© 2018 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 047/18 Landwirtschaftliche Klein- und Kleinstbetriebe: Bürokratieabbau und Schlachtung von Schweinen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 2 Landwirtschaftliche Klein- und Kleinstbetriebe: Bürokratieabbau und Schlachtung von Schweinen Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 047/18 Abschluss der Arbeit: 11.4.2018 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Bürokratie in der Landwirtschaft 4 2.1. Der Anstieg der bürokratischen Belastung 5 2.2. Entlastung von Bürokratie 7 3. Schweineschlachtung 9 3.1. Hygienerecht und Tierschutz 9 3.1.1. Hygienerecht 9 3.1.2. Tierschutzrecht 13 3.2. Hausschlachtung 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 4 1. Einleitung Dem Sachstand liegt zum einen die Frage nach Informationen zum Bürokratieabbau in der Landwirtschaft zugrunde. Zum anderen wird nach einer Möglichkeit zur Vereinfachung von Erzeugerschlachtungen bei Schweinen gefragt. In dieser Arbeit wird in das Thema Bürokratisierung und Bürokratieabbau in der Landwirtschaft eingeführt. Eine erschöpfende Darstellung des Themas konnte dabei schon aus Zeitgründen nicht erfolgen. Ferner wird die rechtliche Situation bei der Schlachtung von Schweinen überblicksartig dargestellt, um Schlachtungen beim Erzeuger rechtlich einordnen zu können. 2. Bürokratie in der Landwirtschaft Bürokratie ist generell ein zunehmendes Problem moderner Volkswirtschaften aber insbesondere in der Landwirtschaft, weil dort (vor allem in Süddeutschland) viele Klein- und Kleinstbetriebe anzutreffen sind. Die kleinbetrieblichen Strukturen lassen kaum Arbeitsteilung zu, sie erfordern Generalisten und stehen einer Spezialisierung entgegen. Das Problem ist nicht neu, genauso wenig wie etwaige Lösungsversuche.1 Die Bürokratie in landwirtschaftlichen Betrieben, dargestellt am Beispiel von Milchviehbetrieben in Baden-Württemberg, war bereits im Jahr 2012 Dissertationsthema.2 Dabei versteht Rothfuß unter „Bürokratie“ ein „Phänomen […], das sowohl eine Sammlung innerbetrieblicher Organisationsprinzipien , als auch eine staatliche Herrschaftsform und den dafür erforderlichen Gesetzesrahmen darstellt.“3 In der Einleitung schreibt Rothfuß: „Landwirtschaftliche Betriebe sind in zunehmendem Maße mit Regelungen konfrontiert, die ihre betrieblichen Prozesse betreffen und deren Durchführung bestimmen. Viele dieser Regelungen beinhalten Pflichten zur Dokumentation der Prozesse und zur Meldung von betrieblichen Informationen, also Bürokratie. Da die Zahl dieser Regelungen zunimmt und ihre Erfüllung zeitlichen und zum Teil auch finanziellen Aufwand verursacht, stellt Bürokratie eine zunehmende Belastung für die landwirtschaftlichen Betriebe dar. Diese Entwicklung kann auch in anderen Branchen beobachtet werden, sie trifft jedoch den landwirtschaftlichen Sektor besonders, weil Kleinbetriebe im Vergleich zu größeren Unternehmen in der Summe relativ stärker durch Bürokratie belastet sind […] Auf Grund der kleinbetrieblichen Strukturen in der deutschen Landwirtschaft sind also verglichen mit anderen Branchen einmal besonders viele Betriebe und davon ein großer Teil besonders stark betroffen.“4 1 Siehe zB http://www.deutschlandfunk.de/was-verbirgt-sich-hinter-dem-schlagwort-entbuerokratisierung .724.de.html?dram:article_id=97555. 2 Rothfuß, Kathrin Maria, Bürokratie in landwirtschaftlichen Betrieben - Dargestellt am Beispiel von Milchviehbetrieben in Baden-Württemberg, Dissertation, 2012, https://d-nb.info/1037391500/34 (letzter Abruf 10.4.2018) 3 Rothfuß, https://d-nb.info/1037391500/34, S. 19. 4 Rothfuß, https://d-nb.info/1037391500/34, S. 1 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 5 Im Kapitel über die Entwicklung von Bürokratie in kleinbäuerlichen Strukturen schreibt Rothfuß: „In der soziologischen Bürokratieforschung galt der (klein-)bäuerliche Familienbetrieb lange als das Gegenkonzept zu bürokratisch geführten Industrieunternehmen oder der staatlichen Verwaltung.“5 So wird in der deutschen Landwirtschaft immer mehr über die Belastung durch die Bürokratisierung geklagt.6 Laut Deutschem Bauernverband sollen Landwirte immer mehr Zeit für bürokratische Pflichten aufwenden müssen.7 Tierhalter sitzen laut einer vom Deutschen Bauernverband angeführten empirischen Erhebung im Rahmen des Konjunkturbarometers Agrar aus dem Jahr 2017 im Monat vier Stunden länger am Schreibtisch als noch im Jahr 2014.8 Das Problem ist auch nicht auf die Europäische Union oder gar auf Deutschland beschränkt. Auch in der Schweiz wird über zunehmende Bürokratisierung in der Landwirtschaft geklagt.9 Dabei ist keineswegs der Staat allein verantwortlich für den Anstieg von Bürokratie. Rothfuß schreibt: „In den vergangenen Jahren wird die Bürokratiebelastung jedoch nicht mehr nur durch staatliche Regelungen ausgelöst, sondern auch durch die Verbreitung von privatwirtschaftlichen Qualitätssicherungssystemen und vertraglichen Regelungen. Diese regulieren ebenfalls durch Standardvorgaben die Produktionsprozesse und fordern für die eigenen Kontrollen und für eine größere Transparenz entsprechende Dokumentationen.