© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 041/17 Leistungsbilanzüberschüsse innerhalb einer Währungsunion Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 2 Leistungsbilanzüberschüsse innerhalb einer Währungsunion Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 041/17 Abschluss der Arbeit: 01.06.2017 Fachbereich: WD 5 Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Makroökonomische Ungleichgewichte 4 3. Bewertung von makroökonomischen Ungleichgewichten anhand der Leistungsbilanz 7 3.1. Bundesministerium der Finanzen (BMF) 7 3.2. Bundesministerium der Finanzen (BMF)/Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) 9 3.3. Europäische Zentralbank (EZB)/Europäische Kommission 10 3.4. Wirtschaftswissenschaftliche Diskussion/Analyse 12 3.5. Weitere Literatur 20 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 4 1. Einleitung Die Volkswirtschaftslehre ist von starken Paradigmen geprägt, die wirtschaftliche Zusammenhänge aus unterschiedlichen Perspektiven würdigen. Somit existiert keine einheitliche ökonomische Denkweise bzw. keine allgemein gültige ökonomische Methode, die auf alle wirtschaftswissenschaftlichen Themenbereiche gleichermaßen angewendet werden kann und sollte1. Vielmehr spiegeln Wirtschaftsgutachten/-analysen von Autoren immer deren jeweilige Sicht wider. Die Betrachtung und Wertung von Leistungsbilanzüberschüssen, die unter den Grundbegriff makroökonomische Ungleichgewichte fallen, erfolgt im Rahmen der vorliegenden Bearbeitung anhand von Aufsätzen verschiedener Autoren, die die kontroverse Diskussion aufzeigen. In Anbetracht der Größe des Analysegebiets und des zur Verfügung gestellten Zeitrahmens kann an dieser Stelle nur ein grober Überblick erfolgen, der nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. 2. Makroökonomische Ungleichgewichte Die politischen und wirtschaftlichen Diskussionen über die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte sind nicht zuletzt deswegen so schwierig, weil deren Ursachen so komplex wie umstritten sind. Zudem können die Gründe für eine außenwirtschaftliche Schieflage von Land zu Land sehr verschieden sein. Beispielsweise können Arbeits- und Produktmarktregulierungen oder unzureichende Wechselkursanpassungen eine Rolle spielen, aber auch internationale Nachfragedifferenzen , Finanzmarktübertreibungen, Rohstoffpreisentwicklungen oder Lohn-, Sozial- und Umweltdumping . Umstritten ist auch, inwieweit und mit welchen Mitteln die Wirtschaftspolitik außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten entgegenwirken kann2. Um makroökonomischen Fehlentwicklungen gegensteuern zu können, hat die Europäische Kommission in Reaktion auf die europäische Finanz- und Schuldenkrise ein Verfahren zur Erkennung makroökonomischer Ungleichgewichte (Macroeconomic Imbalances Procedure - MIP) entwickelt, das ein Scoreboard aus Indikatoren und Schwellenwerten beinhaltet. Die Scoreboard-Indikatoren3 beziehen sich zum einen auf externe Ungleichgewichte (Leistungsbilanz , Nettoauslandsvermögensstatus, realer effektiver Wechselkurs, Veränderung der Exportmarktanteile , Lohnstückkosten) und zum anderen auf interne Ungleichgewichte (Wohnimmobilienpreise , Kreditvergabe im Privatsektor, Schulden des privaten Sektors, gesamtstaatlicher Schuldenstand , Arbeitslosenquote und Veränderung der Verbindlichkeiten des Finanzsektors sowie Beschäftigung und Arbeitslosigkeit). Für jeden Indikator wurde ein Schwellenwert festgelegt, der 1 Till van Treeck/Janina Urban, Wirtschaft neu entdecken. Blinde Flecken der Lehrbuchökonomie, 2016. http://fgw-nrw.de/fileadmin/user_upload/Blinde_Flecken_der_Lehrbuchoekonomie_klein.pdf (Letzter Abruf: 30.05.2017) 2 Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), Globale Ungleichgewichte im Außenhandel und der deutsche Exportüberschuss , in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APUZ 1-3/2014). http://www.bpb.de/apuz/175492/globale-ungleichgewichte-im-aussenhandel-und-der-deutsche-exportueberschuss ?p=all (Letzter Abruf: 30.05.2017) 3 Europäisches Parlament, Kurzdarstellung zur Europäischen Union, Makroökonomische Überwachung. http://www.europarl.europa.eu/atyourservice/de/displayFtu.html?ftuId=FTU_4.2.2.html (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 5 das etwaige Auftreten eines bestimmten Problems signalisiert; einige Schwellenwerte richten sich danach, ob ein Mitgliedstaat der Eurozone angehört oder nicht. Deutschland rückte aufgrund seines persistent hohen Leistungsbilanzüberschusses (Exportüberschusses ) in den Fokus der Betrachtung der Europäischen Kommission. Eurostat hat zum Verlauf der Leistungsbilanzüberschüsse/-defizite die folgende Übersicht erstellt , die deutlich die Entwicklung der einzelnen Länder skizziert4: Saldo der Leistungsbilanz mit der übrigen Welt, 2005–2015 (1)(in Mrd. EUR) Eine ausführlichere Darstellung der Daten in Form einer Tabelle bezogen auf die Leistungsbilanzen der Euroraum- bzw. EU28-Länder ist nach telefonischer Auskunft des Statistischen Bundesamts (Destatis) nicht möglich, da von Eurostat keine Daten zum Intrahandel ausgewiesen werden. 4 Eurostat, Statistics Explained, 27.06.2016. http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:Current_account_balance _with_the_rest_of_the_world,_2005-15_(%C2%B9)_(EUR_billion)_YB16-de.png (Letzter Abruf: 30.05.2017) http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Balance_of_payment_statistics/de (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 6 Alternativ verweist die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in ihrer Reihe Kompakt auf eine Darstellung der Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands mit der Eurozone 5: Demnach hat sich zwischen 2007 und 2015 der Leistungsbilanzüberschuss von Deutschland gegenüber den Ländern der Eurozone von 4,2 % auf rd. 2,0 % des BIP halbiert, wobei besonders stark der Überschuss gegenüber Spanien (um rd. 83 %), Griechenland (um rd. 85 %), Italien (um rd. 45 %) und Portugal (um rd. 54 %) geschrumpft ist. Aufgrund der umgesetzten Strukturreformen konnten die Länder ihre Wettbewerbs- und Exportfähigkeit größtenteils verbessern und ihre Leistungsbilanzdefizite senken. Leistungsbilanzüberschüsse werden in der öffentlichen Debatte oft per se als Ausdruck besonderer wirtschaftlicher Stärke angesehen. Nur eine Minderheit unter den Ökonomen hält jedoch die