© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Öffentlichkeitsbeteiligung beim Gesamtkonzept Elbe Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 2 Öffentlichkeitsbeteiligung beim Gesamtkonzept Elbe Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Abschluss der Arbeit: 7. Juli 2021 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. Das Gesamtkonzept Elbe 4 2.1. Entstehung 4 2.2. Inhalt 5 2.2.1. Leitlinie 5 2.2.2. Anschlussprozess 5 3. Informelle Beteiligung 6 3.1. Allgemeines 6 3.2. Rechtlicher Rahmen 7 3.2.1. Befugnis 7 3.2.2. Verpflichtung? 8 3.3. Rechtsfolgen 8 3.3.1. Keine Präklusion 8 3.3.2. Keine Vorwegbindung 8 3.3.3. Einfluss des Bundestagsbeschlusses 10 3.3.4. Eingeschränkter Geltungsanspruch 10 4. Umsetzungsstand 11 5. Haushaltsrecht 11 6. Klageverfahren 12 7. Positionen der beteiligten Naturschutzverbände (WD 8) 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Im Jahr 2010 initiierten das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) die Initiative für die Erarbeitung des Gesamtkonzepts Elbe (GKE) von Bund und Ländern. Bund und Länder sollen sich bei ihrem Verwaltungshandeln im Hinblick auf die Nutzung und Erhaltung des Elbeabschnitts von der deutsch-tschechischen Grenze bis zum Wehr Geestacht bei Hamburg auf ein ergänzendes Koordinations- und Planungsinstrument stützen können. Dabei geht es darum , die verkehrliche und wasserwirtschaftliche Nutzung sowie den Umweltschutz in Einklang zu bringen.1 Sowohl bei der Entwicklung des Gesamtkonzepts als auch im Hinblick auf dessen Umsetzung durch konkrete (bauliche) Maßnahmen werden unterschiedliche Interessenträger sowie die Öffentlichkeit beteiligt. Einzelne Aspekte dieser Beteiligung werden im Folgenden untersucht . 2. Das Gesamtkonzept Elbe 2.1. Entstehung Zur Vorbereitung des Gesamtkonzepts erarbeiteten BMVI, BMUB und Länder in einem Bund- Länder-Gremium Eckpunkte und verabschiedeten am 23. Mai 2013 ein entsprechendes Dokument .2 Es enthält Rahmenbedingungen, Grundsätze und Ziele von Bund und Ländern.3 Neben den Eckpunkten wurde auch die Durchführung einer „Ist-Aufnahme“4 beschlossen. Diese wurde durch eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern der Behörden von Bund und Ländern in vier Arbeitspaketen erarbeitet: Wasserwirtschaft, Naturschutz, Stromregelung und Verkehr. Die Umwelt - und Wirtschaftsverbände hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Arbeitsgruppe unterbreitete des Weiteren einen Vorschlag für den Prozess der Erarbeitung des Handlungsrahmens („Soll-Konzept“). Im Sommer 2015 einigten sich Bund und Länder auf eine Arbeitsstruktur. Ein Bund-Ländergremium unter Leitung von BMVI und BMUB entschied über die Arbeitsaufträge, Verfahrensfragen sowie die Annahme von Dokumenten. Die Arbeitsgruppe war für die inhaltliche Erarbeitung des Gesamtkonzepts zuständig und anhand der vier genannten Arbeitspakete untergliedert. Interessenvertreter (Umweltschutz, Naturschutz, Wirtschaft, Verkehr, ein Kirchenvertreter) wurden über ein Beratergremium sowie als ständige Gäste (ohne Stimmrecht) im Bund-Länder-Gremium in die Erarbeitung des Gesamtkonzepts eingebunden. Ein externer Moderator übernahm die Leitung der Diskussion im Beratergremium.5 Auf seiner Sitzung am 17. Januar 2017 hat das Bund-Länder- 1 Bundestags-Drs. 18/11830 vom 29. März 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/118/1811830.pdf, S. 4. 2 Eckpunktepapier vom 23. Mai 2013, https://www.gesamtkonzept-elbe.bund.de/Webs/GkElbe/DE/Dialog/eckpunkte .pdf?__blob=publicationFile&v=1. 3 Bundestags-Drs. 18/11830 vom 29. März 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/118/1811830.pdf, S. 4. 4 Vgl. zu den Ergebnissen https://www.gesamtkonzept-elbe.bund.de/Webs/GkElbe/DE/Informationen/Hintergrund /Hintergrund_node.html;jsessionid=676F59679232BF80062814CE03713D24.live21301. 