“ 10 2.1. Der Anstieg der bürokratischen Belastung Nach Rothfuß machen die Gemeinsame Agrarpolitik der EU und globale Märkte die alte „unbürokratische “ Betriebsführung in der Landwirtschaft weitgehend unmöglich, und die Landwirte sind inzwischen von einer Vielzahl bürokratischer Pflichten betroffen.11 Als Beispiele für Regelungen, die zu mehr Bürokratie geführt haben, referiert Rothfuß im Jahr 2012 mit Blick auf die davor liegenden 20 Jahre: 5 Rothfuß, https://d-nb.info/1037391500/34, S. 24 ff. m.w.N. 6 https://www.agrarheute.com/management/buerokratie-landwirte-sitzen-immer-laenger-schreibtisch-537312; https://www.shz.de/lokales/holsteinischer-courier/auf-dem-trecker-sitzt-der-bauer-kaum-id9203381.html (letzter Abruf 10.4.2018). 7 http://www.bauernverband.de/zeitaufwand-buerokratie (letzter Abruf 10.4.2018). 8 http://mobil.bauernverband.de/zeitaufwand-buerokratie; https://www.agrarheute.com/management/buerokratie -landwirte-sitzen-immer-laenger-schreibtisch-537312. 9 http://www.20min.ch/schweiz/news/story/Wachsender-Druck-treibt-viele-Bauern-in-den-Suizid-24473348. 10 Rothfuß, https://d-nb.info/1037391500/34, S. 1 11 Rothfuß, https://d-nb.info/1037391500/34, S. 29 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 6 • „die Einführung der flächenbezogenen (VO (EWG) Nr. 1765/92 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 1992)) und tierindividuellen (VO (EG) Nr. 1254/1999 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 1999)) staatlichen Prämien, • die tierindividuellen bzw. bestandsbezogenen Meldepflichten für Rinder und für Schweine, Schafe und Ziegen (Viehverkehrsverordnung (BGBl. 1, 2010), VO 1760/2000 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 2000), VO 21/2004 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 2004a)) • die Verschärfung der Tierarzneimittelregelungen (Arzneimittelgesetz (BGBl. 1, 2005a), Tierhalter-Arzneimittel-Nachweisverordnung (BGBl. 1, 2006)) • die Ausweitung der unternehmerischen Haftungspflicht unter anderem durch das sogenannte Lebensmittelhygiene-Packet der EU (VO (EG) 178/2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 2002), VO (EG) 852/2004 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften , 2004b), VO (EG) 853/2004 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 2004c) und VO (EG) 183/2005 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 2005)) sowie die damit verbundenen Informationspflichten • die Einführung der Aufzeichnungen im Pflanzenbau durch die Düngeverordnung (BGBl. 1, 2007b) und das Bundesnaturschutzgesetz (BGBl. 1, 2007a) bzw. das Pflanzenschutzgesetz (BGBl. 1, 1998) und • letztlich eine zusätzliche Betonung all dieser Regelungen durch die Einführung der Cross-Compliance Regelung (VO (EG) 1782/2003 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften , 2003)), welche die Einhaltung des Fachrechts mit der Bewilligung von staatlichen Beihilfen verknüpft.“ 12 Das Problem stellen nicht einzelne Regelungen dar, sondern ihre Summe.13 Deshalb besteht bei der Bürokratiebekämpfung die Herausforderung nicht nur darin, einzelne besonders belastende Vorgaben zu identifizieren und zu beseitigen, sondern die bürokratischen Pflichten in ihrer Gesamtheit zu erfassen und die Masse zu reduzieren. 12 Rothfuß, https://d-nb.info/1037391500/34, S. 29 f. 13 So Wolfgang Schleicher, Stabsstelle Bürokratiefilter beim Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, in folgendem Video: https://www.br.de/mediathek/video/buerokratieabbau-wenigervorschriften -fuer-landwirte-av:58cc231a2bcb510012e62f95 . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 7 2.2. Entlastung von Bürokratie Die Bemühungen um einen Abbau von Bürokratie beziehen sich auf viele Branchen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) verweist auf seiner Webseite auf das Programm der Bundesregierung „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“14 und auf das zweite Bürokratieentlastungsgesetz 15. Der Kern des Problems besteht darin, dass jede einzelne Regelung einen Grund hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Landwirtschaft subventioniert wird.16 Das, was als Bürokratie bezeichnet wird, ist zum Teil die Konsequenz der Subventionierung. So erwähnt Rothfuß, dass beispielsweise durch Dokumentations- und Meldepflichten Transparenz der landwirtschaftlichen Produktion als Grundlage für die Verwaltung der staatlichen Prämien erreicht werden soll.17 Es gibt verschiedene Handlungsempfehlungen, die auch für den Bereich Landwirtwirtschaft von Relevanz sind. So formuliert Rothfuß u.a. Empfehlungen für den Gesetzgeber, beispielsweise Gesetze mit einem Ablaufdatum zu verabschieden (Sunset-Regelungen) oder eine Kosten-Nutzen- Bewertung vor Verabschiedung des Gesetzes.18 Durch ein Ablaufdatum sei nach einer bestimmten Zeit Aktivität gefordert, um das Gesetz zu erhalten. Vorschläge zur besseren Rechtsetzung haben auch Eingang in die Regelungen zur Vorbereitung neuer Rechtsetzung und bei der Rechtsprüfung gefunden (§§ 42 ff. GGO19) gefunden.20 14 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/buerokratieabbau.html (letzter Abruf 10.4.2018). 15 Zweites Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie vom 30. Juni 2017, BGBl. I, S. 2143 ff. 16 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/im-gespraech-gerd-sonnleitner-vom-bauernverbandbauern -koennen-wieder-bessere-preise-durchsetzen-12216.html; Siehe auch Sechsundzwanzigster Subventionsbericht der Bundesregierung, Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2015 bis 2018, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2018-08-23- subventionsbericht-26.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (letzter Abruf 10.4.2018). 17 Rothfuß, https://d-nb.info/1037391500/34, S. 30. 18 Rothfuß, https://d-nb.info/1037391500/34, S. 159 ff.; siehe auch: http://www.deutschlandfunk.de/was-verbirgtsich -hinter-dem-schlagwort-entbuerokratisierung.724.de.html?dram:article_id=97555. 19 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO), Stand: 1. September 2011, http://www.verwaltungsvorschriften -im-internet.de/bsvwvbund_21072009_O11313012.htm. 20 Siehe auch Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Teil A, Rechtsprüfung, 6. Hilfen bei der Vorbereitung von Entwürfen und bei der Rechtsprüfung, Rn. 44, http://hdr.bmj.de/page_a.6.html#an_40. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 8 Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erwartet sich von der Dritten Verordnung zur Änderung der Direktzahlungen-Durchführungsverordnung und der InVeKoS-Verordnung 21 eine spürbare bürokratische Entlastung der Landwirtschaft.22 Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat 2015 gefordert, dass die EU-Förderungen im Landwirtschaftsbereich wesentlich vereinfacht werden. Dies würde Landwirte und Verwaltung entlasten . Der Rechnungshof schreibt in seinen Empfehlungen: „Wir schätzen, dass sich der EU-bedingte Mehraufwand um 70 Prozent reduzieren ließe, wenn eine grundsätzliche Neuausrichtung stattfindet, die EU die hierfür erforderlichen gesetzlichen Rahmenvorgaben schafft und ihre Kontrollpraxis danach ausrichtet. Dadurch könnten jährlich 21,5 Mio. Euro eingespart werden. Das gesamte Verfahren der Zusammenarbeit und der Kontrollen sollte (…) überarbeitet und vereinfacht werden.“23 Der Freistaat Bayern hat Ende 2016 einen Beirat zum Bürokratieabbau ins Leben gerufen. Erklärtes Ziel ist es, die bayerische Landwirtschaft vor „überzogenen Vorschriften zu bewahren“. Nach Auffassung des bayerischen Landwirtschaftsministeriums sind bäuerliche Familienbetriebe zum Teil völlig übertriebenen Auflagen und Dokumentationspflichten ausgesetzt, die in keinerlei Verhältnis mehr zum Aufwand stünden. Weil die Betroffenen am besten wüssten, an welchen Stellen unnötige und vermeidbare bürokratische Lasten bestünden, seien in dem 18-köpfigen Gremium , neben Experten aus der Verwaltung, auch elf Landwirte aus ganz Bayern vertreten. Aufgabe des Beirats sei es, bürokratische Regelungen zu identifizieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten . Bereits zuvor wurde eine Bürokratie-Filterstelle eingerichtet. Diese unterziehe – unterstützt vom Beirat – jede Vorgabe aus Brüssel und Berlin einer Kosten-Nutzen-Analyse, einer Art Praktikabilitätstest. Gleichzeitig sei sie Anlaufstelle für die Bäuerinnen und Bauern. 24 Ergebnisse aus der Arbeit des Beirates sind bislang öffentlich noch nicht bekannt. 21 Dritte Verordnung zur Änderung der Direktzahlungen-Durchführungsverordnung und der InVeKoS-Verordnung vom 23. März 2018, BAnz AT 29.03.2018 V1, https://www.bundesanzeiger.de/ebanzwww/wexsservlet?page.navid =official_starttoofficial_view_publication&session.sessionid=9a0552e144ba4148678c2a598baa1d3e&fts_search _list.selected=2004a406106a914d&&fts_search_list.destHistoryId=16250&fundstelle =BAnz_AT_29.03.2018_V1 (letzter Abruf 11.4.2018). 