Deutscher Bundestag Rückwirkende Änderungen der EEG-Vergütung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 5 – 3000 - 41/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 41/11 Seite 2 Rückwirkende Änderungen der EEG-Vergütung Verfasserin: Aktenzeichen: WD 5 – 3000 - 41/11 Abschluss der Arbeit: Datum: 17.03.2011 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 41/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Bisherige rückwirkende Änderungen der EEG-Vergütung 4 2. Rechtliche Zulässigkeit einer rückwirkenden Änderung 4 2.1. Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot 4 2.1.1. Art der Rückwirkung 5 2.1.2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit 6 2.1.2.1. Legitimer Zweck 6 2.1.2.2. Geeignetheit 7 2.1.2.3. Erforderlichkeit 7 2.1.2.4. Angemessenheit 7 2.1.3. Zwischenergebnis zum Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot 9 2.2. Grundrechtsverletzungen der betroffenen Betreiber 9 2.2.1. Die Berufsfreiheit 9 2.2.1.1. Schutzbereich 9 2.2.1.2. Eingriff 10 2.2.1.3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 10 2.2.1.4. Zwischenergebnis zur Verletzung der Berufsfreiheit 11 2.2.2. Eigentumsgarantie 11 2.2.3. Zwischenergebnis zu Grundrechtsverletzungen 12 2.3. Ergebnis zur rechtlichen Zulässigkeit einer rückwirkenden Änderung 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 41/11 Seite 4 1. Bisherige rückwirkende Änderungen der EEG-Vergütung Das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien1 (EEG) wurde bereits mehrfach seit seiner Einführung im Jahr 2000 geändert. Bei der ersten EEG-Novelle im Jahr 2004 wurde die Förderung der Windenergie reduziert. Der Basis-Vergütungssatz fiel von 5,9 Cent auf 5,5 Cent pro Kilowattstunde im Rahmen des § 10 Abs. 1 S. 1 EEG 20042. Gleichwohl bestimmte § 21 Abs. 1 EEG 2004, dass für Anlagen, die vor dem 31.07.2004 in Betrieb genommen wurden, die alten Fördersätze fortgelten. Auch die EEG-Novelle des Jahres 2009 brachte Kürzungen der Vergütungssätze mit sich. Davon war die Förderung der Solarenergie betroffen. Bei großen Anlagen wurde sie von 41,79 Cent auf 33 Cent verringert. Bei kleineren Anlagen wurde die Förderung hingegen von 44,41 Cent auf 43,01 Cent gekürzt3. Dennoch bestimmt die Übergangsvorschrift des § 66 Abs. 1 EEG 2009 wieder , dass die Kürzungen nicht für Altanlagen gelten. Obwohl es also durchaus Änderungen des EEG gab, wirkten sie sich bisher bezüglich der Vergütungssätze und –zeiträume nie rückwirkend auf bereits nach altem Recht in Betrieb genommene Anlagen aus. 2. Rechtliche Zulässigkeit einer rückwirkenden Änderung Eine Absenkung der für 20 Jahre garantierten Vergütung oder der Boni für Biogasanlagen, die nach altem Recht4 gebaut wurden, könnte verfassungswidrig sein. Eine solche Regelung könnte gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder gegen die Grundrechte der betroffenen Betreiber verstoßen. 2.1. Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot Womöglich verstößt eine Absenkung der gesetzlich garantierten Vergütung gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Dieses ergibt sich unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG sowie mittelbar aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot staatlichen Handelns5. In ständiger Rechtsprechung gilt das Rückwirkungsverbot nur für die Rückbewirkung von 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 25.10.2008 (BGBl. I S. 2074), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11.05.2010 (BGBl. I S. 1170) geändert worden ist. 2 Oschmann, in: Danner/ Theobald, Energierecht, Band 3, München 2010, VI.B.Einführung.II.1.b., Rn. 14. 3 Oschmann, Neues Recht für Erneuerbare Energien, NJW 2009, S. 263 [264], Nr. II.5. 4 EEG 2000 vom 29.03.2000 (BGBl. I, S. 305), das zuletzt durch das Gesetz vom 22. 