© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 050/20 Ursachen von Verkehrsstaus Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 2 Ursachen von Verkehrsstaus Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 050/20 Abschluss der Arbeit: 24. Juni 2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkungen 4 2. Begriffsbestimmung 5 3. Ursachen von Verkehrsstaus 6 3.1. Wissenschaftliche Beiträge 6 3.2. Sonstige Veröffentlichungen 17 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 4 1. Vorbemerkungen Der Dokumentation liegt im Wesentlichen die Frage zugrunde, worauf Verkehrsstaus im Straßenverkehr zurückzuführen sind. Entstehung und Ausbreitung von Verkehrsstaus sind in den letzten Jahrzehnten intensiv erforscht worden. Hierbei ist es zunehmend gelungen, die bei einer Staubildung und Stauausbreitung ablaufenden Prozesse durch komplexe mathematische Modellansätze nachzuvollziehen und zu verstehen. Dies bestätigt auch ein Beitrag von Helga Rietz in der Neuen Züricher Zeitung vom 11.05.2018. Er vermittelt einen Einblick in die moderne physikalisch-mathematisch orientierte Stauforschung und gelangt u. a. zu folgendem Ergebnis: „Großen Einfluss haben bis heute jene Verkehrssimulationen, die Kai Nagel, damals am Zentrum für paralleles Rechnen der Universität zu Köln, zusammen mit Michael Schreckenberg vom Institut für Theoretische Physik der Universität Duisburg-Essen erarbeitete. Nagels Idee war es, Verkehr im Computer als «zellulären Automaten» abzubilden. Das heißt, man stellt sich jede Fahrspur als eine Reihe von Kästchen vor, wobei jedes Kästchen nur von einem Fahrzeug besetzt werden kann. Je nach Geschwindigkeit bewegt sich jedes Fahrzeug pro Zeitintervall eines oder mehrere Kästchen voran. Die große Stärke des «Nagel-Schreckenberg-Modells» liegt darin, dass es mit relativ wenig Rechnerleistung sehr viele Fahrzeuge zu simulieren vermag. Die Forscher konnten damit zahlreiche Phänomene aus dem Verkehrswesen abbilden und verstehen. Etwa den «Stau aus dem Nichts», der von minimalen Störungen ausgelöst wird (zum Beispiel einem einzelnen bummelnden Autofahrer).“1 Vor dem Hintergrund des Umfangs der im Auftragsschreiben angesprochenen Thematik sowie der Komplexität der in der modernen Stauforschung entwickelten Modellansätze beschränkt sich die vorliegende Dokumentation auf eine Zusammenstellung von Dokumenten, die einen Überblick über Stauursachen im Straßenverkehr vermitteln. Hierbei wird zwischen wissenschaftlichen Beiträgen und sonstigen Veröffentlichungen unterschieden. Die aufgeführten Publikationen nehmen insbesondere den Straßenverkehr auf den Bundesautobahnen (einschließlich Lkw-Verkehr ) in den Blick. Wesentliche Passagen der Dokumente werden jeweils wörtlich zitiert. Wie die Dokumentation zeigt, entstehen Verkehrsstaus auf Bundesautobahnen vor allem dadurch, dass die Verkehrsnachfrage die zur Verfügung stehende Verkehrskapazität überschreitet und es somit zu einer Verkehrsüberlastung kommt. Hierbei können die Stauursachen sowohl auf der Seite der Verkehrsnachfrage liegen (z. B. erhöhtes Verkehrsaufkommen), als auch in einer Einschränkung der Verkehrskapazität begründet sein (z. B. Fahrbahnreduzierung oder Fahrbahnverengung infolge eines Unfalls oder aufgrund von Baumaßnahmen). Die im Text angegebenen Internetadressen wurden am 24. Juni 2020 zuletzt aufgerufen. 1 Rietz, Helga (2018). Warum Stau für die Wissenschaft kein Thema mehr ist, und warum wir trotzdem immer noch im Stau stehen. In: Neue Zürcher Zeitung. 11.05.2018. Link: https://www.nzz.ch/wissenschaft/warumstau -fuer-die-wissenschaft-kein-thema-mehr-ist-und-warum-wir-trotzdem-immer-noch-im-stau-stehenld .1383632 . Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 5 2. Begriffsbestimmung Stauungen im Straßenverkehr lassen sich allgemein beschreiben als „Störungen im Verkehrsablauf , die in der Regel dann auftreten, wenn die Verkehrsbelastung (Zufluss) die Kapazität einer Verkehrsanlage überschreitet.“2 Eine einheitliche verkehrswissenschaftliche Definition des Begriffs Stau liegt jedoch nicht vor.3 Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e. V. (ADAC) knüpft bei diesem Begriff an der Durchschnittsgeschwindigkeit an. Nach seiner Definition liegt ein Stau vor, „wenn mehrere Fahrzeuge mindestens fünf Minuten lang im Schnitt unter 20 km/h schnell sind – und das auf einer Länge von mindestens einem Kilometer.“4 Ein verkehrswissenschaftliches Gutachten des Lehrstuhls für Verkehrswesen – Planung und Management der Ruhr Universität Bochum zur Stausituation auf den Autobahnen des Landes Nordrhein -Westfalen definiert den Begriff „Stau“ dagegen umfassender und charakterisiert ihn wie folgt: „Ein Stau ist ein vorübergehender Verkehrszustand, der entweder durch eine zu hohe Verkehrsnachfrage in den Spitzenstunden oder durch einen Kapazitätsrückgang infolge eines temporären Ereignisses (z.B. Baustelle, Unfälle, ungünstige Witterungsbedingungen) verursacht wird. Dabei sind zu unterscheiden: regelmäßig wiederkehrende Überlastungen, die in Spitzenstunden aufgrund eines – im Vergleich zur Verkehrsnachfrage – unzureichenden Kapazitätsangebots entstehen, unvorhersehbar auftretende Überlastungen, die entweder durch zufällig auftretende Störungen wie z.B. Unfälle oder durch geplante, aber für den Verkehrsteilnehmer im Vorfeld nicht absehbare Eingriffe in den Verkehrsablauf (z.B. Arbeitsstellen kürzerer Dauer) verursacht werden. Regelmäßig wiederkehrende Staus sind vor allem ein regionales Problem, welches sich im Wesentlichen auf bestimmte Streckenabschnitte in dicht besiedelten Ballungsräumen beschränkt 2 Oismüller, Alexander (2014). "Ermittlung von Entgelten und Abschlägen eines Public Private Partnership (PPP)- Modells auf Verfügbarkeitsbasis für Autobahnen". Dissertation (Fakultät für Bauingenieurwesen der Rheinisch- Westfälischen Technischen Hochschule Aachen).Abschnitt 3.3.2.4 (Modellierung der möglichen Stauentwicklung ). S. 185. Link: http://publications.rwth-aachen.de/record/444869/files/5142.pdf . Zitiert nach Beckmann, Anja/Zackor, Heinz (2001). Untersuchungen und Eichung von Verfahren zur aktuellen Abschätzung von Staudauer und Staulängen infolge von Tages- und Dauerbaustellen auf Autobahnen (Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik. Heft 808. Bonn 2001. S. 13). 