzierung von Investitionen von deutschen KMU wie folgt:11 „Mittelstand hat seine Eigenkapitalausstattung kontinuierlich verbessert. Im Jahr 2019 betrug die durchschnittliche Eigenkapitalquote im Mittelstand 32 %. Seit 2002 ist die durchschnittliche Eigenkapitalquote im Mittelstand um fast 14 Prozentpunkte gestiegen. Die Unternehmen haben somit gut für Krisenzeiten vorgesorgt. Größere Mittelständler weisen eine im Vergleich zu kleineren Unternehmen höhere Eigenkapitalausstattung auf. Dennoch haben auch Kleinstunternehmen ihre Eigenkapitalquote stetig gesteigert. Eine negative Eigenkapitalquote weisen nur 4 % der Unternehmen auf. Bankkredite machen etwa ein Drittel der KMU-Finanzierung aus. Der Mittelstand finanzierte im Jahr 2019 seine Investitionen zu 36 % über Bankkredite. Dabei haben insgesamt 485.000 KMU Bankkredite zur Finanzierung ihrer Investitionen aufgenommen. Etwas mehr als 40 % aller aufgenommenen Investitionskredite haben einen maximalen Betrag von 20.000 EUR. Die Hälfte der Mittelstandsfinanzierung wird über Eigenmittel erbracht. Dazu zählen Rücklagen , Gewinne oder Cashflow. Im Jahr 2019 entsprach dies einer Finanzierungshöhe von 110 Mrd. EUR. 11 https://www.kfw.de/KfW-Konzern/KfW-Research/Mittelstand.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 13 Auf Fördermittel entfielen nur 8 % der Investitionsfinanzierung. Eher untergeordnete Bedeutung haben beispielsweise Beteiligungskapital, Mittelstandsanleihen oder Mezzanine-Kapital (zusammengefasst als sonstige Quellen). Diese sind für viele KMU aufgrund hoher Transaktionskosten nicht interessant.“ Das IfM Bonn führt in einer im Jahre 2019 erschienenen Analyse zur KMU-Finanzierung verschiedener europäischer Länder wie folgt aus:12 „Diese Studie untersucht die Einflüsse auf die Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in neun ausgewählten europäischen Ländern. Dabei wurden neben der Nutzung von externen Finanzierungsinstrumenten auch Zugangsrestriktionen berücksichtigt. Die Relevanz - also die tatsächliche oder potenzielle Nutzung - von Finanzierungsinstrumenten wird vor allem von unternehmensseitigen Faktoren wie Größe, Alter und den Innovationsaktivitäten der KMU sowie ihren Eigentums- und Führungsstrukturen, aber auch von den finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes beeinflusst. Die Zugangsrestriktionen hingegen werden nahezu ausschließlich von unternehmensbezogenen Faktoren bestimmt. Der Zugang zu Finanzierungsinstrumenten ist im europäischen Vergleich allerdings unterschiedlich ausgeprägt. Deutsche KMU sind weit unterdurchschnittlich davon berührt . Länderübergreifend sind insbesondere Kleinstunternehmen und innovative KMU von Finanzierungsrestriktionen betroffen.“ 12 IfM Bonn, 2019, Einflüsse auf die KMU Finanzierung - Ein Vergleich ausgewählter Euroländer - Olivier Butkowski , Marina Hoffmann, Sebastian Nielen und Christian Schröder IfM-Materialien Nr. 275, S. 3, https://www.ifm-bonn.org/fileadmin/data/redaktion/publikationen/ifm_materialien/dokumente/IfM-Materialien -275_2019.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 14 Die Studie verweist dabei auf wesentliche Einflussfaktoren der Finanzierung, die sich einerseits aus unternehmerischen Faktoren wie der Unternehmensgröße, des -alters, seiner Innovationstätigkeit , seiner Wachstumsdynamik und seiner Eigentümerstruktur sowie andererseits aus einem zentralen länderspezifischen Faktor, dem im Finanzsystem beinhaltenden Bankensektor [13]zusammensetzen.14 Zur Finanzierung durch Bankkredite führt die Studie weiter aus:15 „Gut die Hälfte der befragten KMU gab an, keinen ungehinderten Zugang zu Bankkrediten gehabt zu haben (vgl. Abbildung 3). Ob ein KMU vor Hindernissen stand, hängt u.a. davon