© 2016 Deutscher Bundestag …WD 5 – 3000 – 049/16 US-Unternehmen in Kanada im Kontext des Freihandelsabkommens CETA Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 049/16 Seite 2 US-Unternehmen in Kanada im Kontext des Freihandelsabkommens CETA Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 049/16 Abschluss der Arbeit: 06.06.2016 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tourismus Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 049/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. US-Unternehmen in Kanada 6 3. Ergänzende Quellen 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 049/16 Seite 4 1. Einleitung Investorenschutz wird seit Jahrzehnten in völkerrechtlichen Verträgen und Abkommen zwischen Staaten geregelt. Weltweit gibt es rund 3200 solcher Abkommen, die in der Regel vor allem Unternehmen Investitionsschutz-Klagen (sog. ISDS-Verfahren1) vor einem internationalen Schiedsgericht einräumen. Die Kritiker privater Schiedsverfahren wie zum Beispiel Pia Eberhardt2 vom Corporate Europe Observatory (CEO) bemängeln unter anderem, dass die Sonderklagerechte für die Wirtschaft allein den Interessen großer Konzerne dienten. Befürworter von Freihandelsabkommen nebst Investorenschutzklauseln (wie in TTIP3 und CETA4) argumentieren hingegen, dass dieses Instrument der gesamten Wirtschaft nutze, also auch kleineren Firmen. Dafür steht auch der BDI ein, der Spitzenverband der deutschen Industrie5. Gus Van Harten, Autor der Studie „Who Has Benefited Financially from Investment Treaty Arbitration ? An Evaluation of the Size and Wealth of Claimants”6 und Professor an der Osgoode Hall Law School in Ontario, eine der ältesten Jura-Fakultäten in Kanada, kommt zu dem Ergebnis , dass große internationale Konzerne die eigentlichen Gewinner sind. 1 ISDS bedeutet "Investor-State Dispute Settlement" – die Investor-Staat-Streitbeilegung wird auch als Investitionsschiedsverfahren bezeichnet. Es erlaubt Investoren, gegen eine ausländische Regierung, in deren Land sie investieren, ein Verfahren zu führen, und soll Teil des TTIP (mit Europa) bzw. CETA (mit Kanada) sein. http://www.krone.at/Oesterreich/Gus_van_Harten_-_Schuetzenhilfe_aus_Kanada-TTIP-Stopp-Story-451128 (Stand: 03.06.2016) 2 http://corporateeurope.org/sites/default/files/ceta-isds_de-executivesummary.pdf bzw. http://corporateeurope .org/sites/default/files/verkaufte-demokratie.pdf (Stand: 03.06.2016) 3 Transatlantic Trade and Investment Partnership (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) ist eine geplantes Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. U.S.-Präsident Obama und der damalige EU-Kommissionspräsident Barroso verkündeten am 17. Juni 2013 auf dem G8-Gipfel den Beginn der TTIP-Verhandlungen. http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Freihandelsabkommen/TTIP/verhandlungsprozess ,did=677870.html (Stand: 03.06.2016) 4 Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ist ein Handelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada. Die technischen Verhandlungen über CETA sind im August 2014 beendet worden. Die durch die EU-Kommission und Kanada durchgeführte mehrmonatige Rechtsförmlichkeitsprüfung wurde Ende Februar 2016 abgeschlossen. Nach Auffassung der Bundesregierung sind die Vorschriften über Investitionsschutz und Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren von der vorläufigen Anwendung auszunehmen. Die vorläufige Anwendung könnte im Falle von CETA in der ersten Jahreshälfte 2017 wirksam werden. http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Freihandelsabkommen/ceta.html (Stand: 03.06.2016) 5 http://bdi.eu/artikel/news/mythen-fakten-argumente/ (Stand: 03.06.2016) 6 Gus Van Harten, 2016, Who Has Benefited Financially from Investment Treaty Arbitration? An Evaluation of the Size and Wealth of Claimants http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2713876 (Stand: 03.06.