5 Bundestags-Drs. 18/11830 vom 29. März 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/118/1811830.pdf, S. 8ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 5 Gremium das Gesamtkonzept beschlossen.6 Der Bundestag hat am 22. Juni 2017 das von der Bundesregierung vorgelegte Gesamtkonzept Elbe zur Kenntnis genommen und dazu einen Beschluss gefasst (siehe unten Ziff. 3.3.3.).7 2.2. Inhalt 2.2.1. Leitlinie Das Gesamtkonzept enthält insbesondere eine Leitlinie mit den Themenfeldern, Zielen und Aufgaben (Kapitel 3), Maßnahmenvorschläge für Strecken mit hohem Konfliktpotential, und weitere konkrete Maßnahmen (Kapitel 4), Zukunftsbetrachtungen (Kapitel 5) sowie 55 Maßnahmenoptionen (Anlage 6).8 2.2.2. Anschlussprozess Kapitel 6 beschreibt den sogenannten Anschlussprozess, d. h. die konkrete Umsetzung von Maßnahmenvorschlägen des Gesamtkonzepts. In dem Zusammenhang wird auch die Struktur der Beteiligung der Interessenvertretungen und der Öffentlichkeit dargestellt. Zur Beteiligung wurden drei Gremien konstituiert. Eine Bund-Länder-Kommission (BLK) koordiniert die Umsetzung des GKE zwischen Bund und Ländern. Über einen Beirat werden die Interessengruppen in die Umsetzung und konkrete Ausgestaltung des GKE eingebunden. Ein Bund-Länder-Gremium entscheidet über einzelne Umsetzungsschritte außerhalb des durch das GKE gesetzten Rahmens. Eine Geschäftsstelle organisiert die Sitzungen des Beirats, des Bund-Ländergremiums und der BLK sowie thematische und regionale Beteiligungsformate und ist für die regelmäßige Kommunikation sowie die Transparenz der Beteiligungsprozesse verantwortlich. In regionalen und thematischen Beteiligungsverfahren werden konkrete Planungen, offene Fragen, Konzepte und Alternativkonzepte diskutiert. Dabei geht es um die Information und Konsultation der Beteiligten. Die Ausgestaltung des Verfahrens, die Fragestellung und der konkrete Untersuchungsumfang wird mit den Interessensvertretungen im Beirat und mit den regionalen Akteuren rückgekoppelt. Das Beteiligungsverfahren soll im Einklang mit dem Handbuch für gute Bürgerbeteiligung9 des 6 https://www.gesamtkonzept-elbe.bund.de/Webs/GkElbe/DE/Informationen/Ergebnis/Ergebnis .html?nn=1387344. 7 Beschluss vom 22. Juni 2017, Bundestags-Plenarprotokoll 18/240, S. 24649 (C), https://dserver.bundestag .de/btp/18/18240.pdf#P.24642; der Inhalt des Beschlusses ist der entsprechenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu entnehmen: Bundestags-Drs. 18/12844 vom 21. Juni 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/128/1812844.pdf. 8 Anlage 6, https://www.gesamtkonzept-elbe.bund.de/Webs/GkElbe/DE/Informationen/Ergebnis/Anlage 6.pdf;jsessionid=5E38B55F5A1B42F13B3B590F108F3D8A.live21302?__blob=publicationFile&v=3. 9 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/handbuch-buergerbeteiligung.pdf?__blob=publication- File. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 6 BMVI stehen.10 Die Struktur des Anschlussprozesses ist auch in einer Geschäftsordnung11 dargestellt . Die enge Kooperation zwischen Bundes- und Landesbehörden ist den unterschiedlichen Zuständigkeiten geschuldet.12 Der Bund (Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSV) ist nach Artikel 87 und 89 des Grundgesetzes (GG)13 hoheitlich für die Verwaltung der Elbe, einer Bundeswasserstraße, als Verkehrsweg zuständig. Die Länder sind für die Verwaltung als Gewässer (z. B. Hochwasserschutz, Gewässerreinhaltung, Naturschutz) nach den Artikeln 30 und 83 GG zuständig.14 In dem Konzept konnten nicht alle Fragestellungen abschließend behandelt werden.15 Insoweit ist es auch als Planungsinstrument nicht abschließend (siehe unten Ziff. 3.3.4.). 3. Informelle Beteiligung 3.1. Allgemeines Bei den oben beschriebenen Verfahren für die Erstellung des Gesamtkonzepts und dessen Umsetzung handelt es sich um eine Beteiligung der Interessenträger bzw. der Öffentlichkeit außerhalb der gesetzlich geregelten Verfahren (informelles Beteiligungsverfahren).16 Die gesetzlich geregelten Verfahren (frühe Öffentlichkeitsbeteiligung17, Anhörung im Planfeststellungsverfahren18) knüpfen an ein einzelnes Vorhaben an. Die Beteiligung wird vom jeweiligen Vorhabenträger bzw. der zuständigen Behörde durchgeführt. Hier handelt es sich jedoch um ein vorhabenübergreifendes Gesamtkonzept in den unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen verschiedener Behörden bzw. Bundesländer. 