© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 044/17 Rechtlicher Rahmen für die Internalisierung von Lärmkosten des Luftverkehrs Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 044/17 Seite 2 Rechtlicher Rahmen für die Internalisierung von Lärmkosten des Luftverkehrs Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 044/17 Abschluss der Arbeit: 31. Mai 2017 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa WD 4: Haushalt und Finanzen, WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Federführung) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Unionsrechtliche Fragen einer Internalisierung der Lärmkosten des Flugverkehrs (PE 6) 5 2.1. Unionsrechtliche Regelungen über finanzielle Regelungen betreffend Fluglärm 6 2.2. Unionsrechtliche Regelungen betreffend die Einführung einer „Lärmabgabe“ 7 2.2.1. Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Einführung einer „Lärmabgabe“ 7 2.2.2. Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten 7 2.2.3. Beihilfeverbot 8 3. Finanzielle Beteiligung von Fluggesellschaften an Lärmschutzkosten – Möglichkeiten und Grenzen von Zwecksteuern und Sonderabgaben (WD 4) 8 3.1. Steuern und Sonderabgaben im finanzverfassungsrechtlichen System des Grundgesetzes 8 3.1.1. Der Steuerbegriff 9 3.1.2. Die Sonderabgaben 10 3.2. Einordnung der Luftverkehrsteuer in das System der Steuern und Sonderabgaben 11 3.3. Möglichkeiten der Internalisierung von Kosten des Fluglärms in eine Steuer oder Sonderabgabe 12 3.3.1. Erweiterung der Luftverkehrsteuer um eine Fluglärmkomponente? 12 3.3.1.1. Aufnahme des Fluglärms in den Steuertatbestand 12 3.3.1.2. Zweckbindung der Steuereinnahmen? 14 3.3.1.3. Sonderfonds für Steuereinnahmen? 16 3.3.1.4. Zustimmungsbedürftigkeit einer Änderung des LuftVStG? 16 3.3.2. Sonderabgabe auf Fluglärm? 17 3.3.2.1. Gruppennützige Verwendung? 17 3.3.2.2. Abgrenzung zur Sonderabgabe mit Lenkungsfunktion 18 3.3.3. Vereinbarkeit mit dem Chicagoer Abkommen 18 3.4. Zwischenergebnis 19 4. Internalisierung externer Kosten des Luftverkehrs mittels entsprechender Kostentatbestände (WD 5) 19 4.1. Inhalt und Zweck des § 19b LuftVG 20 4.1.1. Überblick zu den regulierungsrechtlichen Vorgaben des § 19b LuftVG 21 4.1.2. Keine Kostentatbestände für Flughafenbetreiber im § 19b LuftVG 22 4.2. Kostentatbestände für Flughafenbetreiber im Fluglärmschutzgesetz 24 4.2.1. Zweck und Umsetzungsinstrumente des Fluglärmschutzgesetzes 24 4.2.2. Verfassungsmäßigkeit der Zahlungspflicht der Flughafenbetreiber 25 4.3. Zwischenergebnis 25 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 4 1. Einleitung Die Auswirkungen des Flugzeugluftverkehrs (Luftverkehr) auf die Umweltgüter Boden, Luft und Wasser werden seit geraumer Zeit unter dem Aspekt der externen Kosten diskutiert. Den Hintergrund bilden dabei Überlegungen zu den Bestandteilen und der Zusammensetzung des Preises, den diejenigen zu zahlen haben, die Verkehrs- und Transportdienstleistungen im Luftverkehr in Anspruch nehmen. Dabei fließen die mit der Erbringung dieser Dienstleistungen verbundenen Kosten nur zum Teil in die Preisbildung ein. Denn ohne entsprechende rechtliche Vorgaben können die genannten Umweltgüter, die im Allgemeinen frei zugänglich sind, von allen Wirtschaftssubjekten in beliebiger Weise beansprucht werden, ohne dass die durch diese Nutzung verursachten Kosten in Form von Umweltbelastungen bei der Ermittlung des Preises für die Erbringung von Verkehrs- und Transportdienstleistungen im Luftverkehr von Seiten der Unternehmen zu berücksichtigen wären (externe Kosten).1 Unabhängig von der kontrovers diskutierten Frage, wie diese externen Kosten ökonomisch zu bewerten bzw. zu ermitteln sind,2 stellt sich die Frage, mit Hilfe welches rechtlichen Instrumentariums sichergestellt werden kann, dass bezifferbare externe Kosten auch tatsächlich im Rahmen der Preiskalkulation für Transportdienstleistungen im Luftverkehr Berücksichtigung finden (Internalisierung externer Kosten). In diesem Zusammenhang geht die vorliegende Ausarbeitung der Frage nach, welche rechtlichen Vorgaben auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene den maßgeblichen Rahmen für etwaige legislative Maßnahmen zur Internalisierung von Lärmkosten des Luftverkehrs bilden können. Die insofern zu berücksichtigenden unterschiedlichen rechtlichen Fragestellungen wurden dabei von den jeweils thematisch zuständigen Fachbereichen der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages bearbeitet. Die vorliegende Arbeit führt diese Einzelbeiträge zusammen, wobei deren inhaltliche Gestaltung im Verantwortungsbereich des jeweiligen Fachbereichs liegt: PE 6 – Fachbereich Europa, WD 4 – Haushalt und Finanzen, WD 5 – Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Ein Gesetzentwurf oder ein ähnlich konkretes politisches Konzept mit dem Ziel der Internalisierung der Lärmkosten des Luftverkehrs liegt der vorliegenden Arbeit nicht zu Grunde. Insofern verfolgt sie auch nicht das Ziel, sämtliche rechtliche Aspekte, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein können, vollständig und umfassend darzulegen, da dieser rechtliche Rahmen je nach Umsetzung und Ausgestaltung einer konkreten legislativen Maßnahme sehr unterschiedlich 1 Dazu beispielsweise Lehnert, Ninja M. (2008). Externe Kosten des Luftverkehrs – Ein Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion. Diskussionspapier Nr. 59. Technische Universität Ilmenau – Institut für Volkswirtschaftslehre . April 2008. S. 2 ff. Link: https://www.tu-ilmenau.de/fileadmin/media/wpo/Diskussionspapier _Nr_59.pdf (letzter Abruf: 30.05.2017). 2 Dazu umfassend Umweltbundesamt (2012). Ökonomische Bewertung von Umweltschäden. Methodenkonvention 2.0 zur Schätzung von Umweltkosten (inklusive Anhang A und B).August 2012. Link: http://www.umweltbundesamt .de/sites/default/files/medien/378/publikationen/uba_methodenkonvention_2.0_-_2012_gesamt.pdf (letzter Abruf: 30.05.2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 5 ausfallen kann. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht daher vor allem darin, einen Überblick über einige der wesentlichen Aspekte der Thematik zu verschaffen. 2. Unionsrechtliche Fragen einer Internalisierung der Lärmkosten des Flugverkehrs (PE 6)3 Die nachfolgenden Ausführungen setzen sich mit unionsrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Einführung eines Systems auseinander, bei dem vom Fluglärm Betroffene eine Entschädigungszahlung bekommen können. Hierzu wird vorgeschlagen, die externen Effekte des Luftverkehrs, insbesondere Fluglärm, über ein Preissystem zu internalisieren und mit den Einnahmen die vom Fluglärm betroffenen Menschen zu entschädigen.4 Vor diesem Hintergrund wird zunächst der Frage nachgegangen, welche unionsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf eine Entgeltregulierung betreffend Fluglärm bestehen (hierzu 2.1.). Anschließend wird darauf eingegangen, ob das Unionsrecht der Erhebung einer Sonderabgabe zur Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen im Sinne einer „Lärmabgabe“ entgegensteht, die von Fluggesellschaften erhoben werden könnte (2.2.). 3 Siehe dazu die Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 027/17. 4 Zur Ausgestaltung lärmabhängiger Entgelte vgl. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien /377/dokumente/hochfeld.pdf.; http://www.fraport.de/content/fraport/de/misc/binaer/business-und-partner /airlines---cargo/flug--und-terminalbetrieb/infografik--flughafenentgelte-am-flughafen-frankfurt/jcr:content .file/fraport_entgelte.