© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 055/20 Fragen zur Beteiligung des Bundes an Übertragungsnetzbetreibern vor dem Hintergrund der Bundesbedarfsplanung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 055/20 Seite 2 Fragen zur Beteiligung des Bundes an Übertragungsnetzbetreibern vor dem Hintergrund der Bundesbedarfsplanung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 055/20 Abschluss der Arbeit: 18.06.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 055/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Entwicklung des Bundesbedarfsplans 4 3. Beteiligung des Bundes an Übertragungsnetzbetreibern 6 3.1. 50Hertz Transmission GmbH 6 3.2. TenneT TSO GmbH 8 3.3. Interessenkonflikte bei der Bundesbedarfsplanung 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 055/20 Seite 4 1. Fragestellung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages sind nach Auswirkungen der Beteiligung des Bundes am Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz sowie eines möglichen Einstiegs bei TenneT vor dem Hintergrund der Bundesbedarfsplanung und möglichen Interessenskonflikten gefragt worden. Zur Beantwortung der Fragen wurde unter anderem das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) angeschrieben.1 2. Entwicklung des Bundesbedarfsplans Dem Bau und Ausbau von Höchstspannungsleitungen geht ein umfangreiches Planungsverfahren voraus. Einen Abschnitt dieses Verfahrens stellt die Aufstellung eines Bundesbedarfsplans dar. Dieser enthält geplante Vorhaben im Bereich des Netzausbaus auf Übertragungsnetzebene2 und ist in der Anlage zum Gesetz über den Bundesbedarfsplan (Bundesbedarfsplangesetz – BBPlG)3 enthalten. Mit der Aufnahme von Vorhaben in das Bundesbedarfsplangesetz werden die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf der Vorhaben zur Gewährleistungen eines sicheren und zuverlässigen Netzbetriebs festgestellt.4 Dadurch soll das für den Ausbau von Stromnetzen erforderliche Verwaltungsverfahren beschleunigt werden.5 Denn die Feststellung bildet eine Planrechtfertigung, die im eigentlichen Planfeststellungsverfahren nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Die Feststellungen im Bundesbedarfsplan sind zudem für die für den Ausbau der Stromnetze zuständigen Übertragungsnetzbetreiber verbindlich.6 Durch das Verfahren zur Erstellung des Bundesbedarfsplans werden nicht nur Vorhaben hinzugefügt , sondern auch gestrichen, wenn sich gezeigt hat, dass sie nicht mehr für die Energiewende 1 Die Antwort vom BMWi erfolgte mit E-Mail vom Parlaments- und Kabinettsreferat vom 15. Juni 2020. 2 Das deutsche Übertragungsnetz transportiert Strom über weite Distanzen mit Höchstspannung und ist in vier Regionen unterteilt, in denen unterschiedliche Netzbetreiber tätig sind. https://www.netztransparenz.de/Allgemeines /Deutsches-Uebertragungsnetz (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 3 Bundesbedarfsplangesetz vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2543; 2014 I S. 148, 271), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 13. Mai 2019 (BGBl. I S. 706) geändert worden ist, Link: https://www.gesetze-im-internet.de/bbplg/BJNR254310013.html (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 4 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Rahmenbedingungen für den Netzausbau, Link: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/stromnetze-und-netzausbau-regulierung-rahmenbedingungen .html (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 5 Bundesnetzagentur, Plattform netzausbau, Ein verbindlicher Bundesbedarfsplan, Link: https://www.netzausbau.de/5schritte/bundesbedarfsplan/de.html (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 6 Vgl. Henze, in: Theobald/Kühling (Hrsg.), Energierecht, Werkstand: 104. EL Dezember 2019, § 12e Rn. 41. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 055/20 Seite 5 notwendig sind.7 Der Bundesbedarfsplan enthält die Anfangs-und Endpunkte der geplanten Leitungen , nicht jedoch bereits die konkreten Trassenführungen.8 Gemäß § 12e des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG)9 hat die Bundesregierung dem Bundestag mindestens alle vier Jahre einen Entwurf des Bundesbedarfsplans zur Abstimmung vorzulegen.10 Im Vorfeld des Bundesbedarfsplans wird zunächst von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) alle zwei Jahre ein sogenannter Szenariorahmen erarbeitet, der den Bedarf an Strom sowie die Entwicklung der Energielandschaft für die nächsten 10 bis 15 Jahre anhand von drei Szenarien analysiert. Der Szenariorahmen muss der Bundesnetzagentur (BNetzA) vorgelegt