© 2018 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 046/18 Steuerlich begünstigte Rücklagenbildung zur Kompensation witterungsbedingter Einkommenseinbußen in der Landwirtschaft Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 2 Steuerlich begünstigte Rücklagenbildung zur Kompensation witterungsbedingter Einkommenseinbußen in der Landwirtschaft Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 046/18 Abschluss der Arbeit: 6. April 2018 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Veröffentlichungen zum Thema „Steuerlich begünstigte Risikoausgleichsrücklage als Risikomanagementinstrument“ 6 2.1. Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik zur Risikoausgleichsrücklage 7 2.2. Studie von Prof. Dr. Enno Bahrs zur Risikoausgleichsrücklage 8 2.3. Johann Heinrich von Thünen-Institut zu internationalen Vorbildern einer Risikoausgleichsrücklage 10 2.4. Johann Heinrich von Thünen-Institut zur Risikoausgleichsrücklage und Rücklagenbildung 11 2.4.1. Studie zu agrarrelevanten Extremwetterlagen und Möglichkeiten von Risikomanagementsystemen 11 2.4.2. Systematische Zusammenstellung und Bewertung ausgewählter Risikomanagementinstrumente in der Landwirtschaft 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 4 1. Einleitung Wie kaum ein anderer Wirtschaftssektor hängt die Landwirtschaft von Klima, Witterung und Wetter ab. Dabei können extreme Wetterlagen wie ausgeprägte Spätfröste oder Hitze, Überschwemmungen , Sturm oder Hagel der deutschen Landwirtschaft innerhalb kürzester Zeit durch die Zerstörung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und die Verursachung von Ernteausfällen erhebliche und langanhaltende Schäden zufügen.1 In Deutschland wird daher seit längerem über unterschiedliche Risiko- und Krisenmanagementinstrumente zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen derartiger Extremwetterlagen für die landwirtschaftlichen Betriebe diskutiert. Eine Möglichkeit wird von Teilen der beteiligten Fachkreise darin gesehen, für landwirtschaftliche Betriebe einen steuerlichen Anreiz zur Vorsorge durch eine Rücklagenbildung in Form einer sogenannten Risikoausgleichsrücklage zu schaffen.2 Auch die Agrarministerkonferenz (AMK)3 widmete sich diesem Instrument zuletzt im Rahmen ihrer Sitzung am 29. September 2017 in Lüneburg. So beschlossen die Teilnehmenden unter den Tagesordnungspunkten TOP 21 (Versicherbarkeit von Witterungsrisiken) und TOP 22 (Externe Risikovorsorge in der Landwirtschaft) u. a.: „In Anbetracht der noch nicht ausreichenden Risikovorsorge in den Betrieben und angesichts der Unterstützung von Versicherungsprämien in zahlreichen Mitgliedstaaten halten sie [die Ministerinnen , Minister und Senatoren der Agrarressorts der Länder] eine umfassende Bewertung und 1 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2017). Extremwetterlagen in der Land- und Forstwirtschaft . Maßnahmen zur Prävention und Schadensregulierung. Juli 2017. S. 5. Link: http://www.bmel.de/Shared- Docs/Downloads/Broschueren/Extremwetterlagen.pdf;jsessionid =6DD35202DCE777C8CDF32D4B1F513298.2_cid296?__blob=publicationFile (letzter Abruf: 06.04.2018). Zur aktuellen Situation in Baden-Württemberg vgl. Landtag von Baden-Württemberg (2017a). Hilfe zur Selbsthilfe – Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes und zukunftssicherndes Risikomanagement in der Land und Forstwirtschaft. Antwort der Landesregierung vom 31.05.2017 auf eine Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP. Drucksache 16/2153. Link: https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente /WP16/Drucksachen/2000/16_2153_D.pdf (letzter Abruf: 06.04.2018) sowie Landtag von Baden-Württemberg (2017b). Frostschäden in der Landwirtschaft. Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz vom 26.04.2017 auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Rapp und von Eyb. Drucksache 16/1963. Link: https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen /1000/16_1963_D.pdf (letzter Abruf: 06.04.2018). 2 Hierzu Gömann, Horst/Bender, Andrea/Bolte, Andreas/Dirksmeyer, Walter/Englert, Hermann/Feil, Jan-Henning /Frühauf, Cathleen/Hauschild, Marlen/Krenger, Sandra/Lilienthal, Holger/Löpmeier, Franz-Josef/Müller, Jürgen/Mußhoff, Oliver/Natkhin, Marco/Offermann, Frank/Seidel, Petra/Schmidt, Matthias/Seintsch, Björn/Steidl, Jörg/Strohm, Kathrin/Zimmer, Yelto (2015). Agrarrelevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten von Risikomanagementsystemen. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft . Abschlussbericht. Thünen Report 30, Juni 2015. S. 231. Link: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads /Landwirtschaft/Klima-und-Umwelt/Klimaschutz/AbschlussberichtProjektExtremwetterlagen .pdf?__blob=publicationFile (letzter Abruf: 06.04.2018). 