3 Vgl. Abrahamczyk, Markus (2019). Ab wann ist ein Stau ein Stau? 05.02.2019. S. 2. Link: https://www.t-online.de/auto/recht-und-verkehr/id_85202538/ab-wann-ist-ein-stau-ein-stau-.html ; Schreckenberg, Michael (2019). Die Wissenschaft vom Stau. In: Mint Zirkel. 25.12.2019. S. 3. Link: https://mint-zirkel.de/2019/12/die-wissenschaft-vom-stau . 4 Abrahamczyk, Markus (2019). A. a. O. S. 2. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 bis 40 km/h spricht der ADAC von stockendem Verkehr; vgl. ebenda sowie ADAC (2020). ADAC Staubilanz 2019: Wachsender Stillstand. Nordbaden. 05.02.2020. S. 2. Link: https://presse.adac.de/regionalclubs/nordbaden/staubilanznordbaden2019.html . Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 6 (vgl. BOVY, SALOMON 1998). Für die betroffenen Verkehrsteilnehmer bedeuten Stauerscheinungen aufgrund von Geschwindigkeitsrückgängen und damit verbundenen Reisezeitverlusten einen Rückgang der Qualität des Verkehrsablaufs. In der öffentlichen Debatte werden Staus vor allem als losgelöste Erscheinung gesehen, ohne dessen Komplexität näher zu betrachten. Für eine detaillierte Betrachtung des Begriffs Stau ist es jedoch unumgänglich, zwischen den unterschiedlichen Arten und Entstehungsgründen von Stau zu differenzieren (vgl. SCHALLABÖCK, PETERSEN 1998). Zum Beispiel sind die Gründe für den Rückstau an einer Signalanlage nicht zu vergleichen mit Staus auf der unbeeinflussten Autobahn. Aufgrund der unterschiedlichen Ursachen und Auswirkungen sind unterschiedliche Definitionen für Verkehrsstaus denkbar. Nach GERONDEAU (1998) können mindestens fünf Definitionen mit teilweise unterschiedlichen Bedeutungen angegeben werden: 1. Der Begriff Stau kann einem nicht flüssigen Verkehrsfluss zugeordnet werden. 2. Stau tritt ein, wenn die mittlere Geschwindigkeit in einem Zeitintervall unter einen Grenzwert sinkt. 3. Staus können anhand der wirtschaftlichen Kosten identifiziert werden, die anfallen, wenn der Verkehrsfluss ein „normales Level“ übersteigt, d.h. wenn die Nachfrage die Kapazität überschreitet. 4. Stau kann als eine Situation betrachtet werden, in der die Nachfrage die Kapazität überschreitet . 5. Der Nutzer kann eine individuelle und qualitative Staudefinition festlegen. In Abhängigkeit von der Perspektive des Betrachters kann Stau als ein verkehrstechnisches Problem, ein wirtschaftliches Problem oder einfach nur als eine Reduktion der Service-Qualität betrachtet werden. ( … )“5 3. Ursachen von Verkehrsstaus 3.1. Wissenschaftliche Beiträge Im Rahmen des oben zitierten Gutachtens des Lehrstuhls für Verkehrswesen – Planung und Management der Ruhruniversität Bochum gehen die Autoren u. a. der Frage nach, wodurch Staus auf Autobahnen entstehen und wie sie sich ausbreiten. Auf der Grundlage einer Literaturanalyse merken sie hierzu an: 5 Ruhr Universität Bochum, Lehrstuhl für Verkehrswesen – Planung und Management, Prof. Dr.-Ing. Justin Geistefeldt (2011). Prof. Dr.-Ing. Justin Geistefeldt/Dipl.-Ing. Jan Lohoff. Stausituation auf den Autobahnen in Nordrhein -Westfalen. Studie im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Abschnitt 2.4 (Definition des Begriffs „Stau“). S. 9. Link: https://www.vm.nrw.de/presse/_container_presse/StausituationNRW_Schlussbericht_Endfassung-Presse.pdf . Die bibliografischen Angaben zu den in Kurzform angegebenen Literaturquellen können dem Literaturverzeichnis des Gutachtens entnommen werden; vgl. ebenda, S. 66 – 72. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 7 „Staus entstehen, wenn die Verkehrsnachfrage die (momentane) Kapazität einer Verkehrsanlage überschreitet. Dabei wird die Verkehrsnachfrage als die Stärke des an der betrachteten Verkehrsanlage ankommenden Verkehrs definiert, während die Verkehrsstärke den abfließenden Verkehr beschreibt. Aus der Definition der Kapazität folgt, dass die Verkehrsstärke nie größer als die Kapazität sein kann. Die Entstehung eines Staus auf einer Autobahn ist üblicherweise mit einem plötzlichen Rückgang der Geschwindigkeiten verbunden. Der Übergang vom fließenden in den gestauten Verkehr wird als „Zusammenbruch“ des Verkehrsflusses bezeichnet. Zusammenbrüche treten üblicherweise an Engstellen auf, an denen sich die Kapazität der Autobahn permanent (z.B. Fahrstreifenreduktion) oder temporär (z.B. Fahrstreifensperrung aufgrund eines Unfalls) ändert oder die Verkehrsnachfrage zunimmt (z.B. Zufahrt einer Anschlussstelle). Nach dem Zusammenbruch bildet sich stromaufwärts der Engstelle ein Rückstau, der sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu ca. 20 km/h entgegen der Fahrtrichtung ausbreitet. Die Stauausbreitung weist dabei in Abhängigkeit von der Art der Engstelle und weiteren Randbedingungen bestimmte Regelmäßigkeiten auf, die in verschiedenen Untersuchungen (z.B. KERNER, 2009; TREIBER, KESTING, 2010) beschrieben und kategorisiert wurden. Zur Modellierung der Stauausbreitung wurden zahlreiche Ansätze entwickelt und in Simulationsanwendungen eingesetzt . Dazu zählen insbesondere Kontinuumsmodelle (LIGHTHILL, WITHAM, 1955; RICHARDS, 1956) sowie zellenbasierte Modelle (NAGEL, SCHRECKENBERG, 1992; DAGANZO, 1994).“6 Was einzelne Stauursachen anbelangt, so gelangen sie zu folgendem Ergebnis: „In Auswertungen des Staugeschehens auf Autobahnen werden üblicherweise bis zu vier Hauptursachen unterschieden: • hohes Verkehrsaufkommen, Baustelle, Unfall, Panne / sonstige. Die Stauursache „Panne / sonstige“ wird aufgrund ihres geringen Anteils dabei teilweise auch mit der Ursache „Unfall“ zusammengefasst oder nicht separat ausgewiesen. Die Stauursache „hohes Verkehrsaufkommen“ bezieht sich auf Staus, die aufgrund einer zu geringen Kapazität der baulichen Infrastruktur regelmäßig wiederkehrend an Engstellen auftreten . Permanente Engstellen im Autobahnnetz sind z.B.: Fahrstreifenreduktionen und -subtraktionen, 6 Ruhr Universität Bochum, Lehrstuhl für Verkehrswesen – Planung und Management, Prof. Dr.