© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 056/21 Erneuerbare Energien und Klimaschutz: Prognosen zur Beschäftigung Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 056/21 Seite 2 Erneuerbare Energien und Klimaschutz: Prognosen zur Beschäftigung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 056/21 Abschluss der Arbeit: 14.07.2021 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 056/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Aktuelle Studien 4 2.1. Prognos AG 4 2.2. Stiftung Klimaneutralität 8 3. Weitere Quellen 10 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 056/21 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Arbeit geht der Fragestellung nach, mit welchen zusätzlichen Beschäftigungseffekten durch erneuerbare Energien bzw. Klimaschutztechnologien für die Jahre 2030 bis 2045 zu rechnen ist. Ausgangspunkt der Fragestellung sind zwei bestehende ältere Studien aus dem Jahr 2015, die im Auftrag des BMWi erstellt wurden.1 Die Studien prognostizieren eine zusätzliche Beschäftigung durch erneuerbare Energien bzw. Klimaschutztechnologien von bis zu 230.000 zusätzlichen Stellen bis 2050 (angestrebter Zeitpunkt der Klimaneutralität). Diese Dokumentation stellt aktualisierte Veröffentlichungen vor. Prognosen sind für den angestrebten vorgezogenen Zeithorizont 2030-2045 nur näherungsweise verfügbar, mit Ausnahme der Studie der Stiftung Klimaneutralität (Pkt. 2.2), die den Zeithorizont 2030 betrachtet. 2. Aktuelle Studien 2.1. Prognos AG Die Studie „Beschäftigungseffekte der BDI-Klimapfade“ aus dem Jahre 2019, die als Antwort auf eine von der Prognos AG im Auftrag des BDI im Jahre 2018 erstellte Studie2 erfolgte, stellt einleitend zur dargestellten Beschäftigungsentwicklung bis 2050 folgende Grundannahmen auf:3 „Die hier dargestellten Beschäftigungsentwicklungen sind vor dem Hintergrund des demografischen Wandels in Deutschland zu interpretieren: Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter wird bis zum Jahre 2050 um gut acht Millionen Personen sinken. Es scheiden in Zukunft deutlich mehr ältere Personen aus dem Erwerbsleben aus als neue nachrücken. In der Konsequenz ist bereits in dem hier dargestellten Referenzszenario in fast allen Branchen und Wirtschaftsbereichen die Zahl der Erwerbstätigen rückläufig (-6,4 Mio. Personen). Höhere Erwerbsbeteiligungen und eine vergleichsweise geringe Erwerbslosenquote gehen mit dieser Entwicklung einher.“ 1 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/beschaeftigung-durch-erneuerbare-energien-indeutschland .html; https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/wertschoepfungs-und-beschaeftigungseffekte -der-energiewirtschaft.html. 2 Prognos AG (2018), Klimapfade für Deutschland, im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), https://www.prognos.com/de/projekt/klimapfade-fuer-deutschland. 3 Prognos AG (2019), Beschäftigungseffekte der BDI-Klimapfade, im Auftrag der Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE, S. 3, https://www.arbeit-umwelt.de/wp-content/uploads/190404_Studie_BeschaftigungEffekteKlimapfadeBDI_Stiftung IGBCE.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 056/21 Seite 5 Als wichtigste Ergebnisse hebt die Studie hervor:4 „Die Prognos AG hat im Jahr 2018 im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und in Zusammenarbeit mit Boston Consulting Group (BCG) klimapolitische Szenarien für die Deutschland (Studie ‚Klimapfade für Deutschland‘) erstellt. In der vorliegenden Studie werden Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte dieser Szenarien (Referenzszenario und drei Klimaszenarien) für sieben ausgewählte energiewirtschaftliche sowie energieintensive Branchen vertieft untersucht. Im tabellarischen Anhang werden die Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte der Szenarien auf alle Wirtschaftszweige dargestellt. 