und von ihr genehmigt werden.11 Anschließend erstellen die Übertragungsnetzbetreiber darauf basierend einen Netzentwicklungsplan, der alle Ausbaumaßnahmen enthält, die für einen sicheren und zuverlässigen Betrieb des Höchstspannungsnetzes erforderlich sind. Der Netzentwicklungsplan muss ebenfalls von der BNetzA genehmigt werden.12 Nach Aussage des BMWi genehmigt die BNetzA lediglich die Vorhaben, für die sie im Zeitpunkt der Bestätigung die energiewirtschaftliche Notwendigkeit nachvollziehen kann. Das seien nicht zwingend alle von den Übertragungsnetzbetreibern vorgeschlagenen Vorhaben, sondern nur solche , die nach derzeitigem Stand auch unter veränderten energiewirtschaftlichen Bedingungen als unverzichtbar angesehen würden.13 Den genehmigten Plan legt die BNetzA schließlich der Bundesregierung als Entwurf eines Bundesbedarfsplans vor.14 7 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Rahmenbedingungen für den Netzausbau, Link: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/stromnetze-und-netzausbau-regulierung-rahmenbedingungen .html (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 8 Die genauen Trassenkorridore werden erst im anschließenden Planfeststellungsverfahren bestimmt und festgelegt . 9 Energiewirtschaftsgesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970, 3621), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 25. Mai 2020 (BGBl. I S. 1070) geändert worden ist, Link: https://www.gesetze-im-internet.de/enwg_2005/BJNR197010005.html (zuletzt aufgerufen am 18.06.2020). 10 Bundesnetzagentur, Plattform netzausbau, Ein verbindlicher Bundesbedarfsplan, Link: https://www.netzausbau.de/5schritte/bundesbedarfsplan/de.html (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 11 Bundesnetzagentur, Plattform netzausbau, Szenarien der Energieversorgung, Link: https://www.netzausbau.de/5schritte/szenariorahmen/de.html (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 12 Bundesnetzagentur, Plattform netzausbau, Netzentwicklungsplan und Umweltbericht, Link: https://www.netzausbau.de/5schritte/nep-ub/de.html (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 13 E-Mail des BMWi vom 15. Juni 2020. 14 Vgl. Henze, in: Theobald/Kühling (Hrsg.), Energierecht, Werkstand 104. EL Dezember 2019, § 12e Rn. 23. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 055/20 Seite 6 Wurde der Bundesbedarfsplan vom Gesetzgeber verabschiedet, schließen sich die Bundesfachplanung (in den Ländern das Raumordnungsverfahren) sowie das Planungsfeststellungsverfahren an.15 3. Beteiligung des Bundes an Übertragungsnetzbetreibern 3.1. 50Hertz Transmission GmbH Die 50Hertz Transmission GmbH (kurz: 50Hertz) ist einer der vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland. Seit Juli 2018 besteht eine Beteiligung der Bundesregierung an 50Hertz. Die Bundesregierung hält über die Kreditbank für Wiederaufbau (KfW) derzeit 20% an der Eurogrid GmbH, die wiederum die vollen 100% an der 50Hertz Transmission GmbH besitzt. Die restlichen 80% der Eurogrid GmbH sind im Besitz der Elia Group.16 Die Unternehmensstruktur von 50Hertz zeigt folgendes Schaubild (s. nächste Seite): 15 Vgl. Henze, in: Theobald/Kühling (Hrsg.), Energierecht, Werkstand 104. EL Dezember 2019, § 12e Rn. 4. 16 50Hertz Transmission GmbH, Unternehmensstruktur, Link: https://www.50hertz.com/de/Unternehmen/Struktur (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 055/20 Seite 7 Quelle: https://www.50hertz.com/de/Unternehmen/Struktur (Stand 04.03.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 055/20 Seite 8 Der Erwerb der Anteile erfolgte zum Schutz der kritischen Energieinfrastruktur.17 Die Anteile waren zuvor im Besitz des australischen Infrastrukturfonds IFM. Von der Bundesregierung ist grundsätzlich ein kurz- bis mittelfristiges Halten der Anteile beabsichtigt.18 3.2. TenneT TSO GmbH Aktuellen Presseberichten zufolge prüft die Bundesregierung einen Einstieg bei dem Übertragungsnetzbetreiber TenneT TSO GmbH (kurz: TenneT).19 Bei dem Mutterkonzern handelt es sich um den niederländischen Stromnetzbetreiber Tennet Holding B.V, welcher im vollständigen Besitz des niederländischen Staates ist.20 Bereits aus einer Antwort des BMWi aus dem Dezember 2019 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP ging hervor, dass Deutschland und die Niederlande im stetigen Austausch über Themen des Netzbetriebs sind und auch in 2020 Gespräche zur Zukunft und möglichen Kooperationen beider Länder geplant sind. Eine Beteiligung Deutschlands an TenneT wurde nicht ausgeschlossen.21 Hintergrund ist vor allem, dass 50% des gesamten