22 https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2018/20-InVeKoS-Verordnung.html?nn=312878#Start. 23 Rechnungshof Baden-Württemberg, Beratende Äußerung Kontrollsystem und Verwaltungskosten bei EU-Förderverfahren in den Bereichen EGFL und ELER, Juli 2015, https://www.bwagrar.de/artikel.dll/fre0207bAesip-eler _NDc5MjU5MQ.PDF?UID=F221365B949B675A5E5BFC70F3C600CD840F610880911A (letzter Abruf 10.4.2018), S. 21; siehe auch: https://www.bwagrar.de/Aktuelles/Politik/Rechnungshof-kritisiert-zu-teure-Buerokratie ,QUlEPTQ3OTI1OTImTUlEPTUyNjEzJlRFTVBfTUFJTj1Qb3J0cmFpdF9Eb3dubG9hZC5odG0.html. 24 http://www.stmelf.bayern.de/service/presse/pm/2016/153528/index.php (letzter Abruf 10.4.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 9 3. Schweineschlachtung Die Schlachtbranche hat mittlerweile einen hohen Konzentrationsgrad erreicht. So verarbeiten die zehn größten Schlachthöfe in Deutschland rund 75 Prozent der Schweine.25 Diesem Sachstand liegt die Forderung zugrunde, dass auch bäuerliche Klein- und Kleinstbetriebe , insbesondere Nebenerwerbslandwirte, selbst am Hof zu gewerblichen Zwecken ihre Schweine schlachten dürfen. Hier werden für die Fragestellung wesentliche rechtliche Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Schlachtung von Schweinen überblicksartig dargestellt, um diese Forderung rechtlich einordnen zu können. Dabei geht es vor allem um Hygienevorschriften und den Tierschutz. Im Ergebnis ist das Schlachten von Schweinen zur Gewinnung von Fleisch für das Inverkehrbringen nur in dafür zugelassenen Betrieben erlaubt.26 Auf die Ausnahmeregelung für (nicht gewerbliche ) Hausschlachtungen wird weiter unten eingegangen. 3.1. Hygienerecht und Tierschutz 3.1.1. Hygienerecht In der Europäischen Union (EU) gelten einheitliche Grundsätze für die Lebensmittelhygiene. Murmann stellt die Verzahnung von europäischem und nationalem Hygienerecht in folgender Grafik dar: 25 https://www.agrarheute.com/tier/schwein/schwein-zehn-groessten-schlachthoefe-deutschland-445426 (letzter Abruf 11.4.2018). 26 So auch Murmann in: Streinz/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, Verlag C.H. Beck, Kapitel V F, 38. EL Oktober 2017, Das Hygienerecht der EU, Rdnr. 129d (zitiert nach Beck-Online). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 10 Quelle: Murmann in Streinz/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, Verlag C.H. Beck, Kapitel V F, 38. EL Oktober 2017, Das Hygienerecht der EU (Rdnr. 126 ff) (entnommen aus Beck-Online).27 27 Die Abkürzungen stehen für folgende nationale Rechtsvorschriften: LFGB: Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch )In der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), zuletzt geändert durch Art. 1 G zur Änd. futtermittelrechtlicher und tierschutzrechtlicher Vorschriften vom 30.6.2017 (BGBl. I S. 2147). AVVRÜB: Allgemeine Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Lebensmittelrechts, des Rechts der tierischen Nebenprodukte, des Weinrechts , des Futtermittelrechts und des Tabakrechts (AVV Rahmen-Überwachung - AVV RÜb) vom 3. Juni 2008 (GMBl. S. 426), zuletzt geändert durch Art. 1 Dritte ÄndVwV vom 15.2.2017 (BAnz AT 17.02.2017 B3). LMHV: Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln(Lebensmittelhygiene-Verordnung - LMHV), in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2016, (BGBl. I S. 1469), geändert durch Art. 2 VO zur Neuordnung trinkwasserrechtlicher Vorschriften vom 3.1.2018 (BGBl. I S. 99). Tier-LMHV: Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung - Tier-LMHV) vom 8. August 2007 (BGBl. I S. 1816, 1828), zuletzt geändert durch Art. 14 VO zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel vom 5.7.2017 (BGBl. I S. 2272). TierLMÜwVO: Verordnung zur Regelung bestimmter Fragen der amtlichen Überwachung des Herstellens, Behandelns und Inverkehrbringens von Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Überwachungsverordnung - Tier-LMÜV) vom 8. August 2007 (BGBl. I S. 1816, 1864), zuletzt geändert durch Art. 3 Dritte VO zur Änd. von Vorschriften zur Durchführung des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts vom 8.3.2016 (BGBl. I S. 444). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 11 Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) schreibt in seinem Übersichtsartikel zur Lebensmittelhygiene: „Kerngedanken des in allen Mitgliedstaaten geltenden EU-Lebensmittelhygienerechts sind unter anderem die Stärkung der Eigenverantwortung der Lebensmittelunternehmerinnen und -unternehmer für die Lebensmittelsicherheit und die Einbeziehung der gesamten Lebensmittelkette nach dem Motto "vom Stall bis auf den Tisch". (…) Alle Lebensmittelunternehmen , also auch die landwirtschaftlichen Betriebe, unterliegen dem EU-Hygienerecht und haben auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen einschließlich der Primärproduktion dafür Sorge zu tragen, dass die von ihnen in Verkehr gebrachten Lebensmittel sicher sind. Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden. Lebensmittel gelten dann als nicht sicher, wenn sie gesundheitsschädlich oder für den Verzehr aufgrund von Verunreinigung oder Verderb ungeeignet sind. (…) Lebensmittelunternehmerinnen und Lebensmittelunternehmen, die in der Primärproduktion tätig sind, haben die allgemeinen Hygienevorschriften (Gute Hygienepraxis) des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 852/200428 zu erfüllen, die insbesondere den Schutz der Primärerzeugnisse vor Kontaminationen und Schadstoffrückständen sicherstellen sollen. (…) Wenn Lebensmittel tierischen Ursprungs produziert, verarbeitet oder vertrieben werden, gelten zusätzlich die spezifischen Hygieneanforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/200429. Betriebe, die Lebensmittel tierischen Ursprungs herstellen, sind verpflichtet, auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 auch in Verbindung mit der nationalen Tier-LMHV eine Zulassung zu beantragen. Die Zulassung ist grundsätzliche Voraussetzung dafür, dass die betreffenden Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden dürfen. (…) Alle Schlachtbetriebe sind zulassungspflichtig. Dies gilt auch für kleine selbstschlachtende Metzgereien oder Direktvermarkter, die selbst schlachten. Die Zulassungsanforderungen des EU-Lebensmittelhygienerechts sehen keine starren und detaillierten Vorgaben vor, sondern sind so flexibel formuliert, dass die individuelle Situation auch kleiner und kleinster Schlachtbetriebe angemessen berücksichtigt werden kann. Aus ihnen ergeben sich für die Zulassungsbehörden Ermessensspielräume, durch die den individuellen Gegebenheiten des zuzulassenden Betriebs, insbesondere bei handwerklich strukturierten Betrieben Rechnung getragen werden kann. Mit der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Lebensmittelhygiene30 stehen den Zulassungsbehörden zudem Auslegungshinweise für die Zulassungsanforderungen zur Verfügung, um einzelfallbezogene und die 28 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. Nr. L 139 vom 30.4.2004, S. 1 ff), letzte konsolidierte Fassung vom 20.4.2009, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02004R0852- 20090420&qid=1523263608894&from=DE (letzter Abruf 9.4.2018) 29 Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. Nr. L 139 vom 30.4.2004, S. 55 ff.), letzte konsolisierte Fassung vom 21.11.2017, https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02004R0853-20171121&qid=1523264024513&from=DE (letzter Abruf 9.4.2018) 30 Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung von Hygienevorschriften für Lebensmittel und zum Verfahren zur Prüfung von Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis (AVV Lebensmittelhygiene - AVV LmH) vom 9. November 2009, (BAnz. Nr. 178a), zuletzt geändert durch Art. 1 Zweite AVwV zur Änd. von Verwaltungsvorschriften im Bereich des Lebensmittelrechts vom 20. 10. 2014 (BAnz AT 07. 11. 2014 B2). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 12 besondere Situation kleiner und mittlerer Betriebe angemessen berücksichtigende Lösungen zu finden.“31 Die Zulassung der Betriebe ist Voraussetzung dafür, das Lebensmittel in Verkehr bringen zu dürfen .32 In der Praxis geht es bei der Zulassung der Betriebe u.a. um die räumliche Trennung von Schlachtung und Weiterverarbeitung (s. Anhang III Abschnitt I Kapitel II der Verordnung (EG) Nr. 853/2004). Das nationale Recht sieht in § 12 Tier-LMHV Ausnahmen von der Schlachtung am Schlachthof vor. Dabei betrifft § 12 Abs. 1 Tier-LMHV die Notschlachtung von als Haustiere gehaltenen Huftieren (zu denen auch Schweine gehören) und § 12 Abs. 2 Tier-LMHV die Schlachtung von ganzjährig im Freien gehaltenen Rindern im Erzeugerbetrieb. Rathke33 zitiert zu der Regelung in Abs. 2 den Allgemeinen Teil der amtlichen Begründung: „Nach Anhang III Abschnitt I Kapitel IV Nummer 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 sind Schlachttiere grundsätzlich lebend in einen zugelassenen Schlachthof zu transportieren und dort zu schlachten. Eine Ausnahmemöglichkeit zur Schlachtung im Haltungsbetrieb besteht nach Anhang III Abschnitt III Nummern 3 und 