12.2003 (BGBl. I, S. 2074) geändert worden ist; EEG 2004 vom 31.07.2004 (BGBl. I, S. 1918), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 07.11.2006(BGBl. I, S. 2550) geändert worden ist; EEG 2009 vom 25.10.2008 (BGBl. I, S. 2074), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11.08.2010 (BGBl. I, S. 1170) geändert worden ist. 5 Klinsky, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, S. 16, Berlin 2009, http://www.erneuerbare-energien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/klinski_eeg_verguetung.pdf (Stand: 15.03.2011) [ANLAGE]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 41/11 Seite 5 Rechtsfolgen, die somit grundsätzlich unzulässig ist6. Hingegen ist die sogenannte unechte Rückwirkung, also die tatbestandliche Rückanknüpfung grundsätzlich zulässig7. Fraglich ist deshalb zunächst, worum es sich bei der nachträglichen Absenkung der Vergütung handelt. In einem weiteren Schritt kann dann beurteilt werden, ob eine solche Regelung verfassungsrechtlich zulässig ist. 2.1.1. Art der Rückwirkung Womöglich handelt es sich bei der Absenkung der gesetzlich garantierten Vergütung um einen Fall der echten Rückwirkung. Darunter sind all jene Regelungen zu verstehen, die „nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände [eingreifen]“8. Folglich ist zu klären, ob der Lebenssachverhalt, auf den mit der Senkung der Vergütung eingewirkt wird, bereits abschlossen ist9. Denkbar ist, dass bei der nachträglichen Kürzung des EEG-Vergütungsanspruches der aus wirtschaftlicher Perspektive entscheidende Vorgang die Aufnahme einer Investition sei und dass dieser Vorgang bereits abgeschlossen sei10. Für diese Auffassung spricht die Gesetzesbegründung des EEG. So solle durch das EEG die Planungs- und Investitionssicherheit der Investoren verbessert werden11. Da die Investition bereits erfolgte, würde es sich demnach um eine echte Rückwirkung handeln. Genauso lässt sich vertreten, dass sich die Vergütungs- und Boniregelungen nicht in dem einmaligen Investitionsanreiz erschöpften sondern darüber hinaus zu einer fortdauernden Einspeisung von Regenerativstrom anregten. Die Abnahme des Stroms und die regelmäßige Zahlung der Vergütung seien Vorgänge, die nicht der Vergangenheit zugewiesen werden könnten, solange sie nicht tatsächlich in der Vergangenheit lägen. Der Anspruch auf Vergütung sei zwar dem Grunde nach für den gesamten gesetzlich festgelegten Zeitraum in dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme angelegt. Das ändere aber nichts daran, dass die Realisierung des Anspruchs nur möglich sei, wenn und soweit in der Zukunft tatsächlich Regenerativstrom geliefert werde12. Folgerichtig handelt es sich bei der Kürzung der Vergütung nach dieser Auffassung um einen Fall der unechten Rückwirkung. Umgekehrt liegt hiernach ein Fall der echten Rückwirkung vor, wenn die Ver- 6 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 23.11.1999, Az.: 1 BvF 1/94, Tz. 97. 7 BVerfG, Urteil vom 23.11.1999, Az.: 1 BvF 1/94, Tz. 96. 8 BVerfG, Beschluss vom 18.02.2009, Az.: 1 BvR 3076/08, CuR 2009, S. 8, Tz.: 66; Entscheidung vom 31.05.1960, Az.: 2 BvL 4/59, BVerfGE 11, S. [139], Leitsatz 1. 9 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.12.1997, Az.: 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, S. 67, Tzn. 39- 41. 10 Altrock/ Müller, EEG- Kommentar, 2. Auflage, München 2008, § 12, Rn. 58. 11 Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/2327, S. 18, Rn. zu § 1. 12 Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, Fn. 5, S. 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 41/11 Seite 6 gütungsbedingungen mit Wirkung für die Vergangenheit geändert würden und zum Beispiel bereits erhaltene Vergütungen wieder erstattet werden müssten13. Klinski weist darauf hin, das BVerfG habe die Frage, ob die Kürzung der Vergütungsansprüche nach dem EEG eine echte oder eine unechte Rückwirkung entfalte, offen gelassen. Diese Frage sei für die getroffene Entscheidung nicht ausschlaggebend gewesen. In seiner Prüfung kommt er zu dem überzeugenden Ergebnis, es handele sich um eine unechte Rückwirkung14. 