© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 044/21 Straßenbau und Verkehrsentwicklung Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 2 Straßenbau und Verkehrsentwicklung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 044/21 Abschluss der Arbeit: 01.06.2021 Fachbereich: WD 5 Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Determinanten des Straßenbaus 4 3. Die Wechselwirkung von Straßenbau und Verkehr in der Diskussion 8 4. Weitere Literatur 16 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Zusammenhang von Straßenbau und der daraus resultierenden Verkehrsentwicklung auseinander. Hierzu werden überblicksartig Veröffentlichungen des federführenden Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sowie weitere Studien und Presseartikel vorgestellt. Eine Betrachtung des Umweltaspekts erfolgt seitens des Fachbereichs WD 8 und ist somit nicht Teil der vorliegenden Ausführungen. 2. Determinanten des Straßenbaus Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) beschreibt die ihr unterstehende Verkehrsinfrastrukturplanung des Bundes über alle Verkehrsträger wie folgt1: „Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030[2] stellt als wichtigstes Instrument der Verkehrsinfrastrukturplanung des Bundes die verkehrspolitischen Weichen für die kommenden 10 bis 15 Jahre. Er betrachtet dabei sowohl die Bestandsnetze als auch Aus- und Neubauprojekte im Bereich der Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße. Die im neuen Bundesverkehrswegeplan bewerteten Vorhaben wurden einer Nutzen-Kosten -Analyse (NKA) unterzogen und zusätzlich umwelt- und naturschutzfachlich, raumordnerisch und städtebaulich beurteilt. Auf dieser Basis wurden sie in verschiedene Dringlichkeitskategorien eingruppiert. Kernanliegen des BVWP 2030 sind der Erhalt der Bestandsnetze und die Beseitigung von Engpässen auf Hauptachsen und in wichtigen Verkehrsknoten. Vom Gesamtvolumen des Plans von rd. 269,6 Mrd. € fließen allein bis 2030 rd. 141,6 Mrd. € in den Erhalt der Bestandsnetze . Für Aus- und Neubauprojekte sind rd. 98,3 Mrd. € vorgesehen. Die Umsetzung der Projekte des BVWP 2030 bedeutet konkret: Weniger Staus auf den Bundesfernstraßen, mehr Kapazität im Personen- und Güterverkehr auf der Schiene und wirtschaftlichere Transportmöglichkeiten auf den Wasserstraßen des Bundes.“ Das BMVI führt in einer gesonderten Veröffentlichung zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 im Einzelnen wie folgt aus3: 1 https://www.bmvi.de/DE/Themen/Mobilitaet/Infrastrukturplanung-Investitionen/Bundesverkehrswegeplan- 2030/bundesverkehrswegeplan-2030.html. 2 Alle Hervorhebungen (Fettungen) dieser Arbeit erfolgten durch den Verfasser dieser Dokumentation. 3 BMVI, 2016, Bundeverkehrswegeplan 2030, S.59 ff. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/bundesverkehrswegeplan-2030-gesamtplan .pdf?__blob=publicationFile. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 5 „Das zentrale Bewertungsmodul des BVWP 2030 stellt die Nutzen-Kosten-Analyse dar, die den Investitionskosten eines Vorhabens alle in Geldeinheiten darstellbaren positiven und negativen Projektauswirkungen gegenüberstellt4. Tabelle 19 listet die 13 Komponenten auf, in denen die Effekte der einzelnen Projektvorschläge des BVWP 2030 monetär bewertet wurden. Quelle: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/bundesverkehrswegeplan-2030-gesamtplan .pdf?__blob=publicationFile. Die aufgelisteten Nutzen und Kosten wurden jeweils für die Jahre des sogenannten Betrachtungszeitraums ermittelt. Der Betrachtungszeitraum besteht aus der Planungsphase, der Bauphase und der Betriebsphase eines Vorhabens und beginnt für alle Projekte der Verkehrsträger Straße und Schiene im Jahr 2015. Diese vereinfachende Festlegung impliziert , dass die weiteren Planungsarbeiten für alle Projekte einheitlich im Jahr 2015 starten. 4 Weitere Module können dem Methodenhandbuch zum Bewertungsverfahren des BVWP 2030 entnommen werden : https://www.bi-nordzulauf-ko.de/wp-content/uploads/2019/09/bvwp-2030-methodenhandbuch.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 6 Sie ist dem Umstand geschuldet, dass zum Zeitpunkt der Projektbewertung tatsächliche Realisierungszeiträume und Inbetriebnahmezeitpunkte der betreffenden Projekte unbekannt sind. Sämtliche ermittelte Nutzen und Kosten wurden auf das Bezugsjahr 2015 abgezinst, d.h. diskontiert, um sie miteinander vergleichen zu können. Für den BVWP 2030 wurde ein einheitlicher Diskontierungszinssatz von 1,7 % p. a. gutachterlich ermittelt. Die Diskontierung wird vorgenommen aufgrund der Annahme, dass zukünftige Nutzen und Kosten aus heutiger Perspektive eine geringere Bedeutung haben als heute anfallende Nutzen und Kosten gleicher Höhe.