© 2019 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 043/19 Rückbau von Gleisanlagen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 043/19 Seite 2 Rückbau von Gleisanlagen Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 043/19 Abschluss der Arbeit: 2. Mai 2019 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 043/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellungen 4 2. Zuständigkeiten im Bereich der Eisenbahninfrastruktur 4 3. Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 18 AEG 5 3.1. Bau oder Änderung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn 5 3.2. Planfeststellung 7 4. Rechtsfolgen eines unzulässigen Rückbaus 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 043/19 Seite 4 1. Fragestellungen Den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages sind zum Rückbau von Gleisanlagen mehrere Fragen gestellt worden. Sie lauten wie folgt: Durch welche Behörde muss die Genehmigung für einen Rückbau von (stillgelegten) Gleisanlagen nach § 18 Allgemeines Eisenbahngesetz1 (AEG) erteilt werden, wenn diese Gleisanlage zuvor unter die Landeseisenbahnaufsicht fiel? Welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen erfüllen, um für den Rückbau von Gleisanlagen eine Genehmigung nach § 18 AEG zu erhalten? Welche rechtlichen Konsequenzen und Sanktionen folgen auf einen Rückbau von Gleisanlagen ohne eine Genehmigung nach § 18 AEG? Zur Beantwortung dieser Fragen soll zunächst ein Überblick über die sachlichen Zuständigkeiten im Bereich der Eisenbahninfrastruktur in der Bundesrepublik Deutschland gegeben, anschließend die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 18 AEG im Hinblick auf den Rückbau einer (stillgelegten) Gleisanlage erläutert sowie schließlich auf die Rechtsfolgen eines unzulässigen Rückbaus eingegangen werden. Alle im vorliegenden Sachstand angegebenen Links wurden zuletzt am 2. Mai 2019 abgerufen. 2. Zuständigkeiten im Bereich der Eisenbahninfrastruktur Die Eisenbahninfrastruktur der Bundesrepublik Deutschland steht zum Großteil im Eigentum der DB Netz AG, einem hundertprozentigem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG (DB AG).2 Die DB Netz AG ist eine privatrechtlich organisierte Kapitalgesellschaft, die sich im Eigentum des Bundes befindet.3 Als Eisenbahninfrastrukturunternehmen4 (EIU) ist ihre Aufgabe das Betreiben einer Eisenbahninfrastruktur, welche gemäß § 2 Abs. 6 AEG die Betriebsanlagen der Eisenbahnen einschließlich der Bahnstromfernleitungen umfasst. Die DB Netz AG betreibt als EIU etwa 87,5 % des deutschen Schienennetzes.5 1 Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/aeg_1994/. 2 Vgl. https://fahrweg.dbnetze.com/fahrweg-de/unternehmen; https://fahrweg.dbnetze.com/fahrweg-de/unternehmen /db_netz_ag/externe_organisationen/uebersicht_beteiligungen-1368664. 3 Vgl. Art. 87e Abs. 3 GG; https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Bundesvermoegen /Privatisierungs_und_Beteiligungspolitik/Beteiligungspolitik/deutsche-bahn-ag.html. 4 Bei Eisenbahnunternehmen wird gemäß § 2 Abs. 1 AEG zwischen Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) und Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) unterschieden; näheres dazu: Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz , Kommentar, 1. Auflage, 2012, § 2, Rn. 1. 5 Vgl. https://fahrweg.dbnetze.com/fahrweg-de/unternehmen/db_netz_ag/wirueberuns-1368710. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 043/19 Seite 5 Gemäß § 4 Abs. 6 S. 1 AEG obliegt dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) im Hinblick auf Errichtung, Änderung, Unterhaltung und Betrieb der Betriebsanlagen und der Fahrzeuge von Eisenbahnen des Bundes 1. die Erteilung von Baufreigaben, Zulassungen und Genehmigungen, 2. die Abnahmen, Prüfungen und Überwachungen auf Grund anderer Gesetze und Verordnungen. Das EBA ist sowohl Genehmigungs- als auch Sicherheits- und Aufsichtsbehörde für bundeseigene Eisenbahnen; für nichtbundeseigene Eisenbahnen gilt das, soweit sie einer Sicherheitsgenehmigung bedürfen, vgl. § 5 Abs. 1a Nr. 1, Abs. 1e, Abs. 2 S. 1 AEG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz6 (BEVVG). Der Aufsicht durch das EBA unterliegen mehr als zwei Drittel aller Eisenbahnunternehmen in Deutschland.7 Nichtbundeseigene Eisenbahnen unterstehen hingegen regelmäßig der Landeseisenbahnaufsicht (LEA), vgl. § 5 Abs. 1a Nr. 2 AEG. Für das Land ist jeweils die von der Landesregierung bestimmte Behörde zuständig, § 5 Abs. 2 S. 1 AEG.8 Den Ländern steht es jedoch gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 AEG frei, die Eisenbahnaufsicht und die Befugnis zur Erteilung von Genehmigungen im Wege der Vereinbarung ganz oder teilweise dem EBA zu übertragen. Von dieser Möglichkeit haben bislang elf Bundesländer Gebrauch gemacht.9 3. Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 18 AEG 3.1. Bau oder Änderung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn Gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 AEG dürfen Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Es gilt der sogenannte Planvorbehalt.10 Zunächst ist also Voraussetzung, dass es sich bei einer Gleisanlage um die Betriebsanlage einer Eisenbahn im Sinne des § 18 Abs. 1 S. 1 AEG handelt. Der Begriff umfasst alle Grundstücke, Bau- 6 Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bevvg/. 7 Vgl. https://www.eba.bund.de/DE/DasEBA/daseba_node.html. 8 Beispielsweise das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Bundeslandes Niedersachsen mit der im Jahr 2004 erlassenen Verwaltungsvorschrift „Zuständigkeiten der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr“ unter 8. die Zuständigkeit der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens/ÖPNV geregelt. 9 Siehe: https://www.eba.bund.de/DE/DasEBA/LEA/lea_node.html#doc1528532bodyText1. 10 Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, Kommentar, 1. Auflage, 2012, § 18, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 043/19 Seite 6 werke und sonstigen Einrichtungen, die zur Abwicklung oder Sicherung des Reise- oder Güterverkehrs auf der Schiene nötig sind.11 Maßgebliches Kriterium ist damit unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse die Eisenbahnbetriebsbezogenheit, also die Verkehrsfunktion und der räumliche Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb.12 Demzufolge sind jedenfalls Gleisanlagen als bestehende Schienenwege, die in ihrer Gesamtheit das Schienennetz der Eisenbahn bilden und den schienengebundenen Transport grundsätzlich ermöglichen, als Betriebsanlagen einer Eisenbahn anzusehen. Ist der Betrieb einer bestehenden Eisenbahninfrastruktur auf Antrag nach § 11 Abs. 1 AEG stillgelegt , so ist die Eigenschaft der Bahnanlage als öffentliche Sache nicht beendet.13 Auch die temporäre Einstellung des Verkehrsbetriebs lässt die Widmung der Gleisanlage zu Eisenbahnzwecken nicht entfallen.14 Es handelt sich folglich auch bei einer nach § 11 AEG stillgelegten Gleisanlage um die Betriebsanlage einer Eisenbahn, die unter den Anwendungsbereich des § 18 AEG fällt. Anders zu behandeln ist der Fall, dass die Bahnanlage zuvor auf Antrag nach § 23 Abs. 1 AEG von Bahnbetriebszwecken freigestellt wurde. Durch die Freistellung („Entwidmung“) entfällt die bahnspezifische Zweckbindung der Anlage, sodass eine nachfolgende Beseitigung die Voraussetzungen des § 18 AEG mangels Vorliegen einer Betriebsanlage nicht mehr erfüllt, infolgedessen ein solches Vorhaben nicht nach § 18 AEG planfeststellungsbedürftig ist.15 Zudem müsste es sich bei einem Rückbau um den Neubau oder die Änderung einer bestehenden Anlage im Sinne des § 18 Abs. 1 S. 1 AEG handeln. Ein Neubau ist anzunehmen, wenn eine Bahnanlage erstmals hergestellt werden soll.16 Eine Änderung liegt vor, wenn die Veränderung im baulichen Bestand, also nicht nur im Betrieb, über den Verfahrensgegenstand der ursprünglichen Planfeststellung hinausreicht, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die veränderte Anlage eine bislang nicht ausgefüllte Verkehrsfunktion übernimmt.17 Dies ist zum Beispiel bei dem 11 Ebenda (Fn. 10), Rn. 5. 