© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 046/17 Modal Split in Abhängigkeit vom Wetter Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 046/17 Seite 2 Modal Split in Abhängigkeit vom Wetter Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 046/17 Abschluss der Arbeit: 2. Juni 2017 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 046/17 Seite 3 1. Definition des Begriffs Modal Split Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert den Begriff wie folgt: 1 „Verkehrsteilung; Verkehrsträger- bzw. Verkehrsmittelanteile an der Befriedigung der Gesamtnachfrage nach bestimmten Verkehrsdiensten; Aufteilung der Transportleistung auf die verschiedenen Verkehrsträger bzw. –mittel.“ Die Friedrich-Ebert-Stiftung definiert den Begriff ausführlicher und schreibt: 2 „Der Begriff modal split stammt aus den USA und bezifferte ursprünglich die jeweiligen Anteile von öffentlichem und Individualverkehr. Diese Zweiteilung sah den nicht-motorisierten Verkehr überhaupt nicht als Bestandteil eines Verkehrskonzeptes vor. Nach seiner ursprünglichen Definition ist der Begriff modal split aus heutiger Sicht also eher eine unglückliche Wortschöpfung. In der Bundesrepublik Deutschland stellte aber das Verhältnis ÖPNV zu motorisiertem Individualverkehr noch in den 1970er Jahren die politische Grundlage der Verkehrspolitik dar. Erklärtes Ziel war es, den damaligen Ist-Zustand von 40:60 auf ein Soll von 60:40 anzuheben. Die bundesdeutsche Gesellschaft wurde lediglich in Autofahrer und "Nicht- aber Bald-Autofahrer" unterteilt . Die aktuelle Verwendung des modal split-Begriffs gibt Auskunft über die real existierende Verkehrszusammensetzung inkl. Fußgänger- und Radfahreranteile.“ 2. Studien Wie sich die Verkehrsteilnehmer bei unterschiedlichen Wetterverhältnissen verhalten, wurde in einigen Studien3 untersucht, von denen hier drei vorgestellt werden, bei denen eine signifikante Änderung des Modal Splits zusätzlich grafisch dargestellt wurde. Lars Böcker, Martin Dijst, und Jan Faber von der Universität Utrecht untersuchten die Auswirkung des Wetters auf die Auswahl des Verkehrsmittels in der Großregion Rotterdam (Anlage 1).4 Das folgende Diagramm stellt den Modal Split in Abhängigkeit vom Wetter dar: 1 http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/78671/modal-split-v10.html 2 http://www.fes.de/fulltext/fo-wirtschaft/00388004.htm#E9E4 3 Z. B.: http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/pdf/MiD2008_Kurzbericht_I.pdf, http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/renner-simon-2016-11-03/PDF/renner.pdf und https://tu-dresden.de/bu/verkehr/ivs/srv/ressourcen/dateien/2013/uebersichtsseite/SrV2013_Staedtevergleich .pdf?lang=de 4 Böcker/Dijst/Faber, Weather, transport mode choices and emotional travel experiences, in: Transportation Research Part A Policy and Practice, 2016, S. 360 ff, https://www.researchgate.net/publication /308922842_Weather_transport_mode_choices_and_emotional_travel_experiences Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 046/17 Seite 4 Wie aus dem Diagramm ersichtlich, variieren die Verkehrsmittel je nach Wetterlage. Die Autoren der Studie haben dabei vier Parameter für das Wetter ausgewählt: Die Temperatur, Bewölkung, Windgeschwindigkeit und Niederschläge. In der Studie wird hierzu im Wesentlichen Folgendes festgestellt:5 Eine höhere Lufttemperatur führt zu mehr Aktivitäten an der frischen Luft, besonders zur vermehrten Nutzung des Fahrrads, während die Anteile des Autoverkehrs und des ÖPNV sinken. Dabei liegt die Temperatur, bei der der Anteil der Fahrradnutzung am höchsten ist, zwischen 20 und 25 Grad Celsius. Bei höheren Temperaturen sinkt der Anteil der Fahrräder wieder. Ebenso wächst der Anteil der Fußgänger und des ÖPNV und der Anteil der Autos sinkt, wenn sich die Temperaturen unter Null bewegen, vermutlich aufgrund der ungünstigeren Straßenverhältnisse. Hinsichtlich der Effekte durch die unterschiedliche Bewölkung ist deutlich sichtbar, dass mit zunehmend klarem Himmel die Radfahrerquote und auch die der Fußgänger gegenüber dem Auto und dem ÖPNV ansteigt. Bei starker Bewölkung und Dunkelheit sind die Effekte umgekehrt. Schließlich sinkt der Anteil der Radfahrer gegenüber motorisierten Verkehrsmitteln bei Niederschlag und hohen Windgeschwindigkeiten . Der Anteil der Fußgänger steigt demgegenüber bei höheren Niederschlägen wieder an. Die Technische Universität Dresden erstellte mit Förderung des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 2010 eine Studie mit dem Titel: “Interdependenzen zwischen Fahrrad- und ÖPNV – Nutzung – Analysen, Strategien und Maßnahmen einer integrierten Förderung in Städten“ (Auszug Anlage 2). Die Studie war ein Forschungsvorhaben im Rahmen der Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplanes. 