© 2019 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 – 036/19 Übergesetzlicher Lärmschutz für die Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung (FBQ) Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 036/19 Seite 2 Übergesetzlicher Lärmschutz für die Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung (FBQ) Aktenzeichen: WD 5 - 3000 – 036/19 Abschluss der Arbeit: 4. April 2019 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 036/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Vorbemerkung 4 3. Lärmschutz an Schienenwegen 5 4. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis beim Lärmschutz 7 5. Übergesetzlicher Lärmschutz und das Nutzen-Kosten- Verhältnis 8 5.1. Übergesetzlicher Lärmschutz als Ausnahme 8 5.2. Die Bedarfsplanungsumsetzungsvereinbarung 9 6. Wahrung der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 036/19 Seite 4 1. Einleitung Den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages sind anlässlich der Fehmarnbeltquerung eine Reihe von Fragen gestellt worden. Im Detail geht es um übergesetzlichen Lärmschutz bei der Schienenhinterlandanbindung.1 Die Fragen lauten wie folgt: Gibt es eine Rechtsgrundlage, die den Verfahrensablauf hinsichtlich der übergesetzlichen Lärmschutzmaßnahmen festlegt? Besteht eine rechtliche Grundlage für die Aussage, dass der Quotient des Nutzen-Kosten- Verhältnisses (NKV) von Verkehrsprojekten zwingend über 1 liegen muss, um eine Realisierung mit Mitteln des Bundeshaushaltes zu ermöglichen? Ist es zutreffend, dass auch ein Projekt mit einem NKV unter 1 realisiert werden kann, wenn der Bundestag dies explizit beschließt? 2. Vorbemerkung Beim Ausbau der Rheintalbahn Karlsruhe-Basel (Teil des nördlichen Zulaufs zur Neuen Eisenbahn -Alpentransversale - NEAT) war im Abschnitt von Offenburg bis Basel die Realisierung zweier zusätzlicher Gleise erforderlich, denn es bestand gegenüber der Schweiz eine Verpflichtung zum durchgehenden viergleisigen Ausbau der Strecke im Hinblick auf die Vollauslastung der NEAT.2 1 Vgl. auch https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/feste-fehmarnbeltquerung.html (abgerufen am 18.3.2019). 2 Die Bundesrepublik Deutschland hat mit ihren jeweiligen Nachbarländern Abkommen zu wichtigen grenzüberschreitenden Magistralen der Schieneninfrastruktur abgeschlossen. Die „Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Verkehr der Bundesrepublik Deutschland und dem Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Zulaufes zur neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) in der Schweiz“ vom 6. September 1998 (Vertrag von Lugano) sieht in Artikel 2 vor, dass die Kapazitäten im nördlichen Zulauf zur NEAT auf deutschem und schweizerischem Gebiet schritthaltend mit der Verkehrsnachfrage und aufeinander abgestimmt erhöht werden. https://www.admin.ch/opc/de/classifiedcompilation /20001034/index.html (abgerufen am 26.3.2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 036/19 Seite 5 Um die Akzeptanz der Maßnahme bei der betroffenen Bevölkerung zu erhöhen, wurde so genannter übergesetzlicher Lärmschutz gewährt, denn allein nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)3 waren bestimmte Maßnahmen nicht gesetzlich vorgegeben. So wurde im Deutsche Bundestag auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD4 beschlossen, Kosten der Lärmschutzmaßnahmen durch den Bund zu erstatten, auch unter Zurückstellung haushaltsrechtlicher Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit. Der dort im Projektbeirat um Ausbau der Rheintalbahn ausgehandelte zusätzliche Lärmschutz sollte nach Aussage des damaligen Staatssekretärs des BMVI „Vorbildcharakter“ haben.5 3. Lärmschutz an Schienenwegen Zunächst wird auf den Sachstand zum Nutzen-Kosten-Verhältnis bei Lärmsanierungsmaßnahmen an Schienenverkehrswegen verwiesen (WD 5 – 3000 – 136/09).6 Wie darin bereits herausgestellt , verursachen Eisenbahnzüge und