© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 037/17 Trennung von Eisenbahnnetz und -betrieb in Frankreich, Großbritannien und Schweden Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 2 Trennung von Eisenbahnnetz und -betrieb in Frankreich, Großbritannien und Schweden Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 037/17 Abschluss der Arbeit: 07. Juni 2017 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkungen 4 2. Länderübergreifende Veröffentlichungen 4 2.1. Untersuchung der Generaldirektion Interne Politikbereiche des Europäischen Parlaments 4 2.1.1. Inhaltliche Grundzüge 4 2.1.2. Länderbezogene Fallstudien 7 2.1.2.1. Frankreich 7 2.1.2.2. Großbritannien 10 2.1.2.3. Schweden 14 2.1.3. Zusammenfassende Beurteilung 16 2.2. Diskussionsbeitrag des WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH 18 2.3. Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e. V. 22 3. Veröffentlichungen zu einzelnen Staaten 25 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 4 1. Vorbemerkungen Im Auftragsschreiben wird um Informationen zur Trennung von Netz und Betrieb im Eisenbahnwesen Frankreichs, Großbritanniens und Schwedens gebeten. Besonders berücksichtigt werden sollen hierbei die mit der Trennung verbundenen Erfahrungen. Der nachfolgende Sachstand greift mehrere Veröffentlichungen zur Thematik des Auftrags auf; diese sind der Arbeit jeweils als Anlage beigefügt. Im Vordergrund steht hierbei eine Veröffentlichung des Europäischen Parlaments. 2. Länderübergreifende Veröffentlichungen 2.1. Untersuchung der Generaldirektion Interne Politikbereiche des Europäischen Parlaments 2.1.1. Inhaltliche Grundzüge Die Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsbetrieb im Eisenbahnsektor ist in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in unterschiedlicher Weise realisiert worden. Ausführlich befasst mit der Trennung und ihren Auswirkungen hat sich die Generaldirektion Interne Politikbereiche des Europäischen Parlaments. Sie hat hierzu ein sogenanntes Themenpapier vorgelegt, in dem sie insbesondere auch die Auswirkungen der Trennung in ausgewählten Mitgliedstaaten der Europäischen Union analysiert: Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union. Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik. Verkehr und Fremdenverkehr. Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor . Themenpapier. Verfasser: Dionori, Francesco u. a.. Brüssel. Link: http://www.europarl .europa.eu/RegData/etudes/note/join/2011/460039/IPOL-TRAN_NT(2011)460039_DE.pdf (zuletzt aufgerufen am 07.06.2017).1 Anlage 1 Die wesentlichen Ergebnisse des Themenpapiers sind zusätzlich in einem zusammenfassenden Vermerk veröffentlicht worden: Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union. Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik. Verkehr und Fremdenverkehr. Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den Eisenbahnsektor in der Europäischen Union. Vermerk. IP/B/TRAN/FWC/2010-006/lot1/C1/SC2. PE 1 Das Themenpapier wird nachfolgend wie folgt zitiert: Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 5 460.039. Brüssel. Link: http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes /note/join/2011/460039/IPOL-TRAN_NT(2011)460039(SUM01)_DE.pdf (zuletzt aufgerufen am 07.06.2017).2 Anlage 2 In dem Themenpapier wird nach Angaben des Herausgebers beschrieben, „wie die EU-Mitgliedstaaten die Anforderungen der Richtlinien 2001/12/EG und 2001/14/EG in Bezug auf die Unabhängigkeit wesentlicher Funktionen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Grad der vertikalen Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen umgesetzt haben. Darüber hinaus wird dargelegt, welche Auswirkungen dies auf die Märkte in verschiedenen Mitgliedstaaten hatte, und es werden die Vor- und Nachteile der angenommenen Lösungen erörtert.“3 Hierbei bedeute Entbündelung oder vertikale Trennung, „dass kein Eisenbahnunternehmen Aufgaben des Infrastrukturbetreibers wahrnimmt, damit die Nichtdiskriminierung gewährleistet ist. Daher bedeutet Entbündelung, dass sämtliche Eisenbahnunternehmen vom Infrastrukturbetreiber unabhängig sind; diese strukturelle Unabhängigkeit soll dazu führen, dass auch das Verhalten der Unternehmen nicht von Abhängigkeiten bestimmt ist. Im Sinne dieses Themenpapiers verwenden wir die Bezeichnungen Entbündelung und vertikale Trennung synonym.“4 Das Themenpapier ist in insgesamt fünf Abschnitte gegliedert. An einen einleitenden Abschnitt zu den Hintergründen der vertikalen Trennung schließen sich ein zweiter Abschnitt mit einer Marktanalyse zum Schienenverkehr in der EU, ein dritter Abschnitt zu den Erfahrungen mit der vertikalen Trennung aus EU-Perspektive, in dem auch über die in den verschiedenen Mitgliedstaaten realisierten unterschiedlichen Arten der Trennung berichtet wird, sowie ein vierter Abschnitt zu den Auswirkungen der vertikalen Trennung in einzelnen Mitgliedstaaten der EU an. Im abschließenden fünften Abschnitt werden Schlussfolgerungen aus den vorangehenden Ausführungen gezogen. Wie aus dem dritten Abschnitt des Themenpapiers hervorgeht, unterliegen Großbritannien und Schweden einer vollständigen Trennung des Eisenbahninfrastrukturbetriebs von der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen.5 Hierbei wird der Ausdruck „vollständige Trennung“ wie folgt definiert: „Bei diesem Ansatz besteht in rechtlicher, organisatorischer und institutioneller Hin- 2 Der Vermerk wird nachfolgend wie folgt zitiert: Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den Eisenbahnsektor in der Europäischen Union. Vermerk. A. a. O. 3 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 15. 4 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 15. 5 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 33. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 6 sicht eine vollständige Trennung. Der Infrastrukturbetreiber ist von dem bzw. den Eisenbahnunternehmen unabhängig, und die Erbringer von Eisenbahnverkehrsleistungen sichern sich den Zugang zur Trasse und zu den Bahnhöfen durch Verträge mit dem Infrastrukturbetreiber ( … ).“6 Demgegenüber sei in Frankreich nur eine teilweise Trennung des Infrastrukturbetriebs von der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen im Eisenbahnsektor realisiert7, wobei der Ausdruck „teilweise Trennung“ wie folgt abgegrenzt wird: „Bei diesem Ansatz besteht eine organisatorische und rechtliche Trennung zwischen dem Infrastrukturbetreiber und der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen , doch bleibt das wichtigste Eisenbahnunternehmen de facto verantwortlich für wesentliche Aufgaben im Zusammenhang mit dem Infrastrukturbetrieb.“8 Unter Bezugnahme auf die Situation in Frankreich fährt das Themenpapier fort: „Charakteristisch für die teilweise Trennung ist der französische Eisenbahnsektor, bei dem sich das Streckennetz im Eigentum des vom etablierten Eisenbahnbetreiber, der SNCF, unabhängigen Unternehmens RFF befindet, aber die SNCF mit vielen Tätigkeiten beauftragt wird, die den Infrastrukturbetrieb betreffen. Insbesondere ist die SNCF für die Unterhaltung und den Betrieb des Streckennetzes zuständig und stellt Ressourcen für die Stelle bereit, der die Erstellung des Fahrplans obliegt (Direction de Circulation Ferroviaire).“9 Von besonderem Interesse hinsichtlich der Fragestellung des Auftrags ist der vierte Abschnitt des Themenpapiers, in dem anhand eines einheitlichen Schemas über die Erfahrungen einzelner EU- Mitgliedstaaten mit der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsbetrieb im Eisenbahnsektor berichtet wird, hierunter Frankreich, Großbritannien10 und Schweden. Dieses umfasst folgende Kategorien: Hintergrund der Trennung (d. h. Art und Ablauf der Trennung), wirtschaftliche Kosten der Trennung, Auswirkungen der Trennung auf die Sicherheit im Bahnverkehr, den Bahnbetrieb, die Wettbewerbssituation im Eisenbahnsektor sowie die Nutzer (Bahnkunden). Die einzelnen Länderberichte („Fallstudien“) schließen jeweils mit einem Kapitel über die aus der länderspezifischen Fallstudie zu ziehenden Schlussfolgerungen. 