© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 – 3000 – 050/17 Zukunft des nationalen Anbauverbots für gentechnisch veränderte Pflanzen in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 050/17 Seite 2 Zukunft des nationalen Anbauverbots für gentechnisch veränderte Pflanzen in Deutschland Aktenzeichen: WD 5 – 3000 – 050/17 Abschluss der Arbeit: 20. Juni 2017 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 050/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes 4 3. Zum wesentlichen Inhalt des Gesetzentwurfs 4 4. ANHANG 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 050/17 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt wurde nach den Folgen, die sich aus dem Scheitern der aktuellen Novelle des Gentechnikgesetzes , der sog. Opt-out Regelung, für den Anbau von in der EU zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen für Deutschland ergeben. Von Interesse ist insbesondere, ob Deutschland weiterhin die Möglichkeit hat, den Anbau von gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zu verbieten. 2. Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes Der Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes1 wurde unter Federführung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) von der Regierungskoalition in den Bundestag eingebracht. Die Novelle enthält einen sehr umfangreichen Regelungsrahmen , um die durch die Richtlinie (EU) 2015/4122 eröffnete Möglichkeit zu nutzen, den Anbau für in der EU zugelassene GVO in Deutschland zu beschränken oder zu untersagen. Presseberichten zufolge wird die Novelle in dieser Legislaturperiode nicht mehr vom Bundestag verabschiedet.3 In der Presse heißt es u.a.: „Gesetzentwurf zum Gentechnik-Anbauverbot gescheitert - Union verweigerte laut SPD Nachbesserungen“4 oder „SPD erklärt Gesetz zum Anbauverbot für gescheitert“5. Da am 24. September dieses Jahres der Bundestag neu gewählt wird, unterliegt der bis zum Ende der 18. Legislaturperiode nicht verabschiedete Gesetzentwurf der Diskontinuität. 3. Zum wesentlichen Inhalt des Gesetzentwurfs Die zentrale Vorschrift der Richtlinie (EU) 2015/412 ist Artikel 26b, der es den EU-Mitgliedstaaten bereits während des Zulassungsverfahrens ermöglicht (sog. Phase 1) und unter weiteren Voraussetzungen auch nach Abschluss des Zulassungsverfahrens (sog. Phase 2), den Anbau von GVO für das gesamte Hoheitsgebiet zu untersagen oder zu beschränken. Das BMEL skizziert auf 1 Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes. BT-Drs. 18/10459. http://dip21.bundestag .btg/dip21/btd/18/104/1810459.pdf; Unterrichtung der Bundesregierung. Stellungnahme des BR und Gegenäußerung der Bundesregierung. BT-Drs. 18/10982. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/109/1810982.pdf 2 Richtlinie (EU) 2015/412 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG zu der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen. ABl. L 68 vom 13.03.2015, S. 1-8. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015L0412&from=EN http://ec.europa.eu/food/plant/gmo/authorisation/cultivation/geographical_scope_en 3 http://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/cducsu-verweigert-praktikable-regelung-gentechnik-anbauverbote 4 Welt-Online vom 18. Mai 2017. https://www.welt.de/newsticker/news2/article164717932/Gesetzentwurf-zum- Gentechnik-Anbauverbot-gescheitert.html 5 Handelsblatt-Online vom 18. Mai 2017. http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/genmais-in-deutschland -spd-erklaert-gesetz-zum-anbauverbot-fuer-gescheitert/19823312.