3 Weitere Informationen zu dieser Fachkonferenz finden sich auf der Internetseite der AMK. Link: https://www.agrarministerkonferenz.de/ (letzter Abruf: 06.04.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 5 Neujustierung der bisherigen Haltung Deutschlands für geboten. Sie bitten den Bund, in Zusammenarbeit mit den Ländern bis zur Herbst-Agrarministerkonferenz 2018 einen Bericht vorzulegen , der folgende Aspekte umfasst: - […] - Überprüfung weiterer Verbesserungen im Steuerrecht zur Unterstützung des Risikomanagements sowohl hinsichtlich der Versicherungssteuer als auch der Einkommenssteuer, insbesondere in Bezug auf eine Risikoausgleichsrücklage und deren Gestaltung“.4 Bereits 2015 hatte die AMK eine steuerbegünstigte Risikoausgleichsrücklage gefordert.5 Und auch der Bundesrat forderte die Bundesregierung in seiner Entschließung vom 17. Juni 2016 auf, das Instrument der steuerlich begünstigten Risikoausgleichsrücklage zur Stärkung des Risikomanagements landwirtschaftlicher Betriebe zügig einzuführen.6 Diese Entschließung war Gegenstand einer Großen Anfrage im Landtag von Baden-Württemberg, in der u. a. danach gefragt wurde, wie sich die Verhandlungen und Bemühungen hinsichtlich der Ermöglichung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Anschluss an die Entschließung des Bundesrates gestalten.7 In ihrer Antwort wies die Landesregierung darauf hin, dass zwischenzeitlich die Tarifglättungsvorschrift nach § 32c in das Einkommenssteuergesetz (EStG)8 aufgenommen worden sei, die – anders als eine Risikoausgleichsrücklage – sämtliche land- und forstwirtschaftliche Betriebe erfasse.9 Der vorliegende Sachstand widmet sich der Frage, wie ein solches Modell der steuerlich begünstigten Rücklagenbildung zur Kompensation zukünftiger witterungsbedingter Einkommenseinbußen in der Landwirtschaft ausgestaltet werden könnte. Dabei kann sich der Wissenschaftliche 4 Agrarministerkonferenz (2017). Ergebnisprotokoll der Agrarministerkonferenz am 29.09.2017 in Lüneburg. Ziff. 5 des Beschlusses zu TOP 21/22. Link: https://www.agrarministerkonferenz.de/documents/2017_amk_2_finales _ergebnisprotokoll_1510304124.pdf (letzter Abruf: 06.04.2018). 5 Vgl. Agrarministerkonferenz (2015). Ergebnisprotokoll der Agrarministerkonferenz am 02.10.2015 in Fulda. Ziff. 2 des Beschlusses zu TOP 20. Link: https://www.agrarministerkonferenz.de/documents/endgueltiges_ergebnisprotokoll _amk_fulda_2_1510304295.pdf (letzter Abruf: 06.04.2018). 6 Bundesrat (2016). Entschließung des Bundesrates zur Stärkung der steuerlichen Unterstützung des betrieblichen Risikomanagements in der Landwirtschaft. Beschluss vom 17.06.2016. BR-Drs. 314/16. 7 Landtag von Baden-Württemberg (2017a). Hilfe zur Selbsthilfe – Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes und zukunftssicherndes Risikomanagement in der Land und Forstwirtschaft. Antwort der Landesregierung vom 31.05.2017 auf eine Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP. Drucksache 16/2153. S. 5. Link: https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/2000/16_2153_D.pdf (letzter Abruf: 06.04.2018) 8 Einkommensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.10.2009, BGBl. I S. 3366, 3862; zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.08.2017, BGBl. I S. 3214. 9 Landtag von Baden-Württemberg (2017a). Hilfe zur Selbsthilfe – Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes und zukunftssicherndes Risikomanagement in der Land und Forstwirtschaft. Antwort der Landesregierung vom 31.05.2017 auf eine Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP. Drucksache 16/2153. S. 5 f. Link: https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/2000/16_2153_D.pdf (letzter Abruf: 06.04.2018) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 6 Dienst des Deutschen Bundestages nur auf vorhandene Modelle und Publikationen beziehen. Die Entwicklung eigener Konzepte und Modelle liegt nicht in seiner Aufgabe. Daher wurden seitens des Bearbeiters u. a. die nachfolgend aufgeführten, fachlich involvierten Institutionen mit der Bitte um Stellungnahme kontaktiert: Bundesministerium der Finanzen (BMF), Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) sowie Deutscher Bauernverband e. V. (DBV). In der bis zum Abschluss der Arbeit verfügbaren Zeit hat keine der Institutionen auf die übersandten Fragen geantwortet. Weiterhin wurden thematisch einschlägige Veröffentlichungen recherchiert. Der vorliegende Sachstand fasst die Ergebnisse dieser Recherche zusammen. 