insbesondere die des Güterverkehrs einen erheblichen Lärmpegel und stellen damit eine nicht zu unterschätzende Umweltbelastung dar. Um diese Belastung für Menschen und Umwelt zu vermeiden oder zu verringern, werden deshalb regelmäßig Lärmschutzmaßnahmen (Lärmvorsorge- oder Lärmsanierungsmaßnahmen) ergriffen . Dabei wird unterschieden nach Art des Lärmschutzes zwischen aktivem Lärmschutz (Reduzierung der Lärmemission an Bahnanlagen, Zügen) und passivem Lärmschutz (Reduzierung der Lärmimmission an baulichen Anlagen). Einen Rechtsanspruch auf Lärmschutz an Schienenwegen ist im bundesdeutschen Recht nur im Sinne einer Lärmvorsorge gegeben. Die Regelungen hierfür finden sich in den §§ 41 – 43 BIm- SchG in Verbindung mit der 16. Bundes-Immissionsschutzverordnung (16. BImSchV)7. Letztere 3 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2771), https://www.gesetze-im-internet.de/bimschg/BJNR007210974.html. 4 Bundestagsdrucksache 18/7364; vgl. auch 17/11652, 175091 und 17/4861. Der Landtag von Baden-Württemberg hatte am 8. Dezember 2011 beschlossen, dass die Landesregierung „sich mit 50 Prozent an den Mehrkosten, die über das gesetzliche Erfordernis hinausgehen, an der Rheintalbahn zur Sicherstellung eines menschen- und umweltgerechten Ausbaus“ beteiligt. Vgl. auch Bundestagsdrucksachen 15/579 und 15/981. 5 Badische Zeitung vom 27. Juni 2019, https://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/ausbau-mit-laermschutz-aufhoechstem -niveau--106828468.html (abgerufen am 12.4.2019). 6 Die folgenden Ausführungen entstammen weitgehend dem Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zum Nutzen-Kosten-Verhältnis bei Lärmsanierungsmaßnahmen an Schienenverkehrswegen vom 28.9.2009 (WD 5 – 3000 – 136/09). 7 Sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzte (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV) vom 12.6.1990 (BGBl. I S. 1036), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2269), https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_16/BJNR010360990.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 036/19 Seite 6 konkretisiert als Durchführungsverordnung, unter welchen Voraussetzungen Lärmschutzmaßnahmen an Schienenwegen ergriffen werden müssen. Der aktive Lärmschutz (§ 41 BImSchG) steht nicht nur gesetzessystematisch vor dem passiven (§ 42 BImSchG).8 Das BImSchG schreibt auch vor, den Lärm unmittelbar an der Lärmquelle (Emissionsquelle) zu vermeiden oder zu vermindern. Soweit aktiver Schallschutz unverhältnismäßig teuer wäre, kann er allerdings unterbleiben.9 Dann sollen Maßnahmen zum passiven Lärmschutz ergriffen oder Entschädigungen gewährt werden (§ 42 BImSchG). Detaillierte Regelungen bezüglich des passiven Schallschutzes enthält die 24. BImSchV (Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung )10. Die so genannte Lärmsanierung ist von Maßnahmen nach § 41 BImSchG zu unterscheiden.11 Nach § 41 BImSchG muss beim Neubau eines Schienenweges sichergestellt werden, dass Maßnahmen zur Lärmvorsorge getroffen werden, solange die Schutzmaßnahmen nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen:12 (1) Bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen sowie von Eisenbahnen , Magnetschwebebahnen und Straßenbahnen ist unbeschadet des § 50 sicherzustellen , dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. (2) Absatz 1 gilt nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden. Das heißt, Maßnahmen können nach § 41 Absatz 2 BImSchG unterbleiben und müssen das grundsätzlich auch nach dem Prinzip der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit (Art. 114 Abs. 2 8 Landmann, Robert von/ Rohmer, Ernst, Umweltrecht, BImSchG, 88. EL September 2018, § 41 Rn. 2. 9 Reese, Moritz, in: Umweltrecht, Beck-Onlinekommentar, 49. Ed. 1.12.2017, BImSchG § 41 Rn. 40. 