© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 039/21 Einziehung und Abstufung von Bundesautobahnen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 2 Einziehung und Abstufung von Bundesautobahnen Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 039/21 Abschluss der Arbeit: 29. April 2021 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Bundesfernstraßen 4 3. Einziehung von Bundesautobahnen 4 3.1. Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen 4 3.1.1. Vollständiger Wegfall jeder Verkehrsbedeutung 5 3.1.2. Vorliegen überwiegender Gründe des öffentlichen Wohls 6 3.2. Verfahren 6 3.2.1. Zuständige Behörde 7 3.2.2. Ankündigung 7 3.2.3. Bekanntmachung 8 3.2.4. Einziehungsfiktion 8 3.2.5. Anderweitige Einziehung 8 3.3. Beispiele 8 3.4. Rechtsprechung 9 4. Abstufung von Bundesautobahnen 9 4.1. Voraussetzungen 9 4.1.1. Abstufung zur Straße nach Landesrecht 10 4.1.2. Abstufung zur Bundesstraße 11 4.2. Verfahren 11 4.3. Beispiele 12 4.4. Rechtsprechung 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 4 1. Fragestellung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages sind zur Einziehung und Abstufung von Bundesautobahnen gefragt worden. Dabei geht es um die jeweiligen Voraussetzungen, das Verfahren sowie um Beispiele und letztinstanzliche Rechtsprechung dazu. 2. Bundesfernstraßen Bundesfernstraßen werden in § 1 Abs. 1 S. 1 Bundesfernstraßengesetz (FStrG)1 als „öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind“ legaldefiniert. Dabei teilt das Gesetz die Bundesfernstraßen in Bundesautobahnen und Bundesstraßen ein. Gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 FStrG sind Bundesautobahnen „Bundesfernstraßen, die nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt und so angelegt sind, dass sie frei von höhengleichen Kreuzungen und für Zu- und Abfahrt mit besonderen Anschlussstellen ausgestattet sind.“ Grundsätzlich gelten für Bundesautobahnen die gleichen Vorschriften wie für Bundesstraßen. 3. Einziehung von Bundesautobahnen 3.1. Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen Die Einziehung (auch: Entwidmung2) ist „actus contrarius“ zur Widmung. Mit ihr werden die Rechtswirkungen der Widmung beseitigt.3 Insbesondere bedeutet die Einziehung als Entzug der Verkehrsfläche für jeden öffentlichen Verkehr eine Beendigung der gemeinwohlorientierten Zweckbestimmung der Straße und eine Beseitigung der öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit.4 Neben der (Voll)Einziehung ist auch eine Teileinziehung möglich, bei der die Widmung grundsätzlich fortbestehen bleibt, aber mit Beschränkungen hinsichtlich des zulässigen Straßengebrauchs verbunden wird.5 Die Einziehung von Bundesfernstraßen ist in § 2 Abs. 4 1. Hs. FStrG geregelt. Dieser bestimmt: „Eine Bundesfernstraße, bei der sich die Verkehrsbedeutung geändert hat und bei der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 weggefallen sind, ist entweder unverzüglich einzuziehen, wenn sie jede Verkehrsbedeutung verloren hat oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen (Einziehung), (…).“ 1 https://www.gesetze-im-internet.de/fstrg/BJNR009030953.html. 2 Vgl. Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 3. 3 Ebd., Rn. 3 f. 4 Vgl. Grupp, in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz Kommentar, 2012. § 2 Rn. 67. 5 Vgl. Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 72. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 5 Damit sind zwei Tatbestände vorgesehen, bei deren Erfüllung jeweils eine Einziehung zulässig wäre:6 – Wegfall jeder Verkehrsbedeutung oder – Vorliegen überwiegender Gründe des öffentlichen Wohls. 