2. Veröffentlichungen zum Thema „Steuerlich begünstigte Risikoausgleichsrücklage als Risikomanagementinstrument “ Der Umgang mit produktions- und marktbedingten Risiken gehört neben der Produktionstechnik und Kenntnis der Märkte zu den wichtigsten Aufgaben eines Landwirts.10 Für das Risikomanagement , verstanden als Maßnahmen zur Eingrenzung der wirtschaftlichen Verlustgefahren, steht den Landwirten eine Reihe an Instrumenten der Risikovermeidung, Risikoverminderung, Risikostreuung , des Risikotransfers und der Risikoübernahme wie etwa die Kulturartenauswahl, chemischer und biologischer Pflanzenschutz, gezielte Sortenwahl, erweiterte Fruchtfolgen, Beregnungsanlagen , neue Betriebszweige (z. B. Biogas, Hofladen), Nebenerwerbseinkommen, Vertragslandwirtschaft , Rücklagen und Sparen, Kreditaufnahme und steuerliche Entlastungen sowie Terminmärkte, Forward Contracts und Versicherungen zur Verfügung.11 Mit der Frage, ob eine steuerlich begünstigte Risikoausgleichsrücklage in Deutschland als Risikomanagementinstrument eingeführt und wenn ja, wie sie ausgestaltet werden sollte, haben sich in den vergangen Jahren renommierte Fachinstitutionen auseinandergesetzt. Deren Ergebnisse werden nachfolgend dargestellt. 10 Deutscher Bundestag (2018). Rahmenbedingungen für ein verbessertes Risikomanagement in der Land- und Forstwirtschaft. Antwort der Bundesregierung vom 23.02.2018 auf eine Kleine Anfrage einzelner Abgeordneter und der Fraktion der FDP. BT-Drs. 19/893. S. 2. 11 Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2011). Risiko- und Krisenmanagement in der Landwirtschaft. Zur Rolle des Staates beim Umgang mit Ertrags- und Preisrisiken. Stellungnahme. April 2011. S. 5. Link: https://www.bmel.de/Shared- Docs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/StellungnahmeRisiko-Krisenmanagement .pdf?__blob=publicationFile (letzter Abruf: 06.04.2018). Siehe dazu auch Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2017). Extremwetterlagen in der Land- und Forstwirtschaft. Maßnahmen zur Prävention und Schadensregulierung. Juli 2017. S. 18 ff. Link: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren /Extremwetterlagen.pdf;jsessionid=6DD35202DCE777C8CDF32D4B1F513298.2_cid296?__blob=publication- File (letzter Abruf: 06.04.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 7 2.1. Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik zur Risikoausgleichsrücklage In diesem Zusammenhang führt der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim BMEL in seiner Stellungnahme von 2011 aus: „Zur Abfederung starker Preis- und Einkommensschwankungen fordert der DBV seit 2008 in Anlehnung an das Forstschäden-Ausgleichsgesetz[12] die Einführung einer steuerlichen Risikoausgleichsrücklage für landwirtschaftliche Betriebe. Danach sollen in Jahren mit hohen Einkommen steuerfrei Rücklagen gebildet werden dürfen, die dann in Jahren mit niedrigen Einkommen Gewinn erhöhend aufgelöst werden können. Dadurch kann die Steuerlast im Progressionsbereich der Steuertarife (15% - 45%) deutlich abgesenkt und mehr Liquidität für die Risikovorsorge gewonnen werden. […] Die Steuerersparnis infolge des Progressionseffekts tritt allerdings nicht bei den nach Durchschnittssätzen besteuerten Betrieben auf (§ 13a EStG) bzw. auch bei denjenigen Betrieben nicht, die in der Proportionalzone des Steuertarifs liegen (kleiner als 15% und größer als 42% bzw. infolge der Reichensteuer größer als 45%). Auch Kapitalgesellschaften mit einem Steuersatz von 15% können vom Progressionseffekt nicht profitieren. Allerdings können alle nicht mit ihrem zu versteuernden Einkommen in der Progressionszone liegenden Betriebe noch vom Zinseffekt profitieren, der durch Verschiebung der Steuerzahlungen in die Zukunft zustande kommt. Die Einkommens glättende Wirkung der Risikoausgleichsrücklage sowie die infolge der Steuerersparnis verbesserte Liquiditätssituation sind demnach bei richtiger Handhabung unstrittig . Allerdings profitieren im Wesentlichen nur Betriebe mit einer entsprechend hohen Eigenkapitalbildung . Betriebe mit geringer Eigenkapitalbildung und gleichzeitig hoher Risikoexposition werden dagegen kaum profitieren. Strittig ist allerdings, ob der Landwirt in der Lage ist, sein Einkommen der Folgejahre möglichst genau abzuschätzen und darauf mit entsprechender Rücklagenbildung bzw. –auflösung zu reagieren . Im Extremfall könnte er dabei seine Einkommen sogar destabilisieren und die Liquiditätssituation verschlechtern. Steuerpolitisch stellt sich die Frage, ob neue steuerliche Sondertatbestände für die Landwirtschaft vertretbar sind, wo es doch bereits Privilegien für Landwirte nach § 13a EStG gibt und grundsätzlich Möglichkeiten der Einkommensglättung in Form der zweijährigen Durchschnittsbesteuerung (§ 4a EStG) und des Verlustabzugs nach § 10d EStG schon bestehen . Zudem ist mit Abgrenzungsproblemen der berechtigten Steuerpflichtigen sowie mit Problemen bei der Behandlung unterschiedlicher Rechtsformen und Gewinnermittlungsarten