10 Vierundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrswege- Schallschutzmaßnahmenverordnung – 24. BImSchV) vom 4.2.1997 (BGBl. I S. 172, 1253), zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 23.9.1997 (BGBl. I S. 2329), https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv _24/. 11 Unter Lärmsanierung versteht man Schallschutzmaßnahmen an bestehenden Eisenbahnstrecken, die nicht unter die Voraussetzungen (Neubau, wesentliche Änderung) der Lärmvorsorge nach den §§ 41 – 43 BImSchG fallen. Da die Lärmsanierung gesetzlich nicht verankert ist, besteht auch kein Rechtsanspruch auf Lärmschutz. Lärmsanierungsmaßnahmen sind insofern freiwillige Maßnahme. Die Bundesregierung stellt aber seit 1999 Mittel zur Finanzierung von Lärmsanierungsmaßnahmen im Bundeshaushalt bereit. Diese sind im Einzelplan 12 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Kapitel 1222 Titel 891 05 und Kapitel 1222 Titel 682 05 veranschlagt. Die Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes von 2005 konkretisiert die Mittelvergabe aus diesen beiden Titeln. Vgl. auch https://www.dega-akustik.de/fileadmin/dega-akustik.de/publikationen/akustik-journal/18-01/akustik _journal_2018_01_online_artikel1.pdf (abgerufen am 15.3.2019). 12 Vgl. BVerwGE 110, 370 [382]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 036/19 Seite 7 Satz 1 Grundgesetz - GG, § 6 -Haushaltsgrundsätzegesetz - HGrG, § 7 Bundeshaushaltsordnung - BHO), wenn die von ihnen verursachten Kosten außer Verhältnis zum Nutzen stehen. Damit muss bei der Planung von Schienenwegen bei jeder wesentlichen Baumaßnahme zwingend geprüft werden, ob die Kosten einer Lärmschutzmaßnahme in einem angemessenen finanziellem Verhältnis zum Nutzen stehen.13 Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) hat gestützt auf seine langjährigen Erfahrungen und die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung einen Umwelt-Leitfaden zur eisenbahnrechtlichen Planfeststellung und Plangenehmigung sowie für Magnetschwebebahnen erststellt. Im Teil VI ist der Schutz vor Schallimmissionen aus Schienenverkehr erläutert.14 Laut diesem EBA-Umweltleitfaden Teil VI müssen die Kosten je Schutzmaßnahme unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls abgewogen werden, da sie auf gesetzlicher und verordnungsrechtlicher Ebenen nicht geregelt sind. 4. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis beim Lärmschutz Im Rahmen der Nutzen-Kosten-Analyse wird in einem mathematischen Verfahren das Nutzen- Kosten-Verhältnis (NKV) von Verkehrsprojekten berechnet. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis ist die zentrale Kenngröße der Nutzen-Kosten-Analyse, da sie die Bewertungskomponenten zusammenfasst . Dabei wird die Summe aller Projektnutzen ins Verhältnis zu den Gesamtkosten des Projektes gebracht.15 Das Ergebnis der Berechnung des NKV soll dabei im Allgemeinen größer als 1,0 sein, damit die Maßnahme wirtschaftlich und somit auch genehmigungsfähig ist. Prüfungs- und Bewilligungsbehörde ist das Eisenbahn-Bundesamt, das über einen Förderantrag nach „pflichtgemäßem Ermessen “ entscheidet. Die Gewährung von Zuwendungen hat mehrere Voraussetzungen und steht immer unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit der veranschlagten Haushaltsmittel.16 Laut BMVI wurde im November 2010 die Fehmarnbeltquerung im Rahmen der sogenannten Bedarfsplanüberprüfung erneut auf ihre Wirtschaftlichkeit untersucht. Im Ergebnis sei ein Nutzen- 13 Jarass, Hans Dieter, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 41 Rn. 62. Der Meinungsstreit, ob die Abwägung nach Abs. 2 von der eigentlichen planerischen Abwägung strikt zu trennen ist, ist hier unerheblich und kann damit dahinstehen . 14 https://www.eba.bund.de/SharedDocs/Fachmitteilungen/DE/Archiv/29_2012_Umweltleitfaden _Teil_VI_Schall.html (abgerufen am 25.3.2019). 15 Die Details sind dargestellt im Methodenhandbuch zum Bundesverkehrswegeplan 2030, S. 31 ff., https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/BVWP/bvwp-methodenhandbuch .pdf?