WD 5 - 3000 - 047/20 (20.05.2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Die Wissenschaftliche Dienste sind zu § 28b des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG)1 gefragt worden, welche Rechtsfolgen und -pflichten den Betreiber einer Gasverbindungsleitung treffen, wenn ihm keine Freistellung gewährt wird. 1. Regelungsinhalt des § 28b Absatz 1 EnWG Der durch das „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/692 des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt“2 neu geschaffene § 28b EnWG enthält in Absatz 1 folgende Ausnahmeregelung : „Gasverbindungsleitungen mit einem Drittstaat im Sinne des Artikels 49a der Richtlinie 2009/73/EG, die vor dem 23. Mai 2019 fertiggestellt wurden, werden von der Regulierungsbehörde auf Antrag des Betreibers dieser Gasverbindungsleitung in Bezug auf die im Hoheitsgebiet Deutschlands befindlichen Leitungsabschnitte von der Anwendung der §§ 8 bis 10e sowie der §§ 20 bis 28 befristet freigestellt3, wenn 1. der erste Kopplungsakt der Leitung mit dem Netz eines Mitgliedstaates in Deutschland liegt, 2.objektive Gründe für eine Freistellung vorliegen, insbesondere a) die Ermöglichung der Amortisierung der getätigten Investitionen oder b) Gründe der Versorgungssicherheit, und 1 Energiewirtschaftsgesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl. I. S. 1970, 3621), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2002) geändert worden ist, Link: https://www.gesetze-im-internet.de/enwg_2005/BJNR197010005.html (zuletzt aufgerufen am 20.05.2020). 2 Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/692 des Europäischen Parlamentes und des Rates über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt, Link: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl119s2002.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl119s 2002.pdf%27%5D__1589957349993 (zuletzt aufgerufen am 20.05.2020). 3 Von der Verfasserin der Kurzinformation hervorgehoben. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Fragen zur Freistellung gemäß § 28b des Energiewirtschaftsgesetzes Kurzinformation Fragen zur Freistellung gemäß § 28b des Energiewirtschaftsgesetzes Fachbereich WD 5 (Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 3. die Freistellung sich nicht nachteilig auf den Wettbewerb auf dem Erdgasbinnenmarkt in der Europäischen Union und dessen effektives Funktionieren auswirkt und die Versorgungssicherheit in der Europäischen Union nicht beeinträchtigt wird. (…).“ 2. Rechtsfolgen der Ablehnung der des Freistellungsantrags Wird der Antrag des Betreibers der Gasverbindungsleitung auf Freistellung nach § 28b Abs. 1 EnWG von der Regulierungsbehörde abgelehnt, so unterliegt er den üblichen europäischen sowie nationalen Regulierungsvorgaben des Energiewirtschaftsrechts. Die §§ 8 bis 10e sowie §§ 20 bis 28 EnWG finden dann, anders als im Falle einer Ausnahmegenehmigung, regulär Anwendung. Dazu gehört zum einen, dass die Betreiber der Pflicht zur eigentumsrechtlichen Entflechtung gemäß § 8 EnWG für vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen unterliegen.4 Diese bestimmt , dass der Transportnetzbetreiber zugleich Eigentümer sein muss und – zusammengefasst – nicht gemeinsam mit einem Unternehmen, das in einer anderen Sparte der Energieversorgungskette (beispielsweise Erzeugung oder Gewinnung) tätig ist, in gleicher Hand sein darf. Durch diese Trennung soll die Unabhängigkeit der Netzbetreiber gewährt werden. Als Alternative zur eigentumsrechtlichen Entflechtung bietet das Gesetz unter jeweils speziell geregelten weiteren Voraussetzungen die Möglichkeit der Schaffung eines unabhängigen Systembetreibers (§ 9 EnWG) oder eines unabhängigen Transportnetzbetreibers (§§ 10 bis 10e EnWG). Darüber hinaus finden auch die Regelungen zum regulierten Netzzugang sowie zu den regulierten Netznutzungsentgelten der §§ 20 bis 28 EnWG voll Anwendung. Die Vorschriften zum Netzzugang bestimmen, dass der Betreiber der Gasverbindungsleitung anderen interessierten Lieferanten bzw. Energieversorgungsunternehmen die Nutzung bzw. den Zugang zu seiner Leitung diskriminierungsfrei ermöglichen muss, wenn kein Grund zur Verweigerung vorliegt (Netzzugang Dritter). § 20 Abs. 1 EnWG statuiert dabei die grundsätzliche Pflicht von Netzbetreibern zur Gewährung des Netzzugangs. Daraus ergibt sich ein Anspruch auf Abschluss eines Vertrages zwischen dem Betreiber und dem Dritten (Netznutzungsvertrag).5 6 Den Zugang zur Netznutzung muss der Betreiber dabei grundsätzlich allen zu den gleichen Modalitäten gewähren.7 4 Die übrigen Vorschriften zur Entflechtung (für Transportnetzbetreiber sind das insbesondere §§ 6, 6a und 6b EnWG) finden darüber hinaus ebenfalls Anwendung. Das gilt jedoch auch für den Fall der Freistellung nach § 28b EnWG. 5 Vgl. Hartmann, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, Werkstand 103. EL Oktober 2019, Energiewirtschaftsgesetz , § 20 Rn. 30 ff. 6 Für Gasversorgungsnetze konkretisiert der § 20 Abs. 1 b EnWG den Netzzugang. 7 Vgl. Hartmann, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, Werkstand 103. EL Oktober 2019, Energiewirtschaftsgesetz , § 20 Rn. 23 ff. Kurzinformation Fragen zur Freistellung gemäß § 28b des Energiewirtschaftsgesetzes Fachbereich WD 5 (Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Die Regulierung der Netznutzungsentgelte (insbesondere in den §§ 21 ff. EnWG geregelt8) hat zur Folge, dass der Betreiber die von ihm erhobenen Entgelte nicht frei festlegen kann, sondern an die Vorgaben gebunden ist. Er unterliegt damit dem in Deutschland geltenden System der Anreizregulierung und hat nach Festlegung der Erlösobergrenzen durch die Regulierungsbehörde seine Netzentgelte entsprechend zu berechnen. Mit den Pflichten über den diskriminierungsfreien Netzzugang sowie über die Regulierung der Netzentgelte gehen weitere (Neben)pflichten für den Betreiber einher, so etwa unterliegen Angaben über seine Netzentgelte sowie die Modalitäten des Netzzugangs einer Veröffentlichungspflicht .9 *** 8 Die Vorgaben zur Regulierung der Netznutzungsentgelte sind in mehreren Ausführungsverordnungen, z.B. ARegV und GasNEV, konkretisiert. 9 Vgl. Missling, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, Werkstand: 103. EL Oktober 2019, Energiewirtschaftsgesetz, § 21 Rn. 34 ff.