Höhe des deutschen Leistungsbilanzüberschusses für angemessen. Eine häufig angeführte Rechtfertigung für den Leistungsbilanzüberschuss ist, dass die deutsche Gesellschaft durch den Aufbau von Vermögen im Ausland für den bevorstehenden demografischen Wandel vorsorgen müsse. Manche Ökonomen hingegen fordern zur Überwindung der Exportabhängigkeit eine weitere Deregulierung der Arbeits- und Produktmärkte in Deutschland. Hierdurch sollen Investitionen insbesondere im Dienstleistungssektor für die Unternehmen attraktiver gemacht werden und damit die Binnennachfrage im Verhältnis zur Exportwirtschaft gestärkt werden. Andere empfehlen im Gegenteil eine stärkere Regulierung des Arbeitsmarktes, die Erhöhung der Löhne sowie steuer- und sozialpolitische Maßnahmen zur Reduzierung der Ungleichheit zwecks Stärkung der Konsumnachfrage. Eine weitere Möglichkeit zur Stärkung der Binnennachfrage kann im Ausbau 5 BDA, Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss, in: Kompakt, Juni 2016. http://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/res/kompakt-Deutschlands_Leistungsbilanzueberschuss .pdf/$file/kompakt-Deutschlands_Leistungsbilanzueberschuss.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 7 staatlicher Investitionen etwa in Bereichen wie Infrastruktur und Bildung gesehen werden. Detailliertere Darstellungen einzelner Positionen finden sich in Kapitel 3. 3. Bewertung von makroökonomischen Ungleichgewichten anhand der Leistungsbilanz 3.1. Bundesministerium der Finanzen (BMF) Die anhaltende nationale und internationale Kritik an den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen hat sich in mehreren Statements der Bundesregierung niedergeschlagen. Das Bundesministerium der Finanzen hat im Jahr 2013 u.a. die Ergebnisse der von der Europäischen Kommission vorgelegten Surplus Study6 zur Entwicklung der Leistungsbilanzsalden im Euroraum wie folgt ausgewertet und zusammengefasst7: „Eine merkliche Annäherung der Leistungsbilanzpositionen hat im Euroraum bereits stattgefunden. Dahinter steht bislang in erster Linie ein Rückgang der Negativsalden in den Defizitländern. Änderungen in den Überschussländern gehen nicht durchweg in die gleiche Richtung, dürften in Zukunft aber ebenfalls zu einem „Rebalancing“ beitragen. Leistungsbilanzdefizite oder -überschüsse allein sind kein hinreichendes Indiz für das Vorliegen von (schädlichen) makroökonomischen Ungleichgewichten. Sie sind das Ergebnis einer Vielzahl von Einflussfaktoren und spiegeln nicht zuletzt Unterschiede in den intertemporalen Investitions- und Konsumpräferenzen einzelner Länder wider. Der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands gegenüber den anderen Euroländern hat sich im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2007 halbiert. Der Anstieg des deutschen Leistungsbilanzsaldos von 2011 auf 2012 ist allein das Ergebnis von Transaktionen mit Staaten außerhalb des Euroraums gewesen. Die Ergebnisse der „Surplus Study“ stützen die Position, wonach anhaltende außenwirtschaftliche Überschüsse gerechtfertigt sein können, wenn sie das Ergebnis der Tätigkeit von Unternehmen auf funktionierenden Märkten sind. Nach den von der Kommission durchgeführten Analysen sind Euroländer mit Leistungsbilanzüberschüssen für die in den Defizitländern vorhandenen Negativsalden nicht „verantwortlich“. 6 European Commission, Current account surpluses in the EU, European Economy 9/2012. http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/european_economy/2012/pdf/ee-2012-9_en.pdf (Letzter Abruf : 30.05.2017) 7 BMF, Entwicklung der Leistungsbilanzsalden im Euroraum. Eine Auswertung von Untersuchungen der Europäischen Kommission („Surplus Study“), in: Monatsbericht 6/2013. http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2013/06/Downloads/monatsbericht _2013_06_deutsch.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 8 Länder mit hohen Aktivsalden in der Leistungsbilanz überhaupt in Augenschein zu nehmen , ist gleichwohl gerechtfertigt, weil Verzerrungen und Rigiditäten bei der Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen und in den notwendigen Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte nicht in jedem Fall ausgeschlossen werden können. Insgesamt darf die Diskussion um das Entstehen anhaltend hoher Überschüsse und Defizite nicht auf Handelsaspekte allein verengt werden. Die Vorgänge des Sparens und Investierens , die hinter den Leistungsbilanzsalden stehen, müssen mit in den Blick genommen werden. Die Ergebnisse der „Surplus Study“ stützen die Haltung, wonach auch anhaltende Überschüsse gerechtfertigt sein können, wenn sie das Ergebnis hoher Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Ländern mit funktionierenden Märkten sind. Der Fokus des in der Europäischen Gemeinschaft eingeführten Verfahrens zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte wird auch weiterhin auf Ländern mit hohen Leistungsbilanzdefiziten und Schwächen in der Wettbewerbsfähigkeit liegen. Euroländer mit Leistungsbilanzüberschüssen sind für die in den Defizitländern vorhandenen Defizite nicht „verantwortlich“. Die vielfach geforderte Ausweitung der Binnennachfrage in den Überschussländern ist kein Allheilmittel für die Probleme der Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten und einer nicht tragfähigen Auslandsverschuldung. Erstens geht dies nicht per Dekret, zweitens könnte eine mittels fiskalischer Impulse in Gang gesetzte Stimulierung unerwünschte Implikationen mit sich bringen, und drittens wären die Effekte für die mit besonderen Problemen kämpfenden Länder bestenfalls begrenzt. Länder mit hohen Aktivsalden in der Leistungsbilanz überhaupt in Augenschein zu nehmen, ist gleichwohl gerechtfertigt, da Verzerrungen und Rigiditäten bei der Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen und in den notwendigen Rahmenbedingungen für das Handeln der Akteure auf den Finanzmärkten auch in Überschussländern nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Die Ergebnisse der „Surplus Study“ lassen es als dringend geboten erscheinen, die Diskussion um das Entstehen anhaltend hoher Überschüsse und Defizite nicht auf Handelsaspekte allein zu verengen . Um den Abläufen genauer auf die Spur zu kommen, müssen die Vorgänge des Sparens und Investierens, die hinter den Leistungsbilanzsalden stehen, mit in den Blick genommen werden . In einer Währungsunion sind Änderungen in der Preis- und Kostenentwicklung auf den nationalen Güter- und Faktormärkten auf Dauer der Schlüssel realwirtschaftlicher Angleichungsprozesse . Der Produktivitätsfortschritt der Volkswirtschaften rückt ins Zentrum der Diskussion um den Abbau vorhandener Ungleichgewichte und bei der langfristigen Anpassung der Wohlstandsniveaus . Sind die Unterschiede in der Ausgangslage erheblich, ist mit entsprechend langen Anpassungszeiträumen zu rechnen, da eine Anhebung der Produktivität Zeit braucht. Strukturreformen , die die Effektivität beim Einsatz von Produktionsfaktoren steigern und den technologischen Fortschritt vorantreiben, ebnen den Weg für die nachhaltige Konvergenz innerhalb der Währungsunion .“ Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 9 3.2. Bundesministerium der Finanzen (BMF)/Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Vor dem Hintergrund der jüngsten Äußerungen der US-Regierung zu den hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüssen haben weiterhin das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ein gemeinsames Positionspapier vorgelegt , das die Hintergründe und Ursachen des Leistungsbilanzsaldos beleuchtet sowie wirtschaftsund finanzpolitische Handlungsspielräume aufzeigt. Zusammenfassend wird in dem Positionspapier festgestellt8: „Deutschland ist einer der wichtigsten Handels- und Investitionspartner der USA. 10 % aller ausländischen Direktinvestitionen in den USA kommen aus Deutschland. Rund 672.000 Menschen sind bei deutschen Unternehmen in den USA beschäftigt. US-Firmen profitieren von hochwertigen deutschen Investitionsgütern und Vorleistungen, um durch höhere Effizienz ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen. Dadurch werden viele Arbeitsplätze in beiden Ländern geschaffen und nachhaltig gesichert. Als Mitglied in der Europäischen Union (EU) betreibt Deutschland keine eigenständige Handelspolitik . Vielmehr fällt die Handelspolitik in die Kompetenz der EU. Die Politik der Bundesregierung steht in Einklang mit allen internationalen Handelsvereinbarungen und Abkommen, insbesondere ist sie auch WTO-konform. Deutschland ist Teil der Europäischen Währungsunion. Im weltweiten Vergleich ist allein die Gesamtbilanz des Euroraums mit dem Rest der Welt entscheidend. Eine geldpolitische Straffung im Einklang mit der Wirtschaftserholung in den europäischen Volkswirtschaften würde über den Wechselkurseffekt zu einem Abbau des Leistungsbilanzsaldos beitragen. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss hatte im Jahr 2015 einen Höchstwert von 8,6 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreicht und ist seitdem leicht auf 8,3 % gesunken. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass der Überschuss weiter auf 7½ % in diesem und rund 7 % im nächsten Jahr sinken wird. Die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zielt auf eine Stärkung der binnenwirtschaftlichen Wachstumskräfte wie auch auf günstige Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige deutsche Volkswirtschaft, was sich tendenziell dämpfend auf den deutschen Leistungsbilanzüberschuss auswirkt. Angesichts von Rekordbeschäftigung und deutlichen Reallohnsteigerungen am deutschen Arbeitsmarkt ist die Binnennachfrage seit mehreren Jahren die Stütze der deutschen Konjunktur. Die Bundesregierung ergreift zudem zahlreiche Maßnahmen, die die robuste Binnennachfrage weiter stärken (Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Investitionen , Erhöhung staatlicher Investitionen, Einführung des Mindestlohns, Entlastungen im Bereich der Einkommensteuer). Die binnenwirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Rückführung des deutschen Leistungsbilanzüberschusses sind somit gegeben. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss ist allerdings vor allem das Ergebnis von marktbasierten Angebots- und Nachfrageentscheidungen von Unternehmen und privaten Verbrauchern auf den 8 Bundesministerium der Finanzen (BMF), Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss im Lichte der deutsch-amerikanischen Handelsbeziehungen, in: Monatsbericht Mai 2017. http://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2017/05/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-2-Der-deutsche -Leistungsbilanzueberschuss.html (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 10 Weltmärkten. Er spiegelt umfassende wirtschaftliche Aktivitäten von Unternehmen und Haushalten infolge grenzüberschreitender Verflechtung von Produktion, Handel und Dienstleistungen wider und hängt daher nicht allein von der deutschen Wirtschaftsentwicklung und -politik ab, sondern insbesondere auch von der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit ausländischer Standorte. Ein großer Teil des Leistungsbilanzüberschusses wird durch Faktoren bestimmt, die durch die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht direkt beeinflusst werden können. Hierzu zählen temporäre Faktoren wie z. B. der Euro-Wechselkurs oder die Rohstoff- und Energieweltmarktpreise . Daneben wird der deutsche Leistungsbilanzsaldo von einer Reihe langfristiger, struktureller Faktoren bestimmt wie der Demografie, der hohen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter auf den Weltmärkten, einer vorteilhaften Güterstruktur sowie einer hohen Nettovermögensposition im Ausland.“ Eine weitere Stellungnahme der Bundesregierung ist der folgenden Bundesdrucksache zu entnehmen : Deutscher Bundestag, Unterrichtung durch die Bundesregierung, Nationales Reformprogramm 2017, Drucksache 18/11971 v. 13.04.2017, S. 8 ff. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/119/1811975.pdf (Letzter Abruf: 30.05.2017) 3.3. Europäische Zentralbank (EZB)/Europäische Kommission Die Europäische Zentralbank (EZB) verweist auf das Prozedere bei makroökonomischen Ungleichgewichten seitens der Europäischen Kommission wie folgt9: „Das 2011 eingeführte Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (MIP) wird nun schon im sechsten Jahr angewendet. Es dient dazu, das Auftreten schädlicher gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verhindern und bei übermäßigen Ungleichgewichten korrigierend einzugreifen. Nach einer Vorabprüfung, die regelmäßig im Herbst anhand bestimmter Indikatoren durchgeführt wird, nimmt die Europäische Kommission in ihren jährlichen Länderberichten eine eingehende Überprüfung ausgewählter Mitgliedstaaten vor, um das Ausmaß etwaiger Ungleichgewichte zu beurteilen. Werden solche Ungleichgewichte festgestellt, spricht der Rat der Europäischen Union auf Kommissionsempfehlungen basierende Politikempfehlungen an den betreffenden Mitgliedstaat aus (präventive Verfahrenskomponente ). Werden die Ungleichgewichte als übermäßig erachtet, kann – nachdem eine Kommissionsempfehlung an den Rat ergangen ist – das Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht eingeleitet werden (korrektive Komponente). Das Land muss daraufhin einen Korrekturmaßnahmenplan vorlegen, aus dem hervorgeht, wie die übermäßigen Ungleichgewichte behoben werden sollen. Reicht das Land wiederholt keinen adäquaten Plan ein oder hält es sich 9 Europäische Zentralbank (EZB), Das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht 2017 und die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2016, in: EZB, Wirtschaftsbericht, Ausgabe 2 / 2017, S.73 ff. https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/EZB_Wirtschaftsberichte /2017/2017_02_ezb_wb.pdf?__blob=publicationFile (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 11 nicht an den gebilligten Plan, kann der Rat finanzielle Sanktionen gegen den betreffenden Euro- Staat verhängen.“ Die Europäische Kommission verweist in ihrem aktuellen Warnmechanismusbericht 201710 auf die weitere Überwachung von Mitgliedstaaten, bei denen bereits in der Vergangenheit Ungleichgewichte oder übermäßige Ungleichgewichte festgestellt worden sind. Sie bemerkt darin: „Eine neue eingehende Überprüfung ist geboten, um zu bewerten, ob bestehende Ungleichgewichte oder übermäßige Ungleichgewichte abnehmen, fortbestehen oder zunehmen, wobei gebührend berücksichtigt wird, welchen Beitrag die von den betroffenen Mitgliedstaaten zur Überwindung der Ungleichgewichte durchgeführten Maßnahmen hierzu leisten. Bei den betroffenen Mitgliedstaaten handelt es sich um Bulgarien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Kroatien, die Niederlande, Portugal, Slowenien, Schweden, Spanien und Zypern.“ 11 Der Bericht analysiert alle EU-Länder anhand der Scoreboardkriterien und verfasst länderspezifische Anmerkungen. Zu Deutschland heißt es empfehlend darin: „Im März 2016 stellte die Kommission in Deutschland makroökonomische Ungleichgewichte fest, die insbesondere mit Risiken aufgrund des Sparüberhangs und der verhaltenen privaten und öffentlichen Investitionen verbunden waren. Im aktualisierten Scoreboard liegen einige Indikatoren 10 Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, Warnmechanismusbericht 2017 (gemäß den Artikeln 3 und 4 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte) {SWD(2016) 354 final}. https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/amr_de.pdf (Letzter Abruf: 30.05.2017) 11 Europäische Zentralbank (EZB), Das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht 2017 und die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2016, in: EZB, Wirtschaftsbericht, Ausgabe 2 / 2017, S.73 ff.. https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/EZB_Wirtschaftsberichte /2017/2017_02_ezb_wb.pdf?__blob=publicationFile (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 12 über dem indikativen Schwellenwert, und zwar der Leistungsbilanzüberschuss und der öffentliche Schuldenstand. Ausgehend von einem bereits sehr hohen Niveau ist der Leistungsbilanzüberschuss im Jahr 2015 aufgrund deutlich günstigerer Handelsbedingungen infolge niedrigerer Ölpreise und eines günstigen Wechselkurses weiter gestiegen. Dieser Überschuss dürfte auch in den kommenden Jahren hoch bleiben. Die Investitionen werden voraussichtlich weiterhin verhalten bleiben und sind im Verhältnis zum BIP seit 2011 weitgehend auf demselben niedrigen Niveau geblieben. Der sehr hohe Nettoauslandsvermögensstatus ist weiterhin schnell gestiegen. Der Anstieg der Lohnstückkosten lag über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets, sodass sich die negative Lücke zum Euro-Währungsgebiet langsam schließt. Die Kreditvergabe an den privaten Sektor hat angezogen, während sich der Schuldenabbau im privaten Sektor im Zuge einer höheren Ersparnisbildung der Unternehmen und der privaten Haushalte fortgesetzt hat. Der Anstieg der realen Wohnimmobilienpreise hat sich beschleunigt, der Indikator bleibt jedoch unterhalb des Schwellenwerts. Der gesamtstaatliche Schuldenstand ist weiter gesunken. Der Finanzsektor steht aufgrund geringer Rentabilität nach wie vor unter Druck. Die sehr niedrigen und sinkenden Arbeitslosenquoten sind Ausdruck des robusten Arbeitsmarkts in Deutschland. Insgesamt deutet die wirtschaftliche Auslegung auf Probleme im Zusammenhang mit dem sehr hohen und weiter wachsenden Leistungsbilanzüberschuss und der starken Abhängigkeit von der Auslandsnachfrage hin, die Wachstumsrisiken darstellen und die Notwendigkeit einer anhaltende Neuausrichtung hin zu inländischen Quellen deutlich machen. Daher hält es die Kommission auch unter Berücksichtigung der im März festgestellten Ungleichgewichte für sinnvoll, eingehender zu überprüfen, ob die Ungleichgewichte fortbestehen oder abgebaut werden.“ Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) verweist auf einen aktuellen Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF), in dem von Deutschland Steuerentlastungen, höhere Löhne und zusätzliche Investitionen gefordert werden12. 3.4. Wirtschaftswissenschaftliche Diskussion/Analyse Wie kontrovers die wirtschaftswissenschaftliche Auseinandersetzung geführt wird, zeigt sich einleitend in einem Interview, in dem die zwei maßgeblichen wirtschaftswissenschaftlichen Paradigmen , die angebots- (neoklassische/neoliberale) und die nachfrageorientierte (keynesianische) Wirtschaftstheorie aufeinandertreffen: Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Wie sinnvoll ist aktive Konjunkturpolitik? , Interview mit Peter Bofinger und Michael Grömling, 23.05.2017 (Anlage 1). https://www.iwd.de/artikel/wie-sinnvoll-ist-aktive-konjunkturpolitik-340403/ (Letzter Abruf: 30.05.2017) 12 FAZ, Neuer Bericht. Das empfiehlt der IWF Deutschland, in: FAZ v. 15.05.2017. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/neuer-bericht-das-empfiehlt-der-iwf-deutschland- 15016828.html (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 13 Hermann Adam, Von der Inflationsphobie bis zur „schwarzen Null“, in: Wirtschaftsdienst 7/2016 (Anlage 2). http://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2016/7/von-der-inflationsphobie-bis-zur-schwarzen-null/ (Letzter Abruf: 30.05.2017) Anton Konrad konstatiert in seinem Beitrag „50 Jahre Kritik an der deutschen Zahlungsbilanz“13: „Mit dem Eintritt in die Währungsunion wurde der wichtigste Korrekturfaktor für außenwirtschaftliche Ungleichgewichte, nämlich Wechselkursänderungen, außer Kraft gesetzt – zumindest für Ungleichgewichte innerhalb der Währungsunion. Im Prinzip könnte nämlich auch der gemeinsame Außenkurs des Euro einen Beitrag zur Herstellung eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts leisten – praktisch führt er jedoch eher zur Verfestigung der bestehenden Ungleichgewichte. Nach einem Abfall in den ersten Jahren der Währungsunion stieg der Euro gegenüber dem Dollar um ca. 40%. (Die Schwankungen des effektiven Wechselkurses des Euro gegenüber allen wichtigen Handelspartnern waren allerdings gedämpfter.) Dies stimmte in etwa mit der Entwicklung der Leistungsbilanz des Euroraums überein, die von 2002 bis zum Beginn der Finanzkrise 2008 leicht im Plus war. Dieser Saldo ergab sich aus einem kräftigen Überschuss Deutschlands sowie einiger kleinerer Mitgliedsländer und entsprechenden Defiziten der südlichen Staaten. Die letzteren sahen sich also einer Aufwertungstendenz ausgesetzt, die ihrer Situation nicht angemessen war, während Deutschland von einer noch weitergehenden Aufwertungstendenz dank der Zugehörigkeit zum Währungsverbund verschont blieb. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss war, zusammen mit der Rettungspolitik, wohl auch dafür verantwortlich, dass der Euro in der Finanzkrise nur geringfügig nachgab. Mittlerweile wurden die Leistungsbilanzdefizite in den Krisenländern stark vermindert, so dass die Währungsunion insgesamt einen Leistungsbilanzüberschuss aufweist, was wiederum den Eurokurs tendenziell stärkt. Dies ist umso unerwünschter, als der Defizitabbau in den Krisenländern ja mehr einer konjunkturbedingten Verminderung ihrer Importe als einer wiedergewonnenen Konkurrenzfähigkeit zu verdanken ist. Insgesamt zeigt sich, dass die Heterogenität der Mitgliedsländer die Funktion des Eurokurses als Ausgleichsinstrument beeinträchtigt.“ Jens Südekum/Gabriel Felbermayr bemerken unter dem Titel: „Das Yin und das Yang der Leistungsbilanz “ in einem FAZ-Artikel14: „Das „Yin" der Leistungsbilanz geht so: Deutschland hat 2016 Waren im Wert von 1,2 Billionen Euro exportiert. Die Wareneinfuhr betrug 920 Milliarden Euro, also 280 Milliarden Euro weniger. Auf der Dienstleistungsbilanz haben wir zwar ein kleines Defizit, vor allem wegen vieler Aus- 13 Anton Konrad, 50 Jahre Kritik an der deutschen Zahlungsbilanz, in: Wirtschaftsdienst, Analysen und Berichte, 94. Jahrgang, 2014, Heft 7, S. 495-499 (Anlage 3). http://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2014/7/50-jahre-kritik-an-der-deutschen-zahlungsbilanz/ (Letzter Abruf: 30.05.2017) 14 Jens Südekum/Gabriel Felbermayr, Das Yin und das Yang der Leistungsbilanz, Stellungnahme von Mitarbeitern des Ifo-Instituts in der FAZ v. 03.04.2017 (Anlage 4). http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/policy/Staff-Comments-in-the-Media/Press-articles-by-staff/Archive /Eigene-Artikel-2017/medienecho_ifostimme-faz-03-04-2017.html (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 14 landsurlaube, die saldenmechanisch Importe sind. Zählt man alles zusammen, kommt Deutschland zu einem Überschuss in der Leistungsbilanz von 261 Milliarden Euro. Viele sehen das als Beweis für die enorme Stärke der Wirtschaft. Es gibt hier eben exzellente Unternehmen mit Produkten von höchster Qualität. Die Deutschen sind erfolgreicher als andere, also wollen alle mehr von uns kaufen als umgekehrt. Dadurch entstehen hier Tausende zusätzlicher Arbeitsplätze, um die Auslandsnachfrage zu befriedigen, während Amerika zu Lasten der einfachen Arbeiter mit Importen überflutet werde. Diese hemdsärmelige Sicht, wonach Exportüberschüsse tugendhaft sind, springt volkswirtschaftlich allerdings viel zu kurz. Das wird deutlich, wenn man das „Yang" der Leistungsbilanz betrachtet, die Finanzierungsseite. Hiernach hat die deutsche Volkswirtschaft allein im vergangenen Jahr 261 Milliarden Euro weniger konsumiert oder im Inland investiert, als möglich gewesen wäre. Dieses Geld ist natürlich nicht einfach weg. Es wurde gespart und im Ausland angelegt. Doch man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Deutschland wird oft als sicherer Hafen bezeichnet. Aber im Saldo hat mehr Kapital das Land verlassen, als hineingeflossen ist. So ist das deutsche Netto-Auslandsvermögen auf stolze 1,8 Billionen Euro angewachsen, erzielt laut Bundesbank aber miserable Renditen. Plötzlich hört sich ein Leistungsbilanzüberschuss gar nicht mehr so toll an: Statt die Früchte der eigenen Arbeit im Inland zu genießen, leihen wir lieber dem Ausland ständig mehr Geld und hoffen, dass wir es irgendwann wiedersehen. Ganz anders die Vereinigten Staaten: Amerika mit seinem „Dollarprivileg" darf jedes Jahr mehr konsumieren, als es produziert , weil Deutschland, Japan und China auf Pump exportieren. Ob Trump bewusst ist, dass dies vorbei wäre, wenn er das amerikanische Defizit abbaut? Nun gibt es handfeste Gründe, warum Deutschland einen Leistungsbilanzüberschuss und damit einen Kapitalexport aufweist. Der wichtigste ist die Demographie: Wir sind eine alternde Gesellschaft und sorgen uns um die Altersvorsorge. Gleichzeitig ist Deutschland eine reiche Volkswirtschaft , während viele Schwellenländer für ihr Wachstum noch auf Kapitalzuströme angewiesen sind. Insofern ist es ganz natürlich, wenn Deutschland viel spart und diversifiziert im Ausland anlegt. Aber dieses Argument gilt für viele Länder, die eine ähnliche Einkommens- und Altersstruktur wie Deutschland aufweisen, aber längst nicht so positive Handelsbilanzsalden. Italien oder Spanien etwa, oder das noch schneller alternde Japan. Der deutsche Überschuss hat schon etwas Spezielles, und das liegt am Euro. Innerhalb der Währungsunion mangelt es mehr denn je an realer Konvergenz. Während bei uns nahezu Vollbeschäftigung herrscht, hält sich die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa auf bedrohlichem Niveau . Die (Kern-)Inflation ist unter der 2-Prozent-Marke. Somit bleibt die Europäische Zentralbank vorerst bei ihrer ultralockeren Geldpolitik, die den Euro billig hält. Diese Politik ist eigentlich nicht im deutschen Interesse. Sie wird betrieben, um diverse Banken und damit den Euro am Leben zu erhalten. Ein Nebeneffekt ist, dass deutsche Unternehmen wegen des „zu billigen" Wechselkurses und der bescheidenen vergangenen Lohnrunden derzeit besonders wettbewerbsfähig sind.