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 6 2.1. Unionsrechtliche Regelungen über finanzielle Regelungen betreffend Fluglärm Lärmbezogene Regelungen bestehen auf Unionsebene im Hinblick auf die Produktanforderungen ,5 auf Verfahrensregeln für den Betrieb von Flughäfen6 oder allgemein zur Bewertung und Bekämpfung von Umweltlärm.7 Von der Europäischen Kommission wurde auf die Option der Erhebung einer Umweltgebühr u.a. in Form einer Abgabe in Verbindung mit den Lande- und Startgebühren des Flughafens hingewiesen, durch die Maßnahmen zum Ausgleich von Umweltschäden finanziert werden könnten, die indirekt oder direkt durch den Luftverkehr verursacht wurden.8 5 Richtlinie 89/629/EWG des Rates vom 4.12.1989 zur Begrenzung der Schallemission von zivilen Unterschallstrahlflugzeugen , ABl. L 363 vom 13.12.1989, S. 27, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31989L0629&qid=1494862021606&from=DE; Richtlinie 2006/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Regelung des Betriebs von Flugzeugen des Teils II Kapitel 3 Band 1 des Anhangs 16 zum Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt, 2. Ausgabe (1988), ABl. L 374 vom 27.12.2006, S. 1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006L0093&qid=1494855607777&from=DE. 6 Richtlinie 2009/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.3.2009 über Flughafenentgelte, ABl. L 70 vom 14.3.2009, S. 11, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009L0012&qid=1494937329732&from=DE; Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.2.2008 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Flugsicherheit, zur Aufhebung der Richtlinie 91/670/EWG des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1592/2002 und der Richtlinie 2004/36/EG, ABl. L 079 vom 19.3.2008, S. 1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02008R0216-20160126&from=DE; Verordnung (EU) Nr. 598/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen Ansatzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002/30/EG, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 65, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0598&from=DE; zu der Diskussion um die Subsidiarität des Vorschlags für eine Verordnung in KOM(2011) 828 endg. vgl. BT-Drs. 17/8612 und BT-Drs. 17/8620. 7 Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.6.2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://publications.europa.eu/resource /cellar/26de285d-cf9f-437b-aaf2-2410a092a96b.0012.03/DOC_1; Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011L0092&from=DE. 8 Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen - Luftverkehr und Umwelt: Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung, KOM(1999) 640 endg., S. 15, 20 f., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:51999DC0640&qid=1494594298994&from=DE; vgl. auch das Grünbuch der Kommission vom 4.11.1996, Künftige Lärmschutzpolitik, KOM(1996) 540 endg., abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:51996DC0540&qid=1494857936139&from=DE; Grünbuch der Kommission vom 20.12.1995, Faire und effiziente Preise im Verkehr – politische Konzepte zur Internalisierung der externen Kosten des Verkehrs in der Europäischen Union, KOM(1995) 691 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:51995DC0691&qid=1494857936139&from=DE. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 7 Die Kommission hat einen am 20. Dezember 2001 vorgelegten Richtlinienvorschlag über die Festlegung eines Gemeinschaftsrahmens für die Lärmentgelte ziviler Unterschallflugzeuge9 wieder zurückgenommen.10 Unionsrechtliche Regelungen, die sich explizit auf die Erhebung von Entgelte für Fluglärm beziehen , sind jedoch nicht ersichtlich. 2.2. Unionsrechtliche Regelungen betreffend die Einführung einer „Lärmabgabe“ Die Angaben, die dieser Ausarbeitung zugrunde liegen, erläutern weder die konkrete Ausgestaltung einer möglichen „Lärmabgabe“, noch deren Qualifikation nach deutschem Recht als Abgabe oder Steuer.11 Daher kann keine umfassende Bewertung der unionsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Regelung getroffen werden. Im Folgenden können daher nur allgemeine Prämissen des Unionsrechts aufgezeigt werden, die bei einer Ausgestaltung einer „Lärmabgabe“ Berücksichtigung finden müssten. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die „Lärmabgabe“ als Emissionsabgabe verstanden werden kann, die Zahlungen umfasst, die direkt von den tatsächlichen Lärmemissionen abhängen. 2.2.1. Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Einführung einer „Lärmabgabe“ Die Mitgliedstaaten können eine Regelung erlassen, sofern die diesbezügliche Zuständigkeit nicht als ausschließliche Zuständigkeit auf die EU übertragen worden ist oder, sofern es sich um eine geteilte Zuständigkeit handelt, die EU von dieser geteilten Zuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Vorliegend kommen insoweit insbesondere die geteilten Zuständigkeiten im Bereich des Steuerrechts (Art. 113, 115 AEUV) sowie im Bereich Umwelt (Art. 192 AEUV) in Betracht . Soweit ersichtlich hat die EU in beiden Bereichen keine Regelungen im Sinne einer „Lärmabgabe“ erlassen, die gemäß Art. 2 Abs. 2 AEUV einem Handeln der Mitgliedstaaten entgegenstünden . 2.2.2. Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten Die Ausgestaltung einer „Lärmabgabe“ muss mit den europäischen Grundfreiheiten vereinbar sein. Im Hinblick auf die Zielsetzung einer „Lärmabgabe“ kommt vorliegend insbesondere die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen in Betracht (Art. 56 Abs. 1 AEUV). Nach Art. 57 AEUV muss der Dienstleistende seine Dienstleistungen im Aufnahmemitgliedstaat unter den Voraussetzungen erbringen können, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vor- 9 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Festlegung eines Gemeinschaftsrahmens für die Lärmeinstufung ziviler Unterschallluftfahrzeuge zur Berechnung von Lärmentgelten, KOM(2001) 74 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52001PC0074&qid=1494859471028&from=DE. 10 Mitteilung der Kommission vom 1.10.2004, KOM(2004) 542 endg./2, S. 17, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52004DC0542&from=DE. 11 Zur Qualifikation der Luftverkehrsteuer vgl. BVerfGE 137, 350 (350 ff.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 8 schreibt. Dabei dürfen die nationalen Regelungen einerseits keine direkten und indirekten Diskriminierungen bewirken.12 Anderseits dürfen die nationalen Regelungen nicht in ungerechtfertigter Weise gegen das Beschränkungsverbot verstoßen. Belastende steuerliche Folgen, die mit der Wahrnehmung einer Grundfreiheit einhergehen, indizieren für sich genommen keine Beeinträchtigung einer Grundfreiheit. Eine Beeinträchtigung kann jedoch bei solchen Maßnahmen angenommen werden, die geeignet sind, den Marktzugang zu beeinträchtigen bzw. die eine steuerliche Benachteiligung grenzüberschreitender Aktivitäten bewirken. Sofern die Einführung einer „Lärmabgabe“ eine solche beschränkende Wirkung beigemessen werden kann, kann eine solche Wirkung durch Erwägungen der öffentlichen Gesundheit und des Umweltschutzes gerechtfertigt sein. Hierzu können u.a. Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor zu hohen Lärmemissionen zählen. Schließlich muss eine nationale Regelung, die den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann, in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen; dieses darf zudem nicht durch Maßnahmen erreicht werden können, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beeinträchtigen. 2.2.3. Beihilfeverbot Die Einführung einer „Lärmabgabe“ muss mit dem europäischen Wettbewerbsrecht und insbesondere dem Beihilfenverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV vereinbar sein. Die Einführung einer „Lärmabgabe“ als staatliche und staatlich finanzierte Maßnahme darf – beispielsweise im Hinblick auf den Betrieb von Flughäfen und die Bedingungen für die Kalkulation von Flughafengebühren – Unternehmen keinen selektiven Vorteil in Gestalt einer steuerlichen bzw. abgabenrechtlichen Entlastung bewirken, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und eine wettbewerbsverfälschende Wirkung haben.13 3. Finanzielle Beteiligung von Fluggesellschaften an Lärmschutzkosten – Möglichkeiten und Grenzen von Zwecksteuern und Sonderabgaben (WD 4)14 Im nachfolgenden Teil der vorliegenden Arbeit soll insbesondere unter finanzverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der Frage nachgegangen werden, welche rechtlichen Möglichkeiten es geben könnte, um eine Sonderabgabe auf Fluglärm zu erheben, die zur Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen verwendet werden soll. Zudem soll geprüft werden, ob die bestehende Luftverkehrsteuer für einen derartigen Verwendungszweck weiterentwickelt werden könnte. 3.1. Steuern und Sonderabgaben im finanzverfassungsrechtlichen System des Grundgesetzes Die Gesetzgebungskompetenz für Steuern ergibt sich nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes (GG) aus Art. 105 GG. Artikel 106 GG konkretisiert die Steuerarten bezüglich der Verteilung 12 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 43. Ergänzungslieferung 2011, Art. 57, Rn. 86 ff. 13 Vgl. allgemein Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Auflage 2015, § 4 Rn. 115 ff.; für die beihilfenrechtliche Bewertung der Lärmschutzmaßnahmen und -abgaben an Flughäfen vgl. http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52014XC0404(01)&from=DE und http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52012XC0810(08)&from=EN. 14 Siehe dazu die Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 043/17. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 9 des Steuerertrags zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Abzugrenzen vom Steuerbegriff des Grundgesetzes sind sogenannte Sonderabgaben. 3.1.1. Der Steuerbegriff „Die Legaldefinition des Steuerbegriffs in § 3 I AO lautet: Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein. Demnach bestimmt § 3 I AO folgende Merkmale des Steuerbegriffs: aa) Die Steuer ist eine Geldleistung; nicht erfasst werden also Naturalleistungen, Hand- und Spanndienste, Wehrdienst, Feuerwehrdienst, Melde-, Anzeige- und andere Mitwirkungspflichten , Schöffenpflicht etc. bb) Die Steuer ist keine Gegenleistung für eine besondere Leistung und unterscheidet sich dadurch von den mit staatlichen Gegenleistungen verknüpften Vorzugslasten Gebühren und Beiträge . Von den Sonderabgaben unterscheidet sich die Steuer als Einnahme zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs; sie dient grundsätzlich nicht der Finanzierung besonderer Aufgaben. Eine Zweckbindung des Steueraufkommens ist mit dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Gesamtdeckung (Non-Affektationsprinzip) unvereinbar, wonach alle Einnahmen als Deckungsmittel für alle Ausgaben zu dienen haben (§ 7 Satz 1 Haushaltsgrundsätzegesetz). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sind Zwecksteuern finanzverfassungsrechtlich zulässig. Diese Rechtsprechung bestätigte BVerfGE 110, 274 (294) zur Verknüpfung des Stromund Mineralölsteueraufkommens mit der Senkung der Rentenversicherungsbeiträge. Eine Zweckbindung von Steuern sei „verfassungsrechtlich unbedenklich“. Dem Grundsatz der Gesamtdeckung des Haushalts komme kein Verfassungsrang zu. cc) Die Geldleistung muss von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen (Bund, Land, Gemeinde , Kirche) - hoheitlich - auferlegt sein; folglich scheiden vertragliche und freiwillige Zahlungen sowie Zahlungen an andere Institutionen aus. dd) Die Geldleistung muss - mindestens nebenzwecklich - zur Erzielung von Einnahmen auferlegt sein, zur Deckung des Finanzbedarfs. Folglich werden nicht erfasst: Geldstrafen, Bußgelder, Zwangsgelder, Säumnis- und Verspätungszuschläge, Zinsen, Kosten; solche in Steuergesetzen vorgesehenen Geldschulden werden aber zum Teil als Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 I i.V.m. § 3 IV AO) den Steuern gleichbehandelt (vgl. etwa §§ 222; 226; 227; 228 AO). Die Einnahmen müssen endgültig erzielt werden, dürfen nicht zur Rückzahlung vorgesehen sein. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 10 ee) Die Geldleistung muss allen auferlegt sein, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Dieser Passus zielt auf Gleichmäßigkeit (Allgemeinheit) und Tatbestandsmäßigkeit (Gesetzmäßigkeit) der Besteuerung.“15 3.1.2. Die Sonderabgaben „Während Steuern dazu dienen, den allgemeinen, in den Haushaltsplänen ausgewiesenen Finanzbedarf der Steuergläubiger zu decken, sind Sonderabgaben Abgaben zur Finanzierung besonderer Aufgaben, die nicht in den Haushaltsplänen erfasst sind (sogenannte parafiskalische Abgaben ). Sonderabgaben werden von bestimmten Gruppen von Bürgern bzw. Unternehmen erhoben und einem Sonderfonds außerhalb des Haushaltsplans zugeleitet. Da Sonderabgaben keine Steuern sind, ergibt sich die Sonderabgabenhoheit nicht aus den Art. 105 ff. GG, sondern aus den allgemeinen Regeln der Art. 70 ff. GG. Die Anerkennung einer Abgabenkompetenz außerhalb der Finanzverfassung birgt die Gefahr, dass die Abgabenbelastung völlig unüberschaubar wird. Daher entfaltet das BVerfG die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung insbesondere für Sonderabgaben. Zwar betont das BVerfG, dass Sonderabgaben nur als „seltene Ausnahmen “ zulässig seien. Gleichwohl erfindet der Gesetzgeber nach wie vor neue Sonderabgaben. Mittlerweile unterscheidet die Rechtsprechung zwischen Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion (Sonderabgaben im engeren Sinne) und Sonderabgaben mit Ausgleichs-, Abschöpfungs- oder Lenkungsfunktion (Sonderabgaben im weiteren Sinne).“16 „Für die Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion hat das BVerfG konturierte, strenge Voraussetzungen entwickelt, die sowohl materiell- als auch verfahrensrechtlicher Art sind. aa) Der Gesetzgeber muss mit der Sonderabgabe einen Sachzweck verfolgen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. bb) Homogene Gruppe der Abgabepflichtigen: Eine gesellschaftliche Gruppe kann nur dann mit einer Sonderabgabe in Anspruch genommen werden, wenn sie durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar ist. Im Falle der Feuerwehrabgabe verneint BVerfGE 92, 91 (120), die Homogenität der in Anspruch genommenen Gruppe. Bei der Altenpflegeumlage leitet BVerfGE 108, 186 (223 ff.), die Homogenität der Abgabepflichtigen aus ihrer Rolle als Anbieter auf dem sozialversicherungsrechtlich regulierten Spezialmarkt der Altenpflege ab, bei der jüngst entschiedenen Weinabgabe aus dem gemeinsamen Interesse von Weinerzeuger und -abfüller an der Absatz- und Imageförderung des „deutschen Weins“ im In- und Ausland.“17 „cc) Gruppenverantwortung: Der nach bb) abgrenzbaren Gruppe von Abgabenpflichtigen muss eine besondere Verantwortung zugewiesen werden, weil sie dem Abgabenzweck evident näher steht als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Aus dieser Sachnähe zum Erhebungszweck muss eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen. Dies verneint BVerfGE 91, 186 15 Tipke/Lang: Steuerrecht, § 2, Rn. 13 ff. 16 Tipke/Lang: Steuerrecht, § 2, Rn. 25 17 Tipke/Lang: ebenda Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 11 (205 f.), im Falle des sog. Kohlepfennigs: Die Sicherstellung der Energieversorgung liege im Allgemeininteresse und sei deshalb als Gemeinlast durch Steuer zu finanzieren. dd) Gruppennützigkeit: Das Abgabenaufkommen muss im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen , also gruppennützig verwendet werden. Für eine gruppennützige Verwendung der Abgabe reicht es aus, dass das Aufkommen unmittelbar oder mittelbar überwiegend im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen verwendet wird. Unschädlich ist, wenn daneben auch andere Gruppen oder die Allgemeinheit gewisse Vorteile aus der Abgabenverwendung haben. ee) Schließlich fordert das BVerfG im Interesse wirksamer parlamentarisch-demokratischer Legitimation und Kontrolle der erhobenen Sonderabgabe zusätzlich die periodische Überprüfung der Abgabe durch den Gesetzgeber selbst und (in einer Anlage zum Haushaltsplan) die ergänzende Dokumentation der Sonderabgabe. Dadurch soll die Vollständigkeit des Haushaltsplans und eine fortlaufende parlamentarische Kontrolle der (Finanzierungs-)Sonderabgabe gewährleistet werden. Wenig strikt und eher konturenlos ist das BVerfG dagegen hinsichtlich der Begrenzung von Sonderabgaben im weiteren Sinne. Insoweit hat das BVerfG die Erfordernisse der Gruppenverantwortung und Gruppennützigkeit gelockert, weil Anlass der Abgabe nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe, sondern der Anreiz zu einem bestimmten Verhalten oder eine Sanktion für ein bestimmtes Fehlverhalten sei. Vor allem rechtspflichtbezogene Sonderabgaben, die einen Ausgleich für die Nichterfüllung einer bestimmten Rechtspflicht vorsehen, toleriert das BVerfG.“18 3.2. Einordnung der Luftverkehrsteuer in das System der Steuern und Sonderabgaben Das BVerfG hat in seinem Urteil zur Luftverkehrsteuer19 u.a. festgestellt, dass sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der Normen des Luftverkehrsteuergesetzes (LuftVStG) aus Art. 105 Absatz 2 Alternative 1 GG in Verbindung mit Art. 106 Absatz 1 Nummer 3 GG ergibt.20 „Bei der Luftverkehrsteuer handelt es sich um eine Steuer im Sinne der Finanzverfassung, weil sie zur Erzielung von Einnahmen für den Bund den Steuerschuldnern eine Geldzahlungspflicht ohne konkrete Gegenleistung hoheitlich auferlegt. Sie ist dem Typus der Verkehrsteuer zuzuordnen . Die Verkehrsteuer knüpft an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs an.“21 „§ 1 Absatz 1 LuftVStG knüpft die Luftverkehrsteuer an den Rechtsakt, der zum Abflug eines Fluggastes berechtigt, und definiert damit den Steuergegenstand. Der maßgebliche Rechtsvorgang 18 Tipke/Lang: Steuerrecht, § 2, Rn. 25 ff. 19 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014, Az: 1 BvF 3/11 20 BVerfG: ebenda (juris), Rn. 28 21 BVerfG: ebenda, Rn. 29 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 12 ist in der Regel der Abschluss eines (entgeltlichen) Beförderungsvertrags (so z.B. BT-Drucksache 17/3030, S. 36 f.).