“ Das im Auftrag des BMVI erstellte Methodenhandbuch zum Bundesverkehrswegeplan 2030 verweist auf die folgenden Nachfragewirkungen, die durch bewertete Verkehrsprojekte im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung ausgelöst werden können und dementsprechend berücksichtigt werden müssen5: „ Induzierter Verkehr (Erhöhung der Fahrtenhäufigkeit bzw. geänderte Zielwahl), Verlagerungen zwischen konkurrierenden Verkehrsträgern (Verkehrsmittelwahl) und Änderungen der Routenwahl/Umlegung. Eine Prognose der geänderten Routenwahl ist bei allen Verkehrsträgern standardmäßig erforderlich und bildet die Grundlage der Ermittlung der Nachfragewirkungen. Bezüglich der Bewertungsrelevanz des induzierten und des verlagerten Verkehrs bestehen aber Unterschiede bei den einzelnen Verkehrsträgern.“ In der weiteren Erörterung wird hier nur auf die Nachfragewirkungen Bezug genommen, die maßgeblich den Individualverkehr der Straße betreffen. Das o.g. Methodenhandbuch zum Bundesverkehrswegeplan führt hierzu wie folgt aus:6 „Beim induzierten Verkehr ist zunächst zwischen primär und sekundär induziertem Verkehr zu unterscheiden. Hiervon wird bei den Prognosen der Nachfragewirkungen und der gesamtwirtschaftlichen Bewertung nur der primär induzierte Verkehr berücksichtigt. ‚Primär induzierter Verkehr‘ bedeutet, dass durch die Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur im Planfall bei ansonsten unveränderten mobilitätsbestimmenden Einflussgrößen eine zusätzliche Nachfrage ausgelöst wird, die im Bezugsfall nicht entstanden wäre. ‚Sekundär induzierter Verkehr‘ entsteht dann, wenn die Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur zu einer zusätzlichen Ansiedlung von Einwohnern und/oder Beschäftigten im Einzugsbereich der betreffenden Maßnahmen und einem hieraus resultierenden zusätzlichen Verkehrsaufkommen führen. Das Entstehen von sekundär induziertem Verkehr ist 5 https://www.bi-nordzulauf-ko.de/wp-content/uploads/2019/09/bvwp-2030-methodenhandbuch.pdf, S 75 ff. 6 Ders. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 7 nur als längerfristige Entwicklung zu verstehen. Im BVWP 2030 wird daher davon ausgegangen , dass die nachfragebestimmenden sozioökonomischen und soziodemografischen Strukturdaten zwischen Planfall und Bezugsfall unverändert sind und sekundär induzierter Verkehr nicht Gegenstand der NKA ist. Primär induzierter Verkehr wird ausschließlich im Personenverkehr berücksichtigt. Im Güterverkehr sowie im kleinräumigen Personen- und Güterwirtschaftsverkehr haben verbesserte Transportwege erst mit langem zeitlichen Versatz Einfluss auf Produktions- und Lagerstrukturen und können daher vernachlässigt werden. Primär induzierter Personenverkehr kann in Form einer geänderten Zielwahl und/oder einer erhöhten Fahrtenhäufigkeit entstehen.“(…) „Beim motorisierten Individualverkehr (MIV) als aufnehmendem Verkehrsmittel werden Verlagerungswirkungen vom Schienenpersonenverkehr (SPV) nur bei den Projekten berücksichtigt, für die die Verbindungsfunktionsstufen 0 und 1 gemäß RIN (Richtlinien für integrierte Netzgestaltung) [7] maßgebend sind. Diese Stufen sind wie folgt definiert :8 Verbindungsfunktionsstufe 0: kontinental – Verbindung zwischen Metropolregionen Verbindungsfunktionsstufe 1: großräumig – Verbindung von Oberzentren zu Metropolregionen und zwischen Oberzentren Bei diesen Projekten mit überregionaler Bedeutung sind Nutzenbeiträge aus dem Fernverkehr zu erwarten. Da der SPV und der MIV im Fernverkehr konkurrierende Verkehrsmittel sind, werden entsprechende Nachfrageverlagerungen mit Hilfe eines Verkehrsmittelwahlmodells ermittelt. Nachfrageverlagerungen vom öffentlichem Straßenpersonenverkehr (ÖSPV) auf den MIV werden nicht als bewertungsrelevant betrachtet, da Aus- und Neubaumaßnahmen im Straßennetz sowohl dem MIV als auch dem ÖSPV zugutekommen. Bei Projekten mit regionaler/lokaler Bedeutung beruht der bei weitem überwiegende Teil der gesamtwirtschaftlichen Nutzen auf dem Nahverkehr. Hier sind der ÖSPV und der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) komplementäre Verkehrsmittel, d. h. es besteht ein integriertes ÖPNV-Angebot, das sich aus ÖSPV und SPNV zusammensetzt. Untersuchungen von Infrastrukturprojekten mit regionaler/lokaler Bedeutung haben