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 049/16 Seite 5 In einem am 08.04.2015 erschienenen Artikel geht die Süddeutsche Zeitung auf die wesentlichen Erkenntnisse der Studie ein und führt wie folgt aus7: >64 Prozent aller bekannten Entschädigungszahlungen gingen demnach an Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als zehn Milliarden Dollar, 29 Prozent an kleinere Konzerne mit einem Umsatz zwischen einer und zehn Milliarden Dollar Umsatz. Während nur sieben Prozent der erstrittenen Mittel an Firmen flossen, die weniger als eine Milliarde Dollar Umsatz vorwiesen . Dass mittelgroße und kleine Unternehmen die Schutzklauseln nutzen können, hält der Jurist Van Harten für unrealistisch, allein weil die Kosten solcher Verfahren viel zu hoch sind. "ISDS-Verfahren sind somit so gestaltet, dass sie für kleinere Unternehmen nicht zugänglich sind. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegen die Rechtskosten eines Verfahrens im Schnitt bei mehr als acht Millionen Dollar, in Einzelfällen sogar deutlich im zweistelligen Millionenbereich. Die meisten Unternehmen, auch in Deutschland , werden sich das nicht leisten können. Das befürchtet auch der Bundesverband für mittelständische Wirtschaft8, der TTIP grundsätzlich befürwortet, aber gegen Investorenschutzklauseln ist.< (…) >Die EU hat angekündigt, dass sie die Kritik an den Investorenklausen im Abkommen mit den USA teilweise berücksichtigen will. Diskutiert wird etwa über einen öffentlichen Schiedsgerichthof . Dass beide Verhandlungspartner ganz auf ISDS-Klausel in TTIP verzichten werden, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Van Harten hat dafür kein Verständnis: "ISDS-Regeln haben in Verträgen zwischen entwickelten Industrienationen nichts verloren." Das gelte auch für den bereits ausgehandelten CETA-Vertrag zwischen der EU und Kanada. Van Harten und sein Team haben für die Studie die weltweit bekannten ISDS-Verfahren bis zum Frühjahr 2014 analysiert. Die Autoren verweisen aber darauf, dass diese Zahlen nur ein unvollständiges Bild vermitteln: Viele Verfahren werden geheim gehalten, über ihren Ausgang ist nichts bekannt. Eine Veröffentlichungspflicht gibt es nicht.< Weitere Veröffentlichungen von van Harten zum Thema sind den folgenden Links zu entnehmen: Gus Van Harten, 2015, Zentrale Schwachstellen in den Vorschlägen der EU-Kommission zum Investitionsschutz in TTIP (Key Flaws in the European Commission's Proposals for Foreign Investor Protection in TTIP), York University - Osgoode Hall Law School, November 18, 2015 http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2735076 (Stand: 03.06.2016) Gus Van Harten, 2015, A Parade of Reforms: The European Commission's Latest Proposal for ISDS http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2603077 (Stand: 03.06.2016) 7 Süddeutsche Zeitung, 2015, Private Schiedsverfahren nutzen nur den großen Konzernen http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ttip-private-schiedsverfahren-nutzen-nur-den-grossen-konzernen- 1.2426013 (Stand: 03.06.2016) 8 VDI Nachrichten, 2015, Freihandel. „Die USA stellen die gesamte EU unter Generalverdacht“ http://www.vdi-nachrichten.com/Technik-Gesellschaft/Die-USA-stellen-gesamte-EU-unter-Generalverdacht (Stand: 03.06.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 049/16 Seite 6 Gus Van Harten, 2015, A report on the flawed proposals for investor-state dispute settlement (ISDS) in TTIP and CETA http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2595189 (Stand: 03.06.2016) Eine Ausarbeitung des Fachbereichs PE 6 der Wissenschaftlichen Dienste vom 26.02.2014, die " Fragen zum Investor-Staat-Streitverfahren im Bereich des Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) und der Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)" zum Inhalt hat, ist ergänzend beigefügt (Anlage 1). 