“22 Die Steuer bemisst sich nach der Lage des jeweils gewählten Zielorts und der Anzahl der beförderten Fluggäste, § 10 LuftVStG. Gemäß § 11 Absatz 1 LuftVStG beträgt die Steuer je Fluggast für Flüge mit einem Zielort 1. in einem Land der Anlage 1 zu diesem Gesetz 7,50 Euro 2. in einem Land der Anlage 2 zu diesem Gesetz 23,43 Euro 3. in anderen Ländern 42,18 Euro. § 11 Absatz 2 LuftVStG enthält eine Verordungsermächtigung für die Exekutive mittels derer eine Absenkung des Steuertarifs nach einer gesetzlich festgelegten Rechenformel festgelegt werden kann. Die prozentuale Absenkung errechnet sich aus dem Verhältnis der jeweiligen Einnahmen des Vorjahres aus der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten zu einer Milliarde Euro, § 11 Absatz 2 Satz 2 LuftVStG. Das BVerfG hat diese Verordnungsermächtigung verfassungsrechtlich nicht beanstandet.23 Die Luftverkehrsteuer ist eine Bundessteuer. Das LuftVStG enthält keine Zweckbindung der Steuereinnahmen für luftfahrtspezifische Aufgaben. Die Steuereinnahmen werden somit für allgemeine Ausgaben des Bundeshaushalts verwendet. 3.3. Möglichkeiten der Internalisierung von Kosten des Fluglärms in eine Steuer oder Sonderabgabe Sonderabgaben und Steuern können nur mittels materieller Gesetze eingeführt werden. Ein derartiges Gesetz für eine Abgabe, die auf den Fluglärm abstellt, existiert bislang nicht. 3.3.1. Erweiterung der Luftverkehrsteuer um eine Fluglärmkomponente? Denkbar wäre jedoch eine Erweiterung des bestehenden Steuertatbestandes des LuftVStG um eine Fluglärmkomponente. 3.3.1.1. Aufnahme des Fluglärms in den Steuertatbestand Eine derartige Erweiterung des Besteuerungstatbestands um eine lärmspezifische Komponente wäre verfassungsrechtlich grundsätzlich möglich. Das BVerfG hatte in seinem Urteil zur Luftverkehrsteuer wie auch zuvor in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass der Gleichheitssatz dem 22 BVerfG: ebenda, Rn. 30 23 BVerfG: ebenda, Rn. 32- 38 (juris) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 13 Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes belasse.24 „Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands).“25 „Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag.“26 „Dass § 1 Abs. 1 LuftVStG den gewerblichen Passagierluftverkehr als Steuergegenstand bestimmt, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die Befugnis des Gesetzgebers zur Definition des Steuerobjekts stützt sich auf seine demokratische Legitimation für die Steuerpolitik. Steuerwürdigkeitsentscheidungen beruhen wesentlich auf politischen Wertungen, die nach dem Grundgesetz der Legislative zustehen und von ihr im Wege der Gesetzgebung getroffen werden müssen. Deshalb wird bei diesen Entscheidungen der Gleichheitssatz bereits eingehalten, wenn der Gesetzgeber einen Sachgrund für seine Wahl des Steuergegenstandes vorbringen kann, die Berücksichtigung sachwidriger , willkürlicher Erwägungen ausgeschlossen ist und die konkrete Belastungsentscheidung für ein Steuerobjekt nicht mit anderen Verfassungsnormen in Konflikt gerät. Die Belastung mit Finanzzwecksteuern ist an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen auszurichten .“27 „Der Gesetzgeber darf eine Steuerkompetenz grundsätzlich auch ausüben und damit Differenzierungen verfolgen, um Lenkungswirkungen zu erzielen.“28 „Er darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten Verhaltens oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden .“29 „Wenn solche Förderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen werden, sind sie geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Belastungen oder Entlastungen zu liefern.“30 „Dabei genügt es, wenn die gesetzgeberischen Entscheidungen anhand der üblichen Auslegungsmethoden festgestellt werden können. Lenkungszwecke 24 BVerfGE 123, 1 (19); stRspr, zit. nach BVerfG, Urteil vom 5. November 2014, Az: 1 BvF 3/11, Rn. 41 (juris) 25 BVerfGE 117, 1 (30 f.); 120, 1 (29); 121, 108 (120); 126, 400 (417) 26 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014, Az: 1 BvF 3/11, Rn. 41 (juris) 27 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014, Az: 1 BvF 3/11, Rn. 42 (juris) 28 BVerfGE 93, 121 (147); 99, 280 (296); 105, 73 (112); 110, 274 (292); 116, 164 (182); 117, 1 (31 f.); zit. nach BVerfG, Urteil vom 5. November 2014, Az: 1 BvF 3/11, Rn. 43 (juris) 29 BVerfGE 98, 106 (117); 117, 1 (31 f.) 30 BVerfGE 105, 73 (112 f.); 110, 274 (293); 116, 164 (182); 117, 1 (32) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 14 können sich etwa aus den Gesetzesmaterialien ergeben.“31 „Möglich ist auch, den Zweck aus einer Gesamtschau der jeweils vom Gesetzgeber normierten Steuervorschriften zu erschließen.“32 „Daneben kommt es für die Besteuerungsgleichheit auch auf die Eigenart der jeweiligen Steuer an. Bei indirekten Steuern ist nicht nur dem Gedanken einer möglichst gleichmäßigen Belastung des Steuerschuldners durch gleichheitsgerechte Ausformung des Belastungsgrundes Rechnung zu tragen. Vielmehr ist auch der End- oder Letztverbraucher, der die indirekte Steuerlast - über eine oder mehrere Handelsstufen vermittelt - tragen soll (Steuerträger), in den Blick zu nehmen .“33 Eine Erweiterung des gesetzgeberischen Lenkungszwecks der Luftverkehrsteuer um die Komponente Fluglärm wäre somit mit den vorgenannten - verfassungsrechtlich akzeptierten - weiten Entscheidungsspielräumen des Gesetzgebers bei der Festlegung des Steuergegenstandes vereinbar . 3.3.1.2. Zweckbindung der Steuereinnahmen? Steuereinnahmen stehen grundsätzlich nach dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Gesamtdeckung für alle Ausgabetitel des Haushalts zur Verfügung. „Das Prinzip der Gesamtdeckung oder der Non-Affektation hat seine einfach-gesetzliche Ausformung in § 8 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung (BHO) und in den entsprechenden Haushaltsordnungen der Länder gefunden.“34 Ob das Non-Affektationsprinzip jedoch auch Verfassungsrang besitzt, ist in der Literatur umstritten und wird von der Rechtsprechung des BVerfG verneint: „Diese Zweckbindung des Aufkommens der Abgabe steht dem Steuercharakter nicht entgegen. Zwecksteuern stehen zwar im Gegensatz zu den allgemeinen Steuern zu bestimmten Leistungen und Verwaltungszwecken des Abgabeberechtigten in Beziehung. Die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben, zu deren Finanzierung Zwecksteuern dienen, hat aber nicht den Charakter einer Gegenleistung des Abgabeberechtigten zugunsten des Abgabepflichtigen.“35 Diese verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit von sogenannten Zwecksteuern bestätigte das BVerfG auch in seinem Urteil vom 20. April 200436 zur sogenannten Ökosteuer: „Die Verknüpfung von Steueraufkommen und Senkung der Rentenversicherungsbeiträge steht der Einordnung der Strom- und der Mineralölsteuer als Steuer nicht entgegen. Die Verwendungsbindung der Einnahmen, die in den Erläuterungen zum Entwurf des Gesetzes zum Einstieg in die 31 BVerfGE 116, 164 (191 ff.) 32 BVerfGE 110, 274 (296 f.) 33 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014, Az: 1 BvF 3/11, Rn. 43 f. 34 Musil, Andreas: Steuerbegriff und Non-Affektationsprinzip in: DVBl 2007, 1526-1532 (1530) 35 BVerfGE 65, 325 ff., Rn. 65 (juris) 36 BVerfG, Urteil vom 20. April 2004, Az: 1 BvR 905/00, 1 BvR 1749/99; BVerfGE 110, 274-304 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 15 ökologische Steuerreform zum Ausdruck kommt und sich in § 213 Abs. 4 SGB VI wieder findet, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar stellt das Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform einen Zusammenhang zwischen Steuervergünstigungen (§ 10 Abs. 2 StromStG, § 25 a Abs. 3 und 4 MinöStG) und einer Entlastung der strom- und mineralölsteuerbegünstigten Unternehmen durch die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge her. Diese Zweckbindung von Einnahmen ist jedoch verfassungsrechtlich unbedenklich. Allgemein wird davon ausgegangen, dass dem Grundsatz der Gesamtdeckung des Haushalts Verfassungsrang nicht zukommt . Es kann dahinstehen, ob diese Auffassung uneingeschränkt zutrifft. Eine - möglicherweise verfassungswidrige - Einengung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers könnte allenfalls angenommen werden, wenn Zweckbindungen in unvertretbarem Ausmaß stattfänden. Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.“37 Der Gesetzgeber könnte somit auch für die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer eine Verwendungszweckbindung zugunsten von Lärmschutzmaßnahmen festlegen. Dafür müsste die Bemessungsgrundlage in § 10 LuftVStG um eine Lärmkomponente ergänzt und der Steuertarif in § 11 LuftVStG entsprechend der beabsichtigten Differenzierungen bei der Fluglärmintensität angepasst werden. Da eine Zweckbindung für die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer bislang nicht existiert, müsste hierzu eine neue Regelung im LuftVStG geschaffen werden. Das LuftVStG erfasst nur gewerbliche Passagierflüge. In dem Verzicht auf die Besteuerung von Frachtflügen und privatem Flugverkehr erkannte das BVerfG keinen Verstoß gegen das Willkürverbot : „Der Gesetzgeber war nicht aus Gleichheitsgründen gehalten, zugleich auch den privaten Flugverkehr und Frachtflüge mit der Luftverkehrsteuer zu belegen. Bei der Auswahl des gewerblichen Passagierluftverkehrs handelt es sich um eine Bestimmung des Steuergegenstandes, die lediglich auf einem nachvollziehbaren Sachgrund beruhen muss. Bereits aus der engen Fassung des Steuergegenstandes in § 1 Abs. 1 LuftVStG als zentraler Norm des Gesetzes ergibt sich, dass der Gesetzgeber den gewerblichen Passagierluftverkehr als abgrenzbaren, im Vergleich zu anderen Luftverkehren gesondert steuerbaren Sachverhalt ansieht. Seine Entscheidung, den privaten Luftverkehr und den Frachtverkehr im Gegensatz zum gewerblichen Passagierluftverkehr aus der Belastung mit der Luftverkehrsteuer auszuklammern, ist deshalb nur darauf zu überprüfen, ob es für die getroffene Unterscheidung einen sachlichen Grund gibt, der bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht als willkürlich angesehen werden kann. Er wird wegen seines weitgehenden Spielraums zur Auswahl von Steuergegenständen durch den Gleichheitssatz aber nicht gezwungen, nach einer einmal getroffenen Entscheidung für ein bestimmtes Steuerobjekt zugleich auch alle anderen, ähnlichen, für den Steuerzweck ebenfalls geeigneten Steuerobjekte in die Belastung einzubeziehen. Diesen ihm zustehenden Spielraum bei der Bestimmung des Steuergegenstandes hat der Gesetzgeber nicht überschritten. Gegenüber dem privaten Luftverkehr führt die Begründung des Gesetzentwurfs zur Rechtfertigung aus, dass dieser bereits mit Energiesteuer belastet ist, gegenüber der Luftfracht die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen auf getrennten Märkten für Passagier- 37 BVerfGE 110, 274, Rn. 65 (juris) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 16 und Frachtverkehr.38 Es handelt sich dabei um mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit vereinbare Unterscheidungen nach der finanziellen Belastbarkeit der betroffenen Gruppen. Die Einschätzung , dass der private Luftverkehr weniger belastbar ist, weil er bereits anderweitig besteuert wird, und dass die finanzielle Belastbarkeit des Frachtverkehrs mit seinen ganz anderen Marktbedingungen eingeschränkt ist, überschreitet den dem Gesetzgeber eingeräumten Spielraum nicht, welche Steuerquelle er überhaupt erschließen möchte.“39 Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Ergänzung der Besteuerungsgrundlagen um eine Lärmkomponente , die Beschränkung der Steuerpflicht auf gewerbliche Passagierflüge problematisch werden könnte, lassen sich aus dem Urteil des BVerfG zur Luftverkehrsteuer nicht ableiten. Es gibt unterschiedliche Formen von Zweckbindung für bestimmte (Steuer-)Einnahmen: die politische Willenserklärung zur Zweckbindung, die Festlegung der Zweckbindung im Haushaltsplan und die rechtliche Zweckbindung40 im (Steuer-)Gesetz. Nur letztere Variante besitzt eine rechtliche Bindungswirkung über mehrere Haushaltsjahre für den Gesetzgeber. Mit den entsprechenden o.g. Modifikationen am LuftVStG wäre somit eine Erweiterung der Luftverkehrsteuer um eine Lärmkomponente verfassungsrechtlich möglich. 3.3.1.3. Sonderfonds für Steuereinnahmen? Problematisch könnte jedoch eine Vereinnahmung und Bewirtschaftung der Steuereinnahmen in einem Sonderfonds zur Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen sein. Steuereinnahmen sind gemäß § 10 Absatz 3 Nummer 1 Haushaltsgrundsätzgesetz (HGrG) Einnahmen , die im Haushaltsplan zu veranschlagen sind. „Der durch Art. 110 Abs. 1 Satz 1 HS 1 GG mit Verfassungsrang ausgestattete Vollständigkeitsgrundsatz findet sich für die Bundesebene einfachrechtlich in § 8 Abs. 2 HGrG und § 11 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung (BHO) wieder. Die Einnahmen , die in den Haushaltsplan einzustellen sind, sind die im Rechnungsjahr objektiv zu erwartenden Mittel aus Steuern und anderen Abgaben, darüber hinaus auch einmalige Einnahmen, etwa aus Verkäufen, und Einnahmen aus der Kreditaufnahme.“41 Die Bildung eines Sonderfonds für Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer scheidet somit aus. Es wäre lediglich eine Mittelverwendung im Bundeshaushaltsplan statthaft. 3.3.1.4. Zustimmungsbedürftigkeit einer Änderung des LuftVStG? Die Luftverkehrsteuer ist eine Bundessteuer. Art. 105 Absatz 3 GG sieht eine Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates für Steuergesetze nur dann vor, wenn das Aufkommen den Ländern 38 BT-Drs. 17/3030, S. 36 39 BVerfG, Urteil vom 05.11.2014, Rn. 50-52 40 Mineralölsteuer verknüpft mit 50%iger Verwendung für Zwecke des Straßenwesens, Art. 1 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes 41 Maunz/Dürig/Kube, GG, Art. 110 Rn. 92 f., beck-online Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 17 oder Gemeinden ganz oder zum Teil zufließt. Dies ist bei einer Bundessteuer nicht der Fall. Somit wären Änderungen am LuftVStG im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. 3.3.2. Sonderabgabe auf Fluglärm? Eine verfassungsmäßige Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion setzt voraus, dass ein Sachzweck verfolgt wird, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausreicht. Dies könnte man für eine Sonderabgabe auf Fluglärm wohl annehmen. Die Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen für die von Fluglärm betroffenen Anwohner stellt einen legitimen Sachzweck dar. Die Gruppe der Abgabepflichtigen müsste zudem eine homogene Gruppe sein. Die Fluggesellschaften als Eigentümer der Flugzeuge und Verantwortliche für die jeweiligen Flüge bilden eine abgrenzbare Gruppe. Bezüglich des Betriebs ihrer Flugzeuge und des damit verbundenen Fluglärms kann von einer gemeinsamen Interessenlage der Fluggesellschaften ausgegangen werden. Beim Kriterium der Gruppenverantwortung sind jedoch Zweifel angebracht. Fluglärm wird zwar unmittelbar von den betriebenen Flugzeugen verursacht. Es wäre jedoch verkürzt, allein die Fluggesellschaft mit ihren Flugzeugen als Verantwortliche für die Fluglärmbelastungen der Anwohner anzusehen. Das Planfeststellungsverfahren für einen Flughafen und die damit verbundenen An- und Abflugrouten ist eine komplexe, öffentlich-rechtliche Folgenabwägung bei der der zu erwartende Fluglärm und die betroffenen Anwohnerinteressen ein maßgebliches Entscheidungskriterium sind. 3.3.2.1. Gruppennützige Verwendung? Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion müssen nach der Rechtsprechung des BVerfG gruppennützig verwendet werden. Eine gruppennützige Verwendung liegt vor, wenn „das Aufkommen aus der Abgabe unmittelbar oder mittelbar überwiegend im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen verwendet wird.“42 Hieran bestehen für eine Sonderabgabe für Fluglärm zur Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen begründete Zweifel. Die Luftfahrtunternehmen werden bereits durch umweltrechtliche Bestimmungen und Auflagen der Luftverkehrsbehörden zum Einhalten bestimmter Emissionsgrenzen verpflichtet. Die Zumutbarkeit der jeweiligen Lärmbelastung für die Wohnorte in den Flugschneisen der Flughäfen ist ein wesentliches Entscheidungskriterium im Planfeststellungsverfahren für einen Flughafenneu- oder –ausbau. So bestimmt § 6 Absatz 2 Luftverkehrsgesetz (LuftVG), dass vor Erteilung der Genehmigung besonders zu prüfen ist, ob die geplante Maßnahme den Erfordernissen der Raumordnung entspricht und ob der Schutz vor Fluglärm angemessen berücksichtigt ist. § 8 Absatz 1 Sätze 2 und 3 LuftVG konkretisieren dies dahingehend, dass bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind. Hierbei sind zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zu beachten. 