ergeben, dass Verlagerungen vom ÖPNV auf den MIV in der Regel keine bewertungsrelevante Größenordnung haben. Daher werden bei Projekten, die nicht den Verbindungsfunktionsstufen 0 7 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, FGSV (2008): Richtlinien für integrierte Netzgestaltung (RIN), Köln, https://www.fgsv-verlag.de/rin. 8 https://www.bi-nordzulauf-ko.de/wp-content/uploads/2019/09/bvwp-2030-methodenhandbuch.pdf, S. 77 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 8 und 1 gemäß RIN entsprechen, im BVWP 2030 keine solchen Verlagerungswirkungen berücksichtigt . Verlagerungen vom Luftverkehr auf den MIV sind aufgrund der unterschiedlichen Reiseweitenstrukturen nicht bewertungsrelevant.“ (…) „Bei der Routenwahl[9]werden in den Verkehrsmodellen je Quelle-Ziel-Relation die jeweils günstigsten Routen unter Berücksichtigung der für die einzelnen Streckenabschnitte maßgebenden Widerstände ermittelt. Die im Planfall gegenüber dem Bezugsfall geänderte Routenwahl stellt beim Verkehrsträger Straße die größte Wirkung bei den meisten Verkehrsprojekten dar. Zudem hat die Routenwahl Einfluss auf die bewertungsrelevanten Ausgangsgrößen (z. B. Tür-zu-Tür-Reisezeiten, Nutzerkosten, Bedienungshäufigkeiten und Umsteigehäufigkeiten bei fahrplanbasierten Verkehrsmitteln) für die Ermittlung der Nachfragewirkungen (induzierter und verlagerter Verkehr). Liegen in einer Relation mehrere relevante Alternativrouten vor, erfolgt noch eine Aufteilung des betreffenden Verkehrsaufkommens auf diese Routen. Umlegungsrechnungen in der Straße werden in der Regel auf Stunden- oder Tagesbasis durchgeführt. Für die Ermittlung der jahresweiten stündlichen Kennwerte sind Umlegungsrechnungen für mehrere Zeitintervalle und/oder eine streckentypenspezifische und regionale Hochrechnung erforderlich. Umlegungen der Nachfragematrix des Schienenpersonenverkehrs werden auf Jahresbasis durchgeführt. Die Umlegung der SPV- und SGV-Züge erfolgt auf der Basis von Durchschnittswerktagen.“ Eine kurze Zusammenfassung des Methodenhandbuchs zum Bundesverkehrswegeplan 2030, bzw. die methodischen Unterschiede zum Bundesverkehrswegeplan 2003, ist den Seiten 340 ff. der o.g. Quelle zu entnehmen. 3. Die Wechselwirkung von Straßenbau und Verkehr in der Diskussion Dem gestiegenen Verkehrsaufkommen mit einem gesteigerten Ausbau der Straßeninfrastruktur zu begegnen wird in den folgenden vorgestellten Veröffentlichungen diskutiert. Trotz verschiedener Rechercheansätze konnten jedoch keine Studien gefunden werden, die den zusätzlichen Straßenbau als grundsätzliche Stauvermeidung vorbehaltlos untermauern sondern bestenfalls nur als eine temporäre Entlastung sehen. Die PTV Group/ Fraunhofer ISI/ M-FIVE führen in einer Studie im Auftrag des BMVI zu induzierten Verkehr wie folgt aus:10 9 https://www.bi-nordzulauf-ko.de/wp-content/uploads/2019/09/bvwp-2030-methodenhandbuch.pdf, S. 80 10 PTV Group, Fraunhofer ISI, M-FIVE, Verlagerungswirkungen und Umwelteffekte veränderter Mobilitätskonzepte im Personenverkehr, Wissenschaftliche Beratung des BMVI zur Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie, Studie im Auftrag des Bundeministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), Karlsruhe, November 2019, S. 147 f.. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/MKS/studie-verlagerungswirkungen-umwelteffekte-mobilitaetskonzepte .pdf?__blob=publicationFile. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 9 „Es gibt eine Reihe von Faktoren, die zusätzlichen Verkehr induzieren, das heißt. „auslösen “ oder „einleiten“, können. Ein anderer Ausdruck für den induzierten Verkehr lautet „Neuverkehr“. Im Wesentlichen werden markttheoretische von planungstheoretischen Faktoren unterschieden (Verron et al. 2005, S. 46). Aus der Perspektive der Markttheorie lösen vor allem sinkende Preise einen Anstieg der Nachfrage nach Verkehrsdienstleistungen aus, was zusätzlichen Verkehr verursacht. Dabei können die Preise neben den monetären Kosten auch aus Zeitaufwänden bestehen. Wird ein Angebot aufgrund sinkender Kosten oder Zeitaufwänden attraktiver als zuvor, steigt die Nachfrage und der dadurch induzierte Verkehr. Aus Sicht der Planungstheorie (Raum- und Verkehrsplanung) entsteht induzierter Verkehr vorwiegend durch die Senkung des sogenannten Raumwiderstandes, womit die erleichterte Erreichbarkeit eines bestimmten Zieles von einem konkreten Ausgangspunkt gemeint ist. Dies ist oftmals mit dem Grad der Verkehrsinfrastruktur verknüpft . Beispielsweise kann der