2.1.2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit Problematisch ist weiterhin, ob ein Fall der unechten Rückwirkung verfassungsgemäß ist. Wie bereits oben erläutert15, ist die unechte Rückwirkung grundsätzlich zulässig. Allerdings sind auch Regelungen denkbar, die zwar nur unecht zurückwirken aber dermaßen gravierend und intensiv sind, dass sie geeignet sind, „den in der Vergangenheit gelegenen Investitionen den wirtschaftlichen Boden [zu] entziehen“16. Mit anderen Worten entwertet die Kürzung der Vergütung die betroffenen Rechtspositionen nachträglich, weshalb sich aus den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips Grenzen ergeben17. Diese sind erst überschritten, wenn die unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet, erforderlich und angemessen ist18. 2.1.2.1. Legitimer Zweck Zunächst müsste mit der Senkung der Vergütung ein legitimer Zweck vom Gesetzgeber verfolgt werden. Der Zweck ist legitim, wenn er das Allgemeinwohl fördert. Bei dessen Festlegung hat der Gesetzgeber aufgrund seiner unmittelbaren demokratischen Legitimation einen weiten Gestaltungsspielraum 19. Er könnte etwa die Vergütung für Biogasanlagen mit der Begründung absenken , die Vergütung an die tatsächlichen Marktverhältnisse anzupassen. Ebenso könnte er damit bezwecken, den Energiepreis für die Endverbraucher verringern zu wollen. Schließlich könnte er damit auch den grenzüberschreitenden Stromtransport im EU-Binnenmarkt fördern wollen 20. All diese Ziele fördern das Wohl der Allgemeinheit. Insofern stellen sie legitime Zwecke dar. 13 Altrock/ Müller, EEG-Kommentar, 2. Auflage, München 2008, § 12, Rn. 51. 14 Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, Fn. 5, S. 18f. 15 Siehe 2.1. 16 Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, Fn. 5, S. 19. 17 BVerfG, Beschluss vom 18.02.2009, Az.: 1 BvR 3076/08, CuR 2009, S. 8, Tz. 65. 18 BVerfG, Beschluss vom 15.10.1996, Az.: 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92, BVerfGE 95, S. 64 [86], Tz. 109. 19 Grzeszick, in: Maunz/ Dürig, GG- Kommentar, Art. 20, Rn. 122. 20 Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, Fn. 5, S. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 41/11 Seite 7 2.1.2.2. Geeignetheit Des Weiteren müsste die Senkung der Vergütung geeignet sein, den legitimen Zweck zu erreichen . Mit anderen Worten müsste die Regelung den legitimen Zweck erreichen oder zumindest fördern21. Aufgrund des Prognosecharakters, ob die Regelung geeignet ist, hat der Gesetzgeber wieder den oben bereits erwähnten weiten Einschätzungsspielraum. Grundsätzlich erscheint es denkbar, dass die oben genannten Ziele durch die Verkürzung des Vergütungsanspruchs gefördert werden. Insofern ist die Regelung geeignet. 2.1.2.3. Erforderlichkeit Zudem müsste die Verringerung der Vergütung erforderlich sein. Erforderlich sind alle jene gleichwirksamen Mittel, die die geschützten Rechtspositionen der Betroffenen am wenigsten beeinträchtigen 22. In Betracht käme etwa, die Vergütung lediglich für Neuanlangen herabzusetzen, den Betreibern von Altanlagen hingegen nach wie vor die Vergütung nach alter Rechtslage zu gewährleisten23. Auch wenn ein solches Vorgehen die Rechtspositionen der Betroffenen weniger beeinträchtigt, also ein milderes Mittel ist, erscheint es fraglich, ob eine solche Regelung die gleiche Wirkung entfaltete wie die pauschale Absenkung der Vergütung für alle Anlagenbetreiber. Dadurch würde zum Beispiel die Verringerung des Strompreises für Endverbraucher wesentlich vereitelt, da im Verhältnis zu Altanlagen erheblich weniger Neuanlagen gebaut werden. Insofern ist die generelle Absenkung der Vergütung für Betreiber sowohl von Alt- als auch von Neuanlagen für das Erreichen der legitimen Zwecke erforderlich. 