3.1.1. Vollständiger Wegfall jeder Verkehrsbedeutung Die Verkehrsbedeutung muss sich so geändert haben, dass nicht nur die Voraussetzungen für die Einstufung einer Bundesfernstraße nach § 1 Abs. 1 FStrG (siehe dazu 2.) weggefallen sind, sondern dass auch jede Verkehrsbedeutung entfallen ist. Wann eine Straße entbehrlich ist und damit kein allgemeines Bedürfnis (mehr) an ihrer Nutzung vorliegt, ist Frage des Einzelfalles. Bei der Bewertung müssen sämtliche Umstände in den Blick genommen werden, insbesondere sind die Verkehrsinteressen der Anlieger, aber auch die der Verkehrsteilnehmer sowie das Verkehrsinteresse im Sinne eines Verkehrslenkungsinteresses der betroffenen Behörden zu berücksichtigen.7 Grundsätzlich sind bei der Prüfung, ob noch eine Verkehrsbedeutung besteht, sämtliche Benutzerarten , Benutzerzwecke, Benutzerkreise und Benutzerzeiten einzubeziehen. Die Straße darf insgesamt keine Verkehrsbedeutung mehr haben. Anderenfalls ist eine Volleinziehung nicht zulässig .8 Für Bundesfernstraßen, damit auch für Bundesautobahnen, gilt indes die Bedeutung als Bundesstraße.9 Eine Volleinziehung einer Bundesfernstraße ist auch dann möglich, wenn die Straße nicht gänzlich jede Verkehrsbedeutung verloren hat. Es obliegt dann dem zuständigen Land, die Straße als eine Straße nach Landesrecht neu zu widmen.10 Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Einziehung an, ein zukünftiger Verlust des Verkehrsbedürfnisses ist nicht ausreichend. Genauso steht einer Einziehung jedoch nicht entgegen, dass ein Verkehrsbedürfnis in Zukunft möglicherweise wieder auflebt.11 6 Vgl. Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 15. 7 Ebd., Rn. 18. 8 Ebd., Rn. 19. 9 Sauthoff in: Müller/Schulz, FStrG Kommentar, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 35 mit Hinweis auf den unklaren Wortlaut der Regelung. 10 Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 22 und darin verweisend auf BVerfG, Urteil vom 3. Juli 2000 – 2 BvG 1/96. 11 Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 6 Für die Wirksamkeit der Einziehung unerheblich ist, ob die eingezogene Straße oder das Straßenstück auch als Baukörper tatsächlich beseitigt wird oder für andere (private) Zwecke erhalten bleibt.12 3.1.2. Vorliegen überwiegender Gründe des öffentlichen Wohls Einer Einziehung wegen überwiegender Gründe des öffentlichen Wohls muss eine Abwägung zwischen den betroffenen öffentlichen Belangen – sowohl solchen, die für, als auch solchen, die gegen eine Einziehung sprechen - und den betroffenen privaten Belangen vorangehen. Überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls liegen nur dann vor, wenn die für eine Einziehung sprechenden öffentlichen Belange überwiegen.13 Private Belange können keine Einziehung rechtfertigen .14 Die überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls können auch auf einem Planfeststellungsbeschluss , einem Bebauungsplan oder einer nicht förmlichen Planung beruhen.15 Als die Volleinziehung einer Straße rechtfertigende Gründe wurden in der Vergangenheit beispielsweise anerkannt: – Belange der Wohnumfeldverbesserung; – Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung; – Regionalplanerische Zielsetzungen, etwa die Entwicklung zu einem heilklimatischen Kurort .16 Ob diese Gründe auch die Einziehung einer Bundesautobahn rechtfertigen dürfte von den Umständen des Einzelfalles abhängen. 3.2. Verfahren Die Einziehung setzt ein förmliches Verfahren voraus17 und erfolgt in aller Regel im Wege einer Allgemeinverfügung.18 Ein Recht auf Einziehung einer Bundesfernstraße steht prinzipiell weder einem Straßenbaulastträger noch einem Anlieger zu. Ein Rechtsanspruch auf die Einziehung 12 Vgl. Herber, Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 13. 13 Ebd., Rn. 25. 