Neu- oder Ausbau einer Straßen- oder Schienenverbindung an einem Ausgangspunkt die benötigte Fahrzeit zu nunmehr besser angebundenen Zielen reduzieren. Dies regt Personen dazu an, Ziele aufzusuchen, die vorher außerhalb ihrer üblichen Wege lagen. Wenn diese Ziele aufgrund der Fahrzeitverkürzung zusätzlich zu bisherigen Zielen aufgesucht werden (oder weiter entfernt liegen als bisherige Ziele), entsteht induzierter Verkehr. „Beide Theorien sagen damit eindeutig aus, dass eine Verbesserung der Infrastruktur zusätzlichen Verkehr zur Folge hat, soweit damit eine Verbesserung der Erreichbarkeit (Senkung der Reisezeiten und damit der Transportkosten) einhergeht “ (Verron et al. 2005, S. 46).“ Quelle: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/MKS/studie-verlagerungswirkungen-umwelteffektemobilitaetskonzepte .pdf?__blob=publicationFile. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 10 Gilles Duranton und Matthew Turner haben in einer Studie die amerikanische Verkehrsentwicklung der Jahre 1983 bis 2003 analysiert und gelangen zu folgender Einschätzung:11 „This paper analyzes new data describing city level traffic in the continental US between 1983 and 2003. By exploiting the fact that our data describe urbanized and non-urbanized area interstates along with urban roads, we not only confirm the ‘fundamental law of highway congestion’ suggested by Downs (1962), but also provide evidence that this law extends beyond urban highways. That is, our data suggests a ‘fundamental law of road congestion ’ where the extension of most major roads is met with a proportional increase in traffic. Not only do we provide direct evidence for this law, but also show find evidence that three implications of this law; near flat demand curve for the relationship between interstate highways and highway vehicle kilometers traveled (vkt), convergence of traffic levels, and no effect of public transit on traffic levels. We also consider the sources of new traffic elicited by extensions to the interstate network. We find that changes to individual driving behavior and increases in trucking are most important. Migration is somewhat less important. Surprisingly, diversion of traffic from other road networks does not appear to play a large role. Importantly, our data provide little evidence that extensions of public transit will reduce traffic. High levels of induced demand do not necessarily imply that improvements to the highway system are not in the public interest. However, our calculations suggest that an average extension of the interstate network does not result in sufficient travel time improvements to justify its cost. Two caveats apply here. First, our welfare calculation excludes some possible external benefits unrelated to travel time savings. Second, certain specific improvements of the system, for example inexpensive improvements to bottlenecks, may well be justified even if an across the board expansions are not. A similar comment applies to public transit. The fact that increases in public transit do not reduce traffic does not imply that such improvements are not in the public interest. While we are not able to perform a welfare calculation to evaluate extensions to bus based public transit, we suspect on the basis of earlier research (Kain, 1999, Duranton and Turner, 2008) that improvements to bus-based public transit are often welfare improving. We make two final remarks in closing. First, throughout our analysis we find that our instrumental variables estimations show find a similar relationship between roads and traffic as does ordinary least squares (ols). Positing the validity of our instruments, this suggest that the assignment of roads to metroulated statistical areas (msas) is unrelated to traffic (conditional on control variables). If true, this almost certainly results in lower welfare than would assigning roads to places with higher traffic levels. Second, we note that this research eliminates both capacity expansions and extensions to public transit as policies 11 Gilles Duranton /Matthew A. Turner, The Fundamental Law of Road Congestion: Evidence from US Cities, National Bureau of economic Research, 1050 Massachusetts Avenue Cambridge, MA 02138 September 2009, Working Paper 15376, S. 42 f.. https://www.nber.org/system/files/working_papers/w15376/w15376.