4 Prognos AG (2019), Beschäftigungseffekte der BDI-Klimapfade, im Auftrag der Stiftung Arbeit und Umwelt der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), S. 4 f., https://www.arbeit-umwelt.de/wp-content/uploads/190404_Studie_BeschaftigungEffekteKlimapfadeBDI_Stiftung IGBCE.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 056/21 Seite 6 Schon das Referenzszenario ist mit einem deutlichen Beschäftigungsrückgang in den untersuchten Branchen verbunden. Wie im Vorwort benannt, ist Klimaschutz hier nicht der wirkungsvollste Treiber, sondern andere Faktoren, wie z. B. demographischer Wandel und Produktivitätssteigerung . Zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen, die zu 80 bis 95 Prozent Emissionsreduktion führen, haben im Vergleich zum Referenzszenario relativ geringe zusätzliche Beschäftigungseffekte. In einigen Branchen, etwa im Kohlebergbau, in der Papierbranche, in der Mineralölverarbeitung oder bei Gummi- und Kunststoffwaren wird der Beschäftigungsrückgang des Referenzszenarios durch eine ambitioniertere Klimapolitik verstärkt. Andere Branchen, wie die Chemiebranche, die Verarbeitung von Steinen und Erden oder die Elektrizitätsversorgung würden bei einer ambitionierteren Klimapolitik gegenüber der Referenzentwicklung zusätzlich Beschäftigung aufbauen können. Insgesamt resultieren in allen drei Klimaszenarien in der Summe (im Vergleich mit dem Referenzszenario ) positive Effekte auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt und die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung. Branchen, die primär Investitionsgüter herstellen und solche, die Vorleistungen in die Investitionsgüterindustrie liefern, profitieren in der Regel von den unterstellten Maßnahmen. Besonders exportorientierte Branchen hingegen, die sich in einem preissensitiven internationalen Wettbewerb behaupten müssen, können aufgrund der Maßnahmen an Wettbewerbsfähigkeit und entsprechend an Marktanteilen einbüßen. Besonders negativ betroffen sind auch diejenigen Branchen, die entweder selbst Produkte mit hohem spezifischem CO2-Aufwand herstellen oder sie als Vorleistungsgut für ihre eigene Produktion benötigen . Diese Szenarien sind stark von wirtschaftlichen und technologischen Annahmen abhängig und sollen nicht als Prognosen verstanden werden, sondern als quantitative Schätzungen und ‚wenn-dann-Aussagen‘ in einem komplexen System, das von zahlreichen interagierenden Rahmenbedingungen abhängig ist. Dennoch zeigen sie, dass die Klimapolitik ungleiche Auswirkungen in unterschiedlichen Branchen entfalten kann. Die Ergebnisse zeigen, dass viele Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 056/21 Seite 7 energiewirtschaftliche sowie energieintensive Branchen in überdurchschnittlichem Maße von den klimapolitischen Maßnahmen betroffen sind und einen relativ starken (beschäftigungspolitischen ) Transformationsprozess in den kommenden Jahrzehnten zu bewältigen haben.“ In einem aktuellen Vortrag verweist Dr. Almut Kirchner (Prognos AG) auf folgende Übersichten, die die Entwicklung des BIP und der Beschäftigung im Zeitablauf wiedergeben:5 5 Dr. Almut Kirchner, 11.05.2021, Transformation des Energiesystems – 7 Kernpunkte Dr. Almut Kirchner Basel / München 11.05. 