10 Bundestags-Drs. 18/11830 vom 29. März 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/118/1811830.pdf, S. 26f. 11 https://www.gesamtkonzept-elbe.bund.de/Webs/GkElbe/DE/Dialog/Geschaeftsordnung_Ordner/Geschaeftsordnung .pdf?__blob=publicationFile&v=2. 12 Bundestags-Drs. 18/11830 vom 29. März 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/118/1811830.pdf, S. 5. 13 https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html. 14 Vgl. dazu Bundestags-Drs. 19/26827 vom 19. Februar 2021, https://dserver.bundestag .de/btd/19/268/1926827.pdf, S. 1 sowie Bundestags-Drs. 18/11830 vom 29. März 2017, https://dserver.bundestag .de/btd/18/118/1811830.pdf, S. 5. 15 Bundestags-Drs. 18/11830 vom 29. März 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/118/1811830.pdf, S. 12. 16 Vgl. dazu Durinke/Durinke, KommJur 2016, 241, 242. 17 § 25 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), https://www.gesetze-im-internet.de/vwvfg/BJNR012530976.html. 18 § 73 VwVfG, https://www.gesetze-im-internet.de/vwvfg/BJNR012530976.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 7 3.2. Rechtlicher Rahmen 3.2.1. Befugnis Die gesetzlichen Beteiligungsvorschriften sind nicht als abschließend zu verstehen. In einem laufenden Verwaltungsverfahren (Planfeststellungsverfahren oder vorbereitendes Verfahren) sind zusätzliche Beteiligungsschritte möglich. Dies folgt bereits aus § 10 VwVfG (Verfahrensermessen) sowie § 24 VwVfG (Amtsermittlungspflicht). Auch im Vorfeld eines Verwaltungsverfahrens können informelle Beteiligungsschritte unternommen werden. Eine explizite Rechtsgrundlage ist dafür nicht erforderlich.19 Bei der Durchführung eines informellen Verfahrens sind dennoch bestimmte Grenzen einzuhalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur informellen Beteiligung im Vorfeld eines Planfeststellungsverfahrens mit Blick auf den Grundsatz der fairen Verfahrensgestaltung Folgendes ausgeführt: „Eine zur planerischen Gestaltung ermächtigte Behörde darf sich keiner Einflussnahme aussetzen , die ihr die Freiheit zur eigenen planerischen Entscheidung faktisch nimmt oder weitgehend einschränkt. Demgemäß muss die Behörde gegenüber jedermann jenes Maß an innerer Distanz und Neutralität wahren, das ihr in einer späteren Phase noch ein abgewogenes Urteil erlaubt. Die Planfeststellungsbehörde darf den Abwägungsvorgang daher nicht durch ein bloßes Aushandeln der zu beachtenden Belange mit dem Vorhabenträger oder anderen Stellen ersetzen. Kontaktaufnahmen, Informationen, Kenntnisnahmen und auch die Teilnahme an Besprechungen auf politischer Ebene sind zulässig, sofern daraus nicht im Einzelfall entscheidungsrelevante Vorfestlegungen betreffend den Verlauf und den Inhalt des Planfeststellungsverfahrens hervorgehen. Rechtlich zu beanstanden ist eine derartige Verfahrensweise daher nur dann, wenn die verfahrensrechtlich geordneten Entscheidungsebenen nicht mehr getrennt, einseitig Absprachen über die weitere Verfahrensgestaltung getroffen und der Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde von vornherein durch aktive Einflussnahme auf „politischer Ebene“ sachwidrig eingeengt wird. Danach bestehen grundsätzlich keine Bedenken, dem Planfeststellungsverfahren, auf dem die Entscheidung beruht, ein informelles Verfahren mit dem Ziel vorzuschalten, eine Empfehlung für eine Planung zu erarbeiten, die auf breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit stoßen kann. Gesetzliche Bestimmungen stehen dem nicht entgegen. Das Verfahren zur Erstellung des Plans, dessen Feststellung beantragt wird, ist vom Gesetzgeber bislang nicht ausgestaltet worden. Das lässt dem Vorhabenträger Raum für eine den jeweiligen Gegebenheiten Rechnung tragende Einrichtung eines informellen Lenkungsverfahrens zur Vertrauensbildung und Akzeptanzförderung […].“20 19 Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. September 2013, Az.: 4 VR 1.13, https://www.bverwg.de/260913B4VR1.13.0, Rn. 46 (zur Zulässigkeit einer dem Planfeststellungsverfahren vorgeschalteten informellen Bürgerbeteiligung); Urteil vom 3. März 2011, https://www.bverwg.de/de/030311U9A8.10.0, Rn. 24f.; Durinke/Durinke, KommJur 2016, 241, 245; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 9 Rn. 181. 