6 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 31. 7 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 33. 8 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 31. 9 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 31 f. 10 Zur Beschränkung auf „Großbritannien“ teilt das Themenpapier in seiner Fußnote 18 erläuternd mit: „Was das Vereinigte Königreich betrifft, so haben wir uns auf das nationale Eisenbahnnetz in Großbritannien konzentriert, da dort die Anforderungen des Ersten Eisenbahnpakets vollständig umgesetzt wurden, und haben das viel kleinere Schienennetz in Nordirland, das weiter integriert bleibt, unberücksichtigt gelassen.“ Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 39. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 7 Nachfolgend werden die Länderberichte zu Frankreich, Großbritannien und Schweden einzeln aufgerufen und entsprechend ihrer schematischen Gliederung weitgehend wörtlich wiedergegeben . 2.1.2. Länderbezogene Fallstudien 2.1.2.1. Frankreich Hintergrund: „Im Jahr 1997 wurden die Infrastrukturbetriebsaufgaben von SNCF, dem nationalen Eisenbahnunternehmen , durch die Schaffung von RFF vom Zugbetrieb getrennt. SNCF behielt die Zuständigkeit für den Zugbetrieb. Mit dieser Trennung sollte in erster Linie SNCF in die Lage versetzt werden, sich einer erheblichen Schuldenlast zu entledigen und zugleich die Anforderungen der Richtlinie 91/440/EG zu erfüllen. Wie bereits erörtert, kam es durch diese institutionelle Trennung zwar zu einer unabhängigen Führung der beiden Unternehmen, doch ist RFF verpflichtet, einige Aufgaben des Infrastrukturbetriebs an die SNCF zurückzuvergeben. Letzteres agiert nunmehr als Gestionnaire de l’infrastructure délégué (beauftragter Infrastrukturbetreiber), und RFF als eigentlicher Eigentümer der Infrastruktur kommt eine relativ kleine Rolle in Bezug auf den Infrastrukturbetrieb zu, die weitgehend auf die strategische Planung und die Festlegung von Netzzugangsentgelten beschränkt ist. Bei der Befragung im Verlauf der Railimplement-Studie (…) für die Europäische Kommission äußerten einige Beteiligte Bedenken, dass dieser Ansatz nicht für ausreichende Unabhängigkeit und nichtdiskriminierenden Zugang sorgt und der Markteintritt dadurch behindert werde. Einige kleine Schritte in Richtung einer stärkeren Trennung wurden jedoch unternommen. So werden Entscheidungen über die Fahrwegbestimmung praktisch von RFF getroffen, obwohl sich beide Unternehmen die Zuständigkeiten für den Fahrplan teilen (bei der SNCF ist nach wie vor ein „Gremium“ tätig, das für das Verkehrsmanagement verantwortlich ist, obwohl der Vorsitzende von der Regierung und nicht von SNCF benannt wird). Darüber hinaus kann das Unternehmen RFF nunmehr Arbeiten zum Ausbau der Infrastruktur bei Unternehmen öffentlich -privater Partnerschaften in Auftrag geben und nicht bei der SNCF.“11 Wirtschaftlichen Kosten: „Da das Hauptziel der Trennung in Frankreich darin bestand, die Schuldenlage der SNCF zu verbessern, stand bei Folgestudien eher die Wirksamkeit des Schuldentransfers im Mittelpunkt . Einige Studien befassten sich jedoch mit den Gesamtkosten der Branche, und deren Ergebnisse lassen sich für eine Bewertung der Kostenauswirkungen der Umstrukturierung heranziehen . 11 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 55. Anstelle der hochgestellten Klammer ist im Originaltext eine Ziffer zur Kennzeichnung einer Fußnote eingefügt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 8 Filleul et al. (2001) weisen den Gesamtgewinn der französischen Eisenbahnbranche im Jahr vor der Trennung und in den Jahren unmittelbar danach aus. Die Jahresgewinne von SNCF und RFF sind in der nachstehenden Tabelle aufgeführt. Daraus geht ein Rentabilitätszuwachs hervor, obwohl es angesichts des breiten Spektrums von Faktoren, die den Gewinn in einem Jahr beeinflussen können, schwierig ist, Schlussfolgerungen für den Einfluss der Umstrukturierung auf die Kosten zu ziehen. ( … ) Die Bücher von RFF weisen auch den Nominalbetrag aus, den das Unternehmen an SNCF für Tätigkeiten des Infrastrukturbetriebs bezahlte, wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht. Inflationsbereinigt und unter Berücksichtigung einer schrittweisen Ausweitung der Streckenerneuerung seit 2007 deuten diese Zahlen auf eine stetigen Rückgang der realen Kosten seit 1997 hin. ( … ) Auf einer Ebene decken sich diese Belege mit der Auffassung, dass die vertikale Trennung eine verbesserte Effizienz nicht behindert, sondern unter Umständen sogar fördert. In Anbetracht der besonderen Aufteilung der Zuständigkeiten für den Infrastrukturbetrieb ist jedoch fraglich, ob diese Daten Einblicke in die Auswirkungen der vertikalen Trennung liefern. Vor allem, weil die SNCF nach wie vor eine Reihe zentraler Aufgaben des Infrastrukturbetriebs ausführt, sind Belege für wesentliche Veränderungen des Kostenniveaus in den Jahren nach 1997 nicht zu erwarten (nach Kontrolle anderer Faktoren, die in der Erörterung anderer Fallstudien hervorgehoben wurden, insbesondere Veränderungen der Investitionshöhe). Die jüngsten Initiativen könnten einen „Markttest“ für die Infrastrukturbetriebskosten und die Auswirkungen der Trennung auf Effizienz des Infrastrukturbetriebs darstellen. RFF hat Aufträge über die Planung, den Bau und den Betrieb von zwei Hochgeschwindigkeitsstrecken (Tours – Bordeaux und Le Mans – Rennes – Nantes) vereinbart, die offenbar kostengünstiger als entsprechende Verträge mit der SNCF sind. Außerdem vereinbarte RFF Ende 2010 einen Dreijahres-Instandhaltungsauftrag mit einem Unternehmen für ein Teil des Schienennetzes in der Region Morvan, und es beabsichtigt die Erteilung ähnlicher Aufträge für andere kurze Strecken, um seine Kosten weiter zu senken.“12 Auswirkungen auf die Sicherheit im Schienenverkehr: „Die Trennung hatte keine spürbaren Auswirkungen auf die Sicherheit, da die Zahl der Unfälle , getöteten Personen und Zwischenfälle im Großen und Ganzen auf dem Stand vor der 12 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 56 f. An den durch eine Klammer ( … ) markierten Stellen sind im Originaltext tabellarische Übersichten zur Entwicklung von Gewinn und Verlust von RFF und SNCF sowie zur Entwicklung der Zahlungen von RFF und SNCF für den Infrastrukturbetrieb eingefügt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 9 Trennung geblieben ist. Auch hierin widerspiegelt sich wahrscheinlich die Tatsache, dass es kaum Änderungen an der Art und Weise des Infrastrukturbetriebs gegeben hat.“13 Auswirkungen auf den Bahnbetrieb: „Wie wir Filleul et al. (2001) sowie den Angaben des französischen Rechnungshofes (2001 und 2008) entnehmen, herrschen starke Bedenken hinsichtlich des Verhältnisses zwischen SNCF und RFF. Infolge der sich überschneidenden Aufgaben beim Infrastrukturbetrieb bestehen weiterhin Spannungen zwischen den beiden Unternehmen, besonders dort, wo die Zuständigkeitsverteilung nicht klar ist (z. B. auf Bahnhöfen und Rangierbahnhöfen). Allerdings wurde nicht festgestellt, dass dies wesentliche unmittelbare Folgen für den Zugbetrieb hat.“14 Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation im Eisenbahnsektor: „Auf dem französischen Güterverkehrsmarkt sind bedeutende Akteure hinzugekommen; dabei haben Veolia (dessen Frankreich-Geschäft von Europorte 2, einer Tochterfirma von Eurotunnel , erworben wurde), EWS (jetzt Eurocargorail) und eine kleine Zahl weiterer Betreiber beschränkte landesweite Verkehre aufgenommen. Die Bedeutung dieser Markteinstiege muss jedoch im Zusammenhang mit einem Güterschienenverkehrsmarkt in Frankreich betrachtet werden, der in den zurückliegenden Jahren 50 % seines Marktanteils verloren hat. Bislang war im Personenverkehrsmarkt noch kein Neueinstieg zu verzeichnen (doch wird davon ausgegangen , dass Veolia und Trenitalia ab Dezember 2011 die Relation Paris-Mailand bedienen werden ). Nach unseren Erkenntnissen sind die Unternehmen aufgrund der derzeitigen Struktur und der damit verbundenen Sorge um die tatsächliche Erlangung des Zugangs zum Schienennetz generell nicht gewillt, einen Markteinstieg zu versuchen.