-Ing. Justin Geistefeldt (2011). A. a. O. S. 8. Abschnitt 2.3 (Stauentstehung und –ausbreitung). Die bibliografischen Angaben zu den in Kurzform angegebenen Literaturquellen können dem Literaturverzeichnis des Gutachtens entnommen werden; vgl. ebenda, S. 66 – 72. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 8 Fahrbahnen stromabwärts von hoch belasteten Einfahrten, Elemente planfreier Knotenpunkte (Ein- und Ausfahrten, Rampen, Verflechtungsstrecken), Steigungsstrecken. Gründe für hohes Verkehrsaufkommen können z.B. starker Berufsverkehr oder Urlaubsverkehr , aber auch Großveranstaltungen sein.“7 Einen Einblick in die Hintergründe der Entstehung von Verkehrsstaus auf Autobahnen vermittelt auch das Lehrbuch „Verkehrsdynamik und –simulation“ der Verkehrswissenschaftler Martin Treiber und Arne Kesting, Institut für Wirtschaft und Verkehr der Fakultät Verkehrswissenschaften "Friedrich List" der Technischen Universität Dresden.8 Im ersten Abschnitt des Kapitels 17 dieses Lehrbuchs („Stauentstehung und Stauausbreitung“) werden die auf einen Verkehrszusammenbruch hinwirkenden Einflussfaktoren empirisch näher in den Blick genommen. Zugrunde gelegt wird hierbei die sogenannte Drei-Zutaten-Hypothese, die einen Verkehrszusammenbruch aus dem Zusammenspiel von räumlichen Engstellen mit einem hohen Verkehrsaufkommen und Störungen im Verkehrsfluss ableitet. Die Ergebnisse der Überprüfung werden anschließend mittels moderner technisch-physikalischer Verfahren abgebildet. Bezug nehmend auf die empirische Überprüfung der „Drei-Zutaten-Hypothese“ stellen die Verfasser des Lehrbuchs im ersten Abschnitt des Kapitels 17 einleitend fest: „Bei der Analyse zeigen sich bemerkenswerte Regelmäßigkeiten in den Staumustern. Eine wesentliche Erkenntnis dabei ist, dass die beobachteten Staus nahezu ausschließlich an durch Streckeninhomogenitäten bewirkten Engstellen entstehen. Für einen Verkehrszusammenbruch sind neben diesem räumlichen Bezug im Allgemeinen noch zwei weitere „Zutaten“ erforderlich , ein hohes Verkehrsaufkommen und Störungen im Verkehrsfluss.“9 Anschließend werden diese drei Einflussfaktoren näher beschrieben. Die entsprechenden Ausführungen werden nachfolgend auszugsweise wiedergegeben: „Engstellen. Die in realen Straßennetzwerken immer vorhandenen Streckeninhomogenitäten wirken als „Kondensationskeime“ für einen Verkehrszusammenbruch. Die Engstellen (bottlenecks) können verschiedenster Art sein. Die häufigsten Beispiele, vor allem auf Autobahnen , sind: (…) 7 Ruhr Universität Bochum, Lehrstuhl für Verkehrswesen – Planung und Management, Prof. Dr.-Ing. Justin Geistefeldt (2011). A. a. O. Abschnitt 2.6 (Ausmaß und Ursachen von Staus). S. 13 f. Die Ausführungen zu den Stauursachen werden im Rahmen des Abschnitts 2.6 durch die Ergebnisse verschiedener verkehrsstatistischer Untersuchungen untermauert; vgl. ebenda, S. 14 f. 8 Vgl. Treiber, Martin/Kesting, Arne (2010). Verkehrsdynamik und -simulation: Daten, Modelle und Anwendungen der Verkehrsflussdynamik. Heidelberg [u.a.]: Springer (Springer Lehrbuch). 2010. Standnummer in der Bibliothek des Deutschen Bundestages: P 5143504. Kapitel 17: Stauentstehung und Stauausbreitung. S. 257 – 266. 9 Treiber, Martin/Kesting, Arne (2010). Verkehrsdynamik und -simulation: Daten, Modelle und Anwendungen der Verkehrsflussdynamik. A. a. O. S. 257. Abschnitt 17.1: Drei Faktoren für den Verkehrszusammenbruch. Verwendung der Kursivschrift wie im Originaltext. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 9 • Zufahrten und Abfahrten, • Spursperrungen, -verengungen, -verschwenkungen (insbesondere im Bereich von Baustellen), • Kurvenstrecken, • Steigungs- und Gefällestrecken, • unfallbedingte Behinderungen, • Staus oder Unfälle auf der Gegenfahrbahn. Das gemeinsame Merkmal dieser Streckeninhomogenitäten ist eine lokal reduzierte Streckenkapazität ( … ). Diese Eigenschaft wird auch bei der Modellierung von Engstellen genutzt (…). Die meisten der genannten Engstellen beruhen auf Eigenschaften der Infrastruktur und sind daher permanent vorhanden. Unfälle stellen temporäre Engstellen dar. Schließlich können besondere Ereignisse auf der Gegenfahrbahn (wie Staus oder Unfälle) vom Verkehrsgeschehen in der eigenen Fahrtrichtung ablenken und dadurch ebenfalls temporäre verhaltensinduzierte Engstellen verursachen. Bricht der Verkehr an einer Engstelle zusammen, spricht man von einer aktivierten Engstelle. In Übereinstimmung mit den Simulationen geht die Aktivierung meist mit einer deutlichen Minderung des Verkehrsflusses, dem sogenannten capacity drop, einher. ( … ) Hohes Verkehrsaufkommen. Eine Engstelle ist ein notwendiger, jedoch nicht hinreichender Faktor für die Entstehung eines Staus. Daneben bedarf es eines hohen Verkehrsaufkommens, wie es z. B. vor allem während der morgendlichen und abendlichen Spitzenzeiten (peak hours) oder während der Sommermonate auf einigen Autobahnen mit viel Urlaubsverkehr beobachtet wird. Die mit einem hohen Verkehrsfluss verbundene höhere Dichte sorgt dafür, dass die Fahrer auf die Vorderfahrzeuge unmittelbar reagieren, die „Wechselwirkungskette“ also wirksam ist ( … ). Bei hohem Verkehrsaufkommen können sich Störungen, die den dritten Einflussfaktor für einen Verkehrszusammenbruch darstellen, überhaupt erst vergrößern. Störungen im Verkehrsfluss. Neben den räumlichen und zeitlichen Abhängigkeiten, die durch eine Engstelle und hohes Verkehrsaufkommen gegeben sind, bedarf es noch lokaler Störungen als auslösendes Element für einen Verkehrszusammenbruch ( … ). Störungen im Verkehrsablauf kommen permanent vor und werden beispielsweise durch Unachtsamkeit, fehlerhafte Fahrstreifenwechsel, mangelnden Sicherheitsabstand, nicht angepasste Geschwindigkeit oder einander überholende LKWs („Jumborennen“) verursacht.