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 11 to combat traffic congestion. On the other hand, our estimates of the demand for vkt indicate that vkt is quite responsive to price. Together, these findings strengthen the case for congestion pricing as a policy response to traffic congestion.“ Das Handelsblatt führt ergänzend zur Studie der Verkehrsökonomen Duranton/Turner wie folgt aus:12 „Rund 234 Millionen Stunden stehen Deutschlands Autofahrer pro Jahr kollektiv im Stau. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten dieses Stillstands auf dem Asphalt schätzt die Bundesanstalt für Straßenwesen auf mehr als 3,5 Milliarden Euro pro Jahr. Für den ADAC liegt die Lösung des Problems auf der Hand: Nur mit einem massiven Ausbau des Straßennetzes lasse sich der Verkehrsinfarkt beheben. Um 40 Prozent müssten die Ausgaben des Bundes für Ausbau und Erhalt der Autobahnen steigen - von fünf auf sieben Milliarden Euro. ‚Nur so können Engpässe auf den Hauptverkehrsadern beseitigt und Staus vermieden werden‘, behaupten die Auto-Lobbyisten. Tatsächlich aber dürfte das vom ADAC geforderte ‚gezielte Anti-Stau-Programm‘ keine nachhaltige Wirkung haben. Das zumindest legt eine jüngst veröffentlichte Studie von zwei kanadischen Verkehrsökonomen nahe. Die Forscher Gilles Duranton und Matthew Turner - beide sind Professoren für Wirtschaftswissenschaften an der University of Toronto - haben den Zusammenhang zwischen Straßenbau und Verkehrsaufkommen am Beispiel der Vereinigten Staaten empirisch untersucht. Basis ihrer Studie ist umfangreiches, regional aufgeschlüsseltes Zahlenmaterial zu den Investitionen in den Straßenbau und der Entwicklung des Verkehrsaufkommens für die Jahre 1983 bis 2003. Diese Daten haben Duranton und Turner aus verschiedenen Perspektiven ausgewertet. So analysierten sie einerseits, wie sich im Zeitablauf Straßennetz und Verkehr in jeder Region entwickelt haben. Andererseits verglichen sie, wie sich Infrastruktur und Verkehrsaufkommen zwischen den einzelnen Regionen in einem gegebenen Jahr veränderten. Beide Ansätze liefern sehr ähnliche Ergebnisse: Ein Ausbau des Straßennetzes um ein Prozent in einer Region führt dazu, dass der Autoverkehr dort um ein Prozent zunimmt - und zwar in weniger als zehn Jahren. ‚Eine Verdoppelung der Straßen‘, bringt Turner das Ergebnis auf den Punkt, ‚verdoppelt den Verkehr‘. Mehr Autobahnen seien daher kein probates Mittel zur Bekämpfung des Staus. Dieses Ergebnis ist unabhängig vom Bevölkerungswachstum in der Region, von der wirtschaftlichen Entwicklung und von anderen sozioökonomischen Faktoren. Auch die Frage, 12 Handelsblatt, 12.10.2009, Verkehrsökonomen: Warum Straßenbau kein Mittel gegen Staus ist. https://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/oekonomie/wissenswert/verkehrsoekonomen-warum-strassenbau -kein-mittel-gegen-staus-ist/3279058.html?ticket=ST-11956-hn0T7DciDAZPEMIT1ihm-ap5, alle Fettungen durch Verfasser der Dokumentation. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 12 wie gut und dicht das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln ist, spielt für die Entwicklung des Autoverkehrs so gut wie keine Rolle, stellen die Forscher fest. Für sich genommen, sagt der beobachtete Zusammenhang nicht zwingend etwas über Ursache und Wirkung aus. Schließlich wäre es auch denkbar, dass vor allem in den Regionen die Straßen ausgebaut werden, wo das Verkehrsaufkommen aus anderen Gründen steigt. Um dieses Problem zu lösen, wenden die Forscher zusätzlich eine in der Ökonometrie gängige Methode an: Sie arbeiten mit sogenannten Instrument-Variablen. In komplexen Berechnungen berücksichtigen sie Faktoren, die zwar Einfluss darauf haben, wie die Verkehrsinfrastruktur in einer Region aussieht, die aber unabhängig vom aktuellen Verkehrsaufkommen sind. Sämtliche Schätzungen mit verschiedenen Instrument-Variablen führen zu ganz ähnlichen Ergebnissen: Der Verkehr nimmt zu, sobald es mehr Straßen gibt. Aber woher kommt der zusätzliche Verkehr? Auch dieser Frage sind Duranton und Turner nachgegangen. Der wichtigste Faktor, so stellen sie fest, ist: Das Fahrverhalten der Menschen ändert sich. Sie fahren häufiger Auto, wenn das Straßennetz ausgebaut wird. Weniger Bedeutung hat, dass eine Region mit besserem Straßennetz mehr Menschen aus anderen Regionen anzieht oder dass sich der Verkehr verlagert. Unter dem Strich stützt die kanadische Studie eindrucksvoll eine These, die der amerikanische Ökonom Anthony Downs vor mehr als vier Jahrzehnten formuliert hat: Neue Straßen sind kein Mittel gegen Staus, weil sie zusätzlichen Verkehr hervorrufen.