“15 Auswirkungen auf die Bahnkunden: „Die Auswirkungen der Trennung sind für die Reisenden nicht sichtbar, da die Dienste nach wie vor von SNCF verwaltet werden. Wenn Fahrgästen die Probleme im Zusammenhang mit der vertikalen Trennung und der Liberalisierung bekannt sind, dann infolge von Bahnstreiks aufgrund der Reaktion von Teilen der Branche auf die Aussicht auf Wettbewerb. Güterverkehrskunden haben jedoch vom begrenzten Wettbewerb für grenzüberschreitende Verkehre profitiert, und einige kleine Betreiber haben Nischenverkehre von SNCF abgezogen, was zum 13 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 57. 14 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 57. 15 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 57. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 10 Teil auf Probleme zurückgeht, die in den letzten Jahren in der Güterverkehrssparte (Fret) von SNCF auftraten. Aus Daten des französischen Rechnungshofes geht hervor, dass seit der Umstrukturierung 2-3 % mehr Züge Verspätung haben. Ausgeglichen wurde dies jedoch durch einen spürbaren Rückgang der Verspätungen im Güterverkehr von etwa 19 % im Jahr 1997 auf ca. 13 % im Jahr 2006. Allerdings ist es nicht möglich, diese Veränderungen der vertikalen Trennung zuzuschreiben , da wahrscheinlich gleichzeitig auch andere Faktoren, wie z. B. Veränderungen des Verkehrsaufkommens, entsprechende Folgen hatten.“16 Schlussfolgerungen: „Insgesamt finden sich in der französischen Bahnbranche kaum Belege für die Auswirkungen der vertikalen Trennung. Da diese nur teilweise erfolgt ist, wird das Potenzial für die Einführung von Wettbewerb und die Erhöhung der Transparenz nicht ausgeschöpft, und in Sachen Effizienz und Erfahrungen der Fahrgäste gab es kaum Veränderungen. Das derzeitige Verhältnis zwischen RFF und SNCF bedeutet, dass keine Unabhängigkeit gewährleistet ist, und es liegen keine eindeutigen Hinweise darauf vor, dass sich dies unter den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern könnte.“17 2.1.2.2. Großbritannien Hintergrund: „Die vertikale Trennung in Großbritannien folgte dem Eisenbahngesetz von 1993 und richtete sich, zumindest anfangs, nicht nach den konkreten Anforderungen des Ersten Eisenbahnpakets . Dabei wurde die Branche umstrukturiert, um eine Politik des Wettbewerbs für den Markt (durch Konzessionierung von Diensten im Rahmen der Gemeinwohlverpflichtung) sowie im Markt (durch einen „offenen Zugang“) zu fördern. Die Umstrukturierung umfasste Folgendes: • Übertragung des Eigentums an Schienenfahrzeugen des Personenverkehrs an Fahrzeugpoolgesellschaften (rolling stock companies – ROSCOs), die unabhängig von den Bahnunternehmen sind, so dass Bahnunternehmen sich um vorhandene Konzessionen bewerben und diese übernehmen können, ohne eigenes rollendes Material erwerben oder bereitstellen zu müssen, • einen Regulierungsmechanismus der „Mäßigung des Wettbewerbs“, der die Fähigkeit von Personenverkehrsbetreibern beschränkt, direkt mit Konzessionsverkehren in Wettbewerb zu treten, und 16 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 57 f. 17 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 58. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 11 • vorbehaltlich dieses Mechanismus die Schaffung von Anreizen für Konzessionsbetreiber, auf kommerzieller Basis Leistungen über die in der Gemeinwohlverpflichtung aufgeführten Leistungen hinaus bereitzustellen. • In Ermangelung eines umfangreichen Wettbewerbs am Markt wurden Fahrpreise und Leistungsniveau durch den Konzessionsvertrag reguliert. Nach der Trennung der Infrastrukturbewirtschaftung vom Zugbetrieb und der Schaffung einer Vielzahl von Bahnbetriebsgesellschaften für den Personen- und Güterverkehr wurden die Personenverkehrsbetreiber durch die Vergabe von geografisch bedingten Konzessionen auf Wettbewerbsbasis privatisiert. Seit der Einleitung dieses Prozesses haben einige Neueinsteiger den Betrieb von Nischenverbindungen im offenen Zugang (Open Access) begonnen. Der Güterverkehr wurde im Anschluss an die Umstrukturierung privatisiert. Mittlerweile wird der Güterverkehrsmarkt von einem großen Betreiber beherrscht, obwohl sich auch eine kleine Zahl von Neueinsteigern einen gewissen Marktanteil verschafft hat. Auch der Personenverkehrsmarkt hat in den vergangenen Jahren einen erheblichen Konsolidierungsprozess durchlaufen , der auch vom Einstieg der Deutschen Bahn durch Zukäufe sowohl im Güter- als auch im Personenverkehrsbereich begleitet wurde. Aus dem Geschäftsbereich Infrastrukturbetrieb von British Rail wurde 1994 das Unternehmen Railtrack gebildet und anschließend privatisiert. Aufgrund von finanziellen Schwierigkeit und Sicherheitsbedenken (Bahnunglück von Hatfield im Jahr 2000) meldete das Unternehmen 2001 Insolvenz an, und im Folgejahr wurde der Geschäftsbetrieb von Network Rail, einer Gesellschaft mit beschränkter Nachschusspflicht, übernommen. Obwohl Network Rail ein privatwirtschaftliches Unternehmen ist, hat es keine Aktionäre, sondern wird von Mitgliedern geführt , die im weitesten Sinne die Interessen der Eisenbahnbranche vertreten.“18 Wirtschaftliche Kosten: „In den verschiedensten Studien wurde eine signifikante Erhöhung der Branchenkosten im Zeitraum seit der Umstrukturierung festgestellt, und es ist klar, dass die Gesamtkosten wesentlich höher liegen als vor der Privatisierung der britischen Eisenbahn Mitte der 1990er Jahre. Aus den Studien geht jedoch auch hervor, dass die Kostensteigerung diverse und komplexe Ursachen hat und nicht allein auf die vertikale Trennung zurückzuführen ist.“19 Im Anschluss an diese Ausführungen werden die Ergebnisse einzelner Studien wiedergegeben und erläutert. Unter Bezugnahme auf eine vom britischen Verkehrsministerium initiierte Studie zum Kosten-Nutzen-Verhältnis in der Bahnbranche („McNulty-Studie“) stellt das Themenpapier hinsichtlich der Kosten der Trennung abschließend fest: 18 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 39 f. 19 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 40. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 12 „Diese Analyse zeigt, dass sich nach der vertikalen Trennung in der Branche eindeutig Kostensteigerungen ergeben haben, sich diese aber durch mehrere Faktoren erklären lassen. So kam es zu hohen Bahninvestitionen, insbesondere seit dem Unfall von Hatfield, die zu höherer Kapazität (so dass wesentlich höhere Fahrgastzahlen bewältigt werden können) und zu verbesserter Leistung geführt haben. Vor diesem Hintergrund sei darauf hingewiesen, dass das Office of Rail Regulation im Anschluss an die letzte Überprüfung der Trassenentgelte von Network Rail zu dem Schluss kam, dass der Infrastrukturbetreiber etwa 40 % weniger effizient arbeitet als die besten seiner Pendantunternehmen auf dem europäischen Kontinent, was auf ein wesentliches Verbesserungspotenzial in Sachen Effizienz für die nächste Zeit schließen lässt. Obwohl die Verfasser den Ergebnissen der McNulty-Studie nicht vorgreifen können, kristallisiert sich jedoch innerhalb der Branche die Meinung heraus, dass diese Ineffizienz wohl eher Ausdruck der Schwächen bei Management und Organisation von Network Rail sind, als das Ergebnis der vertikalen Trennung.“20 Auswirkungen auf die Sicherheit im Schienenverkehr: „Nach einer Reihe von aufsehenerregenden Unfällen ist das Thema Sicherheit in den letzten Jahren stärker in den Blickpunkt gerückt. In der Praxis hatte sich die Sicherheit bereits vor der vertikalen Trennung und Privatisierung verbessert, was sich auch danach fortgesetzt hat, doch die politische Reaktion auf Unglücksfälle wie Hatfield hat wahrscheinlich die Sicherheitskultur in der gesamten Branche weiter gestärkt. Dem ORR zufolge hat sich die Zahl der Verletzungen je 1 Mrd. Personenkilometer im Laufe der letzten 15 Jahre von 19 im Jahr 1997 auf 8 im Jahr 2008 mehr als halbiert. Auch wenn sich aus diesen Angaben nicht schließen lässt, dass die vertikale Trennung zu einer Verbesserung der Sicherheit geführt hat, geht sie doch einher mit einem hohen und sich im Laufe der Zeit verbessernden Sicherheitsniveau.