ab, wie groß es ist und ob es innovationsaktiv ist. Kleinstunternehmen (63,1 %) und innovative Unternehmen (55,3 %) gaben häufiger als größere (50,1 %) und nicht-innovative Unternehmen (51,2 %) an, keinen ungehinderten Zugang zu Bankkrediten gehabt zu haben. Das am häufigsten genannte bedeutendste Hindernis sind mangelnde Kreditsicherheiten[16], gefolgt von hohen Zinskosten, die bei Kleinstunternehmen eine besondere Rolle spielen (vgl. Abbildung 3). Unsere Schätzungen zur Marktrationierung bestätigen, dass Kleinstunternehmen ein Kreditangebot, sei es ein Bank-, Überziehungs- oder Handelskredit, deutlich häufiger aufgrund zu hoher Zinsen bzw. Kosten ablehnen als größere Unternehmen (mit 50 bis 249 Mitarbeiter ).“ 13 sh. Pkt. 3.1. dieser Dokumentation. 14 https://www.ifm-bonn.org/fileadmin/data/redaktion/publikationen/ifm_materialien/dokumente/IfM-Materialien -275_2019.pdf, S. 5 ff. 15 Ders. S. 23 ff.. 16 sh. hierzu Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste am Ende von Pkt. 3.2 dieser Dokumentation. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 15 17 „KMU mit Sitz in Deutschland stehen mit einem Anteil von 38,8 % im Vergleich zum Durchschnitt aller betrachteten Euroländer deutlich seltener vor Hindernissen beim Zugang zu Bankkrediten. Dies gilt unabhängig davon, wie groß die Unternehmen oder ob sie innovationsaktiv sind. Auch im Hinblick auf das bedeutendste Hindernis bei der Finanzierung durch Bankkredite bestehen Unterschiede zwischen KMU mit Sitz in Deutschland und den KMU in den betrachteten neun Euroländern. So stellen z.B. mangelnde Sicherheiten für deutsche KMU häufiger das bedeutendste Hindernis dar, wohingegen die Zinskosten seltener von ihnen genannt werden (vgl. Abbildungen 3 und 4). Die Verfügbarkeit stellt für deutsche KMU wiederum seltener das bedeutendste Hindernis dar, die Bürokratie hingegen häufiger.“18 17 https://www.ifm-bonn.org/fileadmin/data/redaktion/publikationen/ifm_materialien/dokumente/IfM-Materialien -275_2019.pdf. 18 Ders., S. 24.. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 16 19 Ergänzend zur Studie wird auf eine bestehende Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages verwiesen: Deutscher Bundestag/Wissenschaftliche Dienste, Probleme und Risiken der Kreditvergabe an kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) im europäischen Vergleich Kreditausfallraten und Rolle der Bankensysteme, WD 4 - 3000 - 087/16 v. 09. August 2016, https://www.bundestag.de/resource/blob/459022/212960875314a07f0991feaadfe94f35/wd-4- 087-16-pdf-data.pdf. 3.3. Produktivität, Innovation und regionale Gleichheit Die KfW analysiert im KfW-Mittelstandspanel jährlich die finanzielle Situation von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Die Daten hierfür werden im Rahmen einer schriftlichen Wiederholungsbefragung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland mit einem Um- 19 Ders. S. 25. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 17 satz von bis zu 500 Mio. EUR pro Jahr erhoben. Gemäß dieser Definition gibt es 3,81 Mio. mittelständische Unternehmen in Deutschland. So kommt die aktuelle Ausgabe des KfW-Mittelstandspanel 2020 zu folgender Einschätzung:20 „Die Corona-Krise hinterlässt im Mittelstand tiefe Spuren. Die Betroffenheit ist noch immer hoch und die Erwartungen für das Gesamtjahr 2020 historisch schlecht – dies zeigt das KfW- Mittelstands-Panel 2020. Die Umsätze der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) dürften stärker einbrechen als in der Finanzkrise 2009. In der Folge befürchten viele Unternehmen einen weiteren erheblichen Druck auf die Beschäftigung. Auch die Eigenkapitalquoten leiden. Allerdings verfügt der Mittelstand in der Breite über ein solides Fundament. Dazu beigetragen hat auch die erneut gute Performance der KMU im Jahr 2019. Beschäftigung, Umsätze und Investitionen legten im vergangenen Jahr abermals zu. Der Mittelstand konnte seine Profitabilität steigern und sein finanzielles Polster noch einmal ausbauen. Die Ausgangslage der KMU war somit sehr gut. Aber der Weg aus der Krise dürfte lang und steinig werden und die Folgen noch lange nachwirken.