zur rechnen […]. Schließlich besteht die Gefahr, dass die Risikoausgleichsrücklage im Sinne der Steuergerechtigkeit nicht als Nachteilsausgleich für naturbedingte negative Einflüsse bei der Produktion gewertet wird, sondern im EU-Beihilferecht oder im WTO-Kontext als bloße Steuersubvention. Vor der Einführung einer solchen Risikoausgleichsrücklage in Deutschland müssten deshalb diese Fragen und offenen Punkte geklärt werden, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Sparzwänge – es wären Steuerausfälle von 50 bis 90 Mio. Euro p. a. zu erwarten – und den Forderungen nach mehr Steuervereinfachungen. Gerade im Hinblick auf Steuervereinfachung ist eine sektorspezifische Risikoausgleichsrücklage nicht vermittelbar, allenfalls als sektorübergreifende Entlastungsmaßnahme. Unabhängig vom Ergebnis dieser Überprüfungen sieht der Beirat 12 Gesetz zum Ausgleich von Auswirkungen besonderer Schadensereignisse in der Forstwirtschaft in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.08.1985, BGBl. I S. 1756; zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.08.2015, BGBl. I S. 1474. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 8 die Risikoausgleichsrücklage aber nicht als Konkurrenz oder Substitut zu den Ertragsschadensversicherungen . Erstere dient mehr der Einkommensglättung über die Zeit bei prinzipiell positiven Gewinnen mit den entsprechenden Steuervorteilen und der Liquiditätsverbesserung, während letztere das Ziel verfolgen, eine einmalige Existenz bedrohende Einkommenssituation durch Wetterextreme zu vermeiden. Im Sinne des Risikomanagements könnte man auch von einer Ergänzung der Instrumente sprechen. Mit der Risikoausgleichsrücklage wird die Streuung der Einkommen reduziert, und mit der Ernteversicherung wird die Ruinwahrscheinlichkeit minimiert.“13 2.2. Studie von Prof. Dr. Enno Bahrs zur Risikoausgleichsrücklage Im Auftrag der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung nimmt die Studie von Prof. Enno Bahrs aus dem Jahr 2011 eine umfassende Würdigung der einzelnen Aspekte der Risikoausgleichsrücklage vor. In der Zusammenfassung der Studie heißt es: „Die Landwirtschaft als witterungsabhängiger und in weitgehend liberalisierten Märkten wirtschaftender Sektor ist ständigen Einkommensschwankungen unterworfen. Im Zuge des bevorstehenden Umbaus der Gemeinsamen Agrarpolitik und der möglichen Abschmelzung der Direktzahlungen ist eine zunehmende Fokussierung auf einkommensstabilisierende Instrumente denkbar . Zu diesem Zweck ist vom Deutschen Bauernverband die Einführung einer steuerlichen Risikoausgleichsrücklage in die Diskussion gebracht worden. Diese soll auf einzelbetrieblicher Ebene steuerliche Anreize zur Vorsorge schaffen und die Steuerlast senken, indem es Landwirten ermöglicht wird, ihren steuerlichen Gewinn über mehrere Jahre zu glätten. Ziel des vorliegenden Gutachtens ist eine erschöpfende Würdigung der mit der Einführung einer Risikoausgleichsrücklage zusammenhängenden steuerrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Problemkreise sowie eine Analyse und Abschätzung ihrer Wirksamkeit im betrieblichen Risikomanagement. Zu diesem Zweck wird zunächst mit Hilfe von Testbetriebsdaten exemplarisch der Status quo in der deutschen Landwirtschaft im Hinblick auf Wetter- und Marktrisiken abgebildet. Dabei werden Ertragsschwankungen unterschiedlicher Feldfrüchte auf einzelbetrieblicher und aggregierter Ebene für die Bundesländer analysiert und Einkommensschwankungen unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher Ausrichtungen dargestellt. Es wird deutlich, dass die Ertragsschwankungen wichtiger Marktfrüchte je nach Region sehr unterschiedlich ausfallen können und die einzelbetrieblichen Schwankungen erheblich größer sind, als es regionale statistische Durchschnittswerte suggerieren. Für die Höhen von Einkommensschwankungen sind Marktpreisschwankungen jedoch von mindestens gleicher, wenn nicht höherer Bedeutung, wie die Höhe der Einkommensschwankungen bei Veredelungsbetrieben zeigt. Den Schwerpunkt des Beitrags bildet die Analyse der einkommensglättenden und steuermindernden Wirkung einer Risikoausgleichsrücklage. In detaillierter Form werden die Risikoausgleichsrücklage in Form des DBV-Vorschlags und die als Grundlage der Ausgestaltung dienende Rücklage im Forstschäden-Ausgleichsgesetz miteinander verglichen und steuer- und verfahrensrechtliche Aspekte herausgearbeitet. Dabei ist die Begründung und Rechtfertigung der Forstschäden- Ausgleichsrücklage nicht ohne weiteres auf die Risikoausgleichsrücklage für die Landwirtschaft 13 Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2011). Risiko- und Krisenmanagement in der Landwirtschaft. Zur Rolle des Staates beim Umgang mit Ertrags- und Preisrisiken. Stellungnahme. April 2011. S. 20 f. Link: https://www.bmel.de/Shared- Docs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/StellungnahmeRisiko-Krisenmanagement .pdf?