“ Markus Marterbauer führt zum Umgang der Europäischen Kommission mit gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichten wie folgt aus15: 15 Markus Marterbauer, Leistungsbilanz: Deutschland und Österreich leben unter ihren Verhältnissen, in: blog.arbeit -wirtschaft.at, 8. April 2016. http://blog.arbeit-wirtschaft.at/leistungsbilanz-deutschland-und-oesterreich-leben-unter-ihren-verhaeltnissen/ (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 15 „Die gleichgewichtsorientierten neoklassischen ÖkonomInnen von Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank gingen vor der Krise davon aus, dass außenwirtschaftliche Ungleichgewichte in einer Währungsunion kein beachtenswertes makroökonomisches Problem bilden würden. Der freie Markt würde schon für eine einheitliche Preisentwicklung in der Währungsunion sorgen. Erst viel zu spät setzt sich die europäische Politik mit den gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichten auseinander. Die Macroeconomic Imbalance Procedure (MIP) wurde erst 2011 eingeführt , nach mehr als zehn Jahren anhaltender und die Währungsunion destabilisierender Ungleichgewichte . Doch die Analyse bleibt rudimentär und die politischen Schlussfolgerungen sind gefährlich. Dies beginnt mit der Definition von Leistungsbilanzungleichgewichten ab Schwellenwerten von -4% bzw. +6% des BIP. Die Werte sind viel zu hoch. Anhaltende Leistungsbilanzungleichgewichte führen zu einer negativen Investitionsposition und zu einer starken Abhängigkeit von den internationalen, volatilen Kapitalflüssen. Die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der europäischen Instanzen zur Verringerung der Ungleichgewichte fordern primär eine Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit in den Defizitländern durch Senkung der Arbeitskosten. Dabei toleriert die Politik Massenarbeitslosigkeit, um das Ziel niedrigerer Lohn- und Preisniveaus zu erreichen, denn ein Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt sieht sie erst bei einer Arbeitslosenquote von mehr als 10% der Erwerbspersonen. Sogar diese in völlig inakzeptabler Weise definierte Marke wird 2015 von sieben Mitgliedsländern der Währungsunion übertroffen.“ Ansgar Belke/Daniel Gros/Gunther Schnabl skizzieren in einer im Wirtschaftsdienst erschienen Analyse die Entwicklung der Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb der EU28 wie folgt16: „Zu Beginn der 1990er Jahre erlebte Deutschland im Verlauf der Wiedervereinigung einen Boom, während der Rest Europas eine Rezession durchlief, weil Kapital aus diesen Ländern nach Deutschland abgezogen wurde. Ab den späten 1990er Jahren und vermehrt mit der Agenda 2010 durchlief Deutschland eine lange Phase der Austerität17. Diese war darin begründet, dass übermäßige Staatsausgaben und Lohnabschlüsse im Verlauf des Wiedervereinigungsbooms durch umfassende Reformen zurückgeführt wurden. Ab 2001 war dieser Reformprozess von starken Kapitalabflüssen begleitet, die in den Zielländern ein hohes Wachstum, aber auch kreditgetriebene Übertreibungen auf den Immobilienmärkten, beim privaten Konsum und den Staatsausgaben begünstigten . Mit dem Ausbruch der Krisen in diesen Ländern verbleibt mehr Kapital in Deutschland , was dort das Wachstum, reale Lohnerhöhungen und einen Boom auf den Immobilienmärkten in den Ballungszentren begünstigt (asymmetrische Wirtschaftsentwicklung).“ 16 Ansgar Belke/Daniel Gros/Gunther Schnabl, Das europäische Verfahren zur Vermeidung und Korrektur von Leistungsbilanzungleichgewichten, in: Wirtschaftsdienst, 96. Jahrgang, 2016, Heft 8/S. 548-556 (Anlage 5). http://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2016/8/das-europaeische-verfahren-zur-vermeidung-und-korrektur-vonleistungsbilanzungleichgewichten / (Letzter Abruf: 30.05.2017) 17 Unter Austerität wird eine staatliche Haushaltspolitik verstanden, die in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Ausgabensenkungen und Einnahmensteigerungen vorsieht. Ziel ist jeweils das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung zu senken. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 16 Die Autoren verweisen auf die folgende Grafik: Leistungsbilanzungleichgewichte in der EU28 in Mrd. ECU/Euro Anmerkungen: Der Datensatz enthält von Beginn der Zeitreihe die Daten der EU15 (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien) und seit 1995 auch die Daten der EU28 (zusätzlich Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen , Malta, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Zypern). Für jedes Jahr wurden jeweils die Leistungsbilanzsalden für Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen sowie Leistungsbilanzdefiziten addiert. GIIPS = Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien. Quelle: Europäische Kommission, AMECO Database. Weiter heißt es: „Hinsichtlich der Diagnose von Ungleichgewichten kommt Deutschland aus drei Gründen eine Sonderrolle in Europa zu: - Deutschland ist das größte und wirtschaftsstärkste Land in der Europäischen Union. Vor der Krise hat der deutsche Leistungsbilanzüberschuss die Leistungsbilanzdefizite vieler kleinerer europäischer Nachbarstaaten direkt oder indirekt finanziert. - Deutschland folgt im Vergleich zu anderen Ländern in der Europäischen Union immer noch einer Sonderkonjunktur (asymmetrische Wirtschaftsentwicklung). - Hohe Kapitalabflüsse aus Deutschland in andere, kleinere Mitgliedsländer der EU können – wie die Periode seit der Jahrtausendwende gezeigt hat – die intertemporalen Optimierungsentscheidungen nachhaltig verändern. Dies könnte auch heute weiterhin der Fall sein. So profitierte jüngst Frankreich von Nettokapitalzuflüssen aus Deutschland, was zu einer Reduktion von Reformbemühungen beitragen dürfte.“ Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 17 Ergänzend verweisen sie weiter auf die folgende Grafik: Leistungsbilanzsalden von Deutschland, der EU, der EWU und den USA in Mrd. ECU/Euro Quellen: Europäische Kommission, AMECO Database. Jan Priewe verdeutlicht die bisher in den Grafiken von Belke/Gros/Schnabl aufgezeigte Entwicklung wie folgt18: „Der Aufbau der deutschen Überschüsse erfolgte 1999, dem Startjahr des Euro. Bis zur Finanzkrise 2008 stieg der deutsche Leistungsbilanzüberschuss von fast null auf gut 6,8% des BIP (Handelsbilanz mit Dienstleistungen: 6,0%) – und das, obwohl der Euro gegenüber dem Dollar zwischen 2001 und 2008 um 88% aufgewertet hatte. Das ging nur, weil sich die Überschüsse vorwiegend gegenüber den anderen EU-Mitglieder und besonders gegenüber den Handelspartnern in der Eurozone aufbauten. Das heißt, dass diese Länder hohe Leistungsbilanzdefizite verbuchen mussten. Sie litten beim Handel mit Drittländern sowohl unter dem Höhenflug des Euro als auch unter der harten deutschen Konkurrenz. Hinzu kamen Wachstumsunterschiede : Deutschlands BIP, und besonders der private Konsum, wuchs bis zur Finanzkrise relativ zu den meisten Euro-Nachbarländern schwächlich, was die Importe dämpfte. Im Zuge der Finanzkrise brachen die Exporte in allen Euroländern zusammen, in Deutschland in kürzester Zeit um etwa 5%. Danach wertete der Euro vom Höchststand von 1,60 pro US-Dollar auf heute etwa 1,07 ab, also um rund ein Drittel. Dies beflügelte die Exporte der Euroländer in Drittländer und bremste die Importe. Durch die den Defizitländern verordnete Austerität wurden über den Wechselkurseffekt hinaus die Importe komprimiert. Die starke Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar nach 2008 war überfällig, denn der Euro 18 Jan Priewe, 2017, Kommentar. Das süße Gift der Exportüberschüsse, in: Makronom, 13.02.2017 (Anlage 6). https://makronom.de/das-suesse-gift-der-exportueberschuesse-19403 (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 18 war zu diesem Zeitpunkt maßlos überbewertet. Inzwischen ist er aber in etwa um 10% unterbewertet, zumindest dann, wenn man einen Kurs von 1,20 als einen Wert ansieht, der der Kaufkraftparität entspricht. Allerdings ist dies ein sehr künstlicher Durchschnitt, denn gemessen an der Leistungsbilanz ist der Euro für Deutschland, die Niederlande und Irland massiv unterbewertet, während er für die meisten anderen Mitgliedsländer in etwa angemessen ist – one size does not fit all! Ein einheitlicher Euro-Wechselkurs für eine faktisch gespaltene Eurozone vertieft somit nur dessen Spaltung – ein weiterer Grund, warum die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen (in diesem Fall: vor allem die deutschen Überschüsse) ein Problem darstellen.“ Die Ursachen sieht Priewe in der preislichen-und nicht-preislichen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit kommt durch die besonders starke Lohnzurückhaltung im Verhältnis zur starken Produktivitätsdynamik zustande, aber auch durch den Aufbau von Wertschöpfungsketten in den Niedriglohnländern Osteuropas und führt zu realen effektiven Wechselkursveränderungen im System einer Währungsunion. Die nicht-preisliche oder technologische Wettbewerbsfähigkeit ist gegeben, wenn Unternehmen besonders für Wachstumsregionen und Wachstumssektoren produzieren, deren Produkte im Verhältnis zur globalen Einkommensentwicklung überproportional nachgefragt werden (zum Beispiel BMWs statt T-Shirts). Dies ist deutschen Unternehmen, meist Großkonzernen mit Zulieferer-Netzwerken, besser gelungen als jenen in Frankreich, Spanien, Italien, ganz zu schweigen von Griechenland und Portugal. Ansgar Belke/Daniel Gros/Gunther Schnabl wollen das Krisenpotenzial von Leistungsbilanzüberschüssen nicht ausschließen und bemerken in diesem Zusammenhang19: „In der wissenschaftlichen Standardliteratur wird selten abgeleitet, dass sich Länder durch hohe und lang anhaltende Leistungsbilanzüberschüsse ein Krisenpotenzial aufbauen könnten. Denn den Risiken der plötzlichen Umkehr von Kapitalzuströmen (Sudden Stops) sind Defizitländer stärker ausgesetzt. Die Anpassung in Defizitländern wird häufig durch Lohn- und Preisrigiditäten nach unten behindert, was ein wichtiger Grund für weitere Rettungspakete ist. Derartige Rigiditäten existieren jedoch nicht für die unter Umständen notwendige Aufwärtsanpassung von Löhnen in Überschussländern. Diese Sicht wird empirisch durch die aktuell zu verzeichnenden robusten Erhöhungen der Pro-Kopf-Entlohnung in den Überschussländern der EWU gestützt. Allerdings bleibt unklar, ob die Reflationierung ausreichend ist, um einem erneuten Aufbau von risikoreichen Nettoauslandsforderungen entgegenzuwirken. Im Fall von Ausfällen von Auslandsforderungen müssen zudem auch Überschussländer Konsolidierungsprozesse im Kreditsektor bewältigen.“ Die Autoren setzen sich auch kritisch mit dem Scoreboard-Indikatoren20 des MIP auseinander, die sich auf externe Ungleichgewichte (Leistungsbilanz, Nettoauslandsvermögensstatus, realer effektiver Wechselkurs, Veränderung der Exportmarktanteile, Lohnstückkosten) und interne Ungleichgewichte (Wohnimmobilienpreise, Kreditvergabe im Privatsektor, Schulden des 19 Siehe Fußnote 16 20 Europäisches Parlament, Kurzdarstellung zur Europäischen Union, Makroökonomische Überwachung. http://www.europarl.europa.eu/atyourservice/de/displayFtu.html?ftuId=FTU_4.2.2.html (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 19 privaten Sektors, gesamtstaatlicher Schuldenstand, Arbeitslosenquote und Veränderung der Verbindlichkeiten des Finanzsektors) beziehen. Dabei wird hinterfragt, ob die ausgewählten Indikatoren für die Analyse aureichend sind bzw. ob optimale Schwellenwerte ermittelbar sind. Torsten Müller/Thorsten Schulten/ Sepp Zuckerstätter21 bringen unter dem Stichwort der „internen Abwertung“ die bisher praktizierte Politik der Bekämpfung makroökonomischer Ungleichgewichte auf den Punkt: „Vor der Einführung des Euro wurden nationale Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit traditionell über die Abwertung einzelner Währungen ausgeglichen. Da dieses Instrument jedoch in einer Wirtschafts- und Währungsunion per definitionem nicht zur Verfügung steht, wird die Senkung der Arbeitskosten in Ländern mit hohen Leistungsbilanzdefiziten durch die Kürzung und das Einfrieren der Löhne als einziger Weg zur Bekämpfung der makroökonomischen Ungleichgewichte in der Eurozone propagiert. Das Ziel dieser Strategie der „internen Abwertung“ ist es, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, indem die Preise für die in einem Land erstellten Güter und Dienstleistungen im Vergleich zu dessen Handelspartnern gesenkt werden, um damit – so die reine Lehre – Exporte relativ zu verbilligen und Importe relativ zu verteuern.