“ Weiterhin erstellt die KfW einen jährlichen Bericht zur Entwicklung der Innovationstätigkeit mittelständischer Unternehmen auf der Basis des KfW-Mittelstandspanels. Der aktuelle Bericht 2020 kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:21 „Zentrale Ergebnisse zur Innovationstätigkeit im Mittelstand: Die Innovatorenquote im Mittelstand ist seit rund 15 Jahren rückläufig. Seit ihrem Höchststand im Zeitraum 2004/2006 ging der Anteil innovativer Mittelständler bis 2017/2019 um knapp die Hälfte zurück (-49 %) – und dies trotz der aktuellen Ausweitung der Definition. Vor allem kleine Mittelständler und – vor der Erweiterung der Innovationsdefinition auf ‚nicht-technische‘ Innovationen – Unternehmen ohne eigene FuE sind als Innovatoren ausgeschieden. Dagegen haben sich die aggregierten Ausgaben im Mittelstand für das Hervorbringen von Innovationen ohne eindeutigen Trend entwickelt: Die Innovationsausgaben im Mittelstand entwickelten sich seit 2013 nahezu stabil, die FuE-Ausgaben in zurückliegenden Jahren sogar mit einer leicht steigenden Tendenz. Gleichzeitig nehmen die Innovations- und FuE-Ausgaben der Wirtschaft insgesamt seit Jahren zu. Die Innovationstätigkeit in der Breite der Wirtschaft schwindet somit, während sich die Innovationsanstrengungen auf immer weniger und hauptsächlich große Unternehmen konzentrieren. Die rückläufige Tendenz bei den Innovationsaktivitäten des Mittelstands hält auch während der Corona-Pandemie an. Nach einem kurzen Innovationsschub zu Beginn der Pandemie haben mittelständische Unternehmen im Saldo ihre Innovationsaktivitäten zurückgefahren . Dies gilt insbesondere wiederum für kleine Unternehmen sowie für Unternehmen , die starke Liquiditätsbelastungen verkraften müssen und mit einer langen Krisendauer 20 KfW/KfW-Research, KfW-Mittelstandspanel 2020: Corona-Pandemie trübt Erwartungen für 2020 – Mittelstand vor der Krise auf solidem Fundament, 22. Oktober 2020, https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-Mittelstandspanel /KfW-Mittelstandspanel-2020.pdf. 21 KfW/KfW-Research, KfW-Innovationsbericht Mittelstand 2020: Corona-Krise bremst Innovationen im Mittelstand , Juni 2021, https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Innovationsbericht /KfW-Innovationsbericht-Mittelstand-2020.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 18 rechnen. Dies ist ein Beleg dafür, dass während der Corona-Krise insbesondere die Finanzierung von Innovation eine große Hürde für die Unternehmen darstellt. Mittelständler, die bereits vor der Krise Innovationen hervorgebracht haben, fahren während der Krise ihre Innovationsanstrengungen deutlich seltener zurück als Unternehmen ohne Innovationen vor der Krise. Finanzierungsschwierigkeiten und fehlende Kompetenzen sind wichtigste Innovationshemmnisse : Die wichtigsten Innovationshemmnisse waren bereits vor der Corona-Krise Fachkräftemangel und Finanzierungshemmnisse. Die Bedeutung beider Hemmnisse hat in den letzten anderthalb Jahrzehnen deutlich zugenommen. Der Fachkräftemangel ist vor wenigen Jahren sogar auf den 1. Rang der Innovationshemmnisse vorgerückt. Laut der Innovationserhebung des Leibnitz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sind 34 % aller Unternehmen von Fachkräftemangel als Innovationshemmnis