__blob=publicationFile (letzter Abruf: 06.04.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 9 zu übertragen und beispielsweise die vorgesehene Sanktionierung einer unzulässigen Verwendung zu überdenken. In ihrer Ausgestaltung ist die Risikoausgleichsrücklage auf Ebene der steuerlichen Gewinnermittlung einzuordnen und über die Führung eines Rücklagenkontos die Vorhaltung der liquiden Mittel sicherzustellen. Die zur Analyse der Wirksamkeit einer Risikoausgleichsrücklage auf Basis von 5.327 ‚identischen Betrieben‘ aus dem Testbetriebsnetz vorgenommenen Simulationsrechnungen berücksichtigen zur Abbildung möglicher politischer Konstellationen verschiedene Varianten. Im Ergebnis kann die Risikoausgleichsrücklage in der rückblickenden Optimierung über einen zehnjährigen Zeitraum die Steuerlast der Betriebe um durchschnittlich 178 Euro pro Jahr senken. Dabei kommt es zu einer erheblichen Spannweite der Ergebnisse, die dazu führt, dass ein erheblicher Teil der Betriebe nahezu überhaupt nicht von der Einführung einer Risikoausgleichsrücklage profitieren könnte, während ein kleiner Teil der Betriebe regelmäßig einen Vorteil von über 500 Euro pro Jahr haben kann. Insbesondere Veredelungsbetriebe können mit durchschnittlich über 400 Euro pro Jahr profitieren. Knapp die Hälfte des monetären Glättungseffekts entfällt damit auf 10% der Betriebe. Insgesamt führt die Glättung der Progressionsspitzen im Vergleich zur derzeit geltenden Durchschnittsbesteuerung nach § 4a EStG zu einem jährlichen Steuerausfall für den Fiskus in Höhe von 29,4 Mio. Euro. Zusätzlich können die Betriebe durch die Verschiebung der Steuerzahlungen in die Zukunft bei einem unterstellten Zinssatz nach Steuern von 3% einen Zinseffekt in Höhe von 6,45 Mio. Euro generieren. Die errechnete Gesamtbelastung für den Fiskus in Höhe von ca. 35 Mio. Euro pro Jahr kann sich je nach Ausgestaltung der Rücklage, der zukünftigen Gewinnentwicklung und der Genauigkeit der Gewinnprognose durch die Betriebsleiter bzw. einer möglicherweise trotz Restriktionen gezielteren Optimierung des Zinseffekts in erheblichem Maße ändern und tendenziell zu höheren als den berechneten Steuerausfällen führen bzw. die Nutzung der Risikoausgleichsrückklage für Landwirte interessanter machen. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Risikoausgleichsrücklage für die Masse der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe nur eine sehr begrenzte Wirksamkeit entfalten kann und in ihrer Wirkung im gesamtbetrieblichen Risikomanagement weitgehend unbedeutend bleibt. Eine forcierte Einführung der Risikoausgleichsrücklage in Deutschland und die Beimessung einer hohen Priorität erscheint aus diesen Gründen weder angemessen noch notwendig.“14 Diese fachliche Einschätzung bildet nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung der Bundesregierung , den Ansatz einer Risikoausgleichsrücklage weder weiter zu verfolgen noch die Einführung einer steuerlichen Risikoausgleichsrücklage zu planen.15 14 Bahrs, Enno (2011). Diskussion und Bewertung der möglichen Einführung einer Risikoausgleichsrücklage zum Ausgleich von wetter- und marktbedingten Risiken in der Landwirtschaft – Modellanalyse und Aufzeigen von Alternativen in Anlehnung an die steuerfreie Rücklage nach § 3 Forstschäden-Ausgleichsgesetz (ForstSchAusgl G). Abschlussbericht an die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung vom 11.03.2011. S. 62 ff. Link: https://service.ble.de/ptdb/index2.php?detail_id=22894&site_key=141&stichw=10HS002&zeilenzahl_zaehler =1#newContent (Die Studie kann am Ende der unter diesem Link abrufbaren Internetseite heruntergeladen werden. Letzter Abruf: 06.04.2018). 15 Vgl. Deutscher Bundestag (2018). Rahmenbedingungen für ein verbessertes Risikomanagement in der Land- und Forstwirtschaft. Antwort der Bundesregierung vom 23.02.2018 auf eine Kleine Anfrage einzelner Abgeordneter und der Fraktion der FDP. BT-Drs. 19/893. S. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 10 2.3. Johann Heinrich von Thünen-Institut zu internationalen Vorbildern einer Risikoausgleichsrücklage Im Rahmen einer Analyse der Vorschläge der EU-Kommission zur künftigen Gestaltung der Direktzahlungen im Rahmen des GAP nach 2013 befasst sich das Johann Heinrich von Thünen- Institut in einer Studie aus dem Jahr 2012 zum einen mit internationalen Beispielen von Risikoausgleichsrücklagen und setzt sich zum anderen kritisch mit der Studie von Prof. Dr. Enno Bahrs zur Risikoausgleichsrücklage auseinander. So führen die Autoren aus: „Maßnahmen zur Risikoabsicherung in ausgewählten OECD-Staaten Maßnahmen zur Absicherung von Preis-, Ertrags und Einkommensrisiken kommen in verschieden Ländern zum Einsatz, wobei die Schwerpunkte und der Umfang je nach Grad der Liberalisierung , staatlicher Stützung und natürlichen Bedingungen unterschiedlich sind. So vielfältig die Maßnahmen sind, so uneinheitlich sind auch die Meinungen dazu, ob und in welcher Weise Risiken landwirtschaftlicher Unternehmer mit staatlicher Hilfe gemildert oder gar kompensiert werden sollen. Aus wissenschaftlicher Sicht wird überwiegend angemerkt, dass es sich bei Preis- und Ertragsrisiken in erster Linie um eine unternehmerische Aufgabe handelt, und sektoral ausgerichtete Stabilisierungsinstrumente zu unspezifisch wirken und damit wenig effizient sind […]. Ertragsrisiken werden i. d. R. über Ernteversicherungen abgesichert, entweder auf privatwirtschaftlicher Basis oder indem staatliche Zuschüsse zu den Versicherungsbeiträgen gewährt werden. […] Andere Maßnahmen wie steuerfreie Rückklagen kommen in Neuseeland, Australien und Kanada zur Anwendung. […] Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über Instrumente zur Einkommensstabilisierung in anderen Ländern gegeben. […] Steuerfreie Rücklagen: - Neuseeland bietet ein sog. „Income Equalisation Scheme“ an, das es den Landwirten ermöglicht , einen Teil ihres Einkommens auf ein spezielles Konto einzuzahlen. Die Beträge auf diesem Konto sind solange steuerfreit, bis sie wieder entnommen werden. Diese vorübergehend steuerfreien Rücklagen können über einen Zeitraum von einem Jahr bis zu fünf Jahren eingezahlt werden. Auf dem Sonderkonto werden die Einlagen mit 3% verzinst […]. - Ähnlich ist die Situation in Australien, wo Rücklagen von bis zu 400.000 AUD pro Jahr zum Ausgleich von Einkommensschwankungen steuerfrei möglich sind […]. Die Besteuerung erfolgt im Jahr der Auflösung […]. - In Kanada können Verluste im Zeitraum von bis zu 20 Jahren steuerlich verrechnet werden . Zusätzlich sind Rücklagen (<2% vom Umsatz) analog zum System in Neuseeland möglich, die dann aufgelöst werden können, wenn das Einkommen in einem Jahr 70% des langfristigen Durchschnitts oder 10.000 CAD unterschreitet […]. Ähnlich diesen Ansätzen wird in Deutschland vom Deutschen Bauernverband (DBV) eine Risikoausgleichsrücklage zur Verbesserung der Liquiditätssituation bei Erwartung von zunehmend volatilen Einkommen gefordert […]. In einem diesbezüglichen Gutachten kommt BAHRS auf Basis von Modellrechnungen anhand von Testbetriebsdaten zu dem Ergebnis, „dass die Risikoausgleichsrücklage für die Masse der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe nur eine sehr begrenzte Wirksamkeit entfalten kann und in ihrer Wirkung im gesamtbetrieblichen Risikomanagement weitgehend unbedeutend bleibt“ […]. Die geringen monetären Effekte sind dagegen nach Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 11 unserer Einschätzung vornehmlich dadurch bedingt, dass in den Berechnungen ein Zeitraum von WJ 1999/00 bis WJ 2008/09 zugrunde gelegt wurde, in dem zumindest in der ersten Hälfte keine großen Einkommensschwankungen zu verzeichnen waren. Bei einer Begrenzung der Analyse auf die Periode ab WJ 2006/07 wären aufgrund der starken Preis- und Einkommensschwankungen höhere wirtschaftliche Vorteile zu erwarten gewesen.“16 2.4. Johann Heinrich von Thünen-Institut zur Risikoausgleichsrücklage und Rücklagenbildung In zwei weiteren Studien befasst sich das Johann Heinrich von Thünen-Institut mit grundsätzlichen Aspekten des Risikomanagementinstruments der steuerlich begünstigen Risikoausgleichsrücklage . 2.4.1. Studie zu agrarrelevanten Extremwetterlagen und Möglichkeiten von Risikomanagementsystemen Im Rahmen seiner umfassenden Studie zu agrarrelevanten Extremwetterlagen und Möglichkeiten von Risikomanagementsystemen aus dem Jahr 2015 setzt sich das Johann Heinrich von Thünen- Institut detailliert mit der steuerlich begünstigen Risikoausgleichsrücklage auseinander. Dazu führen die Autoren der Studie aus: „Seit längerem wird in Deutschland über die Möglichkeit diskutiert, für landwirtschaftliche Betriebe einen steuerlichen Anreiz zur Vorsorge durch eine Rücklagenbildung in Form einer sogenannten „Risikoausgleichsrücklage“ zu schaffen. […] Inzwischen liegen die Ergebnisse einer umfassenden Studie vor (Bahrs, 2011), die die Wirkungen einer Risikoausgleichsrücklage für landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland untersucht hat. Danach würden, je nach Ausgestaltung, die Kosten für den Fiskus bei 35 Mio. €/Jahr liegen. Der aus einer solchen Regelung resultierende steuerliche Anreiz, eine Rücklagenbildung zu betreiben, ist im Schnitt der Betriebe gering (178 €/Betrieb), wobei große Schwankungen zwischen den Betrieben auftreten. Im Hinblick auf die Wirkung des Instruments