20 Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. März 2011, https://www.bverwg.de/de/030311U9A8.10.0, Rn. 24f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 8 3.2.2. Verpflichtung? Eine Verpflichtung zur Durchführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung über die gesetzlichen Vorschriften hinaus besteht nicht.21 Beim Gesamtkonzept Elbe sind mehrere Länder und der Bund betroffen. Insoweit könnte man argumentieren, dass der Grundsatz der Bundestreue ein Mindestmaß an Abstimmung zwischen den betroffenen Ländern und dem Bund gebietet, um widersprüchliche , d. h. die gemeinsamen Ziele konterkarierende, Entscheidungen auszuschließen.22 Eine solche Abstimmung könnte sich unter anderem auch in einem gemeinsamen Prozess zur informellen Beteiligung der Öffentlichkeit widerspiegeln. 3.3. Rechtsfolgen 3.3.1. Keine Präklusion Eine informelle Beteiligung kann nicht zu einer Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Beteiligten führen. Aufgrund der Grundrechtsrelevanz fehlte es dafür schon an einer gesetzlichen Grundlage; die informelle Beteiligung ist nicht gesetzlich geregelt. Eine verbindliche Abschichtung von Fragen wird daher im Wege des informellen Verfahrens nicht vorgenommen. So steht es einem an dem Konsultationsprozess Beteiligten frei, später in einem Gerichtsverfahren sämtliche Einwendungen vorzubringen, selbst wenn er sich bei der Konsultation mit Punkten einverstanden erklärt hat oder Einwendungen nicht vorgebracht hat (keine Präklusion).23 3.3.2. Keine Vorwegbindung Auch die Verwaltung wird rechtlich nicht auf eine bestimmte Lösung festgelegt, selbst wenn sich die Beteiligten darauf im Konsultationsprozess geeinigt hätten (Verbot der Vorwegbindung, siehe oben unter Ziff. 3.2.1.).24 Dennoch können die Behörden die Ergebnisse der informellen Beteiligung bei der Vorbereitung einer Planungsgenehmigung nicht einfach ignorieren. So wurden von den Beteiligten Sachverhalte aufgearbeitet, welche die Verwaltung bei ihrer Amtsermittlung nicht ausblenden kann. Die Planfeststellungsbehörde hat nach § 24 Abs. 1 S. 1 21 Durinke/Durinke, KommJur 2016, 241, 245. 22 Vgl. zu den Ausprägungen des Grundsatzes der Bundestreue Grzeszick in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar , 93. Ergänzungslieferung Oktober 2020, Art. 20, Rn. 126ff. (u. a. Pflicht zur Rücksichtnahme, Abstimmung und Verständigung). 23 Vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 25 Rn. 79 (im Zusammenhang mit der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 25 Abs. 3 VwVfG), aber auch in Bezug auf informelle Beteiligungsverfahren allgemein); Handbuch für gute Bürgerbeteiligung des BMVI – Planung von Großvorhaben im Verkehrssektor –, https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/handbuch-buergerbeteiligung .pdf?__blob=publicationFile, S. 94f. 24 Vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 25 Rn. 79 (im Zusammenhang mit der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 25 Abs. 3 VwVfG) aber auch mit Blick auf informelle Beteiligungsverfahren allgemein); Handbuch für gute Bürgerbeteiligung des BMVI – Planung von Großvorhaben im Verkehrssektor –, https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/handbuch-buergerbeteiligung .pdf?__blob=publicationFile, S. 94f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 9 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)25 den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Bei der Bestimmung der Beweismittel hat sie ein Ermessen (§ 24 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Die informelle Beteiligung kann ein Instrument zur Erforschung der entscheidungserheblichen Tatsachen sein. Dies ersetzt jedoch nicht die weitere Sachverhaltsermittlung bzw. eigene Prüfung des Tatsachenmaterials durch die Behörde. Durch weitere eigene Ermittlungen kann sie im Hinblick auf die Tatsachen auch zu anderen Schlüssen kommen, welche mit den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung nicht deckungsgleich sind.26 Die in der informellen Beteiligung eingebrachten Positionen sind zudem für den Abwägungsvorgang relevant. Die Behörde muss die öffentlichen und privaten Belange würdigen und ermessensfehlerfrei gegeneinander abwägen. Diese Belange können im Beteiligungsverfahren veranschaulicht werden und müssen dementsprechend auch von der Verwaltung gewürdigt werden. Dies ist den zuständigen Behörden auch möglich, da die Ergebnisse des Konsultationsprozess dokumentiert werden und zumindest zum Teil auch öffentlich zugänglich sind. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt und dessen Würdigung werden dann auch Teil der Entscheidung der Behörde (Planfeststellungsbehörde). Jedoch stellt die Billigung eines Vorhabens durch die breite oder die betroffene Öffentlichkeit laut Bundesverwaltungsgericht keinen abwägungserheblichen Belang dar. Der entsprechende Passus in dem Gerichtsbeschluss lautet wie folgt: „Zwar darf einem Planfeststellungsverfahren ein informelles Verfahren mit dem Ziel vorgeschaltet werden, eine Empfehlung zu erarbeiten, die auf breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit stoßen kann (Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 25). Die Akzeptanz einer Entscheidung als solche, also ihre - vermutete - Billigung durch einen wie auch immer gezogenen Kreis von Betroffenen, wird damit aber nicht selbst zum abwägungserheblichen Belang. Die Planfeststellungsbehörde ist vielmehr selbst bei einem vorhergehenden , auf Förderung von Akzeptanz gerichteten Verfahren weiter gehalten, die für eine sachgerechte Ausübung planerischer Gestaltung notwendige Distanz und Neutralität zu wahren (Urteil vom 3. März 2011 a.a.O.).“27 Damit besteht auch keine Pflicht der Planungsbehörde, Akzeptanz herzustellen.28 Die faktischen Vorwirkungen einer informellen Beteiligung umfassen also nur jene Anforderungen, die zumindest auch im Interesse einer richtigen Entscheidung in der Sache gestellt sind.29 Dabei erscheint 25 https://www.gesetze-im-internet.de/vwvfg/BJNR012530976.html. 26 Binger, Grenzen informeller Bürgerbeteiligung im Rahmen von Planfeststellungsverfahren, Diss. Speyer 2020, S. 139 und 171. 27 Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. September 2013, Az.: 4 VR 1.13, https://www.bverwg.de/260913B4VR1.13.0, Rn. 46; Hervorhebung durch Verf. dieser Ausarbeitung. 28 Durinke/Durinke, KommJur 2016, 241, 244. 29 Binger, Grenzen informeller Bürgerbeteiligung im Rahmen von Planfeststellungsverfahren, Diss. Speyer 2020, S. 119 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 10 es zulässig, wenn zwischen mehreren möglichen planerischen Lösungen jene ausgewählt wird, der mehr Akzeptanz entgegengebracht wird.30 3.3.3. Einfluss des Bundestagsbeschlusses Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag über das GKE unterrichtet.31 Der Deutsche Bundestag hat zum Konzept am 22. Juni 2017 einen Beschluss gefasst32 und die Bundesregierung u. a. aufgefordert, das Gesamtkonzept zeitnah mit entsprechenden Maßnahmen zu unterlegen und diese umzusetzen. Dabei seien die erforderlichen Planfeststellungsverfahren vorzubereiten bzw. bereits eingeleitete Verfahren zur Baureife zu führen. Des Weiteren solle dem Deutschen Bundestag für die Haushaltsaufstellung der erforderliche Personal- und Sachmittelbedarf vorgelegt werden. Der Beschluss kann nur politische Wirkung haben. Eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren sowie der föderalen Zuständigkeitsordnung, welche die Zuständigkeiten für ein Planfeststellungsverfahren einschließlich der Entscheidungsbefugnisse der örtlich zuständigen Behörden modifizierten, kann ohne förmliches Gesetzgebungsverfahren nicht erreicht werden. Schließlich könnte eine verbindliche Klärung bestimmter entscheidungsrelevanter Punkte durch den Deutschen Bundestag auch im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes für die von den Vorhaben zur Umsetzung des Gesamtkonzepts Elbe Betroffenen verfassungsrechtlich relevant sein.33 Auch deswegen handelt es sich hier eher um einen schlichten Beschluss34 mit rein politischer Wirkung. 3.3.4. Eingeschränkter Geltungsanspruch Schon aus dem Text des Gesamtkonzepts folgt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmenoptionen nicht als „final und absolut“ angesehen werden. In dem Zusammenhang wird auch auf die Prüfung der Gegebenheiten vor Ort hingewiesen.35 Auch die im Anschlussprozess diskutierten Lösungen beanspruchen laut Gesamtkonzept keine abschließende Verbindlichkeit. Der entsprechende Passus lautet wie folgt: 30 Durinke/Durinke, KommJur 2016, 241, 244. 