“10 ( …) 10 Treiber, Martin/Kesting, Arne (2010). Verkehrsdynamik und -simulation: Daten, Modelle und Anwendungen der Verkehrsflussdynamik. A. a. O. S. 257 – 260. Abschnitt 17.1: Drei Faktoren für den Verkehrszusammenbruch . Die Auslassungszeichen ( … ) zwischen einzelnen Abschnitten markieren Ausführungen und visuelle Darstellungen zu den empirisch ermittelten Staumustern. Auslassungszeichen im Text markieren insbesondere Verweise auf weitere relevante Kapitel bzw. Abschnitte des Lehrbuchs. Verwendung der Kursivschrift wie im Originaltext. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 10 Anschließend werden in Abschnitt 17.2 charakteristische Merkmale der Stauausbreitung beschrieben , wobei eine Untergliederung nach folgenden Kriterien vorgenommen wird: „Räumliche Ausdehnung entweder beschränkt oder ausgedehnt“, „Staukopf fix oder beweglich mit konstanter Geschwindigkeit“, „Stromaufwärtige Staufront ohne charakteristische Geschwindigkeit “, „Einheitliche Ausbreitungsgeschwindigkeit“, „Variable Wellenlänge“, „Anwachsende Störungen“, „Gleichmäßiger Stau nur bei starken oder schwachen Engstellen“. Hieran schließen sich in Abschnitt 17.3 Ausführungen zum Phänomen des „Stau aus dem Nichts“ sowie in Abschnitt 17.4 mathematisch unterlegte Ausführungen zu Grundlagen der Verkehrslageschätzung an. Ergänzend wird auf eine Veröffentlichung beider Autoren zur datengestützten Analyse der Stauentstehung und –ausbreitung auf Autobahnen aufmerksam gemacht.11 In der einleitenden Kurzfassung dieser Veröffentlichung stellen die beiden Verfasser fest: „Die Analyse der Daten zeigt, dass bei nahezu allen Verkehrszusammenbrüchen neben hohem Verkehrsaufkommen eine Störung des Verkehrsflusses und eine Streckeninhomogenität als Auslösungsfaktoren wirkten. Der „Stau aus dem Nichts“ ist eine seltene Ausnahme. Die raumzeitliche Ausbreitung der Staus lässt sich anhand weniger idealtypischer Muster verstehen.“12 In weiteren Verlauf der Veröffentlichung führen sie zur Bedeutung von Engstellen u. a. aus: „Die Analyse der Daten mit dem Rekonstruktionsalgorithmus ergab zunächst das bemerkenswerte Ergebnis, dass Staus und gebundene Verkehrszustände nahezu ausschließlich an durch Streckeninhomogenitäten bewirkten Engstellen entstehen: Jeder der etwa 400 Verkehrszusammenbruche ließ sich einer solchen räumlichen Engstelle zuordnen. ( … ) Wir schließen daraus, dass die in realen Straßennetzwerken immer vorhandenen Engstellen quasi als „Kondensationskeime “ für Verkehrszusammenbrüche wirken. Das Phänomen und der Mechanismus des „Staus aus dem Nichts“ existiert zwar ( … ), ist aber praktisch nicht relevant, da die dazu nötigen Flüsse auf freier Strecke aufgrund der Engstellen nicht erreicht werden können.( … ) Die Verkehrslage-Rekonstruktionen belegen jedoch, dass der subjektive Eindruck eines „Staus aus dem Nichts“ für den Autofahrer sehr wohl häufig gegeben sein kann. Dies liegt daran, dass sich ein einmal entstandener Stau in Form einer oder mehrerer Stauwellen in stromaufwärtiger Richtung ausbreiten kann. Solche Stauwellen ( … ) werden vom Autofahrer in der Regel räumlich und zeitlich von der Ursache entkoppelt durchfahren. Dies kann, insbesondere bei 11 Vgl. Kesting, Arne/Treiber, Martin (2010). Datengestützte Analyse der Stauentstehung und –ausbreitung auf Autobahnen . In: Kirschbaum Verlag GmbH (Hrsg.) (2010): Straßenverkehrstechnik. Jahrgang 2010. Heft 1. Link: https://www.akesting.de/download/Strassenverkehrstechnik09.pdf . 12 Kesting, Arne/Treiber, Martin (2010). Datengestützte Analyse der Stauentstehung und –ausbreitung auf Autobahnen. A. a. O. S. 1. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 11 unfallbedingten Staus, so weit gehen, dass zum Wahrnehmungszeitpunkt die Ursache gar nicht mehr existiert.“13 Des Weiteren unterstreichen die Verfasser, dass die Gründe für Engstellen sehr unterschiedlicher Natur sein können. Am häufigsten seien sie auf Zu- und Abfahrten bei Autobahnkreuzen oder Anschlussstellen, auf Steigungen, auf Unfälle sowie auf eine Verringerung der Fahrtstreifenzahl einer Richtungsfahrbahn zurückzuführen.14 Die Entstehung von Verkehrsstaus wird darüber hinaus in einer Abhandlung von André Bresges und Andreas Schadschneider zum Thema Stau als Forschungsobjekt thematisiert.15 Hierin unterscheiden die beiden Autoren zwischen Staus, die durch Engstellen entstehen, sowie „Staus aus dem Nichts“: „Grundsätzlich kann man zwei Arten von Staus unterscheiden. Zum einen entstehen Staus durch Engstellen, zum Beispiel durch eine Reduzierung der Zahl der Fahrbahnen durch einen Unfall oder Bauarbeiten. Andererseits gibt es auch weniger offensichtliche Ursachen, etwa Kurven, Steigungen oder Ampeln. Typisch für diese Art von Staus ist, dass die Staufront ortsfest an der Position der Engstelle bleibt. Physikalisch ist die Ursache von Staus durch Engstellen leicht zu verstehen. Sie entstehen, wenn der Zufluss größer ist als die Kapazität der Engstelle . Aus Sicht der Physik interessanter ist der Stau aus dem Nichts. Dieses Phänomen kennen alle ( … ). Man steht für eine Zeit in einem Stau, und an seinem Ende angekommen findet man keine eindeutige Ursache. Nach Schätzungen gehören etwa ein Viertel aller Staus auf deutschen Autobahnen zu dieser Klasse. Könnte man sie verhindern, so würden sich Fahrkomfort und Sicherheit deutlich erhöhen. Im Unterschied zum Stau durch Engstellen ist die Stauposition beim Stau aus dem Nichts nicht ortsfest. Sie bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 15 km/h entgegengesetzt zur Fahrtrichtung. Diese Geschwindigkeit ist erstaunlich universell. Sie ist unabhängig vom Land und hängt nur schwach von äußeren Faktoren wie etwa dem Wetter oder Fahrbahnzustand ab. Dies kann man ausnutzen, um die Zeit zu bestimmen, die man im Stau warten muss. Kommt man am Ende eines Staus von 5 km Länge an, so dauert es etwa 20 Minuten, bis man den Anfang des Staus erreicht hat. Die Existenz des Staus aus dem Nichts war lange Zeit durchaus umstritten. Diese Frage wurde vor einigen Jahren auf naturwissenschaftliche Weise beantwortet: durch Experimente. Eine japanische Forschergruppe ließ 20–30 Autofahrer auf einem Rundkurs so lange im Kreis fahren, 13 Kesting, Arne/Treiber, Martin (2010). Datengestützte Analyse der Stauentstehung und –ausbreitung auf Autobahnen . A. a. O. S. 7 (Kapitel 3, Abschnitt 3.2). 