speziell mit Fokus auf Extremwetterereignisse lassen sich dabei folgende Vor- und Nachteile identifizieren: - Die Risikoausgleichsrücklage setzt an einer gesamtbetrieblichen Erfolgsgröße an, die u. U. mit risikorelevanten Zielgrößen (wie dem Cashflow) enger korreliert ist als (kulturspezifische ) ertragsorientierte Instrumente. - Für einen erheblichen Teil der Betriebe entsteht nahezu kein erhöhter Anreiz zur Bildung einer Rücklage. Für juristische Personen fällt die Anreizwirkung aufgrund des Steuersystems gering aus. Zudem ist das Instrument nur in buchführenden Betrieben einsetzbar. - In Betrieben mit einer hohen Einkommenskraft und damit höherer Steuerbelastung ist der Anreiz entsprechend höher; somit werden tendenziell eher Betriebe gefördert, die aus eigener Kraft in der Lage sind, Extremwetterereignisse aufzufangen. 16 Forstner, Bernhard/Deblitz, Claus/Kleinhanß, Werner/Nieberg, Hiltrud/Offermann, Frank/Röder, Norbert/Salamon , Petra/Sanders, Jürn/Weingarten, Peter (2012). Analyse der Vorschläge der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur künftigen Gestaltung der Direktzahlungen im Rahmen der GAP nach 2013. Arbeitsbericht aus der vTI-Agrarökonomie Nr. 04/2012. Juli 2012. S. 70 f. Link: https://literatur.thuenen.de/digbib_extern /bitv/dn050475.pdf (letzter Abruf: 06.04.2018). Fettungen im Original. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 12 - Insbesondere Veredelungsbetriebe profitieren. Die Einkommensschwankungen in diesen Betrieben sind aber v. a. auf Marktpreisschwankungen und weniger auf Extremwettereignisse zurückzuführen. - Die Risikoausgleichsrücklage soll innerbetriebliches Risikomanagement stärken. Für Ereignisse mit großem (existenzgefährdendem) Schadenspotenzial, wie sie bei einigen Extremwetterereignissen auftreten können, sind Versicherungslösungen, die die Risiken über viele Versicherungsnehmer verteilen, i. d. R. eine effizientere Lösung. Die Risikoausgleichsrücklage als Risikomanagementinstrument versagt bei Betrieben, die (noch) keine ausreichenden Rücklagen bilden konnten oder in denen wegen eines kürzlich aufgetretenen großen Schadenfalls die Rücklagen gerade aufgebraucht worden sind […]. Eine Rücklagenbildung als innerbetriebliches Risikomanagementinstrument ist sinnvoll. Die steuerliche Förderung einer Risikoausgleichsrücklage stellt jedoch in der Regel kein effektives Politikinstrument zur Förderung der Anpassung an Extremwetterereignisse dar.“17 2.4.2. Systematische Zusammenstellung und Bewertung ausgewählter Risikomanagementinstrumente in der Landwirtschaft In einer Übersichtspublikation aus dem Jahr 2017, die ausgewählte Risikomanagementinstrumente in der Landwirtschaft systematisch zusammenstellt und bewertet, findet sich im Hinblick auf das allgemeine Instrument der Rücklagenbildung folgende grundsätzliche Analyse:18 17 Gömann, Horst/Bender, Andrea/Bolte, Andreas/Dirksmeyer, Walter/Englert, Hermann/Feil, Jan-Henning/Frühauf , Cathleen/Hauschild, Marlen/Krenger, Sandra/Lilienthal, Holger/Löpmeier, Franz-Josef/Müller, Jürgen/Mußhoff , Oliver/Natkhin, Marco/Offermann, Frank/Seidel, Petra/Schmidt, Matthias/Seintsch, Björn/Steidl, Jörg/Strohm, Kathrin/Zimmer, Yelto (2015). Agrarrelevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten von Risikomanagementsystemen . Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Abschlussbericht . Thünen Report 30, Juni 2015. S. 231 f. Link: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft /Klima-und-Umwelt/Klimaschutz/AbschlussberichtProjektExtremwetterlagen.pdf?__blob=publication File (letzter Abruf: 06.04.2018). 18 Offermann, Frank/Efken, Josef/Ellßel, Raphaela/Hansen, Heiko/Klepper, Rainer/Weber, Sascha (2017). Ausgewählte Instrumente zum Risikomanagement in der Landwirtschaft: Systematische Zusammenstellung und Bewertung . Thünen Working Paper 72, April 2017. S. 41 f. Link: https://www.thuenen.de/media/publikationen /thuenen-workingpaper/ThuenenWorkingPaper_72.pdf (letzter Abruf: 06.04.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 13 Instrument Förderung von Ansparen/Rücklagenbildung19 Ansatzstelle/abgesichertes Risiko Liquiditätsrisiko Art der Absicherung Individuell orientiertes Instrument (betriebsindividuelle Rücklagenhöhe und Entnahme) Mechanismus der Risikoverteilung Intertemporaler Risikoausgleich Funktionsweise Die Teilnahme ist für die Landwirte freiwillig. Jeder teilnehmende Landwirt wählt individuell die Höhe der Rücklagenbildung. Wenn die Rücklagenbildung finanziell gefördert wird, z. B. durch Zuschüsse zu den Rücklagen, kann die Entnahme der Rücklagen an Auflagen gebunden sein (z. B. Nachweis eines besonderen Finanzbedarfs aufgrund widriger Umstände). Finanzierung Privatwirtschaftlich oder staatlich geförderte Systeme Rolle