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 050/17 Seite 5 seiner Internetseite die Phasen 1 und 2 des oben genannten und am 28. November 2016 in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurfs wie folgt: „Für die Phase 1 sieht der Gesetzentwurf Folgendes vor: Wird ein neuer Antrag auf EU-Anbauzulassung gestellt, so bittet das Bundeslandwirtschaftsministerium die Bundesländer um begründete Stellungnahmen, ob der Antragsteller aufgefordert werden soll, den Anwendungsbereich der Zulassung geografisch einzuschränken. Plädiert die Mehrheit der Länder für die Aufforderung, so lässt das Bundeslandwirtschaftsministerium dem Antrag stellenden Unternehmen im Einvernehmen mit den anderen betroffenen Ressorts der Bundesregierung (Bundesministerien für Bildung und Forschung, für Wirtschaft und Energie, für Arbeit und Soziales, für Gesundheit und für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) ein entsprechendes Schreiben zukommen. Die Aufforderung kann nur einheitlich für ganz Deutschland erlassen werden; allerdings hat der Antragsteller die Möglichkeit , ihr nur für ein Teilgebiet Deutschlands nachzukommen. Folgt der Antragsteller der Aufforderung nicht oder widerspricht er ihr, steht nach dem Gesetzentwurf noch die Phase 2 offen: In diesem Fall soll die Bundesregierung den Anbau der betreffenden gentechnisch veränderten Pflanze für ganz Deutschland durch Rechtsverordnung beschränken oder verbieten, sofern hierfür zwingende Gründe vorliegen. Die möglichen Gründe, die abschließend im Gesetzentwurf aufgeführt sind, haben entsprechend der Richtlinie inhaltlich einen regionalen oder lokalen Bezug. Deshalb wirken die Bundesländer entscheidend mit, indem sie der Bundesregierung regionaltypische und sonstige Verbotsgründe mitteilen, die ein Anbauverbot oder eine Anbaubeschränkung rechtfertigen. Der Bundesrat muss dann der Rechtsverordnung der Bundesregierung zustimmen. Eine solche Rechtsverordnung kann auch erlassen werden, wenn die Phase 1 nicht durchlaufen wurde. Ist es weder durch eine Phase 1 noch durch eine Rechtsverordnung des Bundes zu einem flächendeckenden Anbauverbot gekommen, so können die Länder den Anbau unter Anführung zwingender Gründe per Landesverordnung beschränken oder verbieten.“6 Nachfolgend finden sich einige ausgewählte Hinweise zur Frage einer regulatorischen Notwendigkeit und deren Relevanz für ein nationales Anbauverbot. Sie wurden dem Wortprotokoll zur Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zum Entwurf der Vierten Gentechnikgesetznovelle am 16. Januar 2017 entnommen. (Im ANHANG finden sich Links zu den eingereichten schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen zum Gesetzentwurf .) Der Einzelsachverständige Wolfgang Koehler äußerte sich ausweislich des Wortprotokolls in der Öffentlichen Anhörung wie folgt: 6 https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Pflanzenbau/Gentechnik/_Texte/NatRegelungAnbauverbote.html;jsessionid =16D1874F2941682CDC5460019465080F.2_cid385#doc5232776bodyText1 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 050/17 Seite 6 „So ein Verfahren in Phase 1, was aus meiner Sicht doch sehr - ich würde mal sagen – „niederschwellig “ ist, wo man also den Inverkehrbringer nur fragt, „du weißt in unserem Land, finden wir keinen großen Geschmack an Gentechnik, willst du nicht unser Land ausnehmen ?“ und der kann ja sagen „ja“ oder „nein“. Das ist für mich eigentlich eher im Bereich eines Verwaltungsaktes, den man ohne großartige Rechtsgrundlage auch vollziehen kann. Nach meiner Einschätzung brauchen wir für diese Phase 1 auch gar kein Gesetz.“7 Der Einzelsachverständige Dr. Georg Buchholz erklärte laut Wortprotokoll der Anhörung: „Zur Phase 1: Die Aufforderung des Antragstellers, den Geltungsbereich der Genehmigung freiwillig einzuschränken, ist ohne dieses Gesetz wesentlich leichter möglich als mit diesem Gesetz. Tritt das Gesetz so in Kraft, wird Phase 1 nie mehr so leicht zu nutzen sein wie noch im Jahr 2015.[8] Unnötige Hindernisse folgen aus dem geforderten Einvernehmen von sechs Bundesministerien – ist schon angesprochen worden –, der Anforderung an die Länder, schon in Phase 1 zwingende Gründe anzuführen und dem Erfordernis einer Ländermehrheit. Das begründet aus meiner Sicht eine verfassungswidrige Mischverwaltung. Warum kann der Bund nicht eigenverantwortlich entscheiden?