14 Vgl. Sauthoff, in: Müller/Schulz, FStrG Kommentar, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 40. 15 Ebd. 16 Vgl. Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 3. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 25. 17 Ebd., Rn. 15. 18 Vgl. Sauthoff, in: Müller/Schulz, FStrG Kommentar, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 7 könnte lediglich vertraglich vereinbart worden sein und wäre dann im Wege einer Verpflichtungsklage geltend zu machen.19 Liegen die Voraussetzungen aus § 2 Abs. 4 1. Hs. FStrG vor, so muss die Einziehung verfügt werden (gebundene Entscheidung).20 3.2.1. Zuständige Behörde Über die Einziehung von Bundesfernstraßen entscheidet gemäß § 2 Abs. 6 S. 1 FStrG das Fernstraßen -Bundesamt (FBA), soweit dem Bund die Verwaltung einer Bundesstraße zusteht. Zur Bundesfernstraßenverwaltung gehören unter anderem die Maßnahmen in Bezug auf den Rechtstatus von Straßen.21 Seit dem 1. Januar 2021 werden die Bundesautobahnen in Bundesverwaltung und nicht mehr in Auftragsverwaltung durch die Länder geführt.22 Damit ist für die Einziehung von Bundesautobahnen ausschließlich das FBA zuständig,23vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz (FStrBAG)24. 3.2.2. Ankündigung Das Verfahren beginnt grundsätzlich mit der Ankündigung des Vorhabens. Nach § 2 Abs. 5 S. 1 FStrG ist die Absicht der Einziehung drei Monate vorher in den Gemeinden, die die Straße berührt , öffentlich bekannt zu machen. Damit soll Betroffenen die Gelegenheit zu Einwendungen gegeben werden.25 Die fehlerfreie Ankündigung ist Voraussetzung für die rechtswirksame Einleitung des Einziehungsverfahrens und ein Fehler kann nicht im Wege eines Widerspruchsverfahrens geheilt werden.26 Einwendungen können bis zum Erlass der Einziehungsverfügung gemacht werden. Über sie ist nicht gesondert zu entscheiden, sie sind jedoch im Rahmen des Verfahrens angemessen zu berücksichtigen .27 19 Vgl. Grupp, in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz Kommentar, 2012, § 2 Rn. 94 sowie Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 51. 20 Vgl. Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 49. 21 Vgl. Hermes, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2018, Art. 90 Rn. 29. 22 https://www.fba.bund.de/DE/Ueber_das_FBA/ueber-das-fba_node.html;jsessionid =C37B8270819DEE38BC861533A257EF03.internet531. 23 Vgl. Gröpl, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL August 2020, Art. 90 Rn. 33. 24 http://www.gesetze-im-internet.de/fstrbag/BJNR314300017.html. 25 Vgl. Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 36. 26 Ebd. 27 Ebd., Rn. 37. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 8 Von der Ankündigung kann abgesehen werden, wenn die zur Einziehung vorgesehenen Teilstrecken in den in einem Planfeststellungsverfahren ausgelegten Plänen als solche kenntlich gemacht worden sind oder Teilstrecken im Zusammenhang mit Änderungen von unwesentlicher Bedeutung eingezogen werden sollen, § 2 Abs. 5 S. 2 FStrG. 3.2.3. Bekanntmachung Die Entscheidung über die Einziehung ist gemäß § 2 Abs. 6 S. 6 FStrG ist in einem vom Land zu bestimmenden Amtsblatt bekannt zu geben. Eine Begründung der Einziehungsverfügung bedarf es nicht.28 Die Bekanntmachung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Einziehungsverfügung.29 3.2.4. Einziehungsfiktion § 2 Abs. 6a S. 2 FStrG sieht zudem eine Einziehungsfiktion vor. Wird eine Bundesfernstraße verbreitert , begradigt, unerheblich verlegt oder ergänzt und dadurch ein Teil der Bundesfernstraße dem Verkehr auf Dauer entzogen, gilt dieser Straßenteil als durch die Sperrung eingezogen. Entscheidend für den Eintritt der Fiktion ist, dass es sich um unwesentliche Veränderungen handelt .30 Einer Ankündigung sowie einer öffentlichen Bekanntmachung bedarf es dann nicht. 