42 BVerfGE 55, 274 (307f.); 82, 159 (180); 108, 186 (229f.); zit. nach Tipke/Lang: Steuerrecht, § 2 Rn. 29 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 18 Es ist somit letztlich Aufgabe der Genehmigungsbehörde die Durchsetzung der erforderlichen Lärmschutzmaßnahmen innerhalb des Planfeststellungsverfahrens sicherzustellen. Die Gruppennützigkeit einer derartigen Sonderabgabe für die Fluggesellschaften ist nicht erkennbar, da der Lärmschutz nicht zu den rechtlichen Verpflichtungen einer einzelnen Fluggesellschaft gehört . Sie obliegt vielmehr den Genehmigungsbehörden und Flughafengesellschaften. Letztgenannte vereinnahmen auch die privatrechtlichen Entgelte für die Start- und Landebewegungen auf den Flughäfen. 3.3.2.2. Abgrenzung zur Sonderabgabe mit Lenkungsfunktion „Bei Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion hat das Bundesverfassungsgericht in einigen wenigen Fällen die von ihm selbst aufgestellten Erfordernisse der Gruppenverantwortung und der Gruppennützigkeit wiederum gelockert, weil der Anlass der Abgabe nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe sei. Beispielsweise hat es im Falle der Schwerbehindertenabgabe (Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber, die ihrer Pflicht zur Beschäftigung von Schwerbehinderten nicht nachkommen ) die Anreiz- und Ausgleichsfunktion gerade dieser Abgabe als Rechtfertigung genügen lassen. Inwieweit diese Entscheidung überhaupt auf sonstige Lenkungsabgaben übertragbar ist, kann jedoch dahin gestellt bleiben. Denn die darin formulierte „Ausnahme der Ausnahme“ soll nur bei Abgaben gelten, die ausschließlich Lenkungsfunktion (bzw. Anreiz- oder Gestaltungsfunktion ) haben: Verfolgt eine Sonderabgabe neben dem Lenkungszweck einen Finanzierungszweck – sei es als Haupt- oder als Nebenzweck –, so sollen die eingangs angeführten Kriterien der Gruppenhomogenität und des Gruppennutzens in vollem Umfang gelten. Hier gibt das Bundesverfassungsgericht dem Gedanken der Sicherung der bundesstaatlichen Finanzverfassung und der Abgrenzung gegenüber Gemeinlasten, die über das Aufkommen aus Steuern und nach Maßgabe der steuerlichen Ertragsverteilung zu finanzieren sind, auf jeden Fall den Vorrang.“43 3.3.3. Vereinbarkeit mit dem Chicagoer Abkommen Art. 15 Absatz 2 Satz 3 des Chicagoer Abkommens besagt, dass die Vertragsstaaten keine Gebühren , Taxen oder sonstigen Abgaben für ihr Hoheitsgebiet erheben, lediglich für das Recht der Durchreise, Einreise oder Ausreise eines Luftfahrzeugs eines Vertragsstaats oder der an Bord befindlichen Personen oder Güter. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 1. Dezember 201544 entschieden, dass die Luftverkehrsteuer mit den Regelungen des Chicagoer Abkommens vereinbar ist. Der BFH führte hierzu in seinem Urteil aus, dass „trotz der weiten Formulierung "sonstige Abgaben" Art. 15 Abs. 2 Satz 3 des Chicagoer Abkommens keine Steuern, sondern nur solche Abgaben erfasst, mit denen ein konkreter Vorteil ausgeglichen bzw. eine Gegenleistung erbracht wird. Dies ergibt sich zunächst aus einer systematischen Auslegung unter Berücksichtigung der Überschrift des Art. 15 des Chicagoer Abkommens ("Flughafen- und ähnliche Gebühren"). Eine Bestätigung dieser Auslegung 43 Landtag Brandenburg: Parlamentarischer Beratungsdienst; Gutachten vom 6. April 2011: Zulässigkeit einer lenkenden Sonderabgabe für Nachtflüge; im Internet abrufbar unter: http://www.landtag.brandenburg .de/sixcms/media.php/5701/06-04-2011_Nachtflugverbot_BBI_Teil2.pdf (zuletzt abgerufen am 23.05.2017), Seite 15 mit weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung 44 BFH, Urteil vom 01.12.2015, Az: VII R 55/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 19 folgt aus einem Vergleich mit der englischen Sprachfassung. Dort ist ebenfalls nur von "fees, dues and other charges" und damit nicht von Steuern die Rede. Im Übrigen entspricht diese Auslegung dem Verständnis der International Civil Aviation Organization (ICAO), wie es in den "Policies on Taxation in the Field of International Air Transport" aus dem Jahr 2000 (Doc 8632) zum Ausdruck kommt. "45 Der BFH stellte im Ergebnis fest, dass das LuftVStG nicht gegen das Chicagoer Abkommen verstößt , da dieses nicht für Steuern gelte. Anders wäre die Vereinbarkeit einer Sonderabgabe mit dem Chicagoer Abkommen zu beurteilen. Die Sonderabgabe würde als sonstige Abgabenform unter den Gebühren- und Abgabenbegriff des Abkommens fallen. Ihre Erhebung wäre somit nur bezogen auf die Durchreise, Ein- oder Ausreise statthaft. 3.4. Zwischenergebnis Eine Einbeziehung des Fluglärms in die bestehende Luftverkehrsteuer wäre rechtlich möglich. Eine entsprechende Zweckbindung der Steuereinnahmen könnte im LuftVStG festgeschrieben werden. Allerdings müssten die Einnahmen im Bundeshaushalt verbucht und verausgabt werden , da eine Sonderfondsverwaltung bei Steuereinahmen rechtlich unzulässig ist. Eine Sonderabgabe zur Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen, die auf Fluglärm abstellt und die Fluggesellschaften hierfür finanziell belasten wollte, dürfte mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gruppennützigkeit von Sonderabgaben unvereinbar sein. 4. Internalisierung externer Kosten des Luftverkehrs mittels entsprechender Kostentatbestände (WD 5) Im letzten Teil der vorliegenden Arbeit wird zum einen der Frage nachgegangen, ob die rechtlichen Vorgaben des § 19b Luftverkehrsgesetz (LuftVG)46 für die Flughafenentgeltregulierung einen Rechtsrahmen zur Verfügung stellen, um externe Kosten, die ihre Ursache in den Lärmbelastungen durch den Flugverkehr haben, in die Ermittlung der Flughafenentgelte einfließen zu lassen . Zum anderen wird auf einige Regelungen des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (Fluglärmschutzgesetz )47 eingegangen, die für die Frage, wie externe Effekte kostenerhöhend in die Preisbildung für Flughafenentgelte einfließen können, von einiger Bedeutung sind. 45 BFH, Urteil vom 01.12.2015, Az: VII R 55/13, Rn. 28 (juris) 46 Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.05.2007, BGBl. I S. 698; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.02.2017, BGBl. I S. 298. 47 Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.10.2007, BGBl. I S. 2550. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 20 4.1. Inhalt und Zweck des § 19b LuftVG § 19b LuftVG ist durch das 14. Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes48 neu eingefügt worden. Mit dieser Norm sollten die Vorgaben der Europäischen Union für die Neuregelung von Flughafenentgelten, wie sie sich aus der Richtlinie 2009/12/EG49 ergeben, in nationales Recht umgesetzt werden.50 Zum Zweck der Liberalisierung des Luftverkehrs in der Europäischen Union dient die Richtlinie 2009/12/EG dazu, zu verhindern, dass Flughafenbetreiber ihre marktbeherrschende Stellung eventuell dadurch missbrauchen, dass sie unzulässig hohe oder niedrige Entgelte für die Nutzung der Flughafeneinrichtungen und –dienstleistungen von einzelnen Flughafennutzern verlangen. Weiterhin sollten mit der Richtlinie die im Jahr 2004 von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (International Civil Aviation Organisation – ICAO) verabschiedeten Empfehlungen für Flughafenentgelte51 in das Recht der einzelnen Mitgliedstaaten umgesetzt werden.52 Den Ausgangspunkt dieser Empfehlungen bildet Artikel 15 des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944 (Chicagoer Abkommen)53. In diesen Empfehlungen sind u. a. die sich aus Artikel 15 des Chicagoer Abkommens ergebenden Grundsätze der Kostendeckung der Entgelte und der Nichtdiskriminierung sowie die Gewährleistung von Transparenz und Konsultation festgeschrieben worden.54 48 Gesetz vom 08.05.2012, BGBl. I S. 1032. 49 Richtlinie 2009/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.03.2009 über Flughafenentgelte. ABl. EU Nr. L 70 vom 14.03.2009. S. 11. 50 Dazu Schiller, Gernot (2009). Neue gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zur Festsetzung von Flughafenentgelten. Die Richtlinie 2009/12/EG über Flughafenentgelte. Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht (ZLW). 58. Jahrgang (2009). Köln: Carl Heymanns Verlag. S. 356 ff.; Giesberts, Ludger (2012). Neuregelung von Flughafenentgelten nach § 19b LuftVG. Zur Umsetzung der Direktive 2009/12/EG in das deutsche Recht. Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht (ZLW). 