14 Vgl. Kesting, Arne/Treiber, Martin (2010). Datengestützte Analyse der Stauentstehung und–ausbreitung auf Autobahnen . A. a. O. S. 7 f. 15 Vgl. Bresges, André/Schadschneider, Andreas (2017). Der Stau als Forschungsobjekt. In: Physikportal pro-physik .de. Physik in unserer Zeit (Phys. Unserer Zeit) . Jahrgang 48. Heft 3/2017. S. 142 - 147. Link: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/piuz.201701464 (PDF-Format). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 12 bis ein Stau entstand ( … ). Die Fahrer hatten die Anweisung, so schnell wie möglich zu fahren ohne einen Unfall zu verursachen. Bei einer geeignet gewählten Zahl der Fahrzeuge kam es nach einiger Zeit, in der der Verkehr relativ gleichmäßig verlief, zur Entstehung eines Staus, der sich dann nicht mehr auflöste. Der Ausgang der Experimente hat nichts mit dem vermeintlich vorsichtigen Fahrverhalten japanischer Autofahrer zu tun. Ähnliche Experimente hat einer der Autoren für das deutsche Fernsehen durchgeführt. Dabei konnte man beobachteten, dass die Autofahrer nach einigen Minuten unaufmerksamer wurden und dadurch stärkere Schwankungen im individuellen Fahrverhalten, etwa durch abruptes Bremsen, auftraten. Diese Schwankungen können durch eine Kettenreaktion dazu führen, dass schließlich ein Fahrzeug zum Stillstand kommt und somit „spontan“ ein Stau entsteht. Tatsächlich entsteht er erst etwa 25 Fahrzeuge hinter dem eigentlichen Verursacher, der von dem Stau, für den er verantwortlich ist, tatsächlich gar nichts mitbekommt. Dies führt dazu, dass viele Autofahrer glauben, nur die anderen Fahrer machen Fehler! Dadurch fehlt auch der Anreiz, sein Verhalten zu ändern. Dies sähe sicher anders aus, wenn wir selbst in dem Stau stehen müssten, der durch unser Verhalten entstanden ist. Dieser Mechanismus zeigt, dass für die Entstehung spontaner Staus insbesondere große Geschwindigkeitsdifferenzen kritisch sind, da sie potenziell zu abrupten Bremsmanövern führen. Daher entstehen spontane Staus oft in der Nähe von Auf- und Abfahrten oder durch „Elefantenrennen “, bei denen sich relativ langsame Fahrzeuge wie LKW überholen. Letztere halten den nachfolgenden Verkehr nicht nur auf, sondern können ihn auch zu starken Abbremsmanövern zwingen. Ein probates Mittel zur Verhinderung von spontanen Staus ist daher eine gleichmäßige, vorausschauende Fahrweise. Die Autos sollten idealerweise „mit dem Strom schwimmen.“16 Darüber hinaus wird auf einen Artikel über Strategien zur Stauvermeidung aufmerksam gemacht , der sich auch mit der Frage befasst, welche Faktoren Einfluss auf die Herausbildung von Verkehrsstaus nehmen.17 Stauursache ist nach Angaben der Verfasser Manfred Boltze, Wolfgang Kittler und Nadine Roth eine Überlastung der zur Verfügung stehenden Verkehrskapazität. Hinsichtlich der Frage, welche Einflussfaktoren auf die Staubildung hinwirken, unterscheiden sie zwischen zwei unterschiedlichen Einflussbereichen - der Nachfrage nach und dem Angebot an Verkehrskapazität. Des Weiteren identifizieren die Verfasser übergeordnete Einflussfaktoren (erste Ebene der Einflussfaktoren) und ordnen diese einem der beiden Einflussbereiche zu. Anschließend werden die Einflussfaktoren der ersten Ebene in untergeordnete Einflussfaktoren untergliedert und die so identifizierten Einflussfaktoren der zweiten Ebene jeweils den entspre- 16 Bresges, André/Schadschneider, Andreas (2017). Der Stau als Forschungsobjekt. A. a. O. S. 142 f. 17 Boltze, Manfred/Kittler, Wolfgang/Roth, Nadine (2008). Strategien zur Stauvermeidung. In: Straßenverkehrstechnik . Heft 5/2008. S. 265 - 273. Link: https://www.verkehr.tu-darmstadt.de/media/verkehr/fgvv/prof_boltze/BoVeroeff104~1.pdf . Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 13 chenden Einflussfaktoren der ersten Ebene zugeordnet. Die Zuordnungsverhältnisse werden grafisch dargestellt. Inhaltlich näher beschrieben werden allerdings lediglich die Einflussfaktoren der ersten Ebene.18 Zu ihrer Vorgehensweise teilen die Verfasser mit: „Ein Stau entsteht, wenn eine zu große Nachfrage nach Kapazität einem zu geringen Angebot an Kapazität gegenübersteht. Auf diese zwei Einflussbereiche Nachfrage und Angebot kann eine Vielzahl von Einflussfaktoren wirken. Eine strukturierte Übersicht hierzu zeigt das Bild 1. Die darin benannten Einflussfaktoren der ersten Ebene werden im folgenden Text erläutert, und es werden jeweils zugehörige Einflussfaktoren einer zweiten, nachgeordneten Ebene benannt . Zusammenfassend sind diese Einflussfaktoren der zweiten Ebene für den Einflussbereich Nachfrage im Bild 2 und für den Einflussbereich Angebot im Bild 3 dargestellt.“19 Die Bilder 1 – 3 werden nachfolgend wiedergegeben:20 Quelle: Boltze, Manfred/Kittler, Wolfgang/Roth, Nadine (2008). A. a. O. S. 266. 18 Vgl. Boltze, Manfred/Kittler, Wolfgang/Roth, Nadine (2008). A. a. O. S. 266 – 269. 19 Boltze, Manfred/Kittler, Wolfgang/Roth, Nadine (2008). A. a. O. S. 266. 20 Vgl. Boltze, Manfred/Kittler, Wolfgang/Roth, Nadine (2008). A. a. O. S. 266 f. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 14 Quelle: Boltze, Manfred/Kittler, Wolfgang/Roth, Nadine (2008). A. a. O. S. 266. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 15 Quelle: Boltze, Manfred/Kittler, Wolfgang/Roth, Nadine (2008). A. a. O. S. 267. Stauursachen sind des Weiteren Gegenstand einer Abhandlung von Klaus Bogenberger und Gerhard Huber zur Vermeidung von Verkehrsstaus, der im Rahmen des Schwerpunktthemas „Mobil in die Zukunft – Wege aus dem Stau“ in Band 452 der „Politischen Studien“ der Hanns- Seidel-Stiftung, München, veröffentlicht worden ist.21 Sie werden – wie die nachfolgend zitierten Ausführungen zeigen - weitgehend auf das Zusammenwirken dreier Einflussfaktoren zurückgeführt , einer Engstelle, eines hohes Verkehrsaufkommens sowie eines auslösendes Moments: „Die Ursachen für Verkehrsstörungen sind vielfältig; so kann es an Baustellen, ebenso im Berufsverkehr oder bei Verkehrsunfällen dazu kommen. Nichtsdestotrotz lassen sich Verkehrsstörungen in fast allen Fällen auf ein Zusammenwirken folgender drei Einflussfaktoren zurückführen : eine Engstelle, ein hohes Verkehrsaufkommen sowie ein auslösendes Moment.