betroffen, Hemmnisse, die im Zusammenhang mit der Finanzierung stehen, folgen nahezu gleichauf: Hohe Kosten (34 % der Unternehmen), hohes Risiko (31 %) und Mangel an interner Finanzierung (25 %) rangieren auf den folgenden Positionen. Wissenschaftliche Studien bestätigen die negativen Effekte dieser Innovationshemmnisse auf die Innovationstätigkeit der Betroffenen und deren Unternehmensperformance . Maßgeblich für den Fachkräftemangel ist die demografische Entwicklung, die durch das zunehmende Ausscheiden geburtenstarker Jahrgänge aus dem Arbeitsmarkt bei gleichzeitig rückläufigen Schulabgängerzahlen geprägt ist. Der Fachkräftemangel ist auch im Mittelstand deutlich spürbar: Bereits in der Erhebung zum KfW-Mittelstandspanel im Jahr 2018 klagten zwei Drittel der Mittelständler mit offenen Stellen über Rekrutierungsprobleme. Tiefergehende Analysen zeigen darüber hinaus, dass gerade in weiten Teilen der nicht-FuE treibenden Mittelständler fehlendes technisches Knowhow und fehlende Marktinformationen in Kombination mit dem dargelegten Mangel an Fachpersonal die wichtigsten Innovationshemmnisse darstellen. Schwierigkeiten bei der Finanzierung rangieren seit Langem auf den vorderen Positionen hinsichtlich der Innovationshemmnisse. Gegenüber der Mitte des letzten Jahrzehnts ist die Häufigkeit der Nennung ebenfalls deutlich – wenn auch nicht so stark wie der Fachkräftemangel – angestiegen. Die Frage nach der Finanzierung erhält aktuell durch die Corona-Krise ein noch höheres Gewicht. So verschärft sich aufgrund der Krise der Zielkonflikt zwischen dem Wunsch nach einer höheren Krisenresilienz und der Notwendigkeit zu verstärkten Investitionen in die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit. Da viele Unternehmen mit einer angespannten Liquiditätslage und einem höheren Verschuldungsgrad aus der Krise hervorgehen werden, dürften gerade Investitionen in die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit – wie Innovationen – auch nach dem Überwinden der akuten Krisenphase noch stärker hintenangestellt werden als bislang. Daneben existieren weitere Ursachen, die die Innovationstätigkeit bremsen. Dazu zählen etwa eine langfristig zurückgegangene Anzahl an Unternehmensgründungen , die Alterung der Belegschaften oder mögliche Entmutigungseffekte bei Nachzüglern. Auch eine gesunkene Aufnahmefähigkeit bei Nachzüglern und ein besserer Schutz ihrer Innovationen durch Vorreiterunternehmen werden dafür angeführt.“ Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 19 Das Thema ‚regionale Gleichheit‘ ist ein Kernanliegen der deutschen Wirtschaftspolitik. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) führt hierzu wie folgt aus:22 „Die Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ (GRW) ist seit 1969 das zentrale Instrument der regionalen Wirtschaftspolitik in Deutschland. Ziel ist es, strukturschwache Regionen zu unterstützen, Standortnachteile bei Investitionen auszugleichen und Anreize zur Schaffung von Einkommen und Beschäftigung zu setzen. Um die Wirksamkeit des Programms zu überprüfen und die regionale Wirtschaftsförderung inhaltlich weiterzuentwickeln, wird die GRW regelmäßig durch externe Gutachter evaluiert. Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) die Effekte der einzelbetrieblichen Förderung - etwa 70 Prozent des Gesamtbudgets der GRW wird in diesem Bereich gebunden – für den Zeitraum 2009 bis 2016 untersucht. Mit Hilfe moderner ökonometrisch‐statistischer Verfahren werden GRW-geförderte Betriebe hinsichtlich ihrer Entwicklung mit einer Kontrollgruppe von sehr ähnlichen, nicht von der Förderung begünstigten Betrieben, verglichen. Im Mittelpunkt der Analyse stehen dabei die Effekte auf Beschäftigung und Einkommen. Beide Indikatoren sind zentral für die wirtschaftliche Perspektive strukturschwacher Regionen.