61. Jahrgang (2012). Köln: Carl Heymanns Verlag. S. 187 ff.; Koenig, Christian/Schramm, Franziska (2014). Die Regulierung von Flughafenentgelten. Netzwirtschaften und Recht (N&R). 11. Jahrgang (2014). Frankfurt/Main: Deutscher Fachverlag. S. 232 ff.; Giesberts, Ludger (2016). Aktuelle Fragen der Entgelterhebung nach § 19b LuftVG. Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht (ZLW). 65. Jahrgang (2016). Köln: Carl Heymanns Verlag. S. 328 ff. 51 Dazu ICAO (2012). ICAO’s Policies on Charges for Airports and Air Navigation Services. Ninth Edition. 2012. Link: https://www.icao.int/publications/pages/publication.aspx?docnum=9082 (letzter Abruf: 30.05.2017). 52 Umfassen dazu Schiller, Gernot (2009). A. a. O. (Fn. 50). S. 356. 53 In Deutschland verkündet in BGBl. 1956 II. S. 411. Link: http://www.luftrecht-online.de/l-o-regelwerke/ICAO- D.pdf (letzter Abruf: 30.05.2017). 54 So Schiller, Gernot (2009). A. a. O. (Fn. 50). S. 356. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 21 4.1.1. Überblick zu den regulierungsrechtlichen Vorgaben des § 19b LuftVG § 19b LuftVG lautet auszugsweise: „§ 19b (1) Der Unternehmer eines Verkehrsflughafens oder Verkehrslandeplatzes trifft eine Regelung über die zu entrichtenden Entgelte für die Nutzung der Einrichtungen und Dienstleistungen , die mit der Beleuchtung, dem Starten, Landen und Abstellen von Luftfahrzeugen sowie mit der Abfertigung von Fluggästen und Fracht in Zusammenhang stehen (Entgeltordnung ). Die Entgeltordnung ist der Genehmigungsbehörde zur Genehmigung vorzulegen . Die Genehmigung wird erteilt, wenn die Entgelte in der Entgeltordnung nach geeigneten , objektiven, transparenten und diskriminierungsfreien Kriterien geregelt sind. Insbesondere ist zu gewährleisten, dass 1. die zu entgeltenden Dienstleistungen und Infrastrukturen klar bestimmt sind, 2. die Berechnung der Entgelte kostenbezogen erfolgt und im Voraus festgelegt ist, […] 4. den Flugplatznutzern nicht ohne sachlichen Grund Entgelte in unterschiedlicher Höhe auferlegt werden. Eine Differenzierung der Entgelte zur Verfolgung von öffentlichen oder allgemeinen Interessen ist für Verkehrsflughäfen und –landeplätze zulässig; die hierfür herangezogenen Kriterien müssen geeignet, objektiv und transparent sein. In der Entgeltordnung von Verkehrsflughäfen ist eine Differenzierung der Entgelte nach Lärmschutzgesichtspunkten vorzunehmen ; daneben soll eine Differenzierung nach Schadstoffemissionen erfolgen. (2) Absatz 1 gilt nicht für […]. (3) Unbeschadet des Absatzes 1 gilt für die Genehmigung der Entgeltordnung von Verkehrsflughäfen , die jährlich mehr als fünf Millionen Fluggastbewegungen aufweisen, Folgendes : 1. […] 2. […] 3. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn zwischen der Höhe der vom Unternehmer des Verkehrsflughafens festgelegten Entgelte und der Höhe der voraussichtlich tatsächlichen Kosten ein angemessenes Verhältnis besteht und die Orientierung an einer effizienten Leistungserstellung erkennbar ist. Die Genehmigungsbehörde kann von der Prüfung nach Satz 1 absehen, wenn von dem Unternehmer des Verkehrsflughafens eine schriftliche Einigung mit den Flughafennutzern über die Entgeltordnung vorgelegt wird und kein Verstoß gegen das Beihilfenrecht vorliegt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 22 […] 9. Dem Unternehmer eines Verkehrsflughafens ist freigestellt, ob und inwieweit er Erlöse und Kosten aus den sonstigen kommerziellen Tätigkeiten des Flughafens bei der Festlegung der Entgelte berücksichtigt. […]“ Wie sich aus dem Wortlaut der allgemeinen Vorgaben in § 19b Abs. 1 S. 3, 4 Nr. 2 LuftVG ergibt, müssen die Flughafenentgelte zum einen kostenbezogen ermittelt und zum anderen in der Entgeltordnung des Flughafenbetreibers nach geeigneten, objektiven, transparenten und diskriminierungsfreien Kriterien geregelt worden sein. Für Flughäfen, die jährlich mehr als fünf Millionen Fluggastbewegungen aufweisen55, gilt darüber hinaus, dass die Flughafenentgelte nur genehmigt werden, wenn sie zu der Höhe der voraussichtlichen tatsächlichen Kosten in einem angemessenen Verhältnis stehen und eine Orientierung an einer effizienten Leistungserstellung erkennen lassen. Weitere Vorgaben im Hinblick auf die Kalkulation der Flughafenentgelte enthält § 19b LuftVG lediglich noch hinsichtlich der Frage, inwieweit Kosten für die Vorfinanzierung von Flughafeninfrastruktur bei der Entgeltermittlung Berücksichtigung finden können.56 4.1.2. Keine Kostentatbestände für Flughafenbetreiber im § 19b LuftVG Welche Kosten darüber hinaus bei der Entgeltermittlung von Seiten der Flughafenbetreiber von Bedeutung sind, ist nicht Regelungsgegenstand der Norm.57 § 19b LuftVG enthält keine Regelung, wonach die Flughafenbetreiber bestimmte Kosten oder Kostenarten bei der Entgeltermittlung zwingend zu beachten haben oder beachten können bzw. bei der Entgeltermittlung zwingend unberücksichtigt lassen müssen oder unberücksichtigt lassen können (Kostentatbestand). Vielmehr ergeben sich die für die Entgeltermittlung relevanten Kosten ihrer Art und Höhe nach aus den konkreten unternehmerischen Tätigkeiten des Flughafenbetreibers und der sie flankierenden Umstände und rechtlichen Rahmenbedingungen. Methodisch ergibt sich die Summe der entgeltrelevanten Kosten von Flughafenbetreibern dabei aus der Addition der operativen Kosten, der Investitionskosten in betriebsnotwendiges Vermögen und der Kapitalkosten auf betriebsnotwendiges Vermögen.58 Der Begriff der operativen Kosten umfasst dabei sämtliche Ausgaben für einen funktionierenden operativen Geschäftsbetrieb59 wie etwa den betriebsnotwendigen Material- und Personalaufwand 55 Nach Giesberts, Ludger (2012). A. a. O. (Fn. 50). S. 192 waren das im Jahr 2011 die Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Schönefeld, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Köln/Bonn, München und Stuttgart. 56 Siehe § 19b Abs. 3 Nr. 6 lit. h LuftVG. 57 So auch Giesberts, Ludger (2016). A. a. O. (Fn. 50). S. 341. 58 Koenig, Christian/Schramm, Franziska (2014). A. a. O. (Fn. 50). S. 237. 59 So Springer Gabler Verlag (Hrsg., 2016). Gabler Wirtschaftslexikon. Stichwort: OPEX. Link: http://wirtschaftslexikon .gabler.de/Archiv/569815/opex-v5.html (letzter Abruf: 30.05.2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 23 sowie die Kosten der Leistungsvergabe an Dritte zur Bereitstellung der betriebsnotwendigen Infrastruktureinrichtung und Dienstleistungen60. Zu den operativen Kosten zählen aber auch Zahlungen der Flughafenbetreiber, zu denen diese etwa durch das Fluglärmschutzgesetz verpflichtet sind.61 Dabei gehört es zur ständigen Praxis, diese Zahlungen bei der Flughafenentgeltermittlung kostenseitig anzusetzen und über die Flughafenentgelte auf die Flughafennutzer abzuwälzen.62 Das Ziel der regulierungsrechtlichen Vorgaben des § 19b LuftVG besteht somit vor allem darin, sicherzustellen, dass die Flughafenentgelte, die Flughafennutzer zu zahlen haben, auch auf den Kosten basieren, die der konkrete Flughafenbetreiber tatsächlich hat bzw. haben wird, und (bei Flughäfen mit mehr als fünf Millionen Fluggastbewegungen pro Jahr) sicherzustellen, ob zwischen den Kosten und den Entgelten ein angemessenes Verhältnis besteht und die Orientierung an einer effizienten Leistungserstellung erkennbar ist.63 Ziel der Norm ist es nicht, festzuschreiben , welche Kosten in die Entgeltermittlung einfließen. Insofern ist die Festlegung der Entgelthöhe nach Lärmschutzgesichtspunkten gemäß § 19b Abs. 1 S. 6 Hs. 1 LuftVG für die Flughafenbetreiber kostenneutral. Denn es wird gesetzlich hiermit nur verbindlich vorgegeben, nach welchen Kriterien die Flughafenentgelte, die auf der Grundlage bestimmter Kosten ermittelt wurden, auf die einzelnen Flughafennutzer aufzuteilen sind.64 Aufgrund dieser zwingenden Differenzierung der Entgelthöhe nach Lärmschutzgesichtspunkten setzen die Flughafenbetreiber den Flughafennutzern über die Entgelte Anreize zum Einsatz leiseren Fluggeräts.65 Dieser Entgeltdifferenzierung kommt daher vor allem eine Lenkungsfunktion zu, da diejenigen Flughafennutzer, die mehr Lärm verursachen, mit höheren Flughafennutzungsentgelten zu belasten sind.66 Insofern wirkt sich diese lärmabhängige Differenzierung bei der Höhe der 60 So Koenig, Christian/Schramm, Franziska (2014). A. a. O. (Fn. 50). S. 237. 61 Siehe dazu § 12 Fluglärmschutzgesetz. 62 So Reidt, Olaf/Schiller, Gernot (2008). In: Beckmann, Martin/Durner, Wolfgang/Mann, Thomas/Röckinghausen, Marc (Hrsg.). Landmann/Rohmer – Umweltrecht. Stand: 01.09.2016 (81. Ergänzungslieferung). München: C. H. Beck. Umweltrecht Besonderer Teil. Fluglärmgesetz § 12 Rn. 4; Ekardt, Felix (2012). Fluglärmschutzgesetz. Nomos -Kommentar. Beckonline. § 12 Rn. 2. 