( … ) Die Engstelle bzw. der Engpass ist als räumliche Komponente zu sehen, d. h. der Engpass bestimmt den ungefähren Bereich, in welchem ein Verkehrsstau seinen Ursprung nimmt. Das Verkehrsaufkommen, das im Regelfall abhängig von Uhrzeit und Tag stark schwankt, repräsentiert die zeitliche Komponente und legt damit Zeiträume fest, in denen das Auftreten einer 21 Vgl. Bogenberger, Klaus/Huber, Gerhard (2013). Ursachen für Staus: Verkehr besser verstehen und Verkehrsprobleme optimal lösen. In: Hanns-Seidel-Stiftung. Politische Studien. 64. Jahrgang. Band 452. November – Dezember 2013. S. 20 – 29. Link: https://www.hss.de/download/publications/PS_452_Internet.pdf . Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 16 Störung möglich ist. Ist nun innerhalb einer Engstelle ein erhöhtes Verkehrsaufkommen gegeben , so können lokale Störungen im Verkehrsfluss als auslösendes Moment wirken und einen Stau auslösen. Eine lokale Störung des Verkehrsablaufs ist z. B. ein Spurwechsel eines langsameren Fahrzeugs auf die Überholspur, mangelnde Aufmerksamkeit und ein abruptes Bremsmanöver o. Ä. Dabei tritt eine Engstelle nicht ausschließlich aufgrund einer Spurreduktion auf und nicht nur Verkehrsunfälle sind auslösende Momente, sondern auch deutlich unscheinbarere Ereignisse, z.B. eine leichte Steigung, sich ändernde Sicht- und / oder Lichtverhältnisse, wechselnde Fahrbahnoberflächen, eine Einfahrt oder auch Ausfahrten.“22 Zur Definition des Einflussfaktors Engpass führen die Verfasser aus: „Wenn aufgrund von Bauarbeiten die Anzahl der Spuren, beispielsweise auf einer Autobahn, von drei auf zwei verringert wird, so entspricht dies der bildlichen Vorstellung eines Engpasses . Durch drei Fahrstreifen passen mehr Fahrzeuge als durch zwei. Dementsprechend können an der Baustelle mehr Fahrzeuge ankommen als dann an dieser abfließen können. In verkehrlichen Kontexten wird dabei häufig von der Kapazität der Straße gesprochen, also der Anzahl an Fahrzeugen, die innerhalb eines festen Zeitraums diese Straße passieren können. Reduziert sich die Anzahl an Spuren, so reduziert sich auch die Kapazität. Dennoch wird ein Engpass (engl.: „bottleneck“) nicht auf Basis der Kapazität definiert, sondern als ein Punkt auf einer Autobahn, der stromaufwärtigen (entgegen Fahrtrichtung) gestauten Verkehr von stromabwärtigem (in Fahrtrichtung) ungestauten Verkehr separiert( … ) Dieser Definition liegt die Beobachtung zu Grunde, dass sich bei hohem Verkehrsaufkommen an Engstellen ein Stau bilden kann, der liegt dann allerdings zu weiten Teilen vor der Engstelle . In der Engstelle selbst, nach einer kurzen Übergangsphase, fließt der Verkehr wieder weitestgehend ungehindert. ( … ) Die hier gegebene Definition einer Engstelle erlaubt es nicht nur, Baustellen oder Autobahneinfahrten als Engstellen zu erfassen, sondern beispielsweise auch Autobahnausfahrten bzw. Verflechtungsstrecken, also weitere Orte, an denen es typischerweise zu Verkehrsstörungen kommt.“23 Im weiteren Verlauf der Abhandlung werden u. a. Verkehrsverläufe räumlich und zeitlich abgebildet , hierunter auch die Verläufe von Verkehrsstaus.24 Ferner wird auf eine Veröffentlichung zur Eignung von Straßennutzungsgebühren als Instrument zur Vermeidung von Verkehrsstaus aufmerksam gemacht. Ihr Verfasser Manuel Frondel gibt hierin zu bedenken, dass Staus und eine exzessive Nutzung von Personenkraftwagen nicht zuletzt auf eine mangelnde Anrechnung externer Kosten zurückzuführen seien: 22 Bogenberger, Klaus/Huber, Gerhard (2013). A. a. O. S. 21 f. 23 Bogenberger, Klaus/Huber, Gerhard (2013). A. a. O. S. 22. An den durch das Auslassungszeichen markierten Stellen finden sich im Originaltext Quellenkurzhinweise. 24 Vgl. Bogenberger, Klaus/Huber, Gerhard (2013). A. a. O. S. 23 – 28. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 17 „Staus und exzessive Nutzung von Personenwagen haben ihre Ursachen nicht zuletzt darin, dass Autofahrer weder die externen Kosten für die von ihnen verursachten Umweltschäden zu tragen haben, noch die Kosten, die sie anderen Autofahrern durch ihre Straßennutzung aufbürden . Dadurch gerät das Autofahren zu günstig. Im Kern sind Verkehrsstaus somit das Ergebnis einer mangelnden Internalisierung externer Kosten und auf das Fehlen eines Mechanismus zurückzuführen, der hilft, die vorhandenen Straßenkapazitäten effizient zu nutzen ( … ). Dieses Koordinierungsproblem lässt sich nach Auffassung von Ökonomen durch eine dynamische Bepreisung knapper Straßenkapazitäten lösen ( … ). Wenn für die Straßen, die zu manchen Zeiten stark befahren sind, belastungsabhängige Nutzungspreise eingeführt werden, setzt dies Anreize für die Autofahrer, ihr Verhalten kurzfristig wie folgt anzupassen: (1) Sie verschieben die Fahrzeiten auf andere, weniger staukritische Tageszeiten; (2) sie nutzen andere Verkehrsmittel oder Verkehrswege; (3) sie steigen um auf eine gemeinschaftliche Nutzung von Fahrzeugen; oder (4) sie verzichten auch einmal ganz auf Fahrten. Eine solche dynamische Bepreisung würde durchaus nicht alle Fahrer abschrecken und die Straßen wären infolgedessen auch keinesfalls leergefegt. Im Gegenteil: Eine dynamische Bepreisung nutzt aus, dass ein Teil der Straßennutzer zu Stoßzeiten keine Pendler sind und dass infolge der Bepreisung bereits die Verringerung eines kleinen Teils an Nutzern zu einer effizienteren Nutzung der Straßenkapazität, also einem höheren Durchsatz an Fahrzeugen führt ( … ). Wie bei Erreichen der Kapazitätsgrenzen bereits ein kleiner Anstieg der Zahl der Fahrzeuge zu einer drastischen Reduktion der Durchschnittsgeschwindigkeit und zum Stau führt ( … ), führt umgekehrt die Verringerung eines Bruchteils an Nutzern zu Stoßzeiten zu einem deutlichen Anstieg der Durchschnittsgeschwindigkeit und verringert die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Staus massiv. Tatsächlich gibt es empirische Evidenz dafür, dass eine dynamische Bepreisung den Durchsatz von Personenwagen zu Stoßzeiten auf ansonsten verstopften Straßen verdoppelt ( … ).