2021 Impulsvortrag zur Veranstaltung „Energieversorgung 2025 – Weichenstellungen und Handlungsbedarf“ der vbw, Prognos, S. 8 u. 28, https://www.baymevbm.de/Redaktion/Frei-zugaengliche-Medien/Abteilungen-GS/Wirtschaftspolitik /2021/VA/OnlineKongress-Energieversorgung-2025/20210511_Kirchner-Transformation_des_Energiesystemsdoku .pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 056/21 Seite 8 BIP & Beschäftigung Beschäftigungs-Effekt der Transformation im Zeitverlauf gegenüber dem jeweiligen Referenzszenario „Infolge der höheren Wirtschaftsleistung steigen auch die Erwerbstätigenzahlen (20‘000 – 100‘000). Allerdings ist der Effekt auf die Erwerbstätigkeit in der Regel geringer als auf das BIP, da ein Teil der höheren Wirtschaftsleistung zu höheren Löhnen und damit höherer Arbeits -produktivität führt. Auch andere Studien bescheinigen positive Beschäftigungseffekte von mit der Energiewende verbundenen Investitionen (Bspw. (ex-post) Monitoring der KfW- Programme zur Förderung der Energieeffizienz im Gebäudebereich 2017).“6 2.2. Stiftung Klimaneutralität Die Stiftung Klimaneutralität führt zu einer in Auftrag gegebenen Kurzstudie zu Arbeitsmarkteffekten der Klimaschutzmaßnahmen für das Jahr 2030 wie folgt aus:7 „Die Stiftung Klimaneutralität hat die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) damit beauftragt, im Rahmen einer Kurzstudie die Arbeitsmarkteffekte dieser Klimaschutzmaßnahmen für das Jahr 2030 zu ermitteln. 6 Vorige Fn. 7 Stiftung Klimaneutralität, Beschäftigungseffekte – Arbeitsmarkteffekte einer Transformation zur Klimaneutralität , Kurzstudie Mai 2021, https://www.stiftung-klima.de/de/themen/klimaneutralitaet/beschaeftigungseffekte/. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 056/21 Seite 9 Die Analyse zeigt, dass der Weg zu einem klimaneutralen Deutschland positive Effekte auf Wirtschaftswachstum und Erwerbstätigkeit hat. Bis 2030 wird das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt um 74 Mrd. Euro höher liegen als in der Basisprojektion erwartet. Im Jahr 2030 werden rund 360.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Der positive Wachstums- und Beschäftigungseffekt ergibt sich überwiegend durch die für die Transformation erforderlichen Mehrinvestitionen – insbesondere in den Ausbau erneuerbarer Energien und in den Stromnetzausbau .“ Zahl der Erwerbstätigen – Abweichung des Klimaschutz-Szenarios zur Basisprojektion, in 1.000 Personen; Quelle: Mönnig et al. (2021). Zusätzliche Jobs entstehen insbesondere im Baugewerbe und in verkehrsnahen Branchen. Lediglich der Fahrzeugbau baut Arbeitsplätze aufgrund des Antriebswechsels bei Pkw und Lkw ab. Der Jobabbau im Fahrzeugbau kann jedoch durch zusätzliche Nachfrage der betroffenen Berufe in anderen Wirtschaftszweigen, wie dem Maschinenbau, mehr als ausgeglichen werden . Die zukünftigen arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen bestehen nicht in der Kompensation von wegfallenden Arbeitsplätzen, sondern vielmehr darin, den sich abzeichnenden Engpässen auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken. Die Studie weist auch darauf hin, dass mit Blick auf das Jahr 2030 Veränderungen und Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt stärker von anderen Trends und dem allgemeinen Strukturwandel bestimmt sein werden als von den notwendigen Maßnahmen für ein klimaneutrales Deutschland. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 056/21 Seite 10 Zahl der Erwerbstätigen nach den sieben am stärksten positiv und negativ betroffenen Wirtschaftszweigen – Abweichung des Klimaschutz-Szenarios zur Basisprojektion im Jahr 2030; Quelle: Mönnig et al. (2021).“ 3. Weitere Quellen Markus Hoch u.a., Jobwende: Effekte der Energiewende auf Arbeit und Beschäftigung, FES, 2019, http://library.fes.de/pdf-files/fes/15696-20210201.pdf. IPG Journal, 20.11.2019, Interviews: Klimaschutz oder Beschäftigung? Falsche Frage!, https://www.ipg-journal.de/interviews/artikel/klimaschutz-oder-beschaeftigung-falsche-frage- 3881/. Umweltbundesamt, 2019, Beschäftigungswirkungen des Umweltschutzes in Deutschland, https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/wirtschaft-umwelt/umweltschutz -beschaeftigung/beschaeftigungswirkungen-des-umweltschutzes-in. ***