“21 Auswirkungen auf den Bahnbetrieb: „Die vertikale Trennung wirkt sich nachhaltig auf den täglichen Bahnbetrieb aus, da sie zu einer Reihe von neuen betrieblichen Beziehungen geführt hat. Insbesondere hat die Umstrukturierung und Privatisierung eine erhebliche Ausweitung der Vertragsverhältnisse zwischen verschiedenen Beteiligten zur Folge, wie z. B. Verträge über den Trassenzugang, Verträge über Stationsanfahrten, Depotverträge und Leasingverträge für Rollmaterial. Nach Ansicht einiger Kommentatoren kompliziert dieses Vertragsgeflecht sowohl den täglichen Betrieb als auch die mittel- und langfristige Planung, da sich der Entscheidungsprozess verzögert. Gleichzeitig wurde damit aber auch mehr Rechtssicherheit für die Branche in einigen Bereichen geschaffen , z. B. in Bezug auf Entschädigungen für Verspätungen und Gleissperrungen, für die Vertragsstrafen gelten und die sich mit hinreichender Zuverlässigkeit vorhersagen lassen. Außerhalb der rein vertraglichen Verpflichtungen haben Network Rail und die Eisenbahnunternehmen wirksame Möglichkeiten der Zusammenarbeit gefunden, um den für Fahrgäste und Güterverkehrskunden angebotenen Dienst zu verbessern. Das gilt vor allem im Hinblick auf 20 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 44. 21 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 44 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 13 Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, die sich seit dem Umdenken aufgrund des Hatfield-Unfalls wesentlich verbessert haben. Unmittelbar nach der vertikalen Trennung lagen die Werte der Public Performance Measure (PPM), also der prozentuale Anteil der Züge, die höchstens 10 Minuten (Fernzüge) bzw. 5 Minuten (Nahverkehrszüge) nach der fahrplanmäßigen Ankunftszeit eintreffen, zwischen 87 % und 90 %. Nach Hatfield fiel der Wert auf unter 80 %, hat sich seitdem aber nachhaltig erholt, was als Resultat gemeinsamer Pläne zur Verbesserung der Leistung und der Etablierung einer starken Kultur der Verbesserung der Pünktlichkeitswerte anzusehen ist. Im Jahr 2009/2010 lag der PPM-Wert bei 91,5 %, und einige Betreiber erreichen regelmäßig 95 % und mehr.“22 Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation im Eisenbahnsektor: „Die vertikale Trennung des Eisenbahnbetriebs in Großbritannien hat sich ausgesprochen positiv auf die Wettbewerbs- und Marktentwicklung ausgewirkt, haben doch die Eisenbahnunternehmen verschiedene Neuerungen eingeführt und bieten spezielle Sondertarife für im Vorverkauf erworbene Fahrausweise oder für Fahrten außerhalb der Hauptverkehrszeiten an, um mehr Fahrgäste zu gewinnen. Das Verhältnis zwischen Branchenumstrukturierung, der wachsenden Nachfrage im Schienenverkehr und dem allgemeinen Wirtschaftswachstum ist komplex , und es wäre nicht korrekt, den in Kapitel 2 angeführten erheblichen Zuwachs im britischen Schienenverkehr der vertikalen Trennung zuzuschreiben. Allerdings haben die starken Anreize für konzessionierte Personen- und Güterverkehrsunternehmen, ihr Kundenaufkommen zu erhöhen, zweifellos dazu beigetragen, die im Zeitraum seit der Privatisierung beobachteten Trends zu verstärken. Dies wiederum leistet einen Beitrag zur Stützung des Wirtschaftswachstums im gesamten Land.“23 Auswirkungen auf die Bahnkunden: „Seit der vertikalen Trennung sind die Fahrgastzahlen im Schienenverkehr erheblich angestiegen , selbst im Gefolge der jüngsten Rezession. Güterverkehrskunden haben eine größere Auswahl an Anbietern, obgleich der in Tonnenkilometer gemessene scheinbare Zuwachs im Güterschienenverkehr zumindest teilweise auf den Transport von Kohle über längere Strecken zurückzuführen ist, wie in Kapitel 2 erwähnt wurde. Gleichzeitig ist ein spürbarer Anstieg der durchschnittlichen Fahrpreise im Personenverkehr zu verzeichnen, was einer realen Steigerung von 19 % im Zeitraum 1995 bis 2010 entspricht. Hinter diesem Durchschnittswert verbergen sich allerdings erhebliche Unterschiede: So sind die unregulierten Normalpreise im Fernverkehr in diesem Zeitraum um mehr als 47 % gestiegen, die regulierten Normalpreise im Fernverkehr jedoch nur um 0,2 %. Die oben erwähnten sehr niedrigen Vorverkaufstarife wurden durch die Einführung modernerer Ertragsmanagementverfahren im Fernverkehr begünstigt . Außerdem haben verschiedene Betreiber Innovationen beim Service, wie WLAN und 22 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 45. 23 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 45. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 14 Echtzeit-Fahrtinformationen eingeführt, obwohl hier natürlich die technologische Entwicklung eine große Rolle gespielt hat.“24 Schlussfolgerungen: „Als Fazit ist festzuhalten, dass das Beispiel Großbritannien Belege für einige der an anderer Stelle beschriebenen Vorzüge einer vertikalen Trennung liefert. Insbesondere die Einführung von Ausschreibungen für Konzessionen hat zur Ankurbelung des Marktwachstums beigetragen , Innovationen beim Service angeregt und zur Dämpfung von Elementen der Kostenbasis geführt. Obwohl zudem die Kosten seit dem Jahr 2000 erheblich angestiegen sind, ist dies zum Teil Ausdruck erhöhter Investitionen als Reaktion auf die Auswirkungen der früheren Politik der Streckenerneuerung. Dennoch gelangte die McNulty-Studie zu dem Schluss, dass die Branchenkosten zu hoch sind und dass dies teilweise das Ergebnis der komplizierten Verhältnisse und der Ineffizienzen ist, die ihren Ursprung in der Zeit der Privatisierung haben. Eine Schlussfolgerung der Studie wird möglicherweise darin bestehen, dass es einer weiteren Umstrukturierung bedarf, um dieses Problem anzugehen, obgleich nichts darauf hindeutet, dass die vertikale Trennung eine grundlegende Ursache der Kosteneskalation in den letzten Jahren ist.“25 2.1.2.3. Schweden Hintergrund: „Schweden war 1988 Vorreiter bei der vertikalen Trennung und löste die Infrastrukturbewirtschaftung (Banverket) vom Zugbetrieb (SJ). Beide Unternehmen blieben in öffentlicher Hand, und SJ blieb zunächst Monopolanbieter von Eisenbahnverkehrsdiensten. Nach wie vor hält SJ ein Monopol für alle Zugverbindungen über Provinzgrenzen, die es kommerziell betreiben will. Der Trennung schloss sich eine Deregulierung des Sektors an, wobei Neueinsteiger im Personenverkehrsmarkt Marktanteile durch Ausschreibungen für Zugverbindungen innerhalb der Provinzen und im Güterverkehrsbereich durch Übernahme von Nischenverkehren übernahmen . Im Rahmen eines Vertrags über den Betrieb des Schienennetzes erhält Banverket staatliche Subventionen. Mit den Subventionen werden die Kosten gedeckt, die nicht über Trassenentgelte hereingeholt werden, da letztere auf Grenzkostenbasis festgelegt sind.“26 24 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 45 f. 25 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 46. 26 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 46. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 15 Wirtschaftliche Kosten: Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Kosten der Trennung von Infrastruktur- und Verkehrsbetrieb der Eisenbahn in Schweden nimmt das Themenpapier auf eine schwedische Untersuchung aus dem Jahr 2002 Bezug. Sie sei zu dem Ergebnis gelangt, dass es nach der Trennung zu einem Kostenanstieg bei der schwedischen Eisenbahn gekommen sei, der jedoch wie im Falle Großbritanniens vorrangig auf Investitionen zurückzuführen sei. Ihre Auswertung lasse erkennen, dass die Kosten im Zusammenhang mit dem täglichen Betrieb eines vertikal separierten Eisenbahnsektors minimal seien und die Einführung einer derartigen Branchenstruktur langfristig Vorteile mit sich bringe.27 Auswirkungen auf die Sicherheit im Schienenverkehr: „Die Trennung hat sich nicht nachweisbar auf die Sicherheit in Schweden ausgewirkt. Bereits vor der Trennung konnte Schweden ein hohes Sicherheitsniveau aufweisen, doch die Umstrukturierung hatte keinen feststellbaren Effekt auf die Zahl der getöteten Personen bei Eisenbahnunfällen .