5 https://www.researchgate.net/publication/308922842_Weather_transport_mode_choices_and_emotional _travel_experiences S. 365 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 046/17 Seite 5 Hinsichtlich des Einflusses des Wetters auf den Modal Split dieser zwei Verkehrsarten heißt es in der Studie:6 „4.2.2 Wetterabhängigkeit des Modal Split Hinsichtlich der Interdependenz von Radverkehr und ÖPNV ist die Hypothese zu prüfen, dass Radfahrer bei schönem Wetter ihr Rad nutzen und bei schlechtem Wetter insbesondere wenn sie nass zu werden drohen - auf den ÖPNV umsteigen. Dies würde bedeuten, dass ÖPNV-Unternehmen mit wetterbedingten Nachfrageschwankungen rechnen müssten. Es könnte sich dann die Frage stellen, ob mit steigenden Radverkehrsanteilen in Städten die Verkehrsunternehmen sich auf die bei schlechtem Wetter „umsteigenden“ Radfahrer einstellen müssten. Der jahreszeitliche Verlauf des Modal Splits zeigt z. B. für Monatswerte, dass der Radverkehrsanteil im Dezember (8 %) nur 40 % des Spitzenwertes im Juni (20 %) ausmacht. Die Variationen kommen primär aus der Wetterempfindlichkeit des Freizeitverkehrs. Verschiedene Untersuchungen (u. a. Dekoster/Schollaert, 2000, Haustein et al., 2007) haben jedoch nachgewiesen, dass Alltagsradfahrer überdurchschnittlich wetterresistent sind und nur bei sehr widrigen Bedingungen (Regen und insbes. Schnee/Eis) hier deutlich weniger Radnutzung zu verzeichnen ist. Hinzu kommt, dass bei solchen Bedingungen die Zahl der Wege insgesamt zurückgeht und die Wirkung auf den ÖPNV eher marginal sein dürfte. Ein Indiz dafür ist die Zunahme der bei Regen und Schnee am Stichtag nicht mobilen Personen (vgl. Abbildung 7). Anhand der MiD-Daten zeigt Abbildung 7 den Anteil der Hauptverkehrsmittel nach Wetterlage in Deutschland. Hier wird deutlich, dass bei Regen und Schnee verringerte Modal Split Anteile im Radverkehr nicht durch ÖPNV-Anteile kompensiert werden, sondern durch höhere Anteile in der MIV-Nutzung, bei winterlichen Bedingungen auch durch Fußweganteile.“ Abbildung 7 der Studie wird nachfolgend wiedergegeben: 6 https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0ahUKEwicxNyauJr UAhUKshQKHQkeBWIQFggoMAA&url=http%3A%2F%2Fedoc.difu.de%2Fedoc .php%3Fid%3D284LPBZH&usg=AFQjCNG3oaZCjc17KOKGOqvkxwqL- Z0_Tg&sig2=baFK665dJvW9QZdkunXdHQ, S. 20 f. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 046/17 Seite 6 Auch im Rahmen einer vom damaligen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Auftrag gegebenen Studie unter Projektleitung der Ruhr-Universität Bochum mit dem Titel „MOBILANZ - Möglichkeiten zur Reduzierung des Energieverbrauches und der Stoffströme unterschiedlicher Mobilitätsstile durch zielgruppenspezifische Mobilitätsdienstleistungen“ aus dem Jahr 2008 wurde – u.a. unter Mitarbeit des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH - der Modal Split in Abhängigkeit vom Wetter untersucht (Auszug Anlage 3). Darin enthalten ist eine empirische Untersuchung, die das Verkehrsverhalten in Abhängigkeit vom Wetter analysierte , und die insgesamt in fünf Phasen unterteilt wurde. Zu diesen fünf Phasen gehörten auch zwei Phasen der Datenerhebung. Die erste Erhebung erfolgte mittels Fragebogen und die zweite dann mittels „Mobilitätstagebüchern“, um dadurch eine differenziertere Datenbasis hinsichtlich des Modal Splits für die Studie zu erhalten.7 7 http://www.ruhr-uni-bochum.de/ecopsy/projekte/bmbffkz07ngs07.pdf S. 51 ff. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 046/17 Seite 7 In dem Kapitel „Verkehrsmittelwahl der Mobilitätstypen in Abhängigkeit von der Wetterlage“ heißt es daher zur Datenerhebung erläuternd:8 „In den Mobilitätstagebüchern wurde für jeden Weg kategorial erhoben, ob das Wetter zur betreffenden Zeit sonnig, bewölkt oder regnerisch war. So konnte für jeden Mobilitätstypen ausgewertet werden, inwiefern seine Verkehrsmittelwahl in Abhängigkeit von den Wetterbedingungen variierte .“ Dabei wird auch auf folgende Problematik der Erhebung hingewiesen: „Die Zuordnung von Wetterdaten zum Mobilitätsverhalten ist bei einer Vielzahl von Erhebungen problematisch. So besteht beispielsweise auch beim Deutschen Mobilitätspanel die Schwierigkeit, dass die zugeordneten Wetterstationen aufgrund ihrer räumlichen Lage für einen Teil der Probanden nicht repräsentativ sind und somit vorhandene Effekte verwischt werden (Zumkeller, Chlond, Ottmann, Kuhnimhof & Kagerbauer, 2005).“ Im nachfolgenden zusammenfassenden Diagramm zum Modal Split wird dargestellt „…wie hoch die Anteile mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln zurückgelegten Wege bei unterschiedlichen Wetterlagen ausfällt. Bei sonnigem und bewölktem Wetter zeigen sich dabei nur geringfügige Unterschiede , während der MIV-Anteil bei Regen deutlich ansteigt. Während sich der Anteil der Fuß- und Radwege bei Regen etwa halbiert, steigt die ÖV-Nutzung an.“ *** 8 http://www.ruhr-uni-bochum.de/ecopsy/projekte/bmbffkz07ngs07.pdf S. 88 f.