2. US-Unternehmen in Kanada Die Angaben über in Kanada tätige US-Unternehmen, die via CETA eine Investitionsschutzklage einleiten könnten, variieren in einer hohen Schwankungsbreite. Die offiziellen US-Regierungsstatistiken gehen dabei von rund 2.000 Unternehmen aus. Offizielle Statistiken: - Das Statistischen Bundesamt (DESTATIS) verweist nach Anfrage auf das Bureau of Economic Analysis (BEA) des U.S. Department of Commerce, welches Angaben zu den Auslandsaktivitäten US-amerikanischer Unternehmen veröffentlicht Es handelt sich im Einzelnen um Angaben: zu den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und Kanada (Warenhandel , Aktivitäten Multinationaler Unternehmen – Anlage 2), zur Anzahl der US-Unternehmen (Unternehmen mit mehr als +/- 25 Mill. US-$ Unternehmensaktiva, Umsätzen oder Gewinnen – Anlage 3) bzw. der US-Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung (Anlage 4), die in Kanada aktiv sind. Die vom BEA für 2013 ausgewiesenen Angaben der Anlagen 3 und 4 beziffern die Anzahl auf weniger als 2.000 Unternehmen. Diese Größenordnung könnte die Studienerkenntnis van Hartens bestätigen, wonach nur große Unternehmen von CETA profitieren. Angaben zur Gesamtzahl aller in Kanada operierenden US-Unternehmen sind leider weder in den Datenangeboten der BEA noch anderer relevanter US-Statistikbehörden (U.S. Census Bureau, U.S. Bureau of Labor Statistics) verfügbar. - Die kanadische Bundesbehörde Statistics Canada führt zu „Activities of foreign majorityowned affiliates in Canada 2013” wie folgt aus9 (Anlage 5): “The financial performance, employment and international trade activities of foreign majority -owned affiliates in Canada are under the ultimate control of multiple countries, mainly the United States. Based on the ultimate investing country, defined as the country where the final control resides , the United States accounted for over half of all foreign-controlled assets and revenues in Canada in 2012, and nearly two-thirds of foreign-controlled employment in 2013. It also accounted for 51% of total foreign-controlled trade in goods and commercial services in 9 http://www.statcan.gc.ca/daily-quotidien/151202/dq151202a-eng.htm (Stand: 03.06.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 049/16 Seite 7 2013. The United Kingdom ranked second but with a much smaller share of foreign-controlled assets (12%), employment (7%) and total international trade (10%). The geography can also be expressed based on the immediate investing country as opposed to the ultimate investing country. The country of the immediate investor refers to the first foreign country where inter-company claims are registered. For foreign ownership of assets on an immediate country basis, the United States, the United Kingdom and Luxembourg were among the largest countries in 2012. However, for Luxembourg, two-thirds of its assets were ultimately controlled by other countries. A similar pattern was observed for Australia, Bermuda and the Cayman Islands, as their share of assets in Canada is significantly larger when measured on the immediate ownership basis than on an ultimate basis. On the other hand, countries such as the United States, the United Kingdom, Japan, Switzerland and China showed higher values of assets on an ultimate basis than on an immediate basis. On an immediate basis, the United States' share of total assets was 48% compared with 53% on an ultimate basis. This illustrates the extent to which investments originating from these countries are channelled through other countries before entering the Canadian economy .” Der Canadian Trade Commissioner Servive10 des Office of the Chief Economist/Global Affairs Canada verweist ergänzend auf auslandskontrollierte Unternehmen hinsichtlich des Verhältnisses : Beschäftigung/ausl. Direktinvestition (Anlage 6). Angaben zur Gesamtzahl aller in Kanada operierenden US-Unternehmen sind leider nicht verfügbar. Weiterhin vorliegende Presseveröffentlichungen gehen von einer Anzahl von 38.000 – 42.000 US-Unternehmen in Kanada aus, wobei auf die statistische Grundlage kein Bezug genommen wird. Presseveröffentlichungen: - Der Spiegel (2015,. Der Scheinsieg. Warum es nicht reicht, die Schiedsgerichte aus TTIP zu streichen) bemerkt in einem Kommentar11: „Es fühlt sich toll an, wie ein Triumph der Vernunft, ein Sieg der Demokratie: Die Europäische Kommission beugt sich dem massiven Widerstand der Bürger und will den Investitionsschutz im geplanten Freihandelsabkommen mit den USA neu verhandeln. Nun soll es keine privaten Schiedsgerichte mehr geben, die unkontrolliert im Hinterstübchen agieren. Keine Privatjustiz für Unternehmen, die Entscheidungen der Politik oder höchster Gerichte als investitionsschädlich verurteilen kann. Stattdessen will die EU einen bilateralen Handelsgerichtshof mit echten Richtern schaffen, vor dem Investoren ihre Streitigkeiten nach rechtsstaatlichen Prinzipien ausfechten müssen. Alles gut also? Ist damit das größte Hindernis für den erfolgreichen Abschluss von TTIP beiseite geräumt? Wohl kaum. Tatsächlich könnten 10 http://tradecommissioner.gc.ca/canadexport/0000017.aspx?lang=eng (Stand: 03.06.2016) 11 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-138749237.html (Stand: 03.06.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 049/16 Seite 8 die USA dem EU-Vorschlag bedenkenlos zustimmen, denn für ihre Unternehmen gäbe es eine Hintertür so groß wie ein Scheunentor. Die EU hat ein Handelsabkommen mit Kanada (CETA) fertig ausgehandelt, in dem genau jener Investorenschutz, den die EU für TTIP nun ablehnt, enthalten ist. Vier von fünf US-Unternehmen, die in der EU tätig sind, haben Ableger in Kanada. Wird CETA in der jetzigen Form verabschiedet, könnten mehr als 40 000 US- Firmen über ihre Töchter versuchen, doch die private Schiedsgerichtsbarkeit zu nutzen, statt vor den geplanten Handelsgerichtshof ziehen zu müssen. Die Kehrtwende der EU in Sachen Investorenschutz ist also nur wirksam, wenn sie auch im Kanada-Abkommen verankert wird. Will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wirklich eine private Paralleljustiz für Unternehmen verhindern, muss er dafür sorgen, dass CETA noch mal aufgeschnürt und nachverhandelt wird. Ansonsten ist die angebliche Neuorientierung der EU in Sachen Investorenschutz nicht mehr als eine PR-Aktion zum Einlullen der Kritiker.“ - Die Frankfurter Rundschau online (2016, US-Aktivisten Gefahren gehen über TTIP hinaus - exemplarisches Beispiel anhand von NAFTA -) konstatiert12: „Auf Basis des NAFTA-Abkommens13 wurden bisher 80 Investitionsschutzklagen in die Wege geleitet, 37 davon allein gegen Kanada. In sieben Fällen erstritten US-Firmen dabei umgerechnet 135 Millionen Euro Schadensersatz durch den kanadischen Staat. In weiteren Verfahren geht es um Forderungen über insgesamt vier Milliarden Euro gegen Kanada. Anhängig ist etwa die Investitionsschutzklage des kanadischen Energiekonzerns Lone Pine, der über eine US-Tochter von der kanadischen Provinz Quebec mehr als 107 Millionen Euro Schadenersatz fordert. Begründung: Quebec habe die Genehmigung von „Fracking“ zur Erdölgewinnung ausgesetzt, um Umweltbelastungen der umstrittenen Fördermethode eingehend untersuchen zu können. Das Beispiel Lone Pine ist nach Ansicht vom Vorsitzenden der kanadischen Bürgerrechtsbewegung Council of Canadians, Maude Barlow nicht allein der hohen Klagesumme und des Umweltaspekts wegen erwähnenswert: „Es zeigt, dass Investitionsschutzklagen auch von Tochterfirmen angestrengt werden können. US-Konzerne haben in Kanada 42 000 Tochterunternehmen , sie können also über diesen Umweg auch europäische Regierungen verklagen, wenn erst einmal das CETA-Abkommen mit Kanada in Kraft getreten ist.“ Das aber bedeutet: Auch ohne TTIP kann die US-Wirtschaft Interessen in Europa durchsetzen. Dass dies in der Regel auch geschieht, liegt nach Ansicht der demokratischen Abgeordneten Sharon Treat aus Maine zum einen an der nichtstaatlichen Sondergerichtsbarkeit bei Investitionsschutzklagen (ISDS): Über sie entscheide unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein kleiner Kreis hochbezahlter Wirtschaftsanwälte. Und die würden Unternehmen schon im eigenen Interesse zu Klagen regelrecht ermutigen. Nach Angaben der UN-Handels- und Entwicklungsorganisation Unctad erstritten die klagenden Unternehmen in 60 Prozent aller bisher 600 entschiedenen ISDS-Verfahren eine Entschädigung. Zum zweiten sei dies schlicht eine Machtfrage, glauben Treat und Barlow. So habe im Rahmen des NAFTA-Abkommens noch kein einziges kanadisches Unternehmen erfolgreich gegen die USA geklagt, umgekehrt aber 12 http://www.fr-online.de/wirtschaft/us-aktivisten-gefahren-gehen-ueber-ttip-hinaus,1472780,34101346.html (Stand: 03.06.2016) 13 NAFTA ist das Nordamerikanische Freihandelsabkommen zwischen Kanada, Mexiko und den USA, das am 01.01.1994 in Kraft getreten ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 049/16 Seite 9 sehr wohl. Mächtige Nationen seien in Handelskonflikten offenbar immuner gegen Ersatzansprüche als andere.“ - Die gemeinnützige Nichtregierungsorganisation Campact e.V. (2016, TTIP-Leaks: Viele Träume der USA würden mit CETA bereits Wirklichkeit) führt aus14: „Auch wegen der engen Verflechtung der US-Wirtschaft mit Kanada ist CETA für Europa mit erheblichen Risiken verbunden. So können beispielsweise 80 Prozent aller US-Investoren über ihre Niederlassungen in Kanada Investorenklagen in CETA nutzen. Schätzungsweise 40.000 potentielle Kläger können gegen EU-Staaten klagen, wenn sie durch staatliches Handeln ihre Gewinnaussichten beeinträchtigt sehen. Das in CETA enthaltene „Recht zu regulieren “ bleibt dagegen Makulatur.“ - In einem Interview des Deutschlandfunks (2016, Europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen CETA "Investoren haben ein Sonderklagerecht gegen Regierungen") bemerkt der Europa- Abgeordnete der Linken, Helmut Scholz15: „Kanada ist ein Rechtsstaat, Deutschland ist ein Rechtsstaat und auch die EU verfügt über den Europäischen Gerichtshof und das sollte den Investoren reichen. Das reicht auch den kanadischen Investoren bislang, denn auch ohne CETA und ISDS haben sie 117 Milliarden Euro in der EU investiert und europäische Investoren zum Beispiel haben, soweit ich weiß, über 225 Milliarden Euro in Kanada investiert. Was auf dem Tisch liegt, ist kein unabhängiger Gerichtshof, sondern man benutzt nur den Begriff, weil Bürger mehr Vertrauen in ein Gericht haben als in etwas, was Tribunal heißt, wie es bisher bei ISDS war. Was vereinbart wurde mit Kanada ist nämlich die gemeinsame Errichtung eines multilateralen Investment- Tribunals. Wer in einem solchen Tribunal sitzt, kann im Gegensatz zu einem richtigen Richter an einem öffentlichen Gericht auch andere Einkommensquellen haben, zum Beispiel als Partner in einer internationalen Kanzlei. Das heißt, nicht das öffentliche Recht, die demokratische Verfassung sind der Bezugspunkt, sondern Grundlage der Entscheidung dieses, jetzt Gerichtshof genannten Tribunals ist nicht die Verfassung, sondern der Text des Freihandelsabkommens als solches. Das, glaube ich, ist problematisch, und um vielleicht auch noch mal den Zusammenhang zu TTIP zu bringen: Dieses Tribunal auch in CETA kann übrigens von 38.000 US-Unternehmen genutzt werden, die eine Niederlassung in Kanada haben, und das sind alle großen amerikanischen Konzerne.“ Hotline W: Eine zusätzlich in die Wege geleitete Datenbankrecherche der Hotline W brachte keine weiteren Erkenntnisse. 14 https://www.campact.de/presse/mitteilung/ttip/appell/20160502-pm-ttip-leaks/ (Stand: 03.06.2016) 15 http://www.deutschlandfunk.de/europaeisch-kanadisches-freihandelsabkommen-ceta-investoren .697.de.html?dram:article_id=347128 (Stand: 03.06.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 049/16 Seite 10 3. Ergänzende Quellen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Häufig gestellte Fragen zum EU-Kanada -Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Freihandelsabkommen /ceta,did=654766.html (Stand: 03.06.2016) Robert Basedow, Eine Reform von Investitionsschutz und Schiedsgerichtsbarkeit unter CETA und TTIP http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/S-T/ttip-basedow-eine-reform-von-investitionsschutz -und-schiedsgerichtsbarkeit-unter-ceta-und-ttip,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache =de,rwb=true.pdf (Stand: 03.06.2016) Deutscher Bundestag, 2014, Stellungnahme des