“28 Auswirkungen auf den Bahnbetrieb: „Seit der Privatisierung hat sich die Gesamtzahl der Beschäftigten im Eisenbahnsektor wesentlich verringert ... . Diese Entwicklung ging einher mit dem Rückgang der von SJ angebotenen Zugverbindungen sowie mit einer Verringerung des dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Rollmaterials. ( … ) Die vertikale Trennung gilt nicht als Hindernis für eine wirksame Koordinierung. Seit der Trennung hat sich der Zugbetrieb sogar verbessert, vor allem dank eines Managementwandels sowohl bei SJ als auch bei Banverket, mit dem sichergestellt wurde, dass die Kundenbeziehungen den wichtigsten Aspekt des Geschäfts darstellen.“29 Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation im Eisenbahnsektor: „Obwohl der schwedische Markt zu Beginn nicht wettbewerbsoffen war, hat er inzwischen vom Einstieg neuer Güter- und Personenverkehrsunternehmen profitiert, die neue Dienste eingeführt und die Servicequalität verbessert haben. In den vergangenen Jahren kam es zwar zu 27 Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 46 f. 28 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 47. 29 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 47. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 16 einer gewissen Konsolidierung des Marktes, doch gibt es keine Belege dafür, dass dies zu einer signifikanten Verringerung des Wettbewerbs geführt hat.“30 Auswirkungen auf die Bahnkunden: „Einer der wichtigsten Indikatoren für die Auswirkungen auf die Nutzer ist die Pünktlichkeit der Zugverbindungen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann festgestellt werden, dass sich die Pünktlichkeit im Personenverkehr seit der vertikalen Trennung auf über 90 % verbessert hat. Im Güterverkehr allerdings haben sich die Pünktlichkeitswerte leicht verschlechtert.“31 Schlussfolgerungen: „In Schweden ist die vertikale Trennung bereits seit langem Realität, und das Land war Vorreiter für eine umfassende Umstrukturierung des Eisenbahnsektors. Die schrittweise Deregulierung des Güter- und Personenverkehrs öffnete den Weg für Marktneueinsteiger und ermöglichte mehr Wettbewerb in der Branche. Insbesondere die Qualität des Personenverkehrs hat sich verbessert, und Güterverkehrskunden haben eine größere Auswahl, obwohl SJ und Green Cargo nach wie vor die marktbeherrschenden Unternehmen sind. Koordinierungsprobleme sind nicht aufgetreten; vielmehr sind seit der Trennung eine Verbesserung der Leistung und weniger Verspätungen zu verzeichnen.“32 2.1.3. Zusammenfassende Beurteilung Nach weiteren Ausführungen zu den Auswirkungen der Trennung unter den Gesichtspunkten „Trennung und Liberalisierung“, „Trennung und Marktanteile“ sowie „Trennung und Wachstum “33 gelangt das Themenpapier in einer zusammenfassenden Beurteilung zu folgenden Ergebnissen : „Die Fallstudien und die zusätzlichen Anhaltspunkte, die in diesem Abschnitt diskutiert werden , machen deutlich, wie schwer sich feststellen lässt, welche spezifischen Auswirkungen einzelne Ansätze auf die Umsetzung des ersten Paketes haben. So können rasant ausufernde Kosten auf einen dringenden Investitionsbedarf nach einer langen Zeit mit nur eingeschränkten Erneuerungen hinweisen, während deutliche Preiserhöhungen möglicherweise darauf zurückzuführen sind, dass es gezielte Bemühungen gibt, zur Finanzierung der Eisenbahn die Passagiere wieder stärker heranzuziehen und die Steuerzahler entsprechend zu entlasten. 30 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 48. 31 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 48. 32 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 48. 33 Im Hinblick auf die Einzelheiten zu diesen Themenbereichen wird auf die entsprechenden Ausführungen im Themenpapier verwiesen; vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. Unterabschnitte 4.6 - 4.8. S. 58 – 64. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 17 Ähnlich werden Markteintritt und Marktwachstum von der Größe, den Standortbedingungen und dem generellen Wirtschaftswachstum des betreffenden Mitgliedstaates beeinflusst. Die Auswirkungen der vertikalen Trennung dürften daher erst nach langer Zeit offenbar werden, ist der Eisenbahnsektor doch in einem einigermaßen stabilen rechtlichen, regulatorischen und wirtschaftlichen Umfeld tätig. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Entwicklung des Wettbewerbs in Ländern mit vollständiger Trennung, wie beispielsweise Großbritannien, erfolgreicher verlaufen ist als in anderen Mitgliedstaaten, in denen es keine so umfassende Umstrukturierung gegeben hat. Zudem geht aus vorangegangenen Studien hervor, dass die von Wirtschaftstheoretikern vorhergesagten Möglichkeiten für eine Diskriminierung unter diesen eingeschränkteren Formen der vertikalen Trennung durch die Bedenken von tatsächlichen Markteinsteigern und anderen Interessengruppen bestätigt werden. Unter diesen Umständen muss offenbar – ungeachtet der an anderer Stelle genannten Vertragsverletzungsverfahren der Kommission – mit der Umsetzung des ersten Paketes noch die ursprünglich angestrebte Entwicklung der europäischen Eisenbahn abgesichert werden.“34 Ergänzend hierzu wird auf die nachfolgenden zusammenfassenden Ausführungen im Vermerk zum Themenpapier des Europäischen Parlaments aufmerksam gemacht. Hierin wird unter der Überschrift „Die wichtigsten Erkenntnisse zur vertikalen Trennung“ in Bezug auf Großbritannien, Schweden und Frankreich festgestellt: „Im Vereinigten Königreich hat die Einführung des „Franchise Bidding“ dazu beigetragen, das Wachstum des Marktes anzukurbeln, und Innovationen bei den Dienstleistungen sowie Elemente zur Begrenzung der Kostenbasis gefördert, wenngleich die Kosten seit 2000 erheblich gestiegen sind. Dies ist zwar teilweise auf die verstärkten Investitionen als Reaktion auf die bisherige Politik in Bezug auf Erneuerungsmaßnahmen zurückzuführen, doch wird argumentiert , dass die Kosten der Branche übermäßig hoch seien, was unter anderem an der Komplexität und Ineffizienz liegen könne, die auf die vertragliche Grundlage aus der Zeit der Privatisierung zurückgehen. In Schweden, einem Land mit einer langen Geschichte der vertikalen Trennung, ist es infolge dieser Trennung nicht zu Koordinierungsproblemen gekommen. Im Gegenteil ist seitdem eine höhere Effizienz festzustellen, und die Verspätungen sind zurückgegangen. ( … ) Die Erfahrungen des französischen Eisenbahnsektors deuten kaum oder gar nicht darauf hin, dass die Trennung Auswirkungen gehabt hat. Da diese nur teilweise erfolgt ist, wurden die Möglichkeiten für die Einführung von Wettbewerb und die Erhöhung der Transparenz nicht 34 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den EU Eisenbahnsektor. Themenpapier. A. a. O. S. 64. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 18 ausgeschöpft, und es hat wenige bis gar keine Änderungen bei der Effizienz und den Erfahrungen der Fahrgäste gegeben.“35 2.2. Diskussionsbeitrag des WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH Das WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH, ein im Kommunikationssektor tätiges Forschungs- und Beratungsunternehmen, das aus einem staatlichen Forschungsinstitut des ehemaligen Postministeriums hervorgegangen ist, hat sich im Rahmen des nachfolgend aufgeführten Diskussionsbeitrags zur Liberalisierung und Regulierung des Eisenbahnpersonenfernverkehrs u. a. mit der Trennung von Netz und Betrieb im Eisenbahnsektor befasst. WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH (Hrsg.) (2011). WIK-Diskussionsbeitrag Nr. 362. Müller, Gernot. Die Bedeutung von Liberalisierungsund Regulierungsstrategien für die Entwicklung des Eisenbahnpersonenfernverkehrs in Deutschland, Großbritannien und Schweden. Bad Honnef. Dezember 2011. Link: https://www.econbiz.de/archiv1/2010/141044_liberalisierung_regulierung_eisenbahnpersonenverkehr .pdf (zuletzt aufgerufen am 07.06.2017). Anlage 3 Der Diskussionsbeitrag widmet sich ausführlich drei Mitgliedstaaten der Europäischen Union: Deutschland, Großbritannien und Schweden; Frankreich ist dagegen als einzelnes Land nicht Gegenstand seiner Analysen. Was die Trennung von Eisenbahninfrastrukturbetrieb und Eisenbahnverkehrsbetrieb anbelangt, so stehen deren Ablauf und Form im Vordergrund der Betrachtung. Im Hinblick auf Großbritannien heißt es hierzu in Abschnitt 2.3.2 unter der Überschrift: „Trennung von Eisenbahninfrastruktur- und –verkehrsbetrieb im Rahmen struktureller Reformen“: „Hauptbestandteil der durch den Railways Act 1993 initiierten Reform des britischen Eisenbahnsektors war die vertikale und horizontale Aufspaltung von BR und die Privatisierung der daraus hervorgegangenen Nachfolgeunternehmen in den Jahren 1994 bis 1997. Als Gründe für die im europäischen Vergleich weitgehende Umstrukturierung gelten wie in den anderen EG- Mitgliedstaaten die Marktanteilsverluste des Eisenbahnsystems im Wettbewerb mit den anderen Verkehrsträgern sowie der starke Anstieg öffentlicher Betriebssubventionen und Investitionskredite seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre. Ziele der Neuordnung waren in erster Linie eine Stärkung der unternehmerischen Ausrichtung der Geschäftstätigkeit, die Etablierung wettbewerblicher Strukturen auf den Eisenbahnverkehrsmärkten und eine Reduzierung der staatlichen Zuschüsse. 