“ Ähnlich argumentiert Manuel Frondel in einem im Jahr 2020 erschienenen Research Report, der zur Vermeidung von Staus alternativ die Einführung von flächendeckenden belastungsabhängigen Gebührensystemen anregt:13 „Volle Autobahnen, kilometerlange Staus und vergeudete Zeit – das ist immer häufiger tagtägliche Realität für die Autofahrer in Deutschland. Laut ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobil-Club) gab es im Jahr 2018 auf deutschen Autobahnen so viele Blechlawinen wie nie zuvor: Mehr als 2.000 Staus pro Tag hat der ADAC (2019) im Schnitt gezählt. In der Summe kam der Verkehrsclub auf rund 745.000 – und damit auf ein Plus von rund 3 % im Vergleich zu 2017. Die gemeldeten Staulängen wuchsen um rund 5 % und summierten sich auf etwa 1,5 Millionen Kilometer. Glaubt man diesen Zahlen, wäre dies ein dramatischer Anstieg innerhalb weniger Jahre: Im Jahr 2011 wurden rund 189.000 Staus auf deutschen Autobahnen gemeldet und die Staus summierten sich zu einer Gesamtlänge von etwa 0,45 Millionen Kilometern (Intraplan 2011: 1). Nordrhein-Westfalen ist im 13 Frondel, Manuel (2020) : Straßennutzungsgebühren: Eine Lösung zur Vermeidung von Staus?, RWI Materialien, No. 133, ISBN 978-3-86788-955-1, RWI - LeibnizInstitut für Wirtschaftsforschung, Essen, S 1 ff.. https://www.econstor.eu/bitstream/10419/225490/1/173734372X.pdf, alle Fettungen durch Verfasser der Dokumentation . Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 13 Übrigen das Bundesland mit den häufigsten und längsten Staus, nicht viel weniger betroffen sind jedoch Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Niedersachsen. Für die Zunahme an Staus nannte der ADAC (2019) zwei Gründe: Zum einen gab es im Jahr 2018 auf den Autobahnen rund 3 % mehr Baustellen. Zum anderen sei die Fahrleistung, die jedes Auto pro Jahr zurücklegt, um 0,4 % gestiegen. Darüber hinaus nimmt die Zahl der Autos in Deutschland beinahe fortwährend zu: allein zwischen 2007 und 2018 um über 14 %, von 41,2 auf 47,1 Mio. (KBA 2019). Wenn zudem alle Autos im Schnitt noch einige Kilometer mehr gefahren werden, wird es auf den Straßen automatisch enger, wenn die Kapazitäten nicht entsprechend ausgebaut werden. Aussicht auf Besserung besteht nach Ansicht des ADAC nicht. Im Gegenteil: Eine im Jahr 2011 von Intraplan Consult veröffentlichte Studie, die im Auftrag des ADAC erstellt wurde, prognostiziert, dass bis zum Jahr 2025 die überlasteten Autobahnabschnitte angesichts immer größerer Verkehrsmengen auf insgesamt 2.000 Kilometer anwachsen könnten (Intraplan 2011). Im Jahr 2010, so die Studie, betrug die betroffene Netzlänge rund 1.600 Kilometer. Für die Prognose wurde nicht nur die Fertigstellung zahlreicher Neu- und Ausbauprojekte bis zum Jahr 2025 unterstellt, sondern auch eine 10-prozentige Kapazitätserhöhung für alle Autobahnabschnitte angenommen. Die im Stau verbrachten Stunden kosten nicht nur Zeit. Eine Untersuchung des Verkehrsdatenanbieters INRIX (2018) errechnete für Deutschland für das Jahr 2017 Staukosten von rund 80 Mrd. Euro, wobei auch Staus in Städten einbezogen wurden. Die Kosten von Staus beinhalten vor allem die Opportunitätskosten der im Stau verschwendeten Zeit. Hinzu kommen im Wesentlichen noch die Kosten des Kraftstoffmehrverbrauchs und die gesellschaftlichen Kosten höherer Emissionen. Vor diesem Hintergrund forderte der ADAC (2019) einmal mehr, dringend die Investitionen in die Fernstraßeninfrastruktur zu erhöhen. Abhilfe soll in erster Linie der sechsbzw . achtstreifige Ausbau überlasteter Autobahnabschnitte schaffen. Doch der Autobahnausbau verursacht hohe Kosten: Abhängig etwa vom Gelände sind dafür pro Kilometer grob zwischen 10 und 20 Millionen Euro zur veranschlagen; in Einzelfällen, vor allem wenn Tunnel oder Talbrücken gebaut werden müssen, können die Kosten pro Kilometer sogar deutlich über 100 Millionen Euro liegen (Statista 2019). Hinzu kommen noch Folgekosten für Natur und Umwelt infolge von Umweltzerstörung sowie die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Viel schwerer wiegt jedoch, dass sich der Ausbau der Straßeninfrastruktur, obwohl auf den ersten Blick die naheliegende Lösung für Stauprobleme, letztendlich als fruchtloses Mittel erweist (Hsu, Zhang, 2014: 65). Die aus der Kapazitätserweiterung resultierende Erhöhung der Verkehrsgeschwindigkeit zieht jedoch neuen Verkehr an bzw. bringt den zuvor verhinderten Verkehr zurück auf die Straße. Im Ergebnis sind die ausgebauten Straßen wieder ebenso verstopft wie zuvor. Dieses paradoxe Ergebnis wird nach Anthony