4 dieser Verordnung lediglich für Bisons und Farmwild, wenn bestimmte Kriterien eingehalten werden und die zuständige Behörde die Schlachtung genehmigt. Für ganzjährig im Freiland gehaltene Rinder besteht diese Möglichkeit bislang nicht, obwohl bei diesen Tieren aufgrund ähnlicher Voraussetzungen ebenfalls eine Schlachtung im Haltungsbetrieb erforderlich werden kann. Die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 erlaubt den Mitgliedstaaten, unter bestimmten Bedingungen einzelstaatliche Vorschriften zur Anpassung von Anforderungen des Gemeinschaftsrechts zu erlassen. Derartige Vorschriften müssen darauf abzielen, entweder die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen oder den Bedürfnissen von Lebensmittelunternehmen in Regionen in schwieriger geografischer Lage Rechnung zu tragen. Sie sind der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedstaaten vor ihrem Erlass nach den entsprechenden Bestimmungen des EU-Lebensmittelhygienerechts zu notifizieren. Die Haltung von Rindern ganzjährig im Freiland stellt eine traditionelle Haltungsform dar, die häufig in Regionen in schwieriger geographischer Lage erforderlich ist. Der Transport derartig extensiv gehaltener Rinder in einen Schlachthof ist aufgrund der Wildheit der Tiere ohne Beeinträchtigung der Fleischqualität oft nicht möglich sowie wirtschaftlich nicht tragbar . Im Wege einer nationalen Ausnahmeregelung soll daher die Möglichkeit eröffnet werden, ganzjährig im Freiland gehaltene Rinder mit Genehmigung der zuständigen Behörde im Haltungsbetrieb zu schlachten. Die Regelung wurde der Europäischen Kommission als Teil 31 https://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/SichereLebensmittel/Hygiene/_Texte/LebensmittelhygieneImHandel .html, (letzter Abruf 9.4.2018). Fettung nicht im Original. 32 Murmann in: Streinz/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, Verlag C.H. Beck, Kapitel V F, 38. EL Oktober 2017, Das Hygienerecht der EU, Rdnr. 129a (zitiert nach Beck-Online). 33 Rathke in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Kommentar, Verlag C.H. Beck, 168. EL August 2017, § 12 Tier-LMHV, Rdnr. 1a (zitiert nach Beck-Online). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 13 der Ersten Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts unter der Notifizierungsnummer 2008/456/D nach Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 am 28.10.2008 notifiziert. Nachdem die Europäische Kommission jedoch eine gemeinschaftliche Lösung in Aussicht gestellt hatte, wurde die Erste Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts ohne diese Regelung erlassen. Da von der Europäischen Kommission jedoch bislang kein Entwurf für die angekündigte gemeinschaftliche Regelung vorgelegt wurde und die Voraussetzungen gemäß Artikel 10 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 gegeben sind, kann und soll die nationale Ausnahmeregelung nunmehr erlassen werden.“ In der Antwort des Ministeriums für ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Landes Baden- Württemberg auf die Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP34 wird der rechtliche Hintergrund in der Antwort auf Frage 4 wie folgt erläutert: „In dem unmittelbar anzuwendenden und hier einschlägigen EU-Lebensmittelhygienerecht (Verordnung [EG] Nr. 853/2004) ist die Schlachtung von Rindern im Herkunftsbetrieb nicht vorgesehen. Lediglich für Gehegewild und Bisons ist eine derartige Vorgehensweise nach EU-Recht möglich. Die Bestrebungen, eine EU-weite Ausnahmeregelung für Rinder einzuführen, wurden 2010 aufgrund der Bedenken der Tiergesundheitsseite (keine ordnungsgemäße Schlachttieruntersuchung [Lebendbeschau], keine Prüfung der Tierkennzeichnung vor der Tötung, Ausbreitung von Krankheiten durch austretendes Hirngewebe oder Blut) eingestellt. Das EU-Recht sieht allerdings die Möglichkeit vor, nationale Ausnahmeregelungen mit Zustimmung der EU-Kommission zu erlassen. Auf dieser Grundlage wurde 2011 in Deutschland die Ausnahme für die Schlachtung von einzelnen Rindern aus ganzjähriger Freilandhaltung im Herkunftsbetrieb eingeführt (§ 12 Abs. 2 Tier-LMHV). In Baden-Württemberg werden ca. 200 Rinder pro Jahr auf der Grundlage dieser Ausnahmeregelung geschlachtet und das Fleisch lokal vermarktet. Tierhalter, die ihre Rinderherde nur zu einem Teil des Jahres im Freien oder mit ganzjährigem Zugang zum Stall halten, können diese Regelung nicht in Anspruch nehmen. Eine Reihe weiterer Mitgliedsstaaten der EU strebt nationale Ausnahmeregelungen ähnlich der deutschen Regelung an. Die EU-Kommission lehnt diese aufgrund der Bedenken der Tiergesundheit bisher stets ab.