“25 Im weiteren Verlauf dieses Beitrags setzt sich der Verfasser mit dem Instrument der Straßennutzungsgebühr (Maut) und den damit gewonnenen Erfahrungen auseinander.26 3.2. Sonstige Veröffentlichungen In einem im Online-Magazin Vision des Technologiekonzerns ZF vom 04.07.2019 wiedergegebenen Interview antwortet Prof. Michael Schreckenberg, Lehrstuhl „Physik von Transport und Verkehr ” der Gerhard-Mercator Universität Duisburg, auf die Frage, wie ein Stau entsteht: „Auf Autobahnen ist der Grund dafür zu 60 bis 70 Prozent schlicht Überlastung. Es gibt zu viel Verkehr in dieselbe Richtung. Rasch kommt es zu einem zwar zähen Verkehr, der aber 25 Frondel, Manuel (2019). Straßennutzungsgebühren: Eine Lösung zur Vermeidung von Staus? In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik. Band 20 (2019). Heft 3. Abschnitt 2 (Ursachen von Verkehrsstaus und dynamische Preissetzung als Lösungsansatz). S. 219 f. Links: https://doi.org/10.1515/pwp-2019-0039 ; https://www.degruyter.com/view/journals/pwp/20/3/article-p218.xml . S. 219 f. Die Auslassungszeichen ( … ) markieren Literaturkurzhinweise im zitierten Text, deren Quellen im Literaturverzeichnis der Veröffentlichung aufgeführt sind; vgl. ebenda, S. 224 f. 26 Vgl. Frondel, Manuel (2019). A. a. O. S. 220 – 224. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 18 noch mit 10 bis 30 km/h fließt. Erst wenn einzelne Verkehrsteilnehmer stark bremsen oder andere Fahrer durch abrupten Spurwechsel zum Bremsen zwingen, kommt es zum Stillstand. Es entsteht nun eine Stauwelle, die sich entgegen der Verkehrsrichtung mit einer Geschwindigkeit von 15 km/h ausbreitet. In manchen Fällen können solche Stauwellen sogar über die Rampen die Autobahn wechseln.“27 Auf die ergänzende Frage, ob am Anfang eines jeden Staus menschliches Fehlverhalten steht, fährt er fort: „Beim eben geschilderten Überlastungsstau trifft das tatsächlich zu. Zwischen 30 und 40 Prozent der Staus haben eine konkrete Ursache, etwa einen Unfall oder eine Spurverengung bei einer Baustelle. Hier beeinflusst das individuelle Fahrverhalten zwar auch die Entstehung eines Staus, aber nicht so stark. Ein Beispiel dafür ist, wie gut die Autofahrer das Reißverschlussverfahren anwenden. Das Gleiche gilt für die zwei Prozent der Staus, die aufgrund der Wetterverhältnisse entstehen, etwa durch schlechte Sicht bei Nebel oder starkem Regen.“28 In einem in der Online-Ausgabe des Westfälischen Anzeigers vom 03.09.2018 wiedergegebenen Interview antwortet Prof. Michael Schreckenberg auf die Frage nach der Stauentstehung: „60 Prozent aller Staus entstehen nach wie vor durch Überlastung. Das heißt: Es sind zu viele Fahrzeuge auf derselben Strecke in dieselbe Richtung zur selben Zeit unterwegs. Die Stau-Dynamik ist dann immer die gleiche: Autobahnen verfügen über Anschlussstellen. Wenn dort die Dichte der Fahrzeuge steigt und viele zufahren – die A 40 durch das Ruhrgebiet ist ein Paradebeispiel , alle paar Kilometer gibt es hier eine Anschlussstelle –, geht die Geschwindigkeit herunter auf zehn bis 30 Stundenkilometer. Wir nennen das den synchronisierten oder den zähfließenden Verkehr. Wenn sich dann einer falsch verhält und zu stark bremst und die anderen damit zum Bremsen zwingt, haben Sie eine Stauwelle, die nach hinten wegfließt mit 10 bis 15 Kilometern pro Stunde. Die kann sich 30 bis 60 Minuten erhalten und kann sich sogar rückwärts über die Rampen auf andere Autobahnen bewegen. Dann haben Sie den berühmten Stau aus dem Nichts. Es sind immer Einzelpersonen, die solche Stauwellen auslösen. Gleiches kann auch an Steigungen passieren, wo sich der Verkehr verlangsamt. ( … ) Beim Rest sind zu gleichen Teilen Unfälle und Baustellen die Ursache. Wobei in Staus auch viele Unfälle passieren. Und dann haben wir noch gut zwei Prozent Staus durch widrige Wetterbedingungen – Nebel, Starkregen, tiefstehende Sonne.“29 Auf die sich anschließende Frage, ob individuelles Fehlverhalten die Hauptursache sei, teilt er mit: 27 Neemann, Andreas (2019). Vom Fahrfehler zum Stau. In: ZF Vision Magazine. 04.07.2019. S. 1. Link: https://www.zf.com/site/magazine/de/articles_19712.html . 28 Neemann, Andreas (2019). A. a. O. S. 2. 29 Westfälischer Anzeiger. Online-Ausgabe (wa.de) (2018). "Autofahrer denken nur nach vorne". Interview mit Prof. Michael Schreckenberger. 03.09.2018. S. 2. Link: https://www.wa.de/nordrhein-westfalen/physiker-michael -schreckenberg-duisburg-essen-ueber-entstehung-umgehung-staus-10205623.html . Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 19 „Das kann man nicht voneinander trennen. In einer Baustelle ohne Überlastung hat man auch keinen Stau. Nur: In der Baustelle tritt schon bei geringerer Belastung der Stau auf. Die Belastung ist die Voraussetzung dafür, dass Sie überhaupt einen Stau haben. Und Stausituationen sind aufgrund der Baustellensituationen, die wir in Deutschland haben, zurzeit ohnehin vermehrt anzutreffen.“30 In einem in der Süddeutschen Zeitung (Online-Portal) am 13.11.2018 veröffentlichten Artikel wird betont, die häufigsten Stauursachen seien Unfälle, Baustellen und zu hohes Verkehrsaufkommen . Darüber hinaus trügen die Autofahrer selbst durch ein falsches Fahrverhalten dazu bei, dass sie nur zäh vorankämen. Hierunter fielen zu dichtes Auffahren, Kolonnenwechsel, plötzliche Überholvorgänge, mangelnde Aufmerksamkeit, die falsche Handhabung des Reißverschlussverfahrens , das Einfahren in eine nicht geräumte Kreuzung sowie die Inanspruchnahme einer bestimmten Strecke in Zeiten der Verkehrssättigung, etwa zu Beginn oder Ende der Schulferien.31 Zum Problem der Verkehrssättigung führt der Autor aus: „Der einleuchtendste Grund für einen Stau ist das Sättigungsproblem. Es sind zu viele Autos zur gleichen Zeit unterwegs. Die Forschung erklärt das so: Auf einer bestimmten Strecke steht nur ein begrenzter Raum zur Verfügung. Bei einer Geschwindigkeit von 80 bis 100 km/h sind das auf einer Strecke von einem Kilometer 1500 bis 2500 Fahrzeuge pro Spur. Wird diese Zahl überschritten, kommt es zum Stau. Besonders deutlich zeigt sich das zu den Hauptverkehrszeiten und zum Start und dem Ende der Schulferien. Dann ist die Nachfrage größer als das Angebot - es sind mehr Autos unterwegs , als die Straße verkraften kann. ( … ).