63 Dazu detailliert Koenig, Christian/Schramm, Franziska (2014). A. a. O. (Fn. 50). S. 232 ff. 64 Dazu Giesberts, Ludger (2016). A. a. O. (Fn. 50). S. 334. 65 Giesberts, Ludger (2012). A. a. O. (Fn. 50). S. 195. 66 Giesberts, Ludger (2012). Ebd. Siehe dazu auch Fluglärmkommission Frankfurt (2014). TOP 8 – Beschluss zu Anforderungen an die Weiterentwicklung der Entgeltstruktur ab 2016 am Flughafen Frankfurt. 228. Sitzung. 10.12.2014. Link: http://www.flk-frankfurt.de/eigene_dateien/sitzungen/228._sitzung_am_10.12.2014/top_8_- _beschluss_-_anforderungen_an_ein_neues_entgeltsystem_ab_2016.pdf (letzter Abruf: 30.05.2017), wo es heißt: „Um der Nutzung lärmarmer Flugzeuge am Flughafen Frankfurt deutlich größeres Gewicht als bisher zu verleihen und hierdurch die beabsichtigte Lenkungswirkung auch Realität werden zu lassen, sollte der lärmabhängige Entgeltanteil ab dem Jahr 2014 stufenweise angehoben werden und nach spätestens fünf Jahren einen Anteil von mindestens 30 Prozent an den Gesamtentgelten erreichen.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 24 Flughafennutzungsentgelte für die einzelnen Flughafennutzer durchaus kostenerhöhend oder kostensenkend aus.67 4.2. Kostentatbestände für Flughafenbetreiber im Fluglärmschutzgesetz Im Gegensatz dazu verpflichtet § 12 Fluglärmschutzgesetz die Flugplatzhalter68 zur Zahlung bestimmter Entschädigungen und Aufwendungen, deren rechtliche Hintergründe nachfolgend überblicksartig dargestellt werden. 4.2.1. Zweck und Umsetzungsinstrumente des Fluglärmschutzgesetzes Nach § 1 Fluglärmschutzgesetz besteht dessen Zweck darin, in der Umgebung von Flugplätzen bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Fluglärm sicherzustellen. Zu diesem Zweck normiert das Gesetz für bestimmte Areale in der Nähe von Flugplätzen Bauverbote für bestimmte bauliche Nutzungen wie Kindergärten oder Krankenhäuser. Tritt dadurch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks ein, so kann der Eigentümer insoweit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Gleiches gilt, soweit durch das Bauverbot Aufwendungen für Vorbereitungen zur baulichen Nutzung des Grundstücks an Wert verlieren , die der Eigentümer im Vertrauen auf den Bestand der bisher zulässigen baulichen Nutzung gemacht hat (§ 8 Fluglärmschutzgesetz). Der Umfang des Anspruchs bemisst sich nach § 8 Abs. 3 Fluglärmschutzgesetz i. V. m. §§ 93 Abs. 2, 95, 96 Baugesetzbuch (BauGB)69 und umfasst neben dem Wertverlust des Grundstücks, der sich nach dem Verkehrswert des Grundstücks bemisst, auch sonstige Vermögensnachteile im Sinne des § 96 BauGB (sog. Folgeschäden, z. B. durch Betriebsaufgabe oder Umzugskosten), soweit sie der Entschädigungsberechtigte nicht mitverschuldet hat.70 Unter bestimmten weiteren Voraussetzungen gewährt das Gesetz darüber hinaus Eigentümern von Grundstücken, auf denen bauliche Anlagen errichtet wurden, bevor sie dem Bauverbot unterfielen , Ansprüche auf Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen (§ 9 Abs. 1, 2 Fluglärmschutzgesetz). In diesem Zusammenhang sind die Detailregelungen der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (2. FlugLSV)71 67 Dass diese Anreizwirkung teilweise nicht stark genug sein kann, verdeutlicht etwa der Beschluss der Fluglärmkommission des Flughafens Frankfurt vom Dezember 2014. Siehe dazu Fn. 66. 68 Nach Ekardt, Felix (2012). A. a. O. (Fn. 62). § 12 Rn. 3 ist Flugplatzhalter, wer in eigener Verantwortung und für eigene Rechnung den Flugplatz betreibt und Inhaber der Betreibergenehmigung nach § 6 Abs. 1 LuftVG ist. 69 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.09.2004, BGBl. I S. 2414; zuletzt geändert durch Gesetz vom 04.05.2017, BGBl. I S. 1057. 70 So Ekardt, Felix (2012). A. a. O. (Fn. 62). § 8 Rn. 6. 71 Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung vom 08.09.2009, BGBl. I S. 2992. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 25 von Bedeutung, die u. a. festlegt, dass der Höchstbetrag für Aufwendung für bauliche Schallschutzmaßnahmen 150,- Euro je Quadratmeter Wohnfläche beträgt.72 Weiterhin können Eigentümer bestimmter Grundstücke, auf denen bauliche Anlagen errichtet wurden, bevor sie dem Bauverbot unterfielen, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen eine angemessene Entschädigung in Geld für die Beeinträchtigung des Außenwohnbereichs verlangen (§ 9 Abs. 5 Fluglärmschutzgesetz). In diesem Zusammenhang sind die Vorgaben der Dritten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (3. FlugLSV)73 zu beachten. Nach dieser Verordnung wird die Entschädigung für die Beeinträchtigung des Außenwohnbereichs 74 als pauschale Einmalzahlung einer Summer geleistet, deren Höhe sich nach Intensität der Lärmbelästigung und Lage des Grundstücks bestimmt, auf dem das Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhaus mit Außenwohnbereich belegen ist.75 4.2.2. Verfassungsmäßigkeit der Zahlungspflicht der Flughafenbetreiber Da die Fluggesellschaften mit ihren Flugzeugen Verursacher der die Entschädigungszahlungen auslösenden Lärmbeeinträchtigungen sind, wurde in der Literatur die Frage diskutiert, ob es verfassungsrechtlich problematisch ist, dass die Zahlungspflicht nicht sie sondern nach § 12 Fluglärmschutzgesetz die Flughafenbetreiber trifft. Eine gerichtliche Entscheidung dieser Frage liegt bisher nicht vor. Die Frage kann jedoch verneint werden, da die Flughafenbetreiber dadurch, dass sie ihre Infrastruktur und Dienstleistungen anbieten, selbst Miturheber des Lärms sind.76 Zudem gehört es, wie oben bereits gezeigt, zur ständigen Praxis, dass die Flughafenbetreiber diese Zahlungen bei der Flughafenentgeltermittlung kostenseitig ansetzen und über die Flughafenentgelte auf die Flughafennutzer abwälzen. Weiterhin wird argumentiert, dass das Verursacherprinzip verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgegeben sei und vielmehr einer Ausgestaltung im Einzelfall durch den Gesetzgeber bedürfe und § 12 Fluglärmschutzgesetz insofern verfassungsrechtlich unproblematisch sei.77 4.3. Zwischenergebnis Wie gezeigt, normieren die Entgeltregulierungsvorgaben des § 19b LuftVG keine Kostentatbestände für Flughafenbetreiber. Vielmehr verfolgen die Regelungen das Ziel, dass es im Rechtsverhältnis zwischen Flughafenbetreiber und Flughafennutzer nicht zu einem Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung des Flughafenbetreibers kommt, indem der Nutzungsentgelte fordert, 72 Siehe § 5 Abs. 4 der 2.FlugLSV. 73 Fluglärm-Außenwohnbereichsentschädigungs-Verordnung vom 20.08.2013, BGBl. I S. 3292. 74 Nach § 3 der 3. FlugLSV unterfallen dem Begriff Außenwohnbereich grundsätzlich Balkone, Dachgärten, Loggien sowie Terrassen, Grillplätze, Gärten und ähnliche Außenanlagen, die der Wohnnutzung im Freien dienen. 75 Vgl. §§ 4 – 9 der 3. FlugLSV. 76 So Ekardt, Felix (2012). A. a. O. (Fn. 62). § 12 Rn. 2. 77 So Reidt, Olaf/Schiller, Gernot (2008). A. a. O. (Fn. 62). § 12 Rn. 4; a. A. hinsichtlich der Frage, ob dem Verursacherprinzip Verfassungsrang zukommt Ekardt, Felix (2012). A. a. O. (Fn. 62). § 12 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 26 die nicht den Kriterien des § 19b LuftVG entsprechen. Die Flughafennutzungsentgelte, die zwingend nach Lärmschutzgesichtspunkten zu differenzieren sind, stellen für Flughafennutzer aber durchaus Kosten dar, die sie ihrerseits bei der Kalkulation ihrer Preise für Transportdienstleistungen im Luftverkehr berücksichtigen werden. Daneben normiert das Fluglärmschutzgesetz eine Reihe von Kostentatbeständen, die die Flughafenbetreiber dazu verpflichten, bei Vorliegen der Voraussetzungen bestimmte Zahlungen direkt an Lärmbetroffene zu leisten. Diese Zahlungen lassen die Flughafenbetreiber regelmäßig in die Kalkulation ihrer Flughafennutzungsentgelte einfließen, so dass diese Kosten über die Zahlung der Flughafennutzungsentgelte durch die Flughafennutzer getragen werden. Insofern scheint es durchaus denkbar, dass der Gesetzgeber zum Zweck der Internalisierung externer Lärmkosten des Luftverkehrs weitere Kostentatbestände etwa im Lärmschutzgesetz schafft. Die Einfügung entsprechender Regelungen im geltenden § 19b LuftVG wären dagegen systemfremd . Die Frage, inwiefern legislative Maßnahmen zur Umsetzung dieses Ziels rechtlich zulässig wären, kann aber letztlich nicht abstrakt, sondern nur anhand eines konkreten Regelungskonzepts geklärt werden. * * *