31 Bundestags-Drs. 18/11830 vom 29. März 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/118/1811830.pdf. 32 Beschluss vom 22. Juni 2017, Bundestags-Plenarprotokoll 18/240, S. 24649 (C), https://dserver.bundestag .de/btp/18/18240.pdf#P.24642; der Inhalt des Beschlusses ist der entsprechenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu entnehmen: Bundestags-Drs. 18/12844 vom 21. Juni 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/128/1812844.pdf. 33 Vgl. zur Problematik der Verkürzung des Rechtschutzes bei durch den Gesetzgeber erteilten Plangenehmigungen die Begründung des Gesetzentwurfs zum Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz (MgvG) in Bundestags-Drs. 579/19 vom 8. November 2019, S. 12 (Zu § 1), http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2019/0579-19.pdf. 34 Vgl. zu den schlichten Bundestagsbeschlüssen ohne Rechtsverbindlichkeit den Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste WD 3 - 3000 - 143/16 vom 6. Mai 2016, https://www.bundestag.de/resource /blob/436728/9c5c8696cd40d9fcbe355ea3316a58d4/wd-3-143-16-pdf-data.pdf, sowie Nettesheim in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, 93. Ergänzungslieferung Oktober 2020, Art. 59, Rn. 209, 209a. 35 Bundestags-Drs. 18/11830 vom 29. März 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/118/1811830.pdf, S. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 11 „Ein konkreter Arbeitsplan wird zu Beginn des Anschlussprozesses erstellt. Der Anschlussprozess beteiligt die Interessenvertretungen und die Öffentlichkeit transparent und in geeigneter Weise an der Entscheidungsfindung zur Umsetzung von Maßnahmenpaketen an der Elbe. Mit dem Anschlussprozess zum Gesamtkonzept Elbe soll - die Koordination zwischen den Bundes- und Landesbehörden bezüglich der Umsetzung des GKE gewährleistet, - die Umsetzung des WRRL [Wasserrahmenrichtlinie]-Bewirtschaftungsplans, der Natura 2000-Managementpläne etc. an der Elbe unterstützt werden, - der Informationsfluss und die Diskussion zwischen den Bundes- und Landesbehörden sowie den Interessenvertretungen aus Umwelt und Wirtschaft weitergeführt und - die enge Einbindung der Institutionen, zivilgesellschaftlichen Gruppen und der Öffentlichkeit aus den Regionen in den Beteiligungsprozessen organisiert werden. Die Beteiligung findet auf Ebene der Konsultation statt. Entscheidungen zur Planung und Umsetzung werden von den zuständigen Behörden getroffen. Diese Entscheidungen werden möglichst im Konsens mit den Interessenvertretungen (und ggfs. der Öffentlichkeit) vorbereitet . Sollte ein Konsens nicht möglich sein, wird der Dissens festgehalten, das Pro- und Contra verständlich für Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit aufbereitet und die Entscheidung von den Behörden begründet.“36 4. Umsetzungsstand Laut Bundesregierung erstellt der Bund derzeit gemeinsam mit den am Gesamtkonzept Elbe beteiligten Ländern einen Arbeits- und Zeitplan.37 Im Zuge des GKE wurde bisher die „Revitalisierung des Flutrinnensystems im Oberluch Rosslau“ abgeschlossen (Januar 2021). Seit November 2020 wurden Teile des Flutrinnensystems wiederhergestellt. Die Kosten des von der Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe in Auftrag gegebenen Projekts beliefen sich auf rund 213 000 Euro, die zu 100 % aus Landesmitteln getragen wurden.38 Weitere Informationen zur Umsetzung des Gesamtkonzepts sind auf den Internetseiten des Projekts abrufbar.39 5. Haushaltsrecht Die Verantwortung für die Finanzierung der Einzelmaßnahmen zur Umsetzung des Gesamtkonzepts obliegt dem Deutschen Bundestag und den Länderparlamenten. Der Bund ist insbesondere 36 Bundestags-Drs. 18/11830 vom 29. März 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/118/1811830.pdf, S. 25; Hervorhebung und Klammerzusatz durch Verf. dieser Ausarbeitung. 37 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 19/17874 vom 12. März 2020 (Antwort auf Frage 8), https://dserver.bundestag.de/btd/19/178/1917874.pdf. 38 https://www.gesamtkonzept-elbe.bund.de/Webs/GkElbe/DE/Presse/20210301_Renaturierung.html?nn=1387344. 