12 Siehe: BVerwG, Urteil vom 23.09.2014, Az.: 7 C 14/13, in: NVwZ 2015, S. 446; Vallendar, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Auflage, 2014, § 18, Rn. 51; Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, Kommentar, 1. Auflage, 2012, § 2, Rn. 5. 13 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 2017, Az.: 3 B 15/16, Rn. 10 - juris; Stüer/Probstfeld, Die Planfeststellung : Grundlagen – Fachrecht – Rechtsschutz – Beispiele, 2. Auflage, 2016, Rn. 1169; Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2011, WD 7 - 3000 - 132/11, Stilllegung und Freistellung von Eisenbahninfrastruktur, S. 5, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/565636/329f3a8b4b4a673396d2cbdd44bde015/WD-7-132-11-pdf-data.pdf. 14 Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 10. Januar 2017, Az.: 2 A 142/15, Rn. 30 - juris. 15 Näheres: Vallendar, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Auflage, 2014, § 18, Rn. 79. 16 Ebenda (Fn. 15), Rn. 75. 17 Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, Kommentar, 1. Auflage, 2012, § 18, Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 043/19 Seite 7 Teilrückbau einer Betriebsanlage der Eisenbahn der Fall.18 Bei der Beseitigung von bestehenden Gleisanlagen handelt es sich mithin um eine Änderung im Sinne des § 18 Abs. 1 S. 1 AEG.19 Infolgedessen ist der Rückbau von Gleisanlagen gemäß § 18 Abs. 1 AEG grundsätzlich planfeststellungsbedürftig und bedarf eines besonderen Verwaltungsverfahrens über seine Zulässigkeit. 3.2. Planfeststellung Das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren wird gemäß § 18 Abs. 1 S. 3 AEG nach §§ 72 -78 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) nach Maßgabe des AEG durchgeführt.20 Es stellt ein verfahrensrechtliches Instrument dar, das es ermöglicht, über ein komplexes raumbeanspruchendes und umweltbelastendes Vorhaben und seine öffentlich-rechtliche Zulässigkeit in einem Verfahren durch eine Behörde mittels einer einheitlichen Sachentscheidung mit umfassender Rechtswirkung zu entscheiden (Planfeststellungsbeschluss), vgl. §§ 74, 75 VwVfG.21 Sachlich zuständig für die planungsrechtliche Entscheidung im Sinne des § 18 Abs. 1 AEG ist nach § 74 Abs. 1 S. 1 VwVfG die Planfeststellungsbehörde. Diese erteilt nach § 74 Abs. 1 VwVfG den Planfeststellungsbeschluss, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen . Gemäß § 4 Abs. 6 AEG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEVVG ist das EBA für den Erlass einer planungsrechtlichen Entscheidung nach § 18 AEG in Verbindung mit § 74 VwVfG für Betriebsanlagen von bundeseigenen Eisenbahnen zuständig. Handelt es sich hingegen um nichtbundeseigene Eisenbahnen wird die Bestimmung der zuständigen Behörde gemäß § 5 Abs. 1a Nr. 2, Abs. 1b Nr. 2, Abs. 2 S. 1 AEG der jeweiligen Landesregierung überlassen.22 Ist das EBA Planfeststellungsbehörde, so hat es nach § 3 Abs. 2 S. 1 BEVVG die durch den Vorhabenträger eingereichten Planunterlagen zwecks Durchführung des Anhörungsverfahrens im Sinne des § 73 VwVfG nach Maßgabe des § 18a AEG der Anhörungsbehörde des Landes zuzuleiten , in dessen Gebiet die Anlage liegt. Welche Behörde als Anhörungsbehörde tätig wird, richtet sich nach dem jeweiligen Landesrecht. Die Anhörungsbehörde des Bundeslandes bereitet die Sachentscheidung der Planfeststellungsbehörde vor.23 18 Ebenda (Fn. 17). 19 So auch: Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, 2002, S. 322. 