“ In der weiteren Analyse zeigen sie die Schwächen, der als einzige Alternative favorisierten Vorgehensweise auf. Jan Behringer/Thomas Theobald/Till van Treeck sehen einen komplexen Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung und gesamtwirtschaftlicher Entwicklung, wobei die makroökonomischen Effekte steigender Einkommensungleichheit historisch kontingent und abhängig von länderspezifischen Institutionen sind. Die Autoren ziehen aus dem aktuellen Stand der makroökonomischen Forschung die folgenden Schlussfolgerungen22: - Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die steigende Einkommensungleichheit zum Entstehen außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte im Vorfeld der internationalen Finanzkrise ab 2007 beigetragen hat. In den angelsächsischen Ländern basierte die dort relativ kräftige Konsumund Binnennachfrage bis zur Krise auf einer rückläufigen Ersparnisbildung und ansteigender Verschuldung der Einkommensgruppen unterhalb der Spitzenverdiener_innen. In Ländern wie China, Deutschland und Japan war die schwache Entwicklung von Lohn- und Haushaltseinkommen mit einer Konsum- und Binnennachfrageschwäche verbunden, während die Nettogeldvermögensbildung im Unternehmenssektor die Binnennachfrage schwächte. Hieraus entwickelte sich in diesen Ländern eine starke Abhängigkeit des Wachstums von Exportüberschüssen und somit von der zunehmenden Verschuldung des Auslands. 21 Torsten Müller/Thorsten Schulten/Sepp Zuckerstätter, Die Bedeutung der Löhne für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa, 2.11.2016 (Anlage 7). http://blog.arbeit-wirtschaft.at/loehne-und-wirtschaftliche-entwicklung-in-europa-die-3-irrtuemer-der-internenabwertung / (Letzter Abruf: 30.05.2017) 22 Jan Behringer/Thomas Theobald/Till van Treeck, Ungleichheit und makroökonomische Instabilität. Eine Bestandsaufnahme , Friedrich-Ebert-Stiftung, 2016 (Anlage 8). http://library.fes.de/pdf-files/wiso/12690.pdf (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 20 - Für einige Länder gibt es Anzeichen dafür, dass ein Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Einkommensungleichheit und dem Anstieg der privaten Haushaltsverschuldung besteht, der zur gesamtwirtschaftlichen Instabilität beigetragen hat. Dieser Zusammenhang lässt sich jedoch nicht grundsätzlich für alle Länder feststellen. - Empirische Studien zum Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung und Wirtschaftswachstum kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Untersuchungen für die Zeit vor der Großen Rezession finden häufig keinen klaren Zusammenhang, während neuere Studien überwiegend einen negativen Zusammenhang sehen. Insgesamt spricht vieles dafür, dass durch steigende Ungleichheit die makroökonomische Stabilität gefährdet wird, weil eine stabile Konsum- und Binnennachfrage ohne entsprechende Einkommensentwicklung in der Mittelschicht nicht zu gewährleisten ist. Bis zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 ff. gelang in einigen Ländern über die zunehmende Verschuldung der privaten Haushalte im Inland bzw. über Exportüberschüsse gegenüber dem Ausland eine zeitweise Stützung der Nachfrage. Diese Wachstumsmodelle sind jedoch mit der Finanz- und Wirtschaftskrise an ihre Grenzen geraten. Für eine nachhaltige Erholung der Weltwirtschaft nach der Krise erscheint die Wiederherstellung einer gleichmäßigeren Einkommensverteilung in vielen Ländern als unabdingbar. Die Politik wäre daher gut beraten, wenn sie der Gefahr einer Verfestigung der Ungleichheit in Deutschland entschlossen entgegenwirkt.“ Makroökonomische Ungleichgewichte durch Anstieg der Ungleichheit Quelle: Jan Behringer/Thomas Theobald/Till van Treeck 3.5. Weitere Literatur Weitere kontroverse Interpretationen sind einem im Wirtschaftsdienst erschienen Zeitgespräch verschiedener Autoren zu entnehmen. Der Artikel unterliegt einer Embargo-Frist von zwei Jahren (bis 2018) ist aber laut Redaktion-Wirtschaftsdienst via angegebenen SpringerLink verfügbar: Michael Grömling/Jürgen Matthes/Heiko Peters/Philipp Harms/Gustav A. Horn/Fabian Lindner, Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss – Fluch oder Segen? , in: Wirtschaftsdienst 96. Jahrgang, 2016, Heft 11, S. 787-805 (Anlage 9). http://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2016/11/der-deutsche-leistungsbilanzueberschuss-fluchoder -segen/ (Letzter Abruf: 30.05.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 041/17 Seite 21 Markus Sievers, Analyse. Wirtschaftsweise kontern, in: Frankfurter Rundschau online, 20.03.2017 (Anlage 10). http://www.fr.de/wirtschaft/analyse-wirtschaftsweise-kontern-a-1243439 Martin Raschen, Die Problematik außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte, KfW Economic Research, Fokus Volkswirtschaft Nr.44, 05.02. 2014 (Anlage 11). https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Fokus- Volkswirtschaft/Fokus-Nr.-44-Februar-2014.pdf Jan Priewe, 2011, Die Weltwirtschaft im Ungleichgewicht. Ursachen, Gefahren, Korrekturen, Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, Juni 2011 (Auszug: Anlage 12). http://library.fes.de/pdf-files/wiso/08171.pdf Jens Boysen-Hogrefe/Klaus-Jürgen Gern/Dominik Groll/Nils Jannsen/Stefan Kooths/Martin Plödt/Björn van Roye/Joachim Scheide/Tim Schwarzmüller, Das europäische Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte – Auswertung der bisherigen Erfahrung und mögliche Reformansätze, Institut für Weltwirtschaft Kiel, in: Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik Nr.7/2015 (Auszug: Anlage 13). https://www.ifw-kiel.de/pub/wipo/volumes/wipo7.pdf Philipp Engler/Mathias Klein, Austeritätspolitik hat in Spanien, Portugal und Italien die Krise verschärft, in: DIW Wochenbericht Nr. 8.2017 (Anlage 14). http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.553135.de/17-8-1.pdf (Letzter Abruf: 30.05.2017) Joachim Poß, Austern statt Austerität, Warum Deutschland jetzt mehr in Europa investieren sollte, in: Internationale Politik und Gesellschaft (IPG) v. 29.05.2017 (Anlage 15). http://www.ipg-journal.de/rubriken/europaeische-integration/artikel/austern-statt-austeritaet- 2060/ (Letzter Abruf: 30.05.2017) ***