39 https://www.gesamtkonzept-elbe.bund.de/Webs/GkElbe/DE/Home/home_node.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 12 für den Erhalt der Elbe als Bundeswasserstraße verantwortlich, während die Verwaltungskompetenzen für Naturschutz und Hochwasserschutz bei den Ländern liegen.40 Jede Körperschaft trägt die Kosten der in ihrer Zuständigkeit fallenden Ausgaben selbst (Art. 104 Abs. 1 Grundgesetz). Soweit ersichtlich, sind im Bundeshaushalt keine spezifisch für im Rahmen des GEK umzusetzende Maßnahmen veranschlagt. Am 2. Juli 2019 hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage zu den für das GEK veranschlagten Mittel die folgenden Ausführungen gemacht : „Der zusätzlich erforderliche Personalbedarf für die durch den Bund im Rahmen des GKE umzusetzenden Maßnahmen wurde mit 34,5 Dienstposten ermittelt. Davon entfallen 30,5 Dienstposten auf die WSV und jeweils zwei Dienstposten auf die Bundesanstalt für Wasserbau und die Bundesanstalt für Gewässerkunde. Mit dem neuen Planungspersonal und nach Erstellung eines Zeit- und Maßnahmenplanes, erfolgt die Ermittlung des konkreten Sachmittelbedarfs mit den jeweils notwendigen Haushaltsanmeldungen.“41 6. Klageverfahren Soweit ersichtlich und aus öffentlichen Quellen ermittelbar, sind gegen die Umsetzung des GEK keine Klageverfahren anhängig.42 7. Positionen der beteiligten Naturschutzverbände (WD 8) Die Umweltschutzverbände NABU, BUND, WWF und Pro Elbe begrüßten in einem Positionspapier von 2017 grundsätzlich die Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes für die Elbe von Bund und Ländern als „wichtige Initiative, den seit über 20 Jahren währenden Konflikt um die Interessen von Ökologie und Binnenschifffahrt aufzulösen“43. Sie berieten bei den Bund-Länder-Gesprächen zum Gesamtkonzept Elbe mit. 40 Bundestags-Drs. 18/11830 vom 29. März 2017, https://dserver.bundestag.de/btd/18/118/1811830.pdf, S. 5; vgl. aber das zum 9. Juni 2021 in Kraft getretene neue Gesetz zum wasserwirtschaftlichen Ausbau der Bundeswasserstraßen , welches Aufgaben der Länder auf die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) verlagert; siehe https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl121s1295.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl121s 1295.pdf%27%5D__1623758414627 sowie https://www.gesamtkonzeptelbe .bund.de/Webs/GkElbe/DE/Presse/20210614_Wasserstrassengesetz2.html;jsessionid =E36095753D2D49654C9642307F438CAC.live21304. 41 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, Bundestags-Drs. 19/11371 vom 4. Juli 2019 (Antwort auf Frage 14), https://dserver.bundestag.de/btd/19/113/1911371.pdf. 42 Vgl. dazu auch Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, Bundestags-Drs. 19/17874 vom 12. März 2020 (Antwort auf Frage 7), https://dserver.bundestag.de/btd/19/178/1917874.pdf. 43 NABU, WWF, BUND, Pro Elbe 2017. Stellungnahme der Umweltorganisationen und der Bürgerinitiative Pro Elbe zum Gesamtkonzept Elbe – Strategisches Konzept für die Entwicklung der deutschen Binnenelbe und ihrer Auen, 13.01.2017, https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/lebendigefluesse/elbe/171012-stellungnahme -der-umweltorganisationen-gesamtkonzept-elbe.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 13 Insgesamt kritisierten sie das Konzept jedoch als unzureichend. Es gehe daraus nicht ausreichend klar hervor, ob und wie die umweltverträgliche verkehrliche Nutzung der Elbe mit den wasserwirtschaftlichen Erfordernissen und dem Erhalt des wertvollen Naturraums der Elbe in Einklang gebracht werden könne. Ein Stopp und eine Umkehr des Problems der zunehmenden Sohleerosion sei nicht beschrieben. Zum Hintergrund: Die zunehmende wasserbauliche Vertiefung in der Geschichte der Elbe von einst 1,5 Meter auf nun maximal 19 Meter führt zu einer zunehmenden Sohleerosion. Die Fahrrinne wird an der tiefsten Stelle aufgrund der hohen Fließgeschwindigkeit tiefer und verlandet aber zu den Seiten hin, sodass sich im Flussbett eine schluchtartige Struktur ausbildet. Diese ist aber für die