2.1.2.4. Angemessenheit Schließlich müsste die Senkung der Vergütung auch angemessen sein. Dies ist der Fall, wenn die Veränderungsgründe des Gesetzgebers die Bestandsinteressen der Betroffenen überwiegen. Bei Eingriffen in besondere Vertrauenstatbestände verlangt das BVerfG für die Rechtfertigung besonders wichtige Veränderungsgründe. Enttäusche der Gesetzgeber das Vertrauen in den Fortbestand einer befristeten Übergangsvorschrift, die er aus Vertrauensschutzgründen erlassen habe, indem er sie vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Frist zu Lasten der Berechtigten beseitige [oder verringere], so sei dies jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur unter besonderen Anforderungen möglich. In [solchen Fällen] vertraue der Bürger auf die Kontinuität einer Regelung, auf Grund deren altes Recht noch für eine bestimmte Zeit in Bezug auf einen eingegrenzten Personenkreis nach Prüfung der Vereinbarkeit der Fortgeltung mit dem öffentlichen Interesse aufrechterhalten werde24. Damit sind etwa Übergangsvorschriften gemeint . Weiter heißt es: Um einen besonderen Vertrauenstatbestand vorzeitig aufzuheben, genüge es nicht, dass sich die für den Erlass der Übergangsregelung ursprünglich maßgeblichen Umstän- 21 BVerfG, Beschluss vom 10.04.1997, Az.: 2 BvL 45/92, NJW 1997, S. 1109 [1111], Tz. 61. 22 Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.07.1999, Az.: 1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR 2437/95, NJW 2000, S. 55 [65], Tz. 268. 23 Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, Fn. 5, S. 29. 24 BVerfG, Beschluss vom 15.03.2000, Az.: 1 BvL 16/96, 1 BvL 17/96, 1 BvL 18/96, 1 BvL 19/96, 1 BvL 20/96, 1 BvL 18/97, BVerfGE 102, S. 68 [97f.], Tz. 96. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 41/11 Seite 8 de geändert hätten. Es müssten darüber hinaus – vorausgesetzt, das Interesse der Betroffenen auf einen Fortbestand der Regelung sei schutzwürdig und habe hinreichendes Gewicht – schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter zu erwarten sein, falls die geltende […] Regelung bestehen bleibe25. Insofern muss der Gesetzgeber in spezifischer Weise begründen, weshalb die Änderung auch eine Einbeziehung der Altanlagen erfordert26. Mit dieser Rechtsprechung wird der oben genannte Einschätzungsspielraum wieder eingeschränkt. Insofern ist nicht mehr jeder beliebige allgemeinwohldienende Zweck zulässig. Es können hingegen nur solche Ziele angeführt werden, die Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter verhindern. Womöglich könnte die Senkung der Vergütung damit begründet werden, dass andernfalls durch eine weit überhöhte Vergütung das Gesamtsystem des EEG außer Balance geriete. In einem solchen Fall wäre also zwischen dem Scheitern des EEG-Gesamtsystems und dem schutzwürdigen Vertrauen der betroffenen Altanlagenbetreiber abzuwägen. Für den Vorrang des gesetzlichen Zwecks spricht die enorme Bedeutung des EEG für die deutsche Energiewirtschaft. Es trägt nicht nur maßgeblich zu einem immer höheren Anteil an Regenerativstrom an der Gesamtstromversorgung und damit zum Umweltschutz bei. Auch hat das EEG positive Effekte auf den künftigen Strompreis, die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und nicht zuletzt den Arbeitsmarkt27. Insofern müssten die Interessen der Altanlagenbetreiber dahinter zurücktreten. Gegen den Vorrang dieser Interessen spricht auch, dass die Vergütung nur in bestimmten Grenzen gesenkt werden könnte. Der Betrag müsste groß genug sein, um überhaupt geeignet zu sein, gravierende Ungleichgewichte im EEG-Gesamtsystem verursacht zu haben. Zugleich müsste er gering genug sein, so dass nicht die Anreizwirkung für den weiteren Anlagenbau entfällt. Insofern dürfte es sich um einen Betrag handeln, der den Betrieb ihrer Altanlage auch Altbetreibern noch lukrativ erscheinen lässt. Zudem ist zu bedenken, dass ein schutzwürdiges Vertrauen der Altanlagenbetreiber bei weit überhöhten Vergütungen wahrscheinlich entfiele. Sie könnten sich nicht darauf berufen, auf entsprechend hohe Gewinne kalkuliert oder gar vertraut zu haben28. Auch wenn die EEG-Vergütung Anreize zum Anlagenbau schaffen soll, steht am Ende letztendlich das Ziel, regenerative Energien gegenüber konventionellen Stromerzeugern unter Marktbedingungen wettbewerbsfähig zu machen29. Wenn aber kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, gehen die Ziele des Gesetzgebers vor. Letztendlich hängt die Angemessenheit davon ab, wie sich die tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Strommarkt entwickeln. Nur bei gravierenden Verbilligungen der Kosten für Regenerativstrom und einem damit einhergehenden Ungleichgewicht tritt das schutzwürdige Vertrauen der Investoren hinter die Preisanpassungsinteressen des Gesetzgebers zurück. Insofern kann eine 25 BVerfG, Beschluss vom 15.03.2000, Az.: 1 BvL 16/96, 1 BvL 17/96, 1 BvL 18/96, 1 BvL 19/96, 1 BvL 20/96, 1 BvL 18/97, BVerfGE 102, S. 68 [97f.], Tz. 96. 