35 Europäisches Parlament (Hrsg.) (2011). Die Auswirkungen der Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsleistungen auf den Eisenbahnsektor in der Europäischen Union. Vermerk. A. a. O. S. 4. Fettungen durch Autor der vorliegenden Arbeit. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 19 Die Zuständigkeit für den Errichtung, die Erneuerung, die Instandhaltung und den Betrieb (Trassenzuweisung, Fahrplanerstellung, Verkehrssteuerung) eines Großteils der öffentlichen Schienenwege wurde am 1. April 1994 an das privatrechtlich organisierte, aber noch im Eigentum des britischen Staates befindliche Unternehmen Railtrack übertragen;( … ) die materielle Privatisierung erfolgte im Mai 1996. Nach der Insolvenz von Railtrack, die maßgeblich durch Kostenüberschreitungen beim Ausbau der West Coast Main Line sowie durch umfangreiche Ersatzinvestitionen und Instandhaltungsmaßnahmen infolge der Eisenbahnunfälle der Jahre 1997 bis 2000 ausgelöst wurde, übernahm im Juni 2002 der zwar formal privatrechtlich organisierte , aber als gemeinnützige Körperschaft (company limited by guarantee) operierende Netzbetreiber Network Rail die Exklusivlizenz von Railtrack.( … ) Auch die meisten Bahnhöfe und sonstigen Serviceeinrichtungen befinden sich im Eigentum von Network Rail, doch werden viele Einrichtungen von den Eisenbahnverkehrsunternehmen betrieben. Personenverkehre werden zum einen von konzessionierten Eisenbahnunternehmen und zum anderen von außerhalb des Konzessionssystems tätigen Open-Access-Betreibern angeboten.( … ) Diese beiden Gruppen werden als TOC bezeichnet, operieren unter dem Markennamen National Rail und sind in der Association of Train Operating Companies (ATOC) zusammengeschlossen . Nicht zu den TOC zählen Unternehmen, die internationale Eisenbahnpersonenfernverkehre offerieren (Eurostar), einige städtische Eisenbahnen (z.B. Heathrow Express), die Klein- und Museumseisenbahnen sowie die U-, Stadt- und Straßenbahnen. Zwischen Network Rail und den Anbietern von Eisenbahnpersonenfernverkehrsdiensten wurde somit eine vollständige buchhalterische, operationelle, informatorische sowie gesellschafts - und eigentumsrechtliche Trennung vollzogen. In rechtlicher Hinsicht sind die Railways Infrastructure (Access and Management) Regulations 2005 maßgeblich. In Anlehnung an die europarechtlichen Vorgaben sind Eisenbahnverkehrs- und -infrastrukturunternehmen gemäß Art. 9 buchhalterisch zu trennen. Schienenwegebetreiber müssen nach Art. 12 Abs. 7 und 8 sowie Art. 16 Abs. 3 gesellschaftsrechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen unabhängig sein. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass bei der Auflösung von BR auch sechs Eisenbahngüterverkehrsunternehmen (für Massengut-, Post-, Container- und Spezialverkehre), Anbieter von Ersatzteilen und speziellen eisenbahnbezogenen Dienstleistungen, drei Rolling Stock Leasing Companies (ROSCO) sowie mehrere Betreiber von Werkstätten für die schwere Fahrzeuginstandhaltung entstanden.( … ) Die ROSCO übernahmen von BR einen Großteil des rollenden Materials. Im Personenverkehrsbereich verkaufen oder verleasen die ROSCO Lokomotiven , Triebfahrzeuge und Reisezugwagen an die konzessionierten TOC und an einige Open-Access-Unternehmen.“36 36 WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH (Hrsg.) (2011). A. a. O. S. 25 f. Die hoch gestellten Klammern markieren Stellen, an denen im Originaltext jeweils durch eine Ziffer auf eine Fußnote verwiesen wird. BR steht für British Rail, TOC für Train Operating Companies; vgl. WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH (Hrsg.) (2011). A. a. O. S. 23. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 20 Im weiteren Verlauf des Diskussionsbeitrags wird im Abschnitt 2.4.2 zur Trennung von Eisenbahninfrastrukturbetrieb und Eisenbahnverkehrsbetrieb in Schweden wie folgt Stellung genommen : „Zwischen Ende der 1970er und Mitte der 1980er Jahre hatte sich die finanzielle Lage des staatlichen Eisenbahnunternehmens SJ rapide verschlechtert. Mit dem Ziel, diese Entwicklung umzukehren, eine unternehmerische Ausrichtung der Geschäftstätigkeit zu forcieren und einen Einblick in die Gründe für den zunehmenden Subventionsbedarf (kosten- oder nachfrageseitig ; Infrastruktur- oder Verkehrsbetrieb) zu erhalten, wurden mit dem Eisenbahngesetz von 1985 verschiedene Maßnahmen ergriffen. Hierzu gehörten neben der gesellschaftsrechtlichen Trennung nicht eisenbahnspezifischer Beteiligungen, der Umstellung der Finanzierung von Rollmaterial auf Kreditvergabe und der Erhöhung der Mittel für Infrastrukturinvestitionen auch die buchhalterische Trennung des Eisenbahninfrastruktur- und -verkehrsbetriebs sowie die Einführung interner Verrechnungspreise für die Infrastrukturnutzung. Kurzfristig blieben die erhofften Wirkungen jedoch aus. Das daraufhin 1988 angenommene Verkehrsgesetz definierte seine Ansprüche umfassender: Förderung der Entwicklung des Eisenbahnsystems; Stärkung des unternehmerischen Handelns, der Wettbewerbsfähigkeit und der Effizienz von SJ; Verwirklichung gleicher Wettbewerbsbedingungen bei den Verkehrsträgern (insbesondere für den gewerblichen Straßen- und Eisenbahnverkehr) in Bezug auf die Bereitstellung und Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur sowie die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste ; Verlagerung des Verkehrsaufkommens auf die Eisenbahn vor allem aus Umwelt- und Sicherheitsgründen ; Reduzierung der finanziellen Belastung für den Staat. Hauptmerkmale der Reform waren die Separierung hoheitlicher und unternehmerischer Funktionen , eine Neuabgrenzung der eisenbahnpolitischen Zuständigkeiten auf föderaler Ebene sowie eine Trennung zwischen der Eisenbahninfrastrukturbereitstellung und der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen. Zum einen wurde die Verantwortung für die Eisenbahninfrastruktur (Planung, Finanzierung und Durchführung von Investitionen, Unterhaltung und Betrieb ) vollständig an die öffentliche Hand übertragen.( … ) Die Planungs- und Finanzierungskompetenz teilte man zwischen Staat und Provinzen auf; zu diesem Zweck erfolgte eine Trennung des Netzes in Haupt-, Provinz- und Ortsstrecken.( … ) Zum anderen wurde auf operativer Ebene eine organisatorische, gesellschafts- und eigentumsrechtliche Trennung der Eisenbahninfrastrukturbereitstellung und der Verkehrsleistungsproduktion in die Wege geleitet.( … ) Während die Tätigkeit von SJ weitgehend auf die Erbringung von Verkehrsdiensten beschränkt wurde, wird die Verantwortung für die Erweiterung, die Erneuerung, die Instandhaltung und den Betrieb der staatlichen Eisenbahninfrastruktur( … ) formal seit dem 1. Juli 1988 und institutionell ab dem 1. Januar 1989 von der öffentlichen Eisenbahnbehörde Banverket wahrgenommen.( … ) Seit dem 1. April 2010 obliegen diese Aufgaben der Verkehrsbehörde Trafikverket. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 21 Allerdings waren dem Infrastrukturbetreiber nicht von Anfang an alle infrastrukturbezogenen und sonstigen zugangsrelevanten Einrichtungen und Funktionen zugeordnet. Erst als man begann , den Aspekt des Unbundling verstärkt unter wettbewerblichen Aspekten zu betrachten, wurden 1996 die Trassenzuweisung und die Zugsteuerung von SJ auf Banverket übertragen; 1999 folgten die Fahrplanerstellung und der Betrieb des Fahrgastinformationssystems Tågplus.