3.2.5. Anderweitige Einziehung Eine Einziehung durch Gesetz ist ebenso wie die Widmung nur auf Ausnahmen beschränkt.31 Ausdrücklich im FStrG geregelt ist die Einziehung im Rahmen eines Planfeststellungsbeschlusses , vgl. § 2 Abs. 6 S. 4 FStrG. Die Einziehung wird in diesen Fällen jedoch noch nicht mit Erlass des Planfeststellungsbeschlusses, sondern erst mit der Sperrung der Bundesfernstraße wirksam. Vereinbarungen zwischen Gebietskörperschaften in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages beschränken sich regelmäßig nur auf die Regelung der technischen Durchführung, der Finanzierung und der Unterhaltung, lassen aber die Zuständigkeit der Beteiligten zur Widmung und sonstigen Statusakten unberührt. Unter Umständen ist jedoch denkbar, dass mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag selbst die Widmung beziehungsweise Einziehung ausgesprochen wird.32 3.3. Beispiele Eindeutige Beispiele für eine ausdrückliche Einziehung von Bundesautobahnen waren im zur Verfügung stehenden Zeitrahmen nicht recherchierbar. Folgende Stilllegungen von Teilstücken 28 Grupp, in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz Kommentar, 2012, § 2 Rn. 84. 29 Vgl. Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 38. 30 Vgl. Grupp, in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz Kommentar, 2012, § 2 Rn. 86. 31 Vgl. Herber. in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 10 Rn. 39 u. Kap. 7 Rn. 46 ff. 32 Ebd., Kap. 10 Rn. 40 und Kap. 7 Rn. 50. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 9 konnten gefunden werden, bei denen indes die Einziehung nicht aus den öffentlich verfügbaren Quellen belegbar ist: – Im Jahr 2014 wurde ein Abschnitt der Bundesautobahn 4 (BAB 4) von etwa neun Kilometern im Rahmen einer Verlegung der Strecke für eine Erweiterung des Tagebaus Hambach stillgelegt.33 – Die Trassenführung eines Teilstücks der BAB 4, das durch das Leutratal in Thüringen verlief , wurde verlegt. Die ursprüngliche Trasse (etwa 10 Kilometer) wurde seit 2014 demontiert und renaturiert.34 – Ein Abschnitt der Reichsautobahn 51, der 1940 als Verlängerung der BAB 115 zum damals entstehenden Autobahnring gebaut worden ist, wurde zwischen 1969 und 1972 stillgelegt.35 3.4. Rechtsprechung Eine umfassende Rechtsprechungsrecherche und -darstellung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Hingewiesen wird auf folgende Entscheidung des Kammergerichts Berlin: Das Kammergericht Berlin hat in seinem Beschluss vom 11. September 2020 festgestellt, dass eine kurzzeitige Sperrung einer Bundesautobahn für den Kraftverkehr nicht zu einer Entwidmung der Straße führt.36 4. Abstufung von Bundesautobahnen Ändern sich die tatsächlichen Kriterien, die für die Einstufung einer Straße in eine bestimmte Straßenklasse maßgeblich waren, oder fallen sie ganz weg, hat eine Umstufung der Straße zu erfolgen . Dadurch wird eine Straße einer anderen Straßenklasse zugeordnet. Die Abstufung ist dabei eine Form der Umstufung.37 Die Straße wird in eine Straßenklasse mit geringerer Verkehrsbedeutung neu eingestuft.38 4.1. Voraussetzungen Die Abstufung von Bundesfernstraßen ist in § 2 Abs. 4 2. Hs. FStrG geregelt. Danach ist eine Bundesfernstraße , bei der sich die Verkehrsbedeutung geändert hat und bei der die Voraussetzungen 33 https://www.strassen.nrw.de/de/projekte/a4/ausbau-und-verlegung-zwischen-dueren-und-kerpen.html. 34 https://www.mdr.de/zeitreise/a-vier-leutratal-umgehung-jagdbergtunnel-100.html. 35 http://berlin.bahninfo.de/alteautobahn.htm. 36 KG Berlin, Beschluss vom 11. September 2020 – 3 Ws (B) 204/20 – 162 Ss 81/20. 37 Das Gegenteil ist die Aufstufung. 38 Vgl. Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap 9 Rn. 3 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 10 nach § 1 Abs. 1 FStrG weggefallen sind, unverzüglich dem Träger der Straßenbaulast zu überlassen , der sich nach Landesrecht bestimmt. Es handelt sich dabei um eine gebundene Entscheidung , so dass eine Abstufung nicht im Ermessen der Behörde liegt.39 Die Norm impliziert zwar nur die Abstufung einer Bundesfernstraße in eine Straßenklasse nach Landesrecht, denkbar und zulässig ist jedoch auch eine Abstufung einer Bundesautobahn zu einer Bundesstraße.40 4.1.1. Abstufung zur Straße nach Landesrecht Gemäß § 2 Abs. 4 2. Hs. FStrG ist für eine Abstufung einer Bundesfernstraße in eine Straßenklasse nach Landesrecht das kumulative Vorliegen zweier Voraussetzungen notwendig41: – Änderung der Verkehrsbedeutung und – Wegfall der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG. Die Verkehrsbedeutung der Bundesfernstraße muss sich so geändert haben, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG nicht mehr vorliegen. Entscheidend ist eine tatsächliche Änderung der Verkehrsverhältnisse. Die Abstufung ist kein Instrument, um für die Zukunft eine andersartige Verkehrsbedeutung erst herbeizuführen.42 Auch muss ursprünglich eine Verkehrsbedeutung für den weiträumigen Verkehr einmal bestanden haben .43 Die Änderung der Verkehrsbedeutung kann aber bewusst durch verkehrsregelnde Maßnahmen herbeigeführt werden oder aber von selbst eintreten.44 Anders als die Landesstraßengesetze sieht das FStrG eine Umstufung aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls nicht vor.45 39 Vgl. Grupp, in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz Kommentar, 2012, § 2 Rn. 49. 40 Ebd., Rn. 53. 41 Vgl. Sauthoff, in: Müller/Schulz, FStrG Kommentar, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 45. 42 Vgl. Grupp, in: Marschall, FStrG Kommentar, 2012, § 2 Rn. 48. 43 Vgl. Sauthoff, in: Müller/Schulz, FStrG Kommentar, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 45. 44 Ebd., Rn. 46. 45 Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 9 Rn. 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 11 4.1.2. Abstufung zur Bundesstraße Die Abstufung einer Bundesautobahn zu einer Bundesstraße und deren Voraussetzungen sind zwar nicht ausdrücklich geregelt, eine Abstufung dürfte aber dann erforderlich sein, wenn die Voraussetzungen aus § 1 Abs. 3 FStrG nicht mehr gegeben sind (insbesondere Wegfall der Zweckbestimmung für den Schnellverkehr und der bautechnischen Vorgaben). Denn eine Straße kann nur eine Bundesautobahn sein, wenn sie die Merkmale aus § 1 Abs. 3 FStrG aufweist.46 In Betracht dürfte eine solche Abstufung beispielsweise dann kommen, wenn eine neue Autobahntrasse gebaut worden ist, die alte Trasse aber noch der Verbindung zu einer anderen Bundesstraße dient.47 4.2. Verfahren Das Verfahren der Abstufung einer Bundesautobahn entspricht im Wesentlichen dem der Einziehung (3.2.). Sie erfolgt ebenso grundsätzlich im Wege einer Allgemeinverfügung48 und über sie entscheidet auch das FBA, vgl. § 2 Abs. 6 S. 1 FStrG und § 2 Abs. 1 Nr. 1 FStrBAG, da dem Bund die ausschließliche Zuständigkeit der Verwaltung der Bundesautobahnen obliegt.49 Die Abstufung in eine Straße nach Landesrecht kann aber nur mit Zustimmung der obersten Landesstraßenbaubehörde erfolgen, vgl. § 2 Abs. 6 S. 3 FStrG. Die Abstufung soll nur zum Ende eines Rechnungsjahres erfolgen und drei Monate vorher angekündigt werden, vgl. § 2 Abs. 5 S. 3 FStrG. Mit der Ankündigung soll dem künftigen Straßenbaulastträger ermöglicht werden, haushaltsrechtliche Vorkehrungen zu treffen. Hiervon darf nur in besonders gelagerten Fällen abgewichen werden, beispielsweise bei der Abstufung einer