Schifffahrt ungeeignet, sodass fortlaufende Baggerarbeiten und damit folgenreiche Eingriffe in den Lebensraum Fluss und der Uferlandschaften erforderlich sind. Die Umweltverbände fordern ein Konzept, um den Dauerbaustellencharakter wieder zu verlassen . Auch eine Gewährleistung des Verbesserungsgebotes nach Wasserrahmenrichtlinie zur Erreichung des guten ökologischen Zustands bis 2027 fordern sie. Der Zustand der Elbe ist je nach Flussabschnitt gemäß Wasserrahmenrichtlinie derzeit mäßig, unzureichend oder schlecht.44 Die Umweltschutzverbände verlangen im Gesamtkonzept Elbe auch eine weitergehende Betrachtung zur Nutzung des Elbeseitenkanals, um weitere Vertiefungen zu vermeiden. Schließlich fehlen ihnen messbare naturschutzfachliche Ziele und deren quantifizierbare Umsetzung.43 Die Umweltschutzverbände BUND, WWF und NABU kritisierten zuletzt vehement die inzwischen abgeschlossene neunte Elbvertiefung auf einer Strecke von 130 Kilometern zwischen Hamburg und Cuxhaven. Sie hatten in der Vergangenheit zwei Klageverfahren angestrengt, zunächst 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einige der Umweltbedenken als berechtigt angesehen. 2020 indes wies das Bundesverwaltungsgericht eine neuerliche Klage der Umweltverbände ab. Die Umweltverbände fürchten eine weitere Zerstörung des Landschaftssystems um die Flussmündung der Elbe und stromaufwärts mit ihren ausgedehnten Salzwiesen, Tideauwäldern, Röhrichten , Süß- und Brackwasserwattgebieten, Flachwasserbereichen und Flussinseln. Wenn die Elbe immer tiefer ausgebaggert wird, verlanden für Wasservögel und Fische wichtige Flachwasserbereiche . Andererseits strömt dann zunehmend salzhaltiges Meerwasser ein und verschiebt die Brackwasserzone Richtung Hamburg. In der Folge werden Süßwasser-Lebensräume, wie Tideauwälder und Röhrichte verdrängt. Sie vertragen keinen erhöhten Salzgehalt. Als bedrohte Pflanzenart ist in der Region um Hamburg der Schierlings-Wasserfenchel beheimatet , der zur Symbolart für die ökologischen Bedenken gegen das umfangreiche Wasserbauvorhaben der Elbvertiefung wurde. Gleichwohl sind die ökologischen Auswirkungen weitaus umfassender : Wandernde Fischarten wie Lachs, Schnäpel, Stör, Neunauge, Aal und Finte sind auf den unteren Flussabschnitt als Lebensraum angewiesen, um zu den Laichgebieten zu gelangen. Infolge der wasserbaulichen Veränderungen träten jedoch zunehmend sauerstoffarme Zonen auf, die jene Fische in ihrem Bestand gefährden und zum Fischsterben führen. Die Vertiefung führe zu einem stärkeren Ungleichgewicht zwischen Auf- und Abstrom, sodass bei Flut noch mehr Se- 44 Umweltbundesamt 2017. Ökologischer Zustand der Fließgewässer. 20.10.2017. https://www.umweltbundesamt .de/daten/wasser/fliessgewaesser/oekologischer-zustand-der-fliessgewaesser#okologischer-zustand-derflusse -und-bache Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 046/21, WD 8 - 3000 - 067/21 Seite 14 dimente aus der Nordsee in die Elbe gedrückt werden, die bei Ebbe nicht im selben Umfang abtransportiert werden. Dadurch nähmen „Sauerstofflöcher“ weiter zu und die Elbe müsste in immer engmaschigerem Rhythmus ausgebaggert werden, was hohe Kosten verursacht und weitere ökologische Belastungen verursacht. Der Sauerstoffgehalt der unteren Elbe ist seit dem vorherigen Ausbau im Jahr 1999 gesunken.45 Die höhere Geschwindigkeit des Wassers in der tieferen Fahrrinne greift außerdem die steileren Ufer an. Um diese vor Abbrüchen zu schützen, werden naturnahe Ufer mit Stein- und Schottermassen befestigt. Zudem fallen infolge der Vertiefung ökologisch wertvolle Flachwasserbereiche trocken und verlanden. Grundsätzlich hatten die Umweltschutzorganisationen für mehr Kooperation zwischen den Häfen - statt der Elbvertiefung - plädiert, zumal der JadeWeserPort in Wilhelmshaven von großen Schiffen angelaufen werden kann, jedoch nicht ausgelastet ist.46 *** 45 NABU 2021 Zehn Argumente gegen die Elbvertiefung. https://hamburg.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/elbvertiefung /baggermengen.html 46 BUND 2021. Nein zur Elbvertiefung. https://www.bund-niedersachsen.de/themen/natur-landwirtschaft/fluesseund -gewaesser/nein-zur-elbvertiefung/