des Staates Regulierung, ggf. finanzielle Anreize (z. B. Zuschüsse zu Rücklagen oder Zinssätzen; steuerliche Anreize) Umsetzungs-/Verwaltungskosten - Laufende Kosten für Abwicklung der Förderung - Bei Auflagen bezüglich der Rücklagenentnahme Kosten für Prüfung Determinanten für Prämienhöhen und Gesamtkosten Für die Gesamtkosten spielen die Höhe der (geförderten) Rücklagenbildung durch die Landwirte und der Fördersatz eine entscheidende Rolle. Erfahrungen aus anderen Ländern In Kanada wird eine Rücklagenbildung im Rahmen des Programms „AgriInvest“ gefördert. Der Staat verdoppelt die jährlich von den Landwirten auf ein Rücklagenkonto eingezahlten Beträge bis zu einer Höhe von maximal 10.200 € pro Betrieb und Jahr bzw. maximal 1 % des Nettoverkaufserlöses landwirtschaftlicher Produkte (Erlöse abzüglich der Aufwendungen für zugekaufte landwirtschaftliche Produkte und Tiere). Es bestehen keine Restriktionen oder Auflagen bezüglich der Mittelentnahme. Für das Programm „AgriInvest“ entstehen jährliche Budgetkosten von ca. 105 Mio. €. 19 In einer dieser Überschrift zugewiesenen Fußnote heißt es: „Auf das Modell einer steuerlich geförderten Risikoausgleichsrücklage wird hier in Absprache mit BMEL nicht eingegangen. Eine ausführliche Analyse findet sich in Bahrs (2011).“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 14 Übertragbarkeit auf Deutschland Prinzipiell möglich Exemplarische Kostenabschätzung für Deutschland Eine Übertragung des kanadischen „AgriInvest“ auf Deutschland würde bei Teilnahme aller landwirtschaftlicher Betriebe und Rücklagenbildung von 1 % des Nettoverkaufserlöses einen Subventionsumfang von ca. 315 Mio. €/Jahr erfordern (Datengrundlage: Testbetriebe, Wirtschaftsjahr 2013/14). Bewertung Effektivität und Effizienz Die Wirkung der Rücklagenförderung hängt v. a. von der Anreizwirkung (Akzeptanz) und der Höhe der Mitnahmeeffekte ab (d. h. davon, ob und in welchem Umfang die Rücklagenbildung höher ausfällt als ohne Förderung). Auch die Ausgestaltung von Auflagen zur Entnahme von Finanzmitteln hat einen Einfluss auf Effektivität und Effizienz der Förderung. Ohne Auflagen besteht die Gefahr, dass die Fördergelder nicht vornehmlich zur Glättung von Einkommensschwankungen genutzt werden, sondern als Einkommenstransfer zu Konsum- oder Investitionszwecken dienen. Je nach Ausgestaltung der Restriktionen führen diese jedoch zu einer mehr oder minder starken Einschränkung der Verwendungs- und Zugriffsmöglichkeiten auf betriebseigene Finanzmittel und damit der betrieblichen Liquidität. Das kanadische „AgriInvest “ fördert mit hohen Subventionswerten (100 %) eine Rücklagenbildung nur bis zu einer Höhe von 1 % der Nettoverkaufserlöse. Diese Höhe ist zumindest in „guten“ Jahren, also den Zeiträumen, in denen eine Rücklagenbildung möglich und sinnvoll ist, für viele Betriebe als relativ gering zu bewerten. Bei dieser Ausgestaltung spielt die Förderung für die Risikovorsorge eine eher untergeordnete Rolle, im Vordergrund stehen Einkommenstransfer und Anreize für die Bildung von Investitionskapital . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 046/18 Seite 15 Kosten/Administrierbarkeit Falls Auflagen für die Entnahme bestehen, so müssen diese kontrolliert werden. Dieses kann erheblichen Verwaltungssaufwand implizieren. Restriktive Vorgaben weisen eine Reihe von Abgrenzungsschwierigkeiten auf und lassen eine rechtlich und verwaltungsökonomisch angemessene Umsetzung der Regelungen zweifelhaft erscheinen […]. Eine besondere Herausforderung stellt in diesem Zusammenhang die Kontrolle nichtbuchführender Betriebe dar. Die Entscheidung, welche konkreten Ereignisse (Marktentwicklungen, Wetterereignisse, betriebliche Umstände) die Kriterien für eine Entnahme nach den Förderbestimmungen erfüllen, kann durch interessens- und tagespolitische Überlegungen beeinflusst sein. Die Rücklagen, die sich aus der Förderung und zusätzlichen Sparsummen der Landwirte zusammensetzen, müssen steuerlich und hinsichtlich des Finanzinstitutes und der Verzinsung festgelegt werden. Die Regelung dieser Aspekte verursacht zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Die Höhe der jährlichen Spareinlagen der Landwirte - und damit die benötigten Fördermittel - kann in Abhängigkeit der wirtschaftlichen Lage stark schwanken. Dies stellt entsprechende Anforderungen an die Haushaltsplanung und -führung. Akzeptanz Die Akzeptanz durch die Landwirte wird vor allem von der Flexibilität bei der Nutzung der geförderten Rücklagen bestimmt. Marktwirkungen Direkte Produktionswirkungen sind kaum zu erwarten. Je höher die Fördersätze und geringer die Auflagen für die Mittelentnahme ist, desto eher besteht die Gefahr indirekter Produktionswirkungen durch Anregung der Investitionstätigkeit. * * *