“9 Die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/412 ist – abgesehen von Koexistenzregeln im Grenzgebiet (Art. 26a Richtlinie (EU) 2015/412) - freiwillig.10 Nähere Ausführungen hierzu sind der Ausarbeitung „Vorgaben und Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/412“ des Fachbereichs PE 611 zu entnehmen. Wie die Bundesregierung nach dem Scheitern des Gesetzentwurfs zur Änderung des Gentechnikgesetzes bis zum Ende der Wahlperiode weiter verfahren wird, und ob sie die EU-Kommission bitten wird, Deutschland wie bisher geschehen als Anbaugebiet auszunehmen, ist eine politische 7 Wortprotokoll der 73. Sitzung http://www.bundestag .de/blob/497588/484efe352fa1a3c2d4bbb0ef1480cb01/wortprotokoll_oea_73_sitzung_am_16_1_17-data.pdf 8 Von der für den Übergangszeitraum vom 2. April bis zum 3. Oktober 2015 vorgesehenen Maßnahme, dass Mitgliedstaaten die Europäische Kommission dazu auffordern können, den geografischen Geltungsbereich einer bereits erteilten Zulassung zum Anbau von GVO so anzupassen, dass das Hoheitsgebiet Deutschlands ganz oder teilweise vom Anbau ausgeschlossen wird, hat das BMEL Gebrauch gemacht: „Im Rahmen einer Übergangsregelung, die die Richtlinie vorsah, hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bereits am 30. September 2015 die Phase 1 genutzt.“ (Quelle: https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Pflanzenbau/Gentechnik/_Texte/NatRegelungAnbauverbote .html;jsessionid=16D1874F2941682CDC5460019465080F.2_cid385#doc5232776bodyText) Siehe hierzu auch „Restrictions of geographical scope of GMO applications/authorisations: Member States demands and outcomes” unter folgendem Link http://ec.europa.eu/food/plant/gmo/authorisation/cultivation/geographical _scope_en#de 9 Wortprotokoll der 73. Sitzung http://www.bundestag .de/blob/497588/484efe352fa1a3c2d4bbb0ef1480cb01/wortprotokoll_oea_73_sitzung_am_16_1_17-data.pdf 10 BT-Drs. 18/10459. S. 15. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/104/1810459.pdf 11 PE 6 – 3000 – 31/17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 050/17 Seite 7 Entscheidung. Dem Fachbereich konnte zur Frage des weiteren politischen Vorgehens von Seiten des federführend zuständigen BMEL keine Auskunft erteilt werden. *** Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 050/17 Seite 8 4. ANHANG In der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am 16. Januar 2017 äußerten sich die geladenen Sachverständigen zum Entwurf der Vierten Gentechnikgesetznovelle . Das Wortprotokoll zur Sitzung, der 73. Sitzung, findet sich unter nachfolgendem Link: http://www.bundestag.de/blob/497588/484efe352fa1a3c2d4bbb0ef1480cb01/wortprotokoll _oea_73_sitzung_am_16_1_17-data.pdf Die eingereichten Stellungnahmen der Sachverständigen finden sich nachfolgend: Stellungnahme des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. http://www.bundestag .de/blob/487138/f1a3f60f05681e739fa25189f2688630/stellungnahme-hessisches-ministerium -data.pdf Stellungnahme des Einzelsachverständigen Prof. Dr. Hans-Jörg Jacobsen von der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Institut für Pflanzengenetik. http://www.bundestag .de/blob/487782/7f932644a7499feb2c63ddbcd5cfc16d/stellungnahme_esv_jacobsendata .pdf Stellungnahme des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND). http://www.bundestag.de/blob/487784/7c5320904d66745012b3877553c21c03/stellungnahme _bund-data.pdf Stellungnahme des Einzelsachverständigen Prof. Dr. Joachim Schiemann vom Julius Kühn- Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. http://www.bundestag .de/blob/487822/45cc94993a617a09fc8d62c4aaf1fbe0/stellungnahme_esv_schiemanndata .pdf Stellungnahme des Einzelsachverständigen Rechtsanwalt Dr. Georg Buchholz http://www.bundestag.de/blob/488604/113c99f39ff03939940c754bff764bcd/stellungnahme _esv_buchholz-data.pdf