Investitionsbedarfs nach dem Netzentwicklungsplan bis 2030 auf den deutschen Teil des Netzes von TenneT fallen werden.22 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie teilte in einer gemeinsamen Presseerklärung vom 19.5.2020 mit, dass Deutschland und die Niederlande eine gemeinsame Absichtserklärung 17 Tagesspiegel, Bund kauft Anteil an 50Hertz – und bootet damit China aus, 27.7.2018, Link: https://www.tagesspiegel .de/wirtschaft/stromnetzbetreiber-bund-kauft-anteil-an-50hertz-und-bootet-damit-chinaaus /22853976.html (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 18 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Gemeinsame Presseerklärung vom 27.7.2018, KfW erwirbt im Auftrag des Bundes temporär Anteil am deutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Link: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2018/20180727-kfw-erwirbt-im-auftrag-des-bundestemporaer -anteil-am-deutschen-uebertragungsnetzbetreiber-50hertz.html, sowie Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr.: „Stand der Veräußerung der KfW-Anteile am Stromnetzbetreiber 50Hertz" vom 17.12.2019, BT-Drs: 19/16027, Link: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/160/1916027.pdf (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 19 Süddeutsche Zeitung, Bund prüft Einstieg bei Tennet, 19.5.2020, Link: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/stromnetz-bund-prueft-einstieg-bei-tennet-1.4913349 (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 20 Government of the Netherlands, Deutschland möglicherweise Gesellschafter von TenneT, Link: https://www.government.nl/latest/news/2020/05/19/deutschland-moglicherweise-gesellschafter-von-tennet #:~:text=Gegenw%C3%A4rtig%20befindet%20sich%20TenneT%2C%20Betreiber,im%20Besitz %20des%20niederl%C3%A4ndischen%20Staates. (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 21 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Stand der Veräußerung der KfW- Anteile am Stromnetzbetreiber 50Hertz" vom 17.12.2019, BT-Drs: 19/16027, Link: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/160/1916027.pdf (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 22 Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage vom 15.5.2020, BT-Drs. 19/19240, S. 50, Link: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/192/1919240.pdf (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 055/20 Seite 9 unterzeichnet hätten, deren Inhalt eine enge Zusammenarbeit im Bereich der Stromnetze sei.23 Unter anderem soll in diesem Rahmen eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die den Einstieg des Bundes bei TenneT vorbereiten und das weitere Vorgehen klären soll.24 Neben der Höhe der Beteiligung ist noch offen, ob ein Einstieg bei der deutschen TenneT TSO GmbH oder beim Mutterkonzern , der Tennet Holding B.V, stattfinden soll. Bis zum Jahresende soll eine Rahmenvereinbarung bestehen.25 3.3. Interessenkonflikte bei der Bundesbedarfsplanung Nach Aussage des BMWi26 sind mögliche Interessenkonflikte vor dem Hintergrund einer Bundesbeteiligung an Übertragungsnetzbetreibern nicht ersichtlich. Der Bund habe seine Interessen hinsichtlich der Stromnetzplanung gesetzlich festgelegt. Gleichzeitig seien die Pflichten der Übertragungsnetzbetreiber im Rahmen der Bedarfsplanung klar geregelt27, so dass ein Handeln letzterer entgegen den Interessen des Bundes ausgeschlossen sei. *** 23 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Gemeinsame Presseerklärung, Deutschland und die Niederlande unterzeichnen Gemeinsame Absichtserklärung über weitere Energiezusammenarbeit in den Bereichen Netze und Stromübertragung, 19.5.2020, Link: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen /2020/20200519-deutschland-und-die-niederlande-unterzeichnen-gemeinsame-absichtserklaerung-ueberweitere -energiezusammenarbeit-in-den-bereichen-netze-und-stromuebertragung.html (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 24 Bis 2010 war das Übertragungsnetz im Eigentum der deutschen E.ON. Vgl. Tennet TSO GmbH, Unsere Geschichte , https://www.tennet.eu/de/unternehmen/profil/unsere-geschichte/ (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 25 Vgl. Süddeutsche Zeitung, Bund prüft Einstieg bei Tennet, 19.5.2020, Link: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/stromnetz-bund-prueft-einstieg-bei-tennet-1.4913349 (zuletzt aufgerufen am 18.6.2020). 26 E-Mail vom 15. Juni 2020. 27 So verpflichtet § 11 Abs. 1 S. 2 EnWG die Übertragungsnetzbetreiber, die in den §§ 12a ff. EnWG geregelten Pflichten bei der Aufstellung des Bundesbedarfsplans zu erfüllen.