[23] Die Gutachter belegen eindeutig die positiven Effekte der Investitionsförderung in den strukturschwachen Regionen. Die Ergebnisse zeigen, dass das zentrale Ziel der GRW, dauerhafte Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen zu schaffen, erreicht wird. Die Förderung setzt zusätzliche Wachstumsimpulse und trägt somit zum Abbau regionaler Disparitäten in Deutschland bei. Damit unterstützt die GRW die übergeordnete Maxime des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, über die Schaffung verlässlicher und nachhaltiger Rahmenbedingungen in allen Regionen einen marktorientierten Strukturwandel zu ermöglichen und positive Wachstumskräfte freizusetzen. Das Wachstum der Beschäftigung in GRW-geförderten Betrieben liegt bis fünf Jahre nach Ende der Förderung knapp zwölf Prozentpunkte höher als in nicht geförderten Betrieben. Neben den Arbeitsplatzeffekten findet sich ein deutlich positiver Effekt der GRW‐Förderung auf 22 BMWi, -Regionalpolitik, Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW): Evaluierung , https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Wirtschaft/gemeinschaftsaufgabe-evaluierung.html. 23 Gutachten: IWH, „Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ (GRW)“ durch einzelbetriebliche Erfolgskontrolle - Endbericht - Halle (Saale), Coburg, 12. Juni 2020, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/evaluierung-der-gemeinschaftsaufgabe-verbesserung-derregionalen -wirtschaftsstruktur-durch-einzelbetriebliche-erfolgskontrolle-endbericht.pdf?__blob=publication- File&v=10. IWH, „Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ (GRW)“ durch einzelbetriebliche Erfolgskontrolle - Kurzfassung – Halle (Saale), Coburg, 12. Juni 2020, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/evaluierung-der-gemeinschaftsaufgabe-verbesserung-derregionalen -wirtschaftsstruktur-durch-einzelbetriebliche-erfolgskontrolle-kurzfassung.pdf?__blob=publication- File&v=4. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 057/21 Seite 20 das Wachstum des Umsatzes der geförderten Betriebe. In einer ergänzenden Analyse auf makroökonomischer Ebene weisen die Gutachter zudem moderate Effekte auf das regionale Einkommensniveau (BIP) nach. Die Ergebnisse des aktuellen Gutachtens bestätigen damit in weiten Teilen die Ergebnisse früherer Studien zur Wirksamkeit der GRW-Förderung. Beispielsweise zeigt ein Gutachten der TU Dortmund[24], dass sich die Betriebe nach der Förderung durchweg positiv entwickeln und sich damit deutlich von der Entwicklung vergleichbarer nicht geförderter Betriebe in der Region abheben. Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums untersuchten Prognos AG und InWIS an der Ruhr-Universität Bochum ‚Lehren aus dem Strukturwandel im Ruhrgebiet für die Regionalpolitik ‘[25]. Die GRW ist Teil des Gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen, das zum 1. Januar 2020 in Kraft trat[26].“ Weitere Informationen sind dem BMWi-Dossier „Wirtschaft in den Regionen stärken“ zu entnehmen : https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/regionalpolitik.html. *** 24 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/evaluierung-der-gemeinschaftsaufgabe-verbesserung-derregionalen -wirtschaftsstruktur-durch-einzelbetriebliche-erfolgskontrolle-foerderzeitraum-1999-2008-endbericht .pdf?__blob=publicationFile&v=4. 25 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/lehren-aus-dem-strukturwandel-im-ruhrgebiet-fuer-dieregionalpolitik .pdf?__blob=publicationFile&v=4. 26 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/G/gesamtdeutsches-foerdersystem.pdf?__blob=publication- File&v=16.