“ Die „Hofnahe Schlachtung“ war im November 2016 auch Gegenstand eines Vortrags von Dr. Edwin Ernst, Leiter des Referates Lebensmittel tierischer Herkunft, Fleisch- und Geflügelfleischhygiene im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Landes Baden-Württemberg : https://mlr.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mlr/intern/dateien /PDFs/SLT/22_11_2016_Vortrag_Ernst_Hofnahe_Schlachtung.pdf. 3.1.2. Tierschutzrecht Das Tierschutzgesetz (TierSchG) enthält im dritten Abschnitt Regelungen über das Töten von Tieren und in § 4a TierSchG Vorschriften über das Schlachten warmblütiger Tiere. Ferner enthält 34 Landtagsdrucksache 16/177 vom 22.6.2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 14 § 4b TierschG eine Verordnungsermächtigung für das Schlachten u.a. warmblütiger Tiere. Von dieser und von anderen Ermächtigungen im TierSchG hat das BMEL mit der Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates (Tierschutz-Schlachtverordnung - TierSchlV35) Gebrauch gemacht. Warmblütige Tiere sind danach grundsätzlich vor der Schlachtung zu betäuben (§ 4a TierSchG). Wer Tiere schlachtet, muss die erforderliche Sachkunde besitzen (§ 4 TierSchlV). Zum Tierschutz bei der Schlachtung schreibt das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit : „Die tierschutzrechtlichen Vorgaben im Zusammenhang mit der Schlachtung sollen einen möglichst schonenden Umgang mit den Tieren unter größtmöglicher Vermeidung von Stress und Schmerzen garantieren. Verantwortlich für die Einhaltung der Vorschriften sind die Schlachthofbetreiber. (…)“36 Das Beratungs- und Schulungsinstitut für Tierschutz bei Transport und Schlachtung hat im Jahr 2013 das Dokument „Gute fachliche Praxis der tierschutzgerechten Schlachtung von Rind und Schwein“ publiziert37. Auch wenn es sich dabei um ein älteres Papier handelt, wird darin doch die Komplexität des Tierschutzes bei der Schlachtung deutlich. Auf die speziellen Anforderungen des Tierschutzes beim Transport wird hier vor dem Hintergrund der Frage nach den Möglichkeiten der Schlachtung beim Erzeuger nicht näher eingegangen . 3.2. Hausschlachtung Unter einer Hausschlachtung wird eine Schlachtung außerhalb gewerblicher Schlachtstätten für den eigenen häuslichen Verbrauch verstanden.38 Hausschlachtungen werden von der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 nicht erfasst.39 35 Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates (Tierschutz-Schlachtverordnung - TierSchlV) vom 20. Dezember 2012, BGBl. I S. 2982 36 https://www.lgl.bayern.de/tiergesundheit/tierschutz/schlachten/ue_2016_schlachthoefe.htm (letzter Abruf 9.4.2018) 37 http://www.bsi-schwarzenbek.de/Dokumente/bsi_gute_Praxis_4_13.pdf (letzter Abruf 9.4.2018). 38 http://zufish.schleswig-holstein.de/detail?pstId=8964004. 39 Rathke in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Kommentar, Verlag C.H. Beck, 168. EL August 2017, § 2a Tier-LMHV, Rdnr. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 15 Laut § 2a der Tierischen Lebensmittel-Hygieneverordnung40 ist es grundsätzlich zulässig, außerhalb eines zugelassenen Schlachthofes als Haustiere oder Farmwild gehaltene Huftiere zu schlachten oder zu töten (Hausschlachtung). Zu den Huftieren zählen in diesem Fall auch Schweine. Dementsprechend sind in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor Hausschlachtungen in kleinerem Umfang rechtlich zulässig und üblich. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich eine Reihe von Erleichterungen geschaffen.41 Für eine Hausschlachtung sind keine hygienerechtlichen Vorschriften zu beachten, abgesehen von Vorgaben für den Umgang mit tierischen Nebenprodukten, den so genannten Schlachtabfäl- 40 Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung - Tier-LMHV) § 2a Hausschlachtungen (1) Wer als Haustiere oder Farmwild gehaltene Huftiere außerhalb eines zugelassenen Schlachthofes für den eigenen häuslichen Verbrauch schlachten oder töten will, hat das jeweilige Tier nach Maßgabe des Absatzes 2 bei der zuständigen Behörde 1. zur amtlichen Schlachttieruntersuchung anzumelden, wenn der Verfügungsberechtigte unmittelbar vor der beabsichtigten Schlachtung eine Störung des Allgemeinbefindens des Tieres festgestellt hat, die nicht auf einen unmittelbar zuvor eingetretenen Unglücksfall zurückzuführen ist, 2. zur amtlichen Fleischuntersuchung anzumelden und 3. im Falle von Schweinen, Pferden oder anderen Huftieren, die Träger von Trichinen sein können, zur amtlichen Untersuchung auf Trichinen anzumelden. Satz 1 Nummer 3 gilt nicht für die Schlachtung von 1. Hausschweinen, die zum Zeitpunkt der Schlachtung nicht abgesetzt und weniger als fünf Wochen alt sind, oder 2. anderen Hausschweinen in einem Haltungsbetrieb, der nach Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang IV der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1375 der Kommission vom 10. August 2015 mit spezifischen Vorschriften für die amtlichen Fleischuntersuchungen auf Trichinen (ABl. L 212 vom 11.8.2015, S. 7) in der geltenden Fassung amtlich anerkannt kontrollierte Haltungsbedingungen anwendet. (2) Die Anmeldung nach Absatz 1 hat unter Angabe des in Aussicht genommenen Zeitpunktes der Schlachtung oder Tötung zu erfolgen. 