Bundesautobahn zu einer Bundesstraße, da hier gerade kein Wechsel der Baulast stattfindet. Die Ankündigung bedarf keiner Form und ist nicht öffentlich bekanntzumachen, sondern muss nur gegenüber dem neuen Baulastträger erfolgen.50 Unabdingbar für die Wirksamkeit einer jeden Abstufung ist, dass mit der Abstufung auch eine Neueinstufung erfolgt. Anderenfalls ist eine Abstufungsverfügung nichtig.51 46 Vgl. Sauthoff, in: Müller/Schulz, FStrG Kommentar, 2. Auflage, 2013, § 1 Rn. 18 sowie Grupp, in; Marschall, Bundesfernstraßengesetz Kommentar, 2012, § 2 Rn. 47. 47 Grupp, in: Marschall. Bundesfernstraßengesetz Kommentar, 2012, § 2 Rn. 53. 48 Vgl. Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 9 Rn. 37. 49 Ebd., Kap. 1 Rn. 111. 50 Vgl. Grupp, in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz Kommentar, 2012, § 2 Rn. 57. 51 Ebd., Kap. 9 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 12 4.3. Beispiele Die Internetseite http://autobahn-aktuell.de/html/abgestufte_autobahnen.html listet eine Auswahl abgestufter Autobahnen. Darunter sind folgende Abstufungen: – Die BAB 540 in Nordrhein-Westphalen wurde Anfang 2020 zu einer Bundesstraße abgestuft . Sie ist seitdem Teil der Bundesstraße 59.52 Dadurch sollte eine direkte Verkehrsanbindung des interkommunalen Gewerbegebiets ermöglicht werden. – Die BAB 443 zwischen Unna und Unna-Süd wurde 2006 zur B 233 bzw. L 679 herabgestuft .53 – Die BAB 395 wurde 2001 zur B 6 zwischen Vienenburg und dem Bad Harzburg abgestuft.54 Zum 1. Januar 2019 ist jedoch eine erneute Aufstufung zu einer Bundesautobahn (BAB 369) erfolgt.55 Ferner wurde die BAB 104 in Berlin 2006 zu einer Straße 1. Ordnung mit Autobahncharakter abgestuft.56 4.4. Rechtsprechung Auch hier liegt eine umfassende Rechtsprechungsanalyse außerhalb des Rahmens dieser Arbeit. Besonders hinzuweisen ist auf folgende Entscheidungen: – Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 3. Juli 200057 klargestellt, dass eine Weisung des Bundes zur Abstufung im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung (aufsichtsrechtliche Umstufung) nicht von der Weisungsbefugnis aus Art. 85 Abs. 3 Grundgesetz (GG)58 gedeckt und damit unzulässig ist. Der Bund kann eine Bundesstraße nur in Ausübung seines Weisungsrechts einziehen oder dem Land nach Vereinbarung überlassen. Da die Bundesautobahnen seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr in Bundesauftragsverwaltung 52 https://rp-online.de/nrw/staedte/grevenbroich/a-540-in-grevenbroich-und-juechen-soll-2020-bundesstrasse-werden _aid-36950497. 53 http://autobahn-aktuell.de/html/abgestufte_autobahnen.html. 54 Ebd. 55 https://www.strassenbau.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/umbenennung-der-a-395-zwischen-braunschweig -und-dem-harz-in-a-36-153219.html. 56 Siehe Amtsblatt für Berlin, 56. Jahrgang, Nr. 13, vom 24. März 2006, A1262A, S. 1046. 57 BVerfG, Urteil vom 3. Juli 2000 – 2 BvG 1/96, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen /DE/2000/07/gs20000703_2bvg000196.html . 58 https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 039/21 Seite 13 sondern in Bundesverwaltung geführt werden, dürfte diese Thematik jedenfalls für Bundesautobahnen keine Bedeutung mehr haben. – Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Urteil vom 22. August 1979 klargestellt, dass bei einem Wegfall von bisher gegebenen Qualifikationsmerkmalen einer Bundesfernstraße, eine Abstufung nach § 2 Abs. 4 FStrG nicht nur gerechtfertigt, sondern auch geboten ist und bei einer Abstufung einer Bundesfernstraße zu einer Straße nach Landesrecht, sich die Neueinstufung der Straße ausschließlich nach dem jeweiligen Landesrecht richtet.59 *** 59 BVerwG, Urteil vom 22. August 1979 – 4 C 34.76.