Downs (1962, 1992) als fundamentales Verkehrsstaugesetz bezeichnet. Theoretisch folgt daraus, dass die Elastizität des Straßenverkehrs in Bezug auf Kapazitätserweiterungen mindestens 1 betragen sollte. Duranton und Turner (2011) ziehen aus diesen Befunden und ihren empirischen Ergebnissen für die USA, nach denen die Summe der Fahrzeugkilometer proportional mit der Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 14 Länge der Highways wächst, die Schlussfolgerung, dass es wenig wahrscheinlich ist, dass der Ausbau von Straßen hilft, Verkehrstaus zu beseitigen: ‚Our results strongly support the hypothesis that roads cause traffic‘ (Duranton, Turner 2011:2618). Tatsächlich haben in Städten wie Los Angeles und Houston sogar Milliardeninvestitionen in neue Straßen wenig dazu beigetragen, Pendelzeiten zu verringern (Cramton, Geddes, Ockenfels 2019:127). Der folgende Beitrag diskutiert als Alternative zum Straßenausbau die Einführung von flächendeckenden belastungsabhängigen Gebührensystemen im Autobahnnetz sowie einer Städte-Maut zur Vermeidung von immer häufiger auftretenden Verkehrsinfarkten auf Autobahnen und in Städten. Eine dynamische, sprich belastungsabhängige Bepreisung knapper Straßenkapazitäten, zur Vermeidung von Verkehrstaus empfahl Vickrey (1963, 1969) bereits vor langer Zeit als Erster.“ Eine Studie der Transportation for America (T4A)14 hat sich des Zusammenhangs zwischen dem Ausbau von Straßen und den etwaigen Auswirkungen auf den Verkehrsfluss angenommen. In der Zusammenfassung wird bereits festgestellt, dass der Ausbau und Neubau von Schnellstraßen nicht zu weniger Überlastung und Stau geführt habe: „In an expensive effort to curb congestion in urban regions, we have overwhelmingly prioritized one strategy: we have spent decades and hundreds of billions of dollars widening and building new highways. We added 30,511 new freeway lane-miles in the largest 100 urbanized areas between 1993 and 2017, an increase of 42 percent. That rate of expansion significantly outstripped the 32 percent growth in population in those regions over the same time period. Yet this strategy has utterly failed to “solve” congestion. Those new lane-miles haven’t come cheap. We know that states alone spent more than $500 billion on highway capital investments in urbanized areas between 1993-2017, with a sizable portion going toward highway expansion. And the initial construction costs are just the tip of the iceberg. For roads that are already in good condition, it still costs approximately $24,000 per year on average to maintain each lane-mile in a state of good repair , creating significant financial liabilities now and for years into the future. We are spending billions to widen roads and seeing unimpressive, unpredictable results in return . In those 100 urbanized areas, congestion has grown by a staggering 144 percent, far outpacing population growth. (For this report, congestion is measured as annual hours of delay using data from the Texas Transportation Institute’s Urban Mobility Report). Further , the urbanized areas expanding their roads more rapidly aren’t necessarily having more success curbing congestion—in fact, in many cases the opposite is true.“ 14 https://t4america.org/wp-content/uploads/2020/03/Congestion-Report-2020-FINAL.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 15 Der Spiegel führt ergänzend zur amerikanischen Studie wie folgt aus:15 „In 92 der untersuchten Ballungsräume stieg die Verzögerung um mehr als 100 Prozent. Den niedrigsten Wert erreichte der Raum Detroit mit einem Anstieg von 45 Prozent - allerdings ging die Bevölkerung dort im untersuchten Zeitraum sogar um fünf Prozent zurück. Ein Zusammenhang zwischen steigender Bevölkerung und der Zunahme der Staus erscheine der Studie zufolge zwar logisch, die Daten zeigen jedoch keinen Zusammenhang. Die Untersuchung sei sorgfältig durchgeführt und für die USA bemerkenswert, erklärt Mobilitätsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin. ‚Solche Studien zeigen, dass der American Way of Life am Ende ist‘. Zwar verbessern breitere Straßen den Verkehrsfluss kurzfristig und machen das Autofahren schneller und bequemer. Dadurch wird aber nicht nur das Autofahren an sich attraktiver, sondern auch das Pendeln über weitere Strecken. Die breitere Straße produziert also eine verstärkte Nachfrage[16] - und führt dazu, dass Menschen häufiger das Auto nutzen als vorher und so einen neuen, größeren Stau produzieren. So stieg gleichzeitig auch die Anzahl der pro Person gefahrenen Meilen in den untersuchten Ballungsräumen von 21 auf 25 pro Tag. Das liege an der zunehmenden Zersiedelung, sagt Mobilitätsforscher Andreas Knie: ‚Die Amerikaner wollen wie die Deutschen möglichst weit vom Nachbarn und der Arbeit weg wohnen. Das produziert Verkehr.