41 Mit der ersten Verordnung zur Änderung von Vorschriften zur Durchführung des gemeinschaftlichen Lebensmittelrechts traten am 21.5.2010 die neuen Regelungen für Hausschlachtungen in Kraft (s. Rathke in: Zipfel /Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Kommentar, Verlag C.H. Beck, 168. EL August 2017, § 2a Tier-LMHV, Rdnr. 1). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 16 len. So dürfte die Schlachtung beispielsweise unter freiem Himmel oder in einer Scheune erfolgen .42 In der Praxis spart sich der Tierbesitzer damit Aufwand, wie z. B. die Fahrt zum Schlachthof (und dessen Gebühren). Die Entwicklung der Regelungen für Hausschlachtungen haben für den die Schlachtung veranlassenden Tierbesitzer sowohl zusätzliche Auflagen als auch Erleichterungen mit sich gebracht. Einerseits gilt in der Europäischen Union seit 2015 eine neue Durchführungsverordnung, die DV (EU) 2015/1375 mit spezifischen Vorschriften für die amtlichen Fleischuntersuchungen auf Trichinen 43 Aus diesem Grund ist nun auch Fleisch von Schweinen aus Hausschlachtungen im Labor zu untersuchen. Vor Abschluss der Untersuchung dürfen keine Teile des Tieres verzehrt werden . Andererseits ist seit Änderung der Tierischen Lebensmittel-Hygieneverordnung im Jahr 2010 vor der Hausschlachtung nicht mehr die Hinzuziehung eines Tierarztes erforderlich. Die amtliche Schlachttieruntersuchung erfolgt nur, wenn der Verfügungsberechtigte unmittelbar vor der beabsichtigten Schlachtung eine Störung des Allgemeinbefindens des Tieres festgestellt hat, die nicht auf einen unmittelbar zuvor eingetretenen Unglücksfall zurückzuführen ist (§ 2a Abs. 1 Ziffer 1 Tier-LMHV). Das bedeutet, dass auch bei Hausschlachtungen als Notschlachtung eine Anmeldung zur amtlichen Schlachttieruntersuchung nicht obligatorisch ist.44 Zu der Neuregelung hat sich der Tierärztliche Bezirksverband Oberbayern kritisch geäußert, denn das alte System der Hausschlachtung mit Lebenduntersuchung und Kennzeichnung des Schlachttierkörpers (Abstempeln) soll allen Betroffenen ein Mehr an Sicherheit gegeben haben, jedenfalls mehr als die Übertragung der Beurteilung des tierischen Allgemeinbefindens bzw. des Gesundheitszustandes vom Tierarzt auf den Landwirt.45 42 Siehe die übersichtliche Darstellung zum Thema Hausschlachtung im Merkblatt des Landratsamts Ludwigsburg von April 2015: http://www.landkreis-ludwigsburg.de/fileadmin/kreis-lb.de/pdf-dateien/buerger-info/gesundheit /veterinaerangelegenheiten/lebensmittelueberwachung/merkblatt_hausschlachtung_april2015.pdf. Ähnliche Merkblätter haben auch andere zuständige Behörden veröffentlicht. 43 Durchführungsverordnung (EU) 2015/1375 der Kommission vom 10. August 2015 mit spezifischen Vorschriften für die amtlichen Fleischuntersuchungen auf Trichinen, ABl. Nr. L 212/7 vom 11.8.2015 44 Unter „Notschlachtung“ wird die Situation verstanden, in der ein ansonsten gesundes Tier einen Unfall erlitten hat, der die Beförderung des Tieres aus Gründen des Tierschutzes verhindert und das Tier deshalb außerhalb eines Schlachthofs getötet werden muss. S. hierzu Rathke in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Kommentar , Verlag C.H. Beck, 168. EL August 2017, § 12 Tier-LMHV Rdnr. 6. 45 http://www.tbv-obb.de/content/index.html?Hausschlachtung.html (letzter Abruf 10.4.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 047/18 Seite 17 Zu berücksichtigen ist, dass das aus Hausschlachtungen gewonnene Fleisch für Dritte nicht in den Verkehr gebracht werden darf, d. h. es darf nur für den eigenen häuslichen Verbrauch verwendet werden. Der Verzehr muss auf die engsten Familienangehörigen beschränkt bleiben. Dies bedeutet, dass dieses Fleisch weder an Bekannte noch an Verwandte abgegeben werden darf.46 *** 46 S. hierzu auch Merkblatt des Landratsamts Ludwigsburg von April 2015: http://www.landkreis-ludwigsburg .de/fileadmin/kreis-lb.de/pdf-dateien/buerger-info/gesundheit/veterinaerangelegenheiten/lebensmittelueberwachung /merkblatt_hausschlachtung_april2015.pdf.