( … ) Im gleichen Jahr ging auch die Verantwortung für Abstell- und Anschlussgleise sowie für Einrichtungen auf Bahnsteigen auf Banverket über. Nachdem SJ vor allem seit 1999 mehrfach anderen Eisenbahnunternehmen den Zugang zum eigenen Buchungs- und Reservierungssystem PETRA verweigert hatte, wurde schließlich 2002 das von allen Marktakteuren gemeinsam getragene System STINA/PETRA geschaffen. Zwischenzeitlich ist ein Informations-, Buchungs- und Reservierungssystem für den gesamten öffentlichen Personenverkehr (Resplus) eingerichtet worden, das von der im Eigentum der regionalen Verkehrsbehörden und der Verkehrsunternehmen stehenden Samtrafiken i Sverige AB betrieben wird. Der Fahrscheinverkauf erfolgt durch die einzelnen Unternehmen über verschiedene Kanäle (Internet, Agenturen, Fahrscheinautomaten). ( … ) Nachdem SJ bereits zwischen 1995 und 2000 seine Beteiligungen im Straßengüter-, Fernbusund Fährverkehr sowie im Hotel- und Gastronomiegewerbe abgegeben hatte, strukturierte der schwedische Staat das öffentliche Eisenbahnverkehrsunternehmen vor dem Hintergrund der sich erneut drastisch verschlechternden Finanzlage am 1. Januar 2001 grundlegend um. SJ wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und in ein Personen- (SJ AB) und Güterverkehrsunternehmen (Green Cargo AB) sowie in weitere Nachfolgeunternehmen aufgespalten.( … ) Auf diese Weise sollten nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit und die finanzielle Lage von SJ verbessert werden, sondern auch der gleichberechtigte Zugang aller Eisenbahnverkehrsunternehmen zu Infrastrukturen und Dienstleistungen sichergestellt werden, um den Wettbewerb im gemeinwirtschaftlichen Personenverkehr und im Güterverkehr zu fördern. Dem Problem des Zugangs neuer Verkehrsunternehmen zu Fahrzeugen begegnete man bereits 1999 mit der Gründung der AB Transitio, einem Gemeinschaftsunternehmen mehrerer regionaler Verkehrsbehörden und der Adtranz, das vor allem Fahrzeuge für den Orts- und Regionalverkehr kauft, bereitstellt und verwaltet. 2003 wurde dann das Eigentum an Triebfahrzeugen , Lokomotiven und Reisewagen, die im gemeinwirtschaftlichen Eisenbahnpersonenfernverkehr eingesetzt werden können, von SJ AB auf die 2001 bei der Aufteilung von SJ entstandene Restgesellschaft Affärsverket Statens Järnvägar (ASJ) übertragen, die als Leasinggeber für die Fahrzeuge fungiert. Außerdem wurden öffentliche Mittel für die Fahrzeugbeschaffung und - erneuerung zur Verfügung gestellt. ( … )“ 37 37 WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH (Hrsg.) (2011). A. a. O. S. 40 – 42. An den durch eine hoch gestellte Klammer markierten Stellen finden sich wie im Fall von Großbritannien im Originaltext Ziffern zur Kennzeichnung von Fußnoten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 22 2.3. Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e. V. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V. hat im Jahr 2014 ein Gutachten zum Thema „Markt und Staat im Schienenverkehr“ vorgelegt, das sich u. a. mit der Entwicklung der Privatisierung , des Wettbewerbs und der Regulierung bzw. Deregulierung des Eisenbahnschienenverkehrs in Europa, hier auch in Frankreich, Großbritannien und Schweden befasst. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) (2014). Puls, Thomas. Markt und Staat im Schienenverkehr. Köln. Februar 2014. Link: https://www.iwkoeln.de/studien/gutachten/beitrag /thomas-puls-markt-und-staat-im-schienenverkehr-144993 (zuletzt aufgerufen am 07.06.2017). Anlage 4 Über die Entwicklung in Frankreich wird in Abschnitt 5.1.1 auf den Seiten 77 bis 82 informiert. Im Rahmen dieses Textabschnittes wird die Frage der Trennung von Netz und Betrieb im Eisenbahnsektor kurz angesprochen. „Die RFF ist rechtlich, organisatorisch und buchhalterisch von der SNCF getrennt und erfüllt damit – wenn auch mit erheblicher Verspätung - die Vorgaben der Richtlinie 91/440/EG an einen unabhängigen Netzbetreiber. Kritisch ist allerdings zu sehen, dass die RFF trotz dieser formalen Trennung zentrale Aufgaben des Netzmanagements an die SNCF zurückdelegiert, beziehungsweise bei dieser Managementleistungen einkauft ( … ). Hierunter fällt beispielsweise das Instandhaltungsmanagement. Auch die Trassenvergabe war offen an die SNCF delegiert. Seit 2010 liegt sie bei einer Sonderabteilung der SNCF, der DCF (Direction de la Circulation ferroviaire ). Bereits wegen des Fehlens einer eigenen Rechtspersönlichkeit dieser Abteilung hat der Europäische Gerichtshof 2013 diese Umsetzung für unionsrechtswidrig erachtet. Mehr als die europäischen Minimalanforderungen wurde mit der Gründung der RFF also nicht umgesetzt, da die Verflechtung mit der SNCF nach wie vor recht eng ist.“38 Darüber hinaus wird auf das Schaubild auf S. 79 des Gutachtens zur Organisation des Schienenverkehrs in Frankreich aufmerksam gemacht.39 Die Entwicklung in Großbritannien ist Gegenstand der Darlegungen auf den Seiten 82 bis 88 des Gutachtens. Mit Blick auf die Trennung von Bahnnetz und Bahnbetrieb wird hierin u. a. ausgeführt : „Das bekannteste Merkmal der britischen Bahnreform war aber die vollständige Trennung und Privatisierung der Schieneninfrastruktur. Diese wurde an eine private Gesellschaft (Railtrack) übertragen und 1996 an die Börse gebracht. Der Gedanke dahinter war klar – Railtrack sollte mit Hilfe des großen Anlagevermögens die nötigen Gelder zur Infrastruktursanierung am Kapitalmarkt aufnehmen können. Zudem kam der Regierung ein größerer Privatisierungserlös sehr 38 Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) (2014). A. a. O. S. 80. SNCF steht für „Société nationale des chemins de fer français“, RFF für „Réseau Ferré de France“; vgl. ebenda, S. 78, 80. 39 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) (2014). A. a. O. S. 79. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 23 gelegen, da sie mit massiven Kosten infolge der BSE Seuche konfrontiert war, welche der Landwirtschaft gewaltige finanzielle Verluste beschert hatte ( … ). Die parlamentarische Opposition hatte 1996 aber bereits klargestellt, dass sie die Privatisierung von Railtrack wieder aufheben wollte. In Anbetracht dieses Risikos blieben die Einnahmen aus dem Börsengang hinter den Erwartungen zurück. Als es sich zeigte, dass die Sorgen der Anleger nicht sehr begründet waren zogen die Aktienkurse von Railtrack stark an – bis 1998 verfünffachten sie sich in etwa. Hieraus entstand der Vorwurf, die Infrastruktur sei weit unter Wert an Spekulanten verschleudert worden. Ein Vorwurf, der die Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber der Privatisierung gleich stark belastete. Es kam hinzu, dass die Infrastrukturmängel zu Problemen bei der Verkehrsabwicklung führten. Ab 1997 erhielt einer der Regulierer daher die Befugnis, von Railtrack spezifische Investitionen zu verlangen und die Firma mit Strafen zu belegen, wenn die Infrastruktur Verspätungen verursachte. Nach 1997 verbesserten sich die relevanten Kennzahlen für den Infrastrukturzustand ( … ). Die Investitionen lagen höher als zu Zeiten der BR. In Summe war es auch um die Sicherheit nicht schlechter bestellt, als vor der Privatisierung. Das half aber alles nichts, als es in den Jahren 1999 und 2000 zu zwei schweren Zugunglücken kam, die auf Mängel in der Infrastruktur zurückzuführen waren. Hier nahm eine Entwicklung ihren Anfang, die zur Re-Verstaatlichung des Schienennetzes führte. Auf die Unfälle und den damit verbundenen öffentlichen Druck reagierte Railtrack mit einer Investitionswelle und mit der Ausweisung zahlreicher Langsamfahrstellen. Es sollte alles getan werden, um einen weiteren Unfall zu verhindern. Es ist aber auch zu betonen, dass die vorliegenden Unfalldaten in keiner Weise die These unterstützen, dass die Privatisierung der Infrastruktur zu einem Sicherheitsrisiko geführt hätte. ( … ) Heute liegen die britischen Bahnen nach diesen Kriterien