“32 Auch ein Beitrag des Internetportals t-online.de vom 09.12.2016 hebt die Verkehrsüberlastung als herausragenden Grund für die Entstehung von Verkehrsstaus hervor. Eine entscheidende Bedeutung komme hierbei Geschwindigkeitsunterschieden zwischen den Fahrzeugen zu. „Der häufigste Grund für die Entstehung eines Staus ist laut der "Westdeutschen Zeitung" Überlastung. Diese muss nicht immer die Folge eines Unfalls oder einer Baustelle sein. Allein die Anzahl der Autos auf der Autobahn reicht aus, um einen Stau hervorzurufen. Dabei sind Geschwindigkeitsunterschiede ein entscheidender Faktor. ,Am besten, man bewegt sich wie in einem Fischschwarm‘, rät Michael Schreckenberg, Professor für die Physik von Transport und Verkehr an der Uni Duisburg-Essen.“33 30 Westfälischer Anzeiger. Online-Ausgabe (wa.de) (2018). A. a. O. S. 2. 31 Vgl. Reek, Felix (2018). Sieben Fehler von Autofahrern, die Stau verursachen. In: Süddeutsche Zeitung (Online- Ausgabe SZ.de). 13.11.2018. Link: https://www.sueddeutsche.de/auto/stau-ursachen-1.4208057 . 32 Reek, Felix (2018). A. a. O. Nummer 8 (Fahren, wenn alle fahren). 33 t-online.de (2016). Wie entsteht eigentlich ein Stau? Fünf grobe Fehler der Autofahrer. 09.12.2016. Link: https://www.t-online.de/auto/recht-und-verkehr/id_48139086/wie-entsteht-eigentlich-ein-stau-fuenf-grobe-fehler -der-autofahrer.html . Unterstreichungen wie im Originaltext. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 20 Auch wenn ein gleichförmiges Geschwindigkeitsverhalten sämtlicher Autofahrer in der Realität kaum praktikabel sei, gelte es, wie der Beitrag hervorhebt, folgende Fahrfehler zu vermeiden: zu dichtes Auffahren, häufiger Fahrbahnwechsel („Lückenhüpfen“), mangelnde Aufmerksamkeit („Träumen am Steuer“), fehlerhaftes Fahrverhalten im Rahmen des Reißverschlussverfahrens (zu früher Fahrbahnwechsel, Blockade wechselbereiter Fahrzeuge) sowie „Gaffen.“34 Der nachfolgend zitierte Artikel zur Stauforschung bestätigt zwar, dass der Hauptgrund für die Bildung von Verkehrsstaus in der Sättigungsproblematik liege, gibt aber zu bedenken, dass ein Straßenausbau dieses Problem allenfalls kurzfristig lindern könne, da sich die Nachfrage dem ausgeweiteten Angebot anpasse.35 „Die Entstehung von Staus hat sehr viele unterschiedliche Gründe. Am Einleuchtendsten sind uns meistens Baustellen, Unfälle und die sogenannten Elefantenrennen, bei dem ein Lkw einen anderen, vermeintlich langsameren, Lkw überholt. Aufgrund der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h und des geringen Geschwindigkeitsunterschiedes wird für den Überholvorgang vergleichsweise viel Zeit benötigt. Dies sind aber keinesfalls die häufigsten Gründe, wieso ein Stau entsteht. Das Hauptproblem von Staus ist ein Sättigungsproblem. Auf einem Kilometer Straße ist nur ein gewisser begrenzter Raum vorhanden, der den Autos zur Verfügung steht. Typischerweise liegt die Kapazität einer Straße bei 1500 bis 2500 Fahrzeugen pro Stunde und Spur, wenn sich die Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit von 80 - 100 km/h bewegen. Schnelleres und langsameres Fahren verringert die Kapazität. Das Sättigungsproblem beginnt, wenn die Nachfrage nach diesem Raum größer ist als das Raumangebot. Etwa 50 Prozent der Staus entstehen durch Überlastung des Straßennetzes. Nachfragespitzen über den Tag (morgendliche und abendliche Hauptverkehrszeit) und über das Jahr (Urlaubszeit) treffen auf ein starres Angebot. Die Straßenkapazität kann kurzfristig nicht erhöht werden, es kommt zur Überlastung des Netzabschnittes. Ein Ausbau der Straße lindert die Problematik ebenfalls nur kurzfristig, da sich die Nachfrage dem ausgeweiteten Angebot anpasst. Durch den Ausbau der Straße sinkt kurzfristig das Stauaufkommen, der Zeitaufwand für einen bestimmten Netzabschnitt und somit die verbundenen Zeitkosten sinken ebenfalls . Da jeder Verkehrsteilnehmer im Unterbewusstsein mehrere Optionen hinsichtlich Verkehrsmittel - und Routenwahl abwägt, kommt er nach dem Ausbau zu dem Ergebnis, dass die vormals staubelastete Strecke durch den Ausbau attraktiver geworden ist. Er wird diese Route ebenfalls wie alle anderen Verkehrsteilnehmer Alternativrouten vorziehen, bis der vormalige Zustand mit entsprechendem Stauaufkommen wieder erreicht ist. Erst durch den Stau und die 34 Vgl. t-online.de (2016). A. a. O. Eine ähnliche Argumentation findet sich in einem Beitrag der Deutsche Handwerks Zeitung (Online-Ausgabe) vom 24.11.2015; vgl. Link: https://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/diesieben -haeufigsten-gruende-fuer-stau/150/3097/318658 . 35 Vgl. Randelhoff, Martin (2011). Die drei Haupttheoreme der Stauforschung: Der Schmetterlingseffekt, unsichtbare Wellen (= Phantomstau) und die Tragik des Zufalls. Link: https://www.zukunft-mobilitaet.net/3344/analyse/wie-entstehen-staus-phantomstau/ . Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 050/20 Seite 21 entsprechenden Stauzeitverluste werden die Bewertung der Strecke wieder geändert und andere Verkehrsmittel oder Routen in Betracht gezogen.“36 Abschließend wird auf das Internetportal „traffic-flow-dynamics.org/traffic-states“ des Instituts für Wirtschaft und Verkehr der Fakultät Verkehrswissenschaften "Friedrich List" der Technischen Universität Dresden zur Stauforschung aufmerksam gemacht.37 Das Portal erschließt u. a. empirische Befunde zu Stauursachen, Staumustern und Verkehrszuständen.38 *** 36 Randelhoff, Martin (2011). A. a. O. S. 1 f. 37 Link Startseite: https://www.akesting.de/trafficstates/?site=start&lang=de . 38 Siehe Link https://www.akesting.de/trafficstates/?site=phaenomene&lang=de sowie Link https://www.akesting.de/trafficstates/?site=theorie&lang=de .