26 Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, Fn. 5, S. 29. 27 BMU: Erfahrungsbericht 2007 zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz vom 07.11.2007, S. 42, http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/erfahrungsbericht_eeg_2007.pdf (Stand: 16.03.2011). 28 Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, Fn. 5, S. 30. 29 Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/2327, S. 13, Rn. A.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 41/11 Seite 9 solche Regelung unter genannten Voraussetzungen angemessen sein. Bewegt sich die Wirtschaftlichkeit der bestehenden Anlagen hingegen nicht gänzlich außerhalb der vom Gesetzgeber ursprünglich angenommenen Verhältnisse, sind erhebliche nachträgliche Senkungen für vom Vertrauensschutz erfasste Anlagen rechtlich ausgeschlossen30. 2.1.3. Zwischenergebnis zum Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot Ob durch die Senkung der Vergütung für Biogasaltanlagen ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vorliegt, kann nicht pauschal beantwortet werden. Vielmehr hängt dies von der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung und Begründung ab. Dabei kommt es maßgeblich auch auf die tatsächlichen Veränderungen im Energiemarkt an. 2.2. Grundrechtsverletzungen der betroffenen Betreiber Die Senkung der gesetzlich garantierten Vergütung könnte jedoch gegen die Grundrechte der Betreiber verstoßen. In Betracht kommen sowohl Art. 12 Abs. 1 GG als auch Art. 14 Abs. 1 GG, also die Berufsfreiheit sowie die Eigentumsgarantie der Betreiber. 2.2.1. Die Berufsfreiheit Die Senkung der Vergütung für Biogasaltanlagen könnte die Betreiber in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzen. Dafür müsste sie ungerechtfertigt in den Schutzbereich der Berufsfreiheit eingreifen. 2.2.1.1. Schutzbereich Der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG müsste eröffnet sein. Unter Beruf ist jede erlaubte Tätigkeit , die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient31, zu verstehen. Die Berufsfreiheit entfaltet ihre Schutzwirkung nur gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen oder die zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben32. Die Rücknahme einer bislang durch Gesetz gewährten Erwerbsposition, beeinflusst diese günstige Position im entsprechenden Markt und hat deshalb objektiv berufsregelnde Tendenz33. Sofern also der Gesetzgeber die Vergütung für Biogasanlage kürzt, obwohl ursprünglich höhere Vergütungssätze normiert waren, handelt er im Schutzbereich der Berufsfreiheit der Anlagenbetreiber. Insofern ist der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet. 30 Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, Fn. 5, S. 30. 31 BVerfG, Urteil vom 17.02.1998, Az.: 1 BvF 1–91, NJW 1998, S. 1627 [1628], Tz. 90. 32 BVerfG, Urteil vom 17.02.1998, Az.: 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, S. 228 [254], Tz. 93. 33 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.10.1977, Az.: 1 BvR 216/75, 1 BvR 217/75, BVerfGE 46, S. 120 [137], Tz. 45. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 41/11 Seite 10 2.2.1.2. Eingriff Des Weiteren müsste ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegen. Darunter ist jedes final, imperative Verhalten, das den Betroffenen in seiner Berufsfreiheit beschränkt, zu verstehen34. Final ist ein Verhalten, wenn es zweckgerichtet ist. Bei der Senkung der Vergütung bezweckt der Gesetzgeber nicht den einzelnen Betreiber in seiner Berufsfreiheit zu beschränken. Wie oben ausgeführt 35, kann der Gesetzgeber die unterschiedlichsten Ziele mit dieser Maßnahme verfolgen. Ein Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit gehört regelmäßig nicht dazu. Allerdings ist nach dem modernen Verständnis auch jede staatliche Maßnahme, die „ein grundrechtlich geschütztes Verhalten erschwert oder unmöglich macht beziehungsweise ein Rechtsgut beeinträchtigt“36, ein Eingriff. Durch die Kürzung der Vergütung für Altanlagen nimmt der Gesetzgeber als Reflexhandlung dem Anlagenbetreiber eine durch regulatives Gesetz gewährte besondere Position im Marktgeschehen37. Dies stellt einen Eingriff dar. 2.2.1.3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Der Eingriff in die Berufsfreiheit könnte allerdings verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dazu müsste der Eingriff insbesondere dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen . Wie oben erläutert38, ist dies der Fall, wenn die Senkung der Vergütung geeignet, erforderlich und angemessen ist, einen legitimen Zweck zu erreichen. Hinsichtlich der genauen Prüfung ergeben sich zum oben Gesagten39 im Ergebnis keine Unterschiede. Lediglich in Bezug auf die Erforderlichkeit gilt es zu beachten, dass die Berufsfreiheit ein Freiheitsgrundrecht mit Regelungsvorbehalt ist. Das bedeutet, dass der Schutzbereich vom Gesetzgeber nicht nur eingeschränkt sondern gerade auch geregelt wird und ein Berufsbild maßgeblich prägt40. Deshalb unterscheidet das BVerfG für die Erforderlichkeit einer Regelung zwischen verschiedenen Stufen. Es gibt Regelungen zur Berufsausübung und Regelungen zur Berufswahl, wobei Letztere subjektive und objektive Schranken darstellen können41. Bei der Senkung der Vergütung handelt es sich um Berufsausübungsregeln, die jedoch bei entsprechender Intensität zu objektiven Berufsbeschränkungen umschlagen können. Sofern eine solche Intensität erreicht wird, verliert die Vergütung aber gleichzeitig ihre Anreizwirkung. Deshalb kann angenommen werden, 34 BeckOK- Wolff/ Brink, VwVfg, § 35, Rn. 54.1. 35 Siehe 2.1.2.1. 36 Voßkuhle/ Kaiser, Öffentliches Recht – Der Grundrechtseingriff, JuS 2009, S. [313] 37 Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, Fn. 5, S. 24. 38 Siehe 2.1.2. 39 Siehe 2.1.2.1 - 2.1.2.4. 40 Maunz/ Dürig- Scholz, GG-Kommentar, Art. 12, Rn. 313. 41 Altrock/ Oschmann/ Theobald, EEG- Kommentar, Einführung, Rn. 42. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 41/11 Seite 11 dass die Vergütung zu keinem Zeitpunkt so drastisch gekürzt wird. Jedenfalls beschränken Berufsausübungsregeln die Berufsfreiheit am geringsten, weshalb sich am Ergebnis nichts ändert. Bei einer Abwägung zwischen der Berufsfreiheit der Betreiber und den verfolgten Zielen zum Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter überwiegen Letztere. Insofern wäre eine Absenkung der Vergütung in engen Grenzen verfassungsrechtlich gerechtfertigt. 2.2.1.4. Zwischenergebnis zur Verletzung der Berufsfreiheit Nur bei gravierenden Verbilligungen der Kosten für Regenerativstrom und einem damit einhergehenden Ungleichgewicht tritt die Berufsfreiheit der Investoren hinter die Preisanpassungsinteressen des Gesetzgebers zurück. Nur in diesen Fällen stellt eine Senkung der Vergütung für Biogasanlagen , die nach altem Recht gebaut wurden, keine Verletzung der Berufsfreiheit der Betreiber dar. 2.2.2. Eigentumsgarantie Schließlich könnte die Senkung der Vergütung für Biogasaltanlagen die Betreiber in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzen. Dafür müsste allerdings zunächst der Schutzbereich der Eigentumsgarantie eröffnet sein. Eigentum ist jede vermögenswerte Rechtsposition, die der persönlichen Lebensführung oder der wirtschaftlichen Betätigung als Grundlage dient und auf dessen Fortbestand der Berechtigte vertrauen kann, um ihm die Entfaltung einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung zu ermöglichen 42. Zu diesen Rechtspositionen zählen auch vom Gesetzgeber gewährte privatrechtliche Positionen , die dem Berechtigten ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung zugeordnet sind43. Dazu zählen ebenfalls bürgerlich-rechtliche Ansprüche und Forderungen44. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Ansprüche, die dem Einzelnen eine eigentümerähnliche Position einräumen45. Insofern erscheint es denkbar, dass auch der Vergütungsanspruch des Biogasanlagenbetreibers aus dem EEG eine eigentumskräftige Rechtsposition sei. Dafür spreche, dass es sich um eine durch Gesetz geschaffene privatrechtliche Position handele, die einen zivilrechtlichen Leistungsanspruch begründe46. Jedoch könnte der EEG-Vergütungsanspruch bereits von dem Schutzbereich der Berufsfreiheit umfasst sein. Folglich würde er nicht mehr unter den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG fallen. Das BVerfG grenzt danach ab, ob die betreffende Rechtsposition bereits erworben wurde (Art. 14 Abs. 1 GG) oder noch zu erwerben ist (Art. 12 Abs. 1 GG)47. Denkbar erscheint, dass obwohl der 42 BVerfG, Beschluss vom 09.01.1991, Az.: 1 BvR 929/89, NJW 1991, S. [1807], Tz. 35. 43 BVerfG, Beschluss vom 08.04.1997, Az.: 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, S. 267 [300], Tz. 133. 44 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.01.1991, Az.: 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, S. 201 [208f], Tz. 36. 45 BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986, Az.: 1 BvR 99/85, 1 BvR 461/85, BVerfGE 72, S. 175 [193], Tz. 44. 46 Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, Fn. 5, S. 20. 47 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.01.1997, Az.: 2 BvR 1915/91, BVerfGE 95, S. 173 [187f.], Tz. 66. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 - 41/11 Seite 12 Vergütungsanspruch erst in der Zukunft mit der Einspeisung des Regenerativstroms entsteht, bereits durch die gesetzliche, 20-jährige „Garantie“ keine Gewinnerwartung sondern eine Gewinnsicherheit bestehe. Soweit sie rechtlich in die Zukunft hinein gesichert sei, stehe sie dem Berechtigten bereits mit dem Zeitpunkt ihrer Begründung zu48. Dagegen spricht allerdings der Charakter des Vergütungsanspruchs. Gemäß § 21 Abs. 1 EEG 2009 entsteht der Anspruch erst ab dem Zeitpunkt, „ab dem der Generator erstmals Strom…erzeugt“. Obwohl also die Vergütungskonditionen mit Inbetriebnahme der Anlage feststehen, ist ein Anspruch gerade noch nicht entstanden. Die Festsetzung dieser Konditionen dient vielmehr der Planungs- und Investitionssicherheit49, ähnlich einem Wirtschaftsplan. Entschließt sich der Betreiber im Laufe der 20 Jahre, keinen Strom mehr zu erzeugen, entfällt auch sein Anspruch. Insofern ist der Vergütungsanspruch bereits vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst. Der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG ist hingegen nicht eröffnet. Insofern ist die Eigentumsgarantie der Altanlagenbetreiber nicht verletzt50. 2.2.3. Zwischenergebnis zu Grundrechtsverletzungen Sofern durch die Senkung der Vergütung für Biogasaltanlagen Gefahren für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter, wie etwa das EEG-Gesamtumlagesystem, vermieden werden können, liegt darin keine Grundrechtsverletzung der Anlagenbetreiber vor. Senkt der Gesetzgeber hingegen willkürlich Vergütung oder Boni, stellt dies eine Verletzung der Berufsfreiheit der betroffenen Betreiber dar. Gleichwohl ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zwischen den aufgezeigten Extrempunkten verbleibt, in dem er seine Ziele verfolgen kann. Dazu gehört auch, dass Regenerativstrom mittelfristig unter Wettbewerbsbedingungen erzeugt wird. 2.3. Ergebnis zur rechtlichen Zulässigkeit einer rückwirkenden Änderung Eine rückwirkende benachteiligende Änderung der Vergütung ist in gewissen Grenzen verfassungsrechtlich zulässig. Letztendlich hängt dies von der Marktentwicklung und der gesetzlichen Begründung für eine solche Maßnahme ab. 48 So Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage, Fn. 5, S. 22. 49 Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/2327, S. 18, Rn. zu § 1. 50 Klinski beurteilt hier das Verhältnis von Art. 14 und Art. 12 GG anders und lässt den Eingriff in die Berufsfreiheit hinter den Eigentumsschutz zurück treten. Er hält aber auch die andere Auffassung für vertretbar (Klinksi, Fn. 5, S. 20ff).