auf Augenhöhe mit Deutschland und Frankreich in der europäischen Spitzengruppe. ( … ) Durch die umfassenden Bauarbeiten stiegen die Kosten des Schienennetzes in nur 2 Jahren um 50 Prozent an. Zeitgleich kam es zu massiven Verspätungen durch Baustellen und Langsamfahrstellen , weshalb Railtrack insgesamt 500 Millionen Pfund Strafen in nur einem Jahr zahlen musste. Erst im Jahr 2006 konnte wieder das Pünktlichkeitsniveau erreicht werden, das vor den Unfällen herrschte. Diese Zusatzausgaben führten bei Railtrack zu einer Liquiditätskrise , und als es dann beim größten Bauprojekt der Firma zu massiven Kostenüberschreitungen kam, stand Railtrack vor der Pleite. Die Folge war die Wiederverstaatlichung und die Umwandlung zu Network Rail im Jahr 2002. Hierbei handelt es sich um eine „Not for Dividend“ Unternehmung, die im Besitz seiner Mitglieder ist. Mitglieder sind wiederum die verschiedenen Stakeholder des Schienenverkehrs. Diese haben die Shareholder von Railtrack ersetzt. Es wurde später auch ein neuer Regulierer (Office of Rail Regulation – ORR) geschaffen, der heute als Regulierungs-, Wettbewerbs- und Sicherheitsbehörde fungiert. Dieser Regulierer sorgt heute für eine relativ strikte Regulierung. Er hat umfangreiche Befugnisse, seine Entscheidungen sind rechtsverbindlich. Damit gehen die Briten weit über die Anforderungen aus den europäischen Eisenbahnpaketen hinaus.“40 40 Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) (2014). A. a. O. S. 86 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 24 Ergänzend wird auf das Schaubild zur Organisation des Schienenverkehrs in Großbritannien auf S. 85 des Gutachtens hingewiesen.41 In Bezug auf die Entwicklung des Eisenbahnwesens in Schweden einschließlich der Trennung von Infrastruktur und Fahrbetrieb führt das Gutachten u. a. aus: „Eine erste Reform der finanziell immer schlechter dastehenden SJ erfolgte 1979. In diesem Jahr wurde die Verantwortung für den Regionalverkehr dezentralisiert und an die Regionalbehörden übergeben. Das verbesserte die wirtschaftliche Lage der SJ aber nicht, und bereits 1985 kam es zu einem weiteren Reformschritt. Infrastruktur und Transportsparten wurden buchhalterisch getrennt – fast 10 Jahre bevor die EU diesen Schritt verlangte. Dieser Schritt zeichnete aber eine Besonderheit des schwedischen Bahnnetzes ab. Es setzt seit dieser Zeit stark auf eine Trennung von Netz und Betrieb. Tatsächlich wurde bereits 1988 die institutionelle Trennung von Netz und Betrieb vollzogen. Die Infrastruktur wurde vom Staat entschuldet und an die nationale Bahnverwaltung Banverket übergeben. Das Netz wurde also an eine Behörde ausgelagert und bleibt somit zu 100 Prozent im Staatseigentum. Banverket finanziert sich aus Trassenentgelten und weit überwiegend staatlichen Hilfen. Im Zuge dieses Prozesses wurde das schwedische Netz in ein Hauptnetz und Regionalstrecken unterteilt. Seit 1990 konnten die Behörden zudem die gemeinwirtschaftlich zu erbringenden Regionalverkehre ausschreiben. Um Wettbewerb zu erleichtern wurde den Regionen auch das notwendige Rollmaterial übertragen. Einen großen Liberalisierungsschub gab es nach der Reichstagswahl des Jahres 1990, in der die seit Jahrzehnten regierenden Sozialdemokraten – die wie keine andere Partei für den allumsorgenden Sozialstaat (Folkethus) standen – abgewählt wurden. Die neue Mitte-Rechts-Regierung legte 1994 ein weitgehendes Liberalisierungsgesetz vor, was aber nach ihrer Niederlage in der Reichstagswahl nicht mehr umgesetzt wurde. Die neue Regierung beschritt den eingeschlagenen Weg aber weiter, nur mit etwas weniger Tempo. Im Jahr 1996 übertrug sie auch die Zuständigkeit für Trassenvergabe und Zugleitung erstmals auch im Güterverkehr an Banverket unter der Maßgabe, allen Interessenten einen gleichberechtigten Zugang zum schwedischen Netz zu ermöglichen. Zudem wurden die Bestellmöglichkeiten der Regionalbehörden erweitert, so dass der Ausschreibungswettbewerb auf weitere Verkehre ausgedehnt werden konnte. Im nächsten Schritt wurde 1998 der diskriminierungsfreie Zugang Dritter gesetzlich fixiert. Güter- und Schienenpersonennahverkehr waren damit für Wettbewerber geöffnet . Gleiches galt auch für die Langstreckenbusverkehre. Allerdings behielt SJ ein Monopol auf die rentablen Strecken im Fernverkehr. Gemeinwirtschaftlich zu erbringende Fernverkehre werden hingegen von einer neu gegründeten Agentur (Rikstrafiken) ausgeschrieben. Ein Großteil des Schienenpersonenverkehrs in Schweden wird seitdem in Form von Ausschreibungswettbewerben vergeben. Im Jahr 2001 wurde die SJ dann in ein Personen- und ein Güterverkehrsunternehmen aufgespalten. Der bislang letzte Reformschritt bestand darin, den Infrastrukturbetreiber und Regulierer Banverket in eine neue Behörde (Trafikverket) zu überführen, die auch für Flug-, Schiffs- und Straßenverkehr zuständig ist. Die Aufsichtspflichten für Sicherheit und Wettbewerb liegen seit 2009 bei einer Behörde namens Transportstyrelsen. Ihre Aufgaben sind nicht auf den Eisenbahnsektor beschränkt, sondern decken alle Verkehrsträger in Schweden ab. 41 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) (2014). A. a. O. S. 85. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 25 ( … ) In Schweden erfolgten Marktöffnung und Liberalisierung gut ein Jahrzehnt, bevor die EU mit ihren Eisenbahnpaketen ähnliche Schritte einforderte. Das skandinavische Land gilt als Musterbeispiel für eine erfolgreiche Trennung von Netz und Betrieb – allerdings in einem vergleichsweise wenig komplexen Netz.“42 Informationen zur Trennung von Infrastruktur und Fahrbetrieb im Eisenbahnwesen Schwedens liefert darüber hinaus das Schaubild zur Organisation des Schienenverkehrs in Schweden auf S. 95 des Gutachtens.43 3. Veröffentlichungen zu einzelnen Staaten Abschließend wird auf folgende länderbezogene Veröffentlichungen zur Trennung von Infrastrukturbetrieb und Verkehrsbetrieb im Eisenbahnwesen Großbritanniens und Schwedens aufmerksam gemacht: Großbritannien: Kemnitz, Joachim/Engel, Rainer (2007). Großbritannien: Trennung bringt Bahn in Schwung. Die Trennung von Netz und Verkehr funktioniert. In: derFahrgast. Ausgabe 4/2007, S. 13 – 18. Link: https://www.pro-bahn.de/pbz/articles/2007-4-13_18.pdf (zuletzt aufgerufen am 07.06.2017). Anlage 5 Knorr, Andreas (2008). Die Bahnreform in Großbritannien. In: Eisenkopf, Alexander/Knorr, Andreas (2008). Neue Entwicklungen in der Eisenbahnpolitik. Berlin: Duncker & Humblot. S. 139 – 189. Standnummer in der Bibliothek des Deutschen Bundestages: P 5123324. Anlage 6 Schweden: Knorr, Andreas (2008). Die Bahnreform in Schweden. In: Eisenkopf, Alexander/Knorr, Andreas (2008). Neue Entwicklungen in der Eisenbahnpolitik. Berlin: Duncker & Humblot. S. 191 – 228. Standnummer in der Bibliothek des Deutschen Bundestages: P 5123324. Anlage 7 42 Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) (2014). A. a. O. S. 94 – 96. 43 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) (2014). A. a. O. S. 95. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 037/17 Seite 26 Merkert, Rico (2003). Die Liberalisierung des schwedischen Eisenbahnwesens – ein Beispiel vertikaler Trennung von Netz und Transportbetrieb. In: Universität Potsdam. Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fakultät. Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge. Diskussionsbeitrag Nr. 62. Potsdam. 2003. Link: https://www.uni-potsdam.de/u/wipo/db62.pdf (zuletzt aufgerufen am 07.06.2017).44 Anlage 8 Mitusch, Kay, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECO) (2010). Die Bahnreform in Schweden. Karlsruhe. 2010. (Erstellt am: 19.03.2010 | Stand des Wissens: 26.01.2017.) Link: https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet /is/296444/ (zuletzt aufgerufen am 07.06.2017). Anlage 9 *** 44 Vgl. auch Merkert, Rico (2005). Die Liberalisierung des Eisenbahnsektors in Schweden – Ein Beispiel vertikaler Trennung von Netz und Transportbetrieb. In: Zeitschrift für Verkehrswissenschaft. 76. Jahrgang (2005). S. 134 – 163. Standnummer in der Bibliothek des Deutschen Bundestages: R 5298/76.2005 (textidentische Fassung).