__blob=publicationFile (abgerufen am 25.3.2019). 16 Zur Veranschlagung von Mitteln im Haushalsplan: Lewinski, Kai von/ Burbat, Daniela, in Nomos-BR, BHO, 1. Aufl. 2013, § 23 Rn. 7 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 036/19 Seite 8 Kosten-Verhältnis von 6,7 festgestellt worden. Damit sei das Projekt als äußerst wirtschaftlich bestätigt worden.17 5. Übergesetzlicher Lärmschutz und das Nutzen-Kosten-Verhältnis 5.1. Übergesetzlicher Lärmschutz als Ausnahme Grundsätzlich begrenzt das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) den Umfang des Lärmschutzes. So sind Maßnahmen, die in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen, im Immission- und Haushaltsrecht vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Rein sprachlich impliziert der Begriff „übergesetzlicher Lärmschutz“, dass für diese Form von Verkehrslärmbekämpfung Voraussetzungen und Verfahren gerade gesetzlich nicht geregelt sind. So findet er in der Tat keine Grundlage in den oben dargestellten Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes oder sonstigen speziellen gesetzlichen Regelungen. Auch für die Finanzierung des Schallschutzes gilt die allgemeine Rechtordnung, insbesondere die verfassungsrechtlichen Vorgaben (Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG). Gleichwohl gibt es das Institut des übergesetzlichen Lärmschutzes, es existiert eine Musterfall (s.o. Rheintalbahn) sowie eine Verwaltungspraxis.18 Das Wesen übergesetzlicher Lärmschutzmaßnahmen ist gerade, dass sie zwar im Rahmen der allgemeinen Rechtordnung stattfinden, aber nicht auf Grundlage spezieller Normen. Der übergesetzliche Lärmschutz ist die Ausnahme von der Regel und deshalb wird vertreten, dass zunächst drei Fragen zu klären seien, nämlich ob: - eine besondere regionale Betroffenheit vorliege, - die Realisierung von Schienengütertrassen dafür zwingende Voraussetzung sei, - die Hinterlandanbindung Teil des Verkehrskorridors des TEN-Verkehr-Kernnetzes sei, der durch EU-Mittel (CEF) bezuschusst werden könne.19 17 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/feste-fehmarnbeltquerung.html (abgerufen am 18.3.2019). Die Bewertung sei auf der Basis der Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen mit dem Prognosejahr 2025 durchgeführt worden. Die angewandte Nutzen-Kosten-Analyse sei ein gesamtwirtschaftliches Bewertungsverfahren . Sie erfolgte für alle überprüften Schienenprojekte auf identische Weise. 18 Dies ergibt sich z.B. aus der Antwort der Landesregierung Niedersachen auf eine Kleine Anfrage, wonach der Vermerk des Verkehrsministeriums vom 09.03.2018, Aktenzeichen 23.32.03 dem Verkehrsausschuss des dortigen Landtages zur Kenntnis gegebenen worden sein, Niedersächsischer Landtag, Drucksache 18/3313, https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_05000/03001-03500/18-03313.pdf. 19 Christin Popp, Fachbeitrag zum übergesetzlichen Lärmschutz im Zusammenhang mit dem Ausbau der Schienenanbindung zur FBQ, http://www.fehmarnbelt-dialogforum.de/sites/default/files/media/Praesentation _Laermkontor_050417_runde_tische_sued_2.pdf (abgerufen am 15.3.2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 036/19 Seite 9 Die Details des Verfahrens wurden in einem besonderen Regelungswerk festgelegt, der Bedarfsplanungsumsetzungsvereinbarung (BUV)20. 5.2. Die Bedarfsplanungsumsetzungsvereinbarung Bund und DB haben für die Umsetzung einer übergesetzlichen Planung, also insbesondere bezüglich Lärmschutz, dieses Verfahren namens Bedarfsplanungsumsetzungsvereinbarung (BUV) vereinbart . Nach diesem Verfahren soll für jede übergesetzliche Maßnahme ein Bundestagsbeschluss erforderlich sein.21 Die parlamentarische Befassung ist in § 5 BUV geregelt. Danach berichtet das BMVI dem Deutschen Bundestag jährlich über neu zu verwirklichende Projekte und Vorhaben, bei denen bestimmte Leistungsphasen durchgeführt sind (Abs. 1). Die BUV regelt in Abs. 3 Satz 3 explizit: „Eