© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 048/21 Einwegkunststoffgetränkeflasche oder Getränkedose Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 2 Einwegkunststoffgetränkeflasche oder Getränkedose Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 048/21 Abschluss der Arbeit: 14. Juni 2021 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Übersicht zu Einwegkunststoffgetränkeflaschen und Getränkedosen 4 2.1. Einwegkunststoffe für Getränkeflaschen 5 2.1.1. PET (Polyethylenterephthalat) 5 2.1.2. Polyolefine 6 2.2. Getränkedosen 6 3. Überblick Rechtsgrundlagen 7 4. Risikobewertung 8 4.1. Bundesinstitut für Risikobewertung 8 4.2. Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV 9 4.3. Exkurs: PET-Rezyklate 11 4.4. Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit 12 4.5. Innenbeschichtung von Getränkedosen 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 4 1. Fragestellung Es wurde u. a. die Frage gestellt, ob sich durch den stark verbreiteten Gebrauch von Einwegpfandflaschen die Schadstoffaufnahme für die Verbraucherinnen und Verbraucher erhöht und ob Getränkedosen aus Metall eine Alternative darstellen. Nachfolgend finden sich eine Übersicht zur Verwendung von Einwegkunststoffgetränkeflaschen und von Getränkedosen sowie ein Überblick über die Rechtsgrundlagen. Daran anschließend werden im Wesentlichen Forschungsergebnisse des Bundesinstituts für Risikobewertung, des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Verwendung des Kunststoffs Polyethylenterephthalat (PET) in Einweggetränkeflaschen aufgezeigt. Getränkedosen aus Metall, sind hauptsächlich hinsichtlich der Innenbeschichtung der Verpackung relevant. Weitere Fragen zu den Auswirkungen einer möglichen Schadstoffaufnahme auf den Körper und das Entstehen von Krankheiten bzw. Langzeitschäden, und ob aus medizinischer Sicht eine Rückkehr zu den Getränkedosen aus Metall ratsam ist, werden vom Fachbereich WD 9 beantwortet . 2. Übersicht zu Einwegkunststoffgetränkeflaschen und Getränkedosen Die Verwendung von Einwegkunststoffgetränkeflaschen (mit und ohne Pfand1) und von Getränkedosen hat in den letzten Jahren wieder sehr stark zugenommen. Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe werden in Deutschland pro Jahr 17,4 Milliarden Einwegkunststoffflaschen verbraucht .2 Und wie die folgende Grafik von Statista zeigt, wurden im Jahr 2019 in Deutschland 3,9 Milliarden Getränkedosen genutzt. 1 Derzeit existieren noch unterschiedliche Sammelsysteme: zum einen das bepfandete Rückgabesystem hauptsächlich für PET-Einwegflaschen vor allem für Mineralwasser und Süßgetränke und zum anderen das unbepfandete Rückgabesystem (Gelber Sack bzw. Wertstofftonne) bislang vor allem für PET-Einwegflaschen für Säfte und Nektare sowie Milch und Milchmischgetränke. Ab dem Jahr 2022 soll die Einwegpfandpflicht auf nahezu sämtliche Einweggetränkeflaschen und auf Getränkedosen erweitert werden. Für Milch und Milchmischgetränke soll dies etwas später erfolgen. Der Mindestanteil von Rezyklat bei der Herstellung von Einwegkunststoffgetränkeflaschen soll ab dem 1. Januar 2025 mindestens 25 % und ab dem 1. Januar 2030 mindestens 30 % betragen. https://dserver.bundestag.de/btd/19/276/1927634.pdf. Zur bisherigen Situation siehe auch „Aufkommen und Verwertung von PET-Getränkeflaschen in Deutschland 2019“, Kurzfassung, , im Auftrag von: Forum PET in der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V., Mainz, Stand Oktober 2020, https://newsroom.kunststoffverpackungen .de/wp-content/uploads/2020/10/2020-10-19-Kurzfassung-Verwertung-PET-Getraenkeflaschen -2019.pdf. 2 https://www.duh.de/mehrweg-klimaschutz0/einweg-plastikflaschen/; siehe auch „Aufkommen und Verwertung von PET-Getränkeflaschen in Deutschland 2019“, Kurzfassung, , im Auftrag von: Forum PET in der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V., Mainz, Stand Oktober 2020, https://newsroom.kunststoffverpackungen .de/wp-content/uploads/2020/10/2020-10-19-Kurzfassung-Verwertung-PET-Getraenkeflaschen-2019.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 5 Quelle: Statista (2020).3 Mit Einführung der Pfandpflicht am 1. Januar 2003 war zunächst auch der Getränkedosenabsatz massiv eingebrochen.4 2.1. Einwegkunststoffe für Getränkeflaschen 2.1.1. PET (Polyethylenterephthalat) Für Einweggetränkeflaschen (zu einem Teil auch für Mehrweggetränkeflaschen) wird in Deutschland in der Regel der Kunststoff Polyethylenterephthalat (PET) verwendet. Wie dem folgenden Tortendiagramm zu entnehmen ist, wird PET weltweit insbesondere für Getränke, wie Mineralwässer und Süßgetränke eingesetzt: 3 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/218957/umfrage/anzahl-der-verkauften-getraenkedosen-indeutschland /#:~:text=Diese%20Statistik%20zeigt%20die%20Anzahl,rund%203%2C9%20Milliarden %20St%C3%BCck. 4 Siehe BR-Drs. 488/03; https://dserver.bundestag.de/brd/2003/0488-03.pdf; https://www.bpb.de/politik/hintergrund -aktuell/152198/10-jahre-dosenpfand-28-12-2012. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 6 Quelle: Welle (2016).5 Welle (2016) erläutert: „PET ist ein farbloses, transparentes Polymer, welches nahezu unzerbrechlich und gut rezyklierbar ist. Diese guten Eigenschaften führten zur weiten Verbreitung von PET als Verpackungsmaterial für Getränke. […] PET-Mehrwegflaschen sind durch die etwas dickere Flaschenwand und den robusteren Boden etwas schwerer.“6 2.1.2. Polyolefine Polyolefine, wie High-Density Polyethylen (HDPE) und auch andere Kunststoffe haben in Deutschland als Getränkeverpackungen einen äußerst geringen Marktanteil.7 2.2. Getränkedosen Getränkedosen werden häufig aus Aluminium gefertigt.8 Die Nutzung von Aluminiumgetränkedosen hat sich in der letzten Zeit stark beschleunigt, aber auch der Verbrauch von Getränkedosen aus Weißblech nimmt weiter leicht zu.9 5 S. 2, https://www.dlg.org/fileadmin/downloads/lebensmittel/themen/publikationen/expertenwissen/lebensmitteltechnologie /2016_4_Expertenwissen_PET.pdf. 6 S. 2, https://www.dlg.org/fileadmin/downloads/lebensmittel/themen/publikationen/expertenwissen/lebensmitteltechnologie /2016_4_Expertenwissen_PET.pdf. 7 Telefonische Auskunft der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. 8 https://www.global2000.at/dosen; https://www.openscience.or.at/hungryforscienceblog/lebensmittel-aus-konservendosen -schaedlich/. 9 S. 51, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_166-2020_aufkommen _und_verwertung_von_verpackungsabfaellen_in_deutschland_im_jahr_2018.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 7 3. Überblick Rechtsgrundlagen Die Rechtsgrundlagen für Einwegpfandflaschen sind im Wesentlichen durch europarechtliche Vorgaben determiniert. Einschlägig sind insbesondere die Verordnungen VO (EG) 1935/200410 und VO (EU) 10/201111.12 Regelungsgegenstand der VO (EG) 1935/2004 sind Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. a sind Materialien und Gegenstände „nach guter Herstellungspraxis so herzustellen, dass sie unter den normalen oder vorhersehbaren Verwendungsbedingungen keine Bestandteile auf Lebensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu gefährden […].“ Innenbeschichtungen u. a. von Getränkedosen fallen unter die Regelung der VO (EU) 2018/21313.14 Spezifisch für Kunststoffe enthält VO (EU) 10/2011 einen knapp 60 Seiten langen Anhang über „bei der zur Herstellung von Kunststoff“ zugelassenen Stoffe sowie deren jeweilige spezifische Migrationsgrenzwerte. Sowohl Einweggetränkeflaschen als auch Getränkedosen aus Metall müssen die lebensmittelrechtlichen und hygienischen Anforderungen erfüllen. 10 Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen und zur Aufhebung der Richtlinien 80/590/EWG und 89/109/EWG, ABl. L 338 vom 13.11.2004, S. 4–17. Aktuelle konsolidierte Fassung unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02004R1935- 20210327&qid=1623663589164&from=DE. 11 Verordnung (EU) Nr. 10/2011 der Kommission vom 14. Januar 2011 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, ABl. L 12 vom 15.1.2011, S. 1–89. Aktuelle konsolidierte Fassung unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?uri=CELEX%3A02011R0010-20200923&qid=1623663668028. 12 Vgl. Delewski in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 178. EL November 2020, § 31 LFGB Rn. 38. 13 Verordnung (EU) 2018/213 der Kommission vom 12. Februar 2018 über die Verwendung von Bisphenol A in Lacken und Beschichtungen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 hinsichtlich der Verwendung dieses Stoffes in Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff, ABl. L 41 vom 14.2.2018, S. 6–12. https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018R0213&qid=1623665204963&from=DE. 14 BfR (2020), Welche Grenzwerte gelten in Deutschland bzw. in der EU, Fragen und Antworten zu Bisphenol A in verbrauchernahen Produkten, FAQ des BfR vom 9. Oktober 2020, https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten _zu_bisphenol_a_in_verbrauchernahen_produkten-7195.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 8 4. Risikobewertung 4.1. Bundesinstitut für Risikobewertung Da immer wieder Anfragen an das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gestellt werden, ob von Kunststoffflaschen aus PET gesundheitliche Gefahren ausgehen, beantwortet das BfR auf seiner Internetseite u. a. die folgenden Fragen: „Gehen aus PET-Flaschen hormonähnliche Substanzen in die Getränke über? In einigen Studien wurde mit Zellkultur-Testsystemen und in einem Test an Schnecken die östrogene Aktivität von Mineralwässern untersucht. Dabei wurde in einigen Fällen eine östrogene Aktivität nachgewiesen. Diese war jedoch ca. 10.000-fach geringer als die natürliche östrogene Aktivität von Getränken wie Milch, Bier oder Rotwein. Der Vergleich zwischen Mineralwässern aus PET-Flaschen und solchen aus Glasflaschen zeigte keinen Unterschied hinsichtlich der in Zellkulturen gemessenen östrogenen Aktivität. Daher ist nicht davon auszugehen , dass diese geringe Aktivität auf die PET-Flaschen zurückzuführen ist. In chemischen Analysen der Mineralwässer wurden bislang auch keine Substanzen nachgewiesen, die die östrogene Aktivität verursacht haben könnten. Werden bei der Herstellung von PET-Flaschen östrogenwirksame Substanzen eingesetzt? Bei der Herstellung von PET können Antimonverbindungen als Katalysator verwendet werden . Antimon hat eine sehr geringe östrogene Wirksamkeit. In Mineralwasser wurden Konzentrationen von bis zu 2 Mikrogramm Antimon pro Liter nachgewiesen. Diese Werte unterschreiten den Grenzwert für den Übergang von Antimon aus Verpackungsmaterialien auf Lebensmittel deutlich. Der Migrationsgrenzwert wurde von der EU-Kommission festgelegt und liegt bei 40 Mikrogramm pro kg Lebensmittel. Sind in PET-Flaschen Weichmacher enthalten? Verbraucher denken bei dem Kunststoffnamen „Polyethylenterephthalat“ oft an Phthalate, die als Weichmacher verwendet werden. Phthalate sind immer wieder in der öffentlichen Diskussion, u. a. weil einige Phthalate hormonähnlich wirken. Zur Herstellung von PET-Flaschen werden Phthalate und andere Weichmacher jedoch nicht eingesetzt. Sie wurden daher in den Mineralwässern entweder gar nicht oder nur in so geringen Konzentrationen nachgewiesen, die die gemessenen östrogenen Aktivitäten nicht erklären können. Ist in PET-Flaschen Bisphenol A enthalten? Bisphenol A gehört zu einer Gruppe von Substanzen, die hormonähnlich (östrogen) wirken können. Die Substanz kann in Gegenständen aus Kunststoffen enthalten sein, auch in solchen , die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen. Beispiele dafür sind Trinkbecher, Plastikgeschirr oder auch die Innenbeschichtung von Konservendosen. Für die Herstellung von PET- Flaschen wird Bisphenol A jedoch nicht verwendet. In aktuellen Untersuchungen wurden insbesondere in recycelten PET-Flaschen in einigen Fällen geringe Mengen an Bisphenol A als Verunreinigung nachgewiesen. Davon können geringe Mengen in Mineralwasser abgegeben werden. Die abgegebenen Mengen unterschreiten den Grenzwert für den Übergang von Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 9 Bisphenol A aus Kunststoffmaterialien auf Lebensmittel von 50 Mikrogramm pro kg Lebensmittel sehr deutlich und stellen nach derzeitigem Stand des Wissens kein Gesundheitsrisiko dar. […] Ist Acetaldehyd im Getränk gesundheitsschädlich? Entsprechend den in der EU geltenden Vorschriften dürfen aus Kunststoffen höchstens 6 mg Acetaldehyd[15] auf 1 kg Lebensmittel übergehen. Bis zu diesem Grenzwert werden gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen. Der Mensch kann den Stoff aber schon in weniger als einem Hundertstel dieser Menge deutlich riechen oder schmecken. Daher besteht - auch wenn Acetaldehyd sensorisch bemerkt wird – kein gesundheitliches Risiko, da in der Regel die Menge deutlich unter dem Grenzwert liegt.“16 4.2. Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV Zur lebensmittelrechtlichen Konformität von PET-Flaschen äußerte der Experte vom Fraunhofer- Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV aus der Abt. Produktsicherheit und Analytik, Prof. Frank Welle, zu Verpackungsmaterial aus Polyethylenterephthalat (PET) Folgendes: „Zwischen allen Verpackungen und dem Lebensmittel treten Wechselwirkungen auf. Beispielsweise kann Sauerstoff von außen in die Verpackung eindringen oder Kohlensäure kann in geringen Mengen durch die Flaschenwand entweichen. Zudem kann es zum Übergang (Migration) von Polymerinhaltsstoffen aus der Verpackung in das Getränk kommen. Im Sinne des gesundheitlichen Verbraucherschutzes sollte diese Migration auf ein Mindestmaß reduziert werden. Die eingesetzten Rohstoffe wie zum Beispiel die Monomere Ethylenglykol und Terephthalsäure oder der Katalysator Antinontrioxid sowie andere verwendete Substanzen sind zusätzlich mit Grenzwerten belegt. Ebenfalls hat das als Additiv für PET-Flaschen zugelassene Anthranilamid einen spezifischen Migrationsgrenzwert (Tabelle 1). Zusätzlich zu diesen spezifischen Grenzwerten ist auch die Gesamtheit aller Substanzen beschränkt, welche in das Lebensmittel übergehen dürfen. 15 „Bei der Herstellung und Lagerung von PET-Flaschen entsteht der Stoff Acetaldehyd. Geht Acetaldehyd aus der Flasche in das Getränk über, kann es schon in sehr kleinen Mengen geschmeckt und gerochen werden - zumindest in Mineralwasser. In Getränken mit intensivem Geschmack, wie Cola oder anderer Limonade, fällt Acetaldehyd dagegen sensorisch nicht auf.“ https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_pet_flaschen- 10007.html. 16 https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_pet_flaschen-10007.html, (Hervorhebung durch Verfasser des Sachstands); siehe auch https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/ressourcenschonung/einzelhandel -und-umwelt/mehrweg/nabumehrwegguide.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 10 Tabelle 1[17] Die Migration von Substanzen aus der Verpackung in das Getränk ist generell bei Kunststoffen nicht auszuschließen. PET hat jedoch im Vergleich zu anderen Kunststoffen sehr inerte[18] Eigenschaften. Dies führt dazu, dass Substanzen aus der Verpackung nur in einem sehr geringen Umfang in das Getränk übergehen. Trotzdem müssen die Getränkeabfüller die Migration aus PET-Flaschen analysieren und bewerten und die entsprechenden Bescheinigungen vorhalten . Generell gilt: Die Migration ist umso geringer, je kürzer die Lagerzeit und je niedriger die Temperatur ist.“19 Ferner stellt Welle klar, dass der Grenzwert für die Summe aller Substanzen, die in das Lebensmittel übergehen dürfen, bei 10 Milligramm (mg) pro 1 Quadratdezimeter (dm2) Verpackungsfläche liege. Die gemessenen Werte für die Gesamtmigration bei PET-Flaschen lägen normalerweise bei etwa 0,1 mg pro dm2, also um einen Faktor von 100 unterhalb des Grenzwertes.20 In ihrem Aufsatz „Chemical Migration from Beverage Packaging, Materials – A Review“ befassten sich Schmid/Welle (2020) mit der potentiellen chemischen Migration von unterschiedlichen Getränkeverpackungsmaterialien , u. a. PET-Flaschen, Glasflaschen, Metalldosen und mehrschichtigen Kartons. Bei der Überprüfung der wissenschaftlichen Literatur ergaben sich keine Hinweise darauf, dass kritische Stoffe aus Verpackungen in Getränke übergingen. Die Prüfung der Migration in reale Getränke während und am Ende der Haltbarkeit zeigte, dass die spezifischen Migrationsgrenzwerte eingehalten wurden. Beschleunigte Tests mit Lebensmittelsimulanzien zeigten jedoch teilweise eine höhere Migration, insbesondere bei hohen Temperaturen in ethanolischen 17 Welle, Frank, Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV (2016), Verpackungsmaterial aus Polyethylenterephthalat (PET), DLG-Expertenwissen 4/2016, S. 3, https://www.dlg.org/fileadmin/downloads/lebensmittel /themen/publikationen/expertenwissen/lebensmitteltechnologie/2016_4_Expertenwissen_PET.pdf. 18 chemisch reaktionsträge bzw. reaktionsunfähige Stoffe, vgl. https://roempp.thieme.de/lexicon/RD-09-00609?searchterm =inert&context=search. 19 S. 3, https://www.dlg.org/de/lebensmittel/themen/publikationen/expertenwissen-lebensmitteltechnologie/verpackungsmaterial -aus-polyethylenterephthalat-pet. 20 S. 3, https://www.dlg.org/de/lebensmittel/themen/publikationen/expertenwissen-lebensmitteltechnologie/verpackungsmaterial -aus-polyethylenterephthalat-pet. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 11 Simulanzien. Für einige Stoffe sollten danach realistischere Testbedingungen angewendet werden , um die Einhaltung ihrer spezifischen Migrationsgrenzwerte (specific migration limits -SML) nachzuweisen.21 4.3. Exkurs: PET-Rezyklate Der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) erläutert, PET sei der einzige Kunststoff, der auch als Post-Consumer Material durch ein entsprechendes Recyclingverfahren in ein Regranulat aufbereitet werden könne, das die gesetzlichen Anforderungen an ein Material mit Lebensmittelkontakt erfülle. In diesem „Tiefenreinigung“ genannten Verfahren würden die Schadstoffe, die während der Nutzung als Verpackung in das Material migriert sein könnten, beseitigt.22 Schmid/Welle (2020) stellen fest, dass aufgrund der aktuellen Kreislaufwirtschaftsdebatte zunehmend aus Post-Consumer-Rezyklaten auch PET-Einwegflaschen mit einem Rezyklatanteil von bis zu 100 % auf dem Markt seien.23 Welle (2016) beschreibt das Recyclingverfahren wie folgt: Damit aus einer PET-Flasche wieder eine neue PET-Flasche hergestellt werden könne, seien zusätzliche Reinigungsschritte erforderlich, die sogenannten „super-clean“ Recyclingprozesse. Super-clean Prozesse unterlägen einer Zulassung durch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA). So sei gewährleistet, dass nur Recyclingbetriebe mit einem effektiven Reinigungsprozess und einem Qualitätssicherheitskonzept „super-clean“ Rezyklate produzieren dürften, welche dann in die PET-Flaschen eingearbeitet werden dürften. Unter dem Gesichtspunkt der Migration seien diese Rezyklate nicht mehr von PET-Neuware zu unterscheiden. PET-Flaschen mit Rezyklat seien daher genauso sicher wie Flaschen aus PET-Neuware.24 Kauertz/Detzel (2017) betonen, die für den Einsatzbereich des Rezyklats entscheidenden Qualitätsanforderungen ergäben sich aus den internationalen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen und Verordnungen der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) oder der US Food and Drug Administration (FDA). Die EFSA definiere die Anforderungen an den Recyclingprozess anhand einer definierten maximalen Restkonzentration an Schadstoffen – vor allen Dingen Toluol aber auch andere, genotoxische Substanzen – mit den maximalen Flaschenwandkonzentrationen aus einem Expositionsszenario. Dafür werde zunächst die Reinigungseffizienz des Recyclingprozesses mit einem "Challenge Test" ermittelt. Dessen Ergebnisse würden dann auf die Normalisierte "worst-case" Kontamination im PET Flaschen Rücklauf übertragen. Hier sei auch definiert, dass der Inputstrom an gebrauchten PET Flaschen maximal zu 5% aus Non-Food Verpackungen bestehen dürfe. Die Bewertung der Exposition erfolge für drei Szenarien (Kleinkinder, 21 Schmid, Petra; Welle, Frank (2020), Chemical Migration from Beverage Packaging, Materials — A Review, Beverages . 2020; 6(2):37. https://doi.org/10.3390/beverages6020037. 22 S. 39, https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/veranstaltungen/171025-nabu-01b_studie_verwendung -und-recycling-pet-deutschland.pdf. 23 Schmid, Petra; Welle, Frank (2020), Chemical Migration from Beverage Packaging, Materials — A Review, Beverages . 2020; 6(2):37. 24 Welle, Frank (2016), S. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 12 Heranwachsende, Erwachsene) – daraus würden die maximalen Migrationswerte für eine Mineralwasserflasche abgeleitet. Da Mineralwasserabfüller nicht sicherstellen könnten, dass nur Erwachsene aus (rezyklathaltigen) PET Flaschen tränken, gelte faktisch immer der Grenzwert für Kleinkinder.25 Ferner weisen Kauertz/Detzel (2016) darauf hin, dass es trotz strenger EFSA und FDA Anforderungen und einer stetigen Qualitätskontrolle beim PET Recycling – wie bei allen anderen technischen Prozessen auch – keine 100%ige Sicherheit gegenüber Fehlern gebe. Die Qualitätskontrollen seien streng und ließen üblicherweise eine Materialbatch spezifische Nachverfolgung zu, so dass etwaige Qualitätsmängel nachvollziehbar würden und bspw. durch Rückrufaktionen, Schaden für die Konsumenten abgewendet werden könne. Dennoch gebe es Unternehmen, die das mit der Verwendung von PET Recyclingmaterial verbundene Risiko scheuten und daher nur primäres PET einsetzten. Die RAL Gütegemeinschaft Wertstoff PET habe es sich zur Aufgabe gesetzt die Sicherheit von PET Regranulaten zu erhöhen und habe dafür Gütekriterien für das PET Recycling hinsichtlich Inputmaterial, Recyclingtechnik und Warenausgang definiert. PET Recycler, die ihr Material unter dem Gütezeichen Wertstoff PET vertreiben wollten müssen sich einem entsprechenden Audit unterziehen.26 Die EREMA plastic recycling systems erklärt, das PET-Bottle-to-Bottle-Recycling sei schon seit über 20 Jahren etabliert, bei PET falle das Migrationsrisiko deutlich geringer aus als bei High- Density-Polyethylen (HDPE), da HDPE im Vergleich durchlässiger und weniger dicht sei. Für das Recycling von HDPE-Lebensmittelkontaktmaterialien gebe es keine abschließende EFSA-Bewertung . PET-Recyclingprozesse und Rezyklate hingegen würden den besonders strengen Anforderungen der EFSA genügen. Mehr als 140 Stellungnahmen habe sie bisher für PET-Recyclingprozesse abgegeben – allesamt positiv.27 4.4. Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority - EFSA) befasst sich – wie bereits zuvor erwähnt – vor allem mit den PET-Recyclingverfahren für Lebensmittelkontaktmaterialien . Die EFSA kommt zu dem Ergebnis, dass die PET-Recyclingverfahren „keinen Anlass zu Sicherheitsbedenken geben, sofern der PET-Anteil aus Nicht-Lebensmittel- Verwendungen nicht über 5% liegt und diese Verfahren unter klar definierten Bedingungen durchgeführt werden. […] Die Bewertungen der EFSA betreffen lediglich die Sicherheit der mechanischen Recyclingverfahren, mit denen die verwendeten Kunststoffe gesammelt, zermahlen und dekontaminiert werden, bevor sie dann zu neuen Materialien verarbeitet werden, die zur 25 Kauertz/Detzel (2017) Eine Kurzstudie im Auftrag des NABU - Naturschutzbund Deutschland e.V., S. 30, https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/veranstaltungen/171025-nabu-01b_studie_verwendung-undrecycling -pet-deutschland.pdf. 26 Kauertz, Benedikt; Detzel, Andreas (2016), Verwendung und Recycling von PET in Deutschland Verwendung von PET und PET Rezyklaten aus Verpackungen in Deutschland Eine Kurzstudie im Auftrag des NABU - Naturschutzbund Deutschland e.V., ifeu, S. 38, https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/veranstaltungen /171025-nabu-01b_studie_verwendung-und-recycling-pet-deutschland.pdf. 27 https://www.erema.com/de/erema_news/IDobj=2464. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 13 Verwendung in der Lebensmittelkette bestimmt sind. Die gesammelten Kunststoffe, die beim mechanischen Recycling verwendet werden, könnten zuvor mit chemischen Substanzen kontaminiert worden sein, die für Verwendungen, bei denen die Materialien mit Lebensmitteln in Berührung kommen, ungeeignet sind. Die Hersteller müssen nachweisen, dass ihre Verfahren die Kontamination der wiederverwerteten Kunststoffe mit chemischen Substanzen so weit senken können , dass der mögliche Übergang etwaiger chemischer Rückstände kein Risiko für die Gesundheit des Menschen darstellt.“28 Aktuell kommen auch Franz/Welle (2020) in ihrem Aufsatz, der sich mit dem Kontaminationsgrad von recycelten PET-Flaschen aus Non-Food-Anwendungen für den Lebensmittelbereich befasst , zu dem Ergebnis, dass ein Anteil von 5 % Non-Food-PET, der bei üblichen Rücknahmesystemen mit hoher Wahrscheinlichkeit auftrete, für den Verbraucher kein Risiko darstelle. Die Daten zeigten, dass auch Fraktionen von bis zu 20 %, die sporadisch in bestimmten, lokalen Sammlungssystemen enthalten sein könnten, keine Sicherheitsbedenken aufwerfen würden.29 Gude (2020) resümiert in seiner Präsentation „Recycling versus Sicherheit – chemisch-analytische Betrachtungen“, Rezyklierbarkeit könne Sicherheitsfragen aufwerfen, es bleibe (chemischanalytisch ) komplex.30 4.5. Innenbeschichtung von Getränkedosen Getränkedosen aus Aluminium werden auf der Innenseite beschichtet, um einen Übergang von Aluminiumionen auf das Lebensmittel zu verhindern.“31 Auch Weißblechdosen können beschichtet werden. Die innere Oberfläche der Dose wird ganz oder teilweise mit einer dünnen Folie aus Epoxid-Kunststoff ausgekleidet, die meist Bisphenol-A (BPA) enthält.32 Das BfR erläuterte im Oktober 2020 zur BPA-Beschichtung: „Eine solche Beschichtung ist notwendig, um zu verhindern, dass das Blech korrodiert und sich Metalle lösen, die eine Kontamination des Lebensmittels sowie Verfärbungen und ge- 28 https://www.efsa.europa.eu/de/press/news/120802. 29 Franz, Roland; Welle, Frank (2020), Contamination Levels in Recollected PET Bottles from Non-Food Applications and their Impact on the Safety of Recycled PET for Food Contact, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles /PMC7663040/. 30 Gude, Thomas (2020), Recycling versus Sicherheit – chemisch-analytische Betrachtungen, S. 24. 31 BfR (2020), Fragen und Antworten zu Aluminium in Lebensmitteln und verbrauchernahen Produkten, FAQ des BfR vom 20. Juli 2020, https://www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zu-aluminium-in-lebensmittelnund -verbrauchernahen-produkten.pdf. 32 Stand: 07. Mai 2020, https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/metalle- 7052; BfR (2020), Fragen und Antworten zu Bisphenol A in verbrauchernahen Produkten. FAQ des BfR vom 9. Oktober 2020, https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_bisphenol_a_in_verbrauchernahen_produkten -7195.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 14 schmackliche Beeinträchtigungen hervorrufen würden. Bisphenol A-freie Beschichtungssysteme stehen für diese Anwendung bisher nur sehr begrenzt zur Verfügung und bedürfen zum Teil noch der gesundheitlichen Bewertung.“33 Bereits im März 2012 äußerte das BfR: „Eine Alternative zur Verwendung von BPA könnte der Einsatz der Polyethylenterephthalat (PET)-Laminat-Technologie sein. Bei dieser Technologie wird PET auf die Innenseite von Metallverpackung aufgebracht. Diese Technologie kommt derzeit in Japan und Dänemark zum Einsatz.“34 Auch im März 2021 wurde über die Suche nach Alternativen zu Bisphenol A berichtet. In einer Reportage des Deutschlandfunks heißt es: „Die Chemikalie Bisphenol A ist schon lange in der Kritik. Frankreich hat sie in der Beschichtung von Konservendosen bereits vor sechs Jahren verboten. Seitdem suchen Hersteller nach Alternativen. Einige davon sind inzwischen marktreif. […] Wie hoch der Anteil alternativ beschichteter Dosen bei uns aber wirklich ist und woraus die Beschichtungen genau bestehen , dazu gibt es keine belastbaren Zahlen.“35 Zum französischen Verbot von Bisphenol A bei der Herstellung von Lebensmittelkontaktmaterialien siehe auch folgenden Link: https://www.bundestag.de/resource/blob/689040/0f9fb207c4f287520ab4076d1016eb20/WD- 8-128-19-pdf-data.pdf. Zur Risikobewertung von BPA schreibt das BfR im Oktober 2020: 33 Fragen und Antworten zu Bisphenol A in verbrauchernahen Produkten FAQ des BfR vom 9. Oktober 2020, S. 9, https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zu-bisphenol-a-in-verbrauchernahen-produkten.pdf. Hervorhebung durch Verfasser des Sachstands. Epoxidharz-Beschichtungen von Konservendosen: Stoffübergänge in ölhaltige Lebensmittel sind möglich Stellungnahme 022/2016 des BfR vom 15. April 2016, https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/epoxidharz-beschichtungen -von-konservendosen-stoffuebergaenge-in-oelhaltige-lebensmittel-sind-moeglich.pdf. 34 Alternativen zum Einsatz von Bisphenol A in verbrauchernahen Produkten Protokoll eines Fachgespräches des BfR vom 26. März 2012, S. 2f, https://www.bfr.bund.de/cm/343/alternativen-zum-einsatz-von-bisphenol-a-inverbrauchernahen -produkten.pdf. 35 23. März 2021, https://www.deutschlandfunk.de/werkstoffe-fuer-konservendosen-suche-nach-alternativenzu .676.de.html?dram:article_id=494597. Siehe hierzu auch die Pressemitteilung „Vielversprechende Innenbeschichtung für Konservendosen“: „Weißblechkonserven werden kritisch diskutiert. Zum einen gehört zu den Ausgangsmaterialien des Doseninnenlacks Bisphenol A, das hormonähnliche Wirkung besitzen soll. Zum anderen fordert die europäische REACH-Verordnung eine Umstellung auf chromfreie Nachbehandlungsverfahren in der Weißblechproduktion. Beschichtungssysteme auf Polyesterbasis erweisen sich in einem Forschungsprojekt des Fraunhofer IPA als vielversprechende Alternative.“ Mediendienst 21. Juli 2016 Fraunhofer IPA, https://www.ipa.fraunhofer .de/de/presse/presseinformationen/2016-07-21_vielversprechende-innenbeschichtung-fuer-konservendos .html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 15 „Die Risikobewertung der Industriechemikalie ist seit Jahren weltweit Gegenstand kontroverser wissenschaftlicher Diskussionen. Im Januar 2015 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ein Gutachten zur Bewertung der Gesundheitsrisiken durch die Verwendung von Bisphenol A in Lebensmittelbedarfsgegenständen (wie Behälter aus Polycarbonat und Konservendosen mit Innenbeschichtungen aus Kunstharzen) publiziert. Darin kommt die EFSA aufgrund der ihr vorliegenden Expositionsdaten zu dem Schluss, dass Bisphenol A aus diesen Verwendungen kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellt, da die Verbraucher deutlich weniger Bisphenol A aufnehmen als die Mengen, die gesundheitlich bedenklich wären. Im Juli 2016 wurde Bisphenol A von der Europäischen Chemikalienagentur als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B nach der CLP-Verordnung) eingestuft und aufgrund dieser Einstufung im Januar 2017 als besonders besorgniserregende Substanz (SVHC)[36] nach der REACH- Verordnung identifiziert. Im Juni 2017 erfolgte für den Stoff eine erneute SVHC-Identifizierung aufgrund seiner Eigenschaften als sogenannter „Endokriner Disruptor“ für die menschliche Gesundheit und im Jahr 2018 die SVHC-Identifizierung als Endokriner Disruptor für die Umwelt. Als endokrine Disruptoren werden hormonell schädigende Stoffe bezeichnet. Aus Gründen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wurde die Verwendung von Bisphenol A zur Herstellung von Säuglingsflaschen aus Polycarbonat bereits im Jahr 2011 EUweit verboten. Das Verbot wurde im Jahr 2018 allgemein auf Trinkgefäße und Flaschen aus Polycarbonat für Säuglinge und Kleinkinder erweitert. Für alle anderen Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff ist ein Grenzwert für den Übergang von Bisphenol A ins Lebensmittel festgelegt.“37 Der Verband Metallverpackungen erläuterte im März 2019: „Seit 2018 ist eine harmonisierte EU-Verordnung für die Nutzung von BPA im Lebensmittelkontakt in Kraft getreten. In der neuen Verordnung werden Innenbeschichtungen für Verpackungen erstmals ausdrücklich mit geregelt. Die Verordnung legt für die Migration aus Lebensmittelkontaktmaterialien in Lebensmittel und Getränke aus Gründen des vorbeugenden 36 „Die Identifizierung eines Stoffes als SVHC bedeutet, dass für Hersteller, Lieferanten und Verkäufer bestimmte Verpflichtungen bestehen. Grundsätzlich werden anerkannte SVHC-Stoffe in der sogenannten Kandidatenliste auf der ECHA-Internetseite veröffentlicht. Stoffe der Kandidatenliste können in Abhängigkeit weiterer Kriterien zulassungspflichtig werden. Dann dürfen diese Stoffe nach einem festgesetzten Ablaufdatum nur noch in den Verkehr gebracht oder verwendet werden, wenn die geplante Verwendung zugelassen und damit sicher ist.“ https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_bisphenol_a_in_verbrauchernahen_produkten- 7195.html. 37 BfR (2020), Fragen und Antworten zu Bisphenol A in verbrauchernahen Produkten, FAQ des BfR vom 9. Oktober 2020, https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_bisphenol_a_in_verbrauchernahen_produkten -7195.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 048/21 Seite 16 Verbraucherschutzes generell einen Grenzwert von 0,05 mg/kg[38] fest. Ausnahme: bei Anwendungen für Säuglinge und Kleinkinder ist keine Migration gestattet.“39 Ferner äußerte der Verband Metallverpackungen zur Risikobewertung Folgendes: „Ist die Verwendung BPA-haltiger Innenbeschichtungen sicher? Verbraucher können BPAbasierte Produkte unbedenklich verwenden. Dies wird von Behörden weltweit bestätigt. In einer umfassenden wissenschaftlichen Bewertung, die im Januar 2015 veröffentlicht wurde, kam die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu dem Schluss: BPA stellt in den heutigen Lebensmittelkontaktanwendungen kein Gesundheitsrisiko dar – auch nicht für ungeborene Kinder, Kleinkinder und Jugendliche. Das in Deutschland für die Sicherheit von Lebensmitteln zuständige Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hat dieser Auffassung ausdrücklich zugestimmt. Ebenso urteilt auch die deutsche Gesellschaft für Toxikologie – nach Auswertung von über 5000 Studien. Untersuchungen, die andere Schlüsse ziehen, haben sich hingegen als nicht reproduzierbar erwiesen. Was bedeutet es, dass die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) BPA unter anderem als endokrinen Disruptor klassifiziert hat? Im Zuge der europäischen Chemikaliengesetzgebung (REACH) betrachtet die ECHA Stoffe im Hinblick auf die ihnen innewohnenden Eigenschaften. Die bei ECHA vorgenommene Einschätzung eines Stoffes sagt jedoch noch nichts darüber aus, ob dieser in einer konkreten Verwendung unsicher oder gar gefährlich ist. Hierfür werden vielmehr umfassende Risikobewertungen vorgenommen. Im Zusammenhang mit Materialien, die mit Lebensmitteln Kontakt haben , erfolgt dies durch die EFSA. Und diese hat wiederholt bestätigt: BPA stellt bei der derzeitigen Verbraucherexposition kein Gesundheitsrisiko dar.“40 *** 38 Die Verordnung (EU) 2018/213 legt einen spezifischen Migrationsgrenzwert von 50 Mikrogramm (µg) pro kg Lebensmittel fest. 39 Verband Metallverpackungen (2019), Hintergrundinformation Bisphenol A (BPA) als Ausgangsstoff für Innenbeschichtungen von Verpackungen, Düsseldorf, im März 2019, https://www.metallverpackungen.de/fileadmin/user _upload/metallverpackungen.de/documents/VMV_BPA_Maerz_2019.pdf. 40 Verband Metallverpackungen (2019), Hintergrundinformation Bisphenol A (BPA) als Ausgangsstoff für Innenbeschichtungen von Verpackungen, Düsseldorf, im März 2019, https://www.metallverpackungen.de/fileadmin/user _upload/metallverpackungen.de/documents/VMV_BPA_Maerz_2019.pdf.