20 Siehe auch: https://www.eba.bund.de/DE/Themen/Planfeststellung/planfeststellung_node.html#doc1527772body Text2; insbesondere die Richtlinien des EBA über den Erlass von Planrechtsentscheidungen für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes nach § 18 AEG, 2017, abrufbar unter: https://www.eba.bund.de/Shared- Docs/Downloads/DE/PF/Planfeststellung/51_pf_richtlinien.pdf?__blob=publicationFile&v=5. 21 Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 9. Auflage, 2018, § 72, Rn. 1-5. 22 Siehe Ausführungen unter 2. 23 Vgl. Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 9. Auflage , 2018, § 73, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 043/19 Seite 8 In einem weiteren Schritt wird von der Planfeststellungsbehörde die in § 18 Abs. 1 S. 2 AEG genannte Umweltverträglichkeit des Vorhabens mittels der sogenannten Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ermittelt, welche sich nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) richtet. Da es sich bei dem Rückbau von Gleisanlagen um sonstige Betriebsanlagen einer Eisenbahn im Sinne von Nr. 14.8 der Anlage 1 zum UVPG handelt, fällt das Vorhaben in den Anwendungsbereich des UVPG und bedarf einer Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne von § 3c S. 1 UVPG. Eine UVP-Pflicht ist hierbei nur dann anzunehmen, wenn das EBA ausgehend von der Vorprüfung und unter Berücksichtigung der in Anlage 2 des UVPG genannten Kriterien eine solche im Einzelfall anordnet.24 Ferner steht die Planfeststellung des Vorhabens unter materiellen Voraussetzungen, insbesondere der Planrechtfertigung, zwingender Vorschriften (Planleitsätze) und dem Abwägungsgebot.25 Die Planrechtfertigung liegt in der Regel vor, wenn das Vorhaben aus Gründen des Gemeinwohls objektiv erforderlich ist.26 Ausschlaggebend ist dabei, ob das Vorhaben gemessen an den Zielen des Fachplanungsrechts vernünftigerweise geboten ist.27 Ferner ist die Planfeststellungsbehörde als Teil der öffentlichen Verwaltung vor dem Hintergrund des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) im Hinblick auf ihre Entscheidung an zwingendes Recht (Planungsleitsätze) gebunden.28 Dem Vorhaben dürfen also keine Rechtsvorschriften entgegenstehen.29 Gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 AEG sind bei der Planfeststellung die vom konkreten Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen einer Abwägung zu berücksichtigen . Die Planfeststellungsbehörde hat somit letztlich im Rahmen einer Gesamtabwägung die für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange zu ermitteln und abzuwägen.30 24 Näheres: Vallendar/Wurster, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Auflage, 2014, § 18, Rn. 88 ff. 25 Ebenda (Fn. 24), Rn. 100. 26 Vgl. BVerwGE 72, 282 (284); Stüer/Probstfeld, Die Planfeststellung: Grundlagen – Fachrecht – Rechtsschutz – Beispiele, 2. Auflage, 2016, Rn. 1165. 27 Vgl. BVerwGE 56, 110 (118 f.); BVerwGE 71, 166 (168). 28 Vgl. BVerwGE 48, 56 (61). 29 Näheres: Vallendar/Wurster, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Auflage, 2014, § 18, Rn. 118 ff.; dem Rückbau einer Gleisanlage können insbesondere naturschutzrechtliche Vorschriften entgegenstehen , so z.B. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, 2002, S. 324. 30 Vgl. Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 9. Auflage , 2018, § 72, Rn. 28 ff.; näheres: Vallendar/Wurster, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Auflage, 2014, § 18, Rn. 143 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 043/19 Seite 9 In der Regel wird das Verwaltungsverfahren mit Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses im Sinne von § 74 Abs. 1 S. 1 VwVfG abgeschlossen. Der Planfeststellungsbeschluss trifft damit eine einheitliche, umfassende und abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens.31 An Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses kann jedoch gemäß § 74 Abs. 6 S. 1 VwVfG zwecks der