Einzelsachverständigen Scott Sinclair (Canadian Centre for Policy Alternatives, Trade and Investment Research Project) Deutsche Übersetzung und englische Original-Fassung für die 12. Sitzung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zur öffentlichen Anhörung „Geplantes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement - CETA)“ https://www.bundestag.de/blob/282104/ba52014f42d12fb5a17caaf684872343/a-drs--18-10-103-bdata .pdf (Stand: 03.06.2016) Scott Sinclair, 2015, CETA und TTIP sind zwei Seiten derselben Medaille, in DGB Gegenblende http://www.gegenblende.de/++co++8a75046e-6db1-11e5-b8d1-52540066f352 (Stand: 03.06.2016) Germany Trade and Invest (GTAI), Investitionsklima und –risiken Kanada 201616. https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Geschaeftspraxis/investitionsklimaund -risiken,t=investitionsklima-und-risiken--kanada-2016,did=1459448.html (Stand: 03.06.2016) VDI Nachrichten, 2015, Freihandel. „Die USA stellen die gesamte EU unter Generalverdacht“ http://www.vdi-nachrichten.com/Technik-Gesellschaft/Die-USA-stellen-gesamte-EU-unter-Generalverdacht (Stand: 03.06.2016) Waldemar Hummer, 2015, Was haben TTIP, CETA und TISA gemeinsam? ‚Investor-To-State Dispute Settlement‘ (ISDS) als umstrittenes Element der EU-Freihandelsabkommen, Institut für Europäische Politik (IEP), in: integration 1/2015, S. 3-25. http://iep-berlin.de/wp-content/uploads/2015/04/Volltext-von-Waldemar-Hummer.pdf (Stand: 03.06.2016) Pia Eberhardt, Blair Redlin, Cecile Toubeau, 2014, Verkaufte Demokratie. Wie die CETA-Regeln zum Schutz von Investoren das Allgemeinwohl in Kanada und der EU bedrohen, veröffentlicht von: Association Internationale de Techniciens, Experts et Chercheurs (Aitec), Arbeiterkammer Wien (AK Wien), Canadian Centre for Policy Alternatives (CCPA), Corporate Europe Observatory (CEO), Council of Canadians, Canadian Union of Public Employees (CUPE), Europäischer Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD), Forum Umwelt und Entwicklung, Friends of the Earth Europe (FoEE), PowerShift, Quaker Council for European Affairs (QCEA), 16 Der Link kann nur mit Anmeldung geöffnet werden (E-Mailadresse und Kennwort hinterlegen). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 – 049/16 Seite 11 Quebec Network on Continental Integration (RQIC), Trade Justice Network, Transnational Institute (TNI), Transport & Environment (T&E) http://corporateeurope.org/sites/default/files/verkaufte-demokratie.pdf (Stand: 03.06.2016) The Council of Canadians, 2015, Der Kampf gegen TTIP, CETA und ISDS: Erfahrungen aus Kanada . http://canadians.org/transatlantic-deutsch http://canadians.org/sites/default/files/publications/report-ceta-ttip-isds-1015-ger.pdf (Stand: 03.06.2016) ZEIT ONLINE, 2016, CETA. Neue Verpackung, alter Investorenschutz http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-03/ceta-investoren-investitionsschutz-reform-ttip-eu-kanadausa (Stand: 03.06.2016) Internationale Politik und Gesellschaft (IPG), 2016, Billig reicht nicht. Niedrige Preise sind kein Argument für TTIP und Co. Aus Verbrauchersicht müssen Goldstandards vereinbart werden. http://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/billig-reicht-nicht-1434/ (Stand: 03.06.2016) EurActiv.de, 2014, CETA-Abkommen mit Kanada: US-Multis könnten EU-Regierungen verklagen http://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/ceta-abkommen-mit-kanada-us-multiskonnten -eu-regierungen-verklagen/ (Stand: 03.06.2016) Green Party of Canada, 2016, Canada-EU trade deal still gives foreign companies upper hand. https://www.greenparty.ca/en/media-release/2016-02-29/canada-eu-trade-deal-still-gives-foreigncompanies -upper-hand (Stand: 03.06.2016) Prof. Dr. Martin Nettesheim, 2016, Die Auswirkungen von CETA auf den politischen Gestaltungsspielraum von Ländern und Gemeinden, Gutachten im Auftrag des Staatsministeriums des Landes Baden-Württemberg https://stm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/160524_Nettesheim-CETA- Gutachten.pdf (Stand: 03.06.2016) ENDE DER BEARBEITUNG