‘ Dieser entfernungsintensive Lebensstil sei jedoch am Ende, so Knie, denn er führe nur zu immer mehr Stau, den auch größere Straßen nicht bewältigen könnten. ‚Die Wege im Alltag sind zu lang‘, sagt Mobilitätsforscher Knie. Dieses Phänomen ist jedoch nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland zu beobachten, so stiegen die Arbeitswege[17], die sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zurücklegen, von 2000 bis 2014 um 21 Prozent von 8,7 auf 10,5 Kilometer. ‚Deutschland hat das gleiche Problem wie die USA‘, urteilt der Mobilitätsforscher. Das Rhein-Main-Gebiet, die Regionen um Köln, München und Stuttgart, aber auch das Ruhrgebiet hätten die gleichen Verkehrsbelastungen wie Los Angeles, Detroit oder Atlanta, so Knie. Die Erkenntnisse der Studie seien deshalb direkt übertragbar - in Deutschland verhindere der ÖPNV lediglich das Schlimmste. ‚Straßen weiter auszubauen, hilft niemandem , auch nicht den Autofahrern‘, folgert der Mobilitätsforscher. 15 Spiegel, 13.03.2020, Mobilität: Studie aus den USA - Warum breitere Straßen nicht gegen Stau helfen. https://www.spiegel.de/auto/verkehr-studie-aus-den-usa-breitere-strassen-helfen-nicht-gegen-stau-a-8f07ea3cf 0f0-42cb-a18d-629c24c6119d, Fettungen durch Verfasser der Dokumentation. 16 Siehe hierzu auch: https://www.bloomberg.com/news/articles/2018-09-06/traffic-jam-blame-induced-demand. 17 https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/pendler-nehmen-immer-weitere-wege-in-kauf-a-1203302.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 044/21 Seite 16 Das Stauproblem lässt sich Knie zufolge nur mit einer Stadt der kurzen Wege lösen. ‚Stadtplanung muss in Zukunft die Verkehrsanlässe reduzieren. Also die Anzahl der Ereignisse , die mich zwingen, das Auto zu nehmen.‘ Das gehe, wenn der Supermarkt und die Arbeit um die Ecke sind. ‚Oder Schulen nicht wie in Brandenburg immer weiter zentralisiert werden. Allein dadurch spart man sechs von zehn Wegen ein‘, erklärt Knie. In Deutschland gebe es jedoch noch ein weiteres Hindernis: die Pendlerpauschale. Damit subventioniere der Staat das Fahren weiter Strecken, so Knie. ‚Eigentlich ist das eine Zersiedlungsprämie, die abgeschafft werden muss.‘“ 4. Weitere Literatur BMVI, Endbericht zum Forschungsprojekt „Analyse der verkehrsprognostischen Instrumente der Bundesverkehrswegeplanung“, 30.06.2010. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/BVWP/bvwp-2015-verkehrsprognostische-instrumente -endbericht.pdf?__blob=publicationFile. Planco Consulting GmbH/ Intraplan Consult GmbH/ TUBS GmbH TU Berlin Science Marketing, Grundsätzliche Überprüfung und Weiterentwicklung der Nutzen-Kosten-Analyse im Bewertungsverfahren der Bundesverkehrswegeplanung FE-PROJEKTNR.: 960974/2011 Endbericht für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Essen, Berlin, München, 24. März 2015. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/BVWP/bvwp-2015-ueberpruefung-nka-endbericht .pdf?__blob=publicationFile. Prof. Dr. Christoph Walther / Dr.-Ing. Alexander Dahl (PTV Group), 2016, Methodenhandbuch BVWP 2030, Was ist zu beachten? http://www.verkehrskonferenz.de/fileadmin/archiv/konferenz_2016/Papers/walther_dahl_methodenhandbuch _bvwp_2030_was_ist_zu_beachten.pdf. Udo J. Becker, Warum sowohl die Zielfunktion als auch der Ansatz der Nutzen-Kosten-Analyse in der BVWP für gesellschaftliche Fragestellungen ungeeignet sind und wie man sie manipulieren kann, Verkehrswissenschaften, Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr, Lehrstuhl für Verkehrsökologie der Technischen Universität Dresden, Verkehrswissenschaftliche Tage Dresden, 16.03.2016. https://tu-dresden.de/bu/verkehr/ivs/voeko/ressourcen/dateien/vortraege_prof_becker /VWT_2016_Becker_BVWP_20160316_neu.pdf?lang=de. FAZ, 22.10.2020, Grossspurige Pläne: Wie viele Autobahnen braucht das Land? https://www.faz.net/aktuell/wissen/erde-klima/grossspurige-plaene-wie-viele-autobahnenbraucht -das-land-16994006.html. Deutscher Bundestag/Wissenschaftliche Dienste, 24. Juni 2020, Ursachen von Verkehrsstaus, Dokumentation , WD 5 - 3000 - 050/20. https://www.bundestag.de/resource/blob/709142/acf9f7b648f0899152750d20ca4af7d5/WD-5- 050-20-pdf-data.pdf. ***