Verfahrensbeschleunigung32 eine Plangenehmigung erteilt werden, wenn 1. Rechte anderer nicht beeinträchtigt sind oder die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben 2. mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt wird, das Benehmen hergestellt worden ist und 3. nicht andere Rechtsvorschriften eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorschreiben, die den Anforderungen des § 73 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 bis 7 entsprechen muss. Gemäß § 18b S. 1 AEG kann abweichend von § 74 Abs. 6 S. 1 Nr. 3 VwVfG eine Plangenehmigung auch dann erteilt werden, wenn für das Vorhaben nach dem UVPG eine UVP durchzuführen ist. Die wesentlichen Rechtswirkungen einer Planfeststellung normiert § 75 VwVfG. So stellt die Verwaltungsentscheidung die Zulässigkeit des Vorhabens fest (Genehmigungswirkung).33 Weiterhin sind neben der Planfeststellung keine weiteren behördlichen Entscheidungen erforderlich, da sämtliche materiell-rechtliche Vorschriften, die für die Frage nach der Zulässigkeit des konkreten Vorhabens von Bedeutung sind, im Verlauf des Planfeststellungsverfahrens und unter Berücksichtigung der für und gegen das konkrete Vorhaben streitenden Argumente geprüft werden (Konzentrationswirkung), § 75 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 VwVfG.34 Zudem werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen Vorhabenträger und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt (Gestaltungswirkung).35 Gemäß § 74 Abs. 6 S. 2 VwVfG gilt entsprechendes für die Plangenehmigung. Wird ein Planfeststellungsbeschluss bzw. eine Plangenehmigung unanfechtbar, sind nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ausgeschlossen (Ausschlusswirkung).36 31 Vallendar/Wurster, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Auflage, 2014, § 18, Rn. 213. 32 Vgl. ebenda (Fn. 31), Rn. 271. 33 Vallendar, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Auflage, 2014, § 18, Rn. 26. 34 Ebenda (Fn. 33), Rn. 29. 35 Ebenda (Fn. 33), Rn. 34 ff.; umfassend dazu auch: Stüer/Probstfeld, Die Planfeststellung: Grundlagen – Fachrecht – Rechtsschutz – Beispiele, 2. Auflage, 2016, Rn. 388. 36 Vgl. Vallendar, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Auflage, 2014, § 18, Rn. 41. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 043/19 Seite 10 Weder eines Planfeststellungsbeschlusses noch einer Plangenehmigung bedarf es nach § 74 Abs. 7 VwVfG in Fällen unwesentlicher Bedeutung vor, wenn 1. andere öffentliche Belange nicht berührt sind oder die erforderlichen behördlichen Entscheidungen vorliegen und sie dem Plan nicht entgegenstehen, 2. Rechte anderer nicht beeinflusst werden oder mit den vom Plan Betroffenen entsprechende Vereinbarungen getroffen worden sind und 3. nicht andere Rechtsvorschriften eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorschreiben, die den Anforderungen des § 73 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 bis 7 entsprechen muss. Im Fall einer solchen Freistellungsentscheidung müssen mangels Eingreifen der Konzentrationswirkung des § 75 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwVfG etwaige andere behördliche Genehmigungen dennoch eingeholt werden.37 Ob letztlich das Verfahren über die Planfeststellung, die Plangenehmigung oder über die Freistellung von Planfeststellung und Plangenehmigung mit den jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen einschlägig ist, kann vorliegend nicht abschließend beurteilt werden, da sich dies nach dem konkreten Einzelfall richtet. 4. Rechtsfolgen eines unzulässigen Rückbaus Der planfeststellungsbedürftige Rückbau von Gleisanlagen ohne entsprechende Zulassung stellt einen Verstoß gegen § 18 AEG dar. Gemäß § 5 Abs. 1 AEG obliegt der Eisenbahnaufsicht die Überwachung der Einhaltung eisenbahnrechtlicher Vorschriften. Dabei ist das EBA nach § 5 Abs. 1a Nr. 1, Abs. 2 S. 1 AEG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEVVG als Eisenbahnaufsicht insbesondere für bundeseigene EIU; die von der jeweiligen Landesregierung bestimmte Landesbehörde nach § 5 Abs. 1a Nr. 2, Abs. 2 S. 1 AEG als LEA vor allem für nichtbundeseigene EIU zuständig.38 Die Aufgaben und Befugnisse der Eisenbahnaufsichtsbehörden ergeben sich aus § 5a AEG. Nach § 5a Abs. 1 S. 1 AEG haben die Eisenbahnaufsichtsbehörden die Aufgabe, die Einhaltung der in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften zu überwachen. Darunter fallen das AEG und die auf Grundlage des AEG ergangenen Rechtsverordnungen, näher bezeichnetes Unionsrecht sowie zwischenstaatliche Vereinbarungen. Die Befugnis der Eisenbahnaufsichtsbehörden, entsprechende Maßnahmen zu treffen, folgt aus der Generalklausel des § 5a Abs. 2 AEG: 37 So auch: Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 9. Auflage, 2018, § 74, Rn. 256a. 38 Siehe Ausführungen unter 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 043/19 Seite 11 Die Eisenbahnaufsichtsbehörden können in Wahrnehmung ihrer Aufgaben gegenüber denjenigen , die durch die in § 5 Absatz 1 genannten Vorschriften verpflichtet werden, die Maßnahmen treffen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße gegen die in § 5 Absatz 1 genannten Vorschriften erforderlich sind.39 Die Generalklausel des § 5a Abs. 2 AEG ermöglicht es den Eisenbahnaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder gegenüber denjenigen, die durch die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften verpflichtet werden40, Anordnungen zu treffen.41 Durch die Norm werden die Eisenbahnaufsichtsbehörden ermächtigt in Erfüllung ihrer Aufgaben, mithin auch die Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften des AEG, erforderliche Maßnahmen zu treffen.42 Die auf Grundlage des § 5a Abs. 2 AEG getroffene hoheitliche Maßnahme der Eisenbahnaufsichtsbehörde stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG dar, der eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht beinhaltet.43 Nach § 5a Abs. 9 AEG können die Eisenbahnaufsichtsbehörden ihre Anordnungen nach den für die Vollstreckung von Verwaltungsmaßnahmen geltenden Vorschriften durchsetzen. Für Maßnahmen des EBA ist daher das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG) ausschlaggebend . Die Maßnahme kann folglich unter den Voraussetzungen des §§ 6 ff. VwVG zwangsweise im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden, wobei die in § 9 VwVG genannten Zwangsmittel zur Verfügung stehen. In Betracht kommt ausgehend von der vorliegenden Konstellation vor allem die Anordnung eines Zwangsgeldes im Sinne des § 11 VwVG nach vorangegangener Androhung nach § 13 VwVG.44 Gemäß § 5a Abs. 9 AEG kann die Höhe des Zwangsgeldes bis zu 500.000,00 € betragen. Bezüglich der Durchsetzung von Maßnahmen der LEA wird auf die jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetze der Länder verwiesen. *** 39 Die Anwendung der Generalklausel des § 5a Abs. 2 AEG hat gegenüber dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht Vorrang, sofern der Anwendungsbereich des AEG eröffnet ist, vgl. z.B. Rachor/Graulich, in: Lisken /Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Auflage, 2018, Abschnitt E, Rn. 184, wonach spezialgesetzlich geregelte Vorschriften der Gefahrenabwehr Vorrang vor der allgemeinen polizeilichen Generalklausel haben. 40 Näheres: Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, Kommentar, 1. Auflage, 2012, § 5a, Rn. 3. 41 Amtliche Begründung zu § 5a Abs. 2 AEG; Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, Kommentar, 1. Auflage, 2012, § 5a, Rn. 2. 42 Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, Kommentar, 1. Auflage, 2012, § 5a, Rn. 3. 43 Vgl. ebenda (Fn. 42). 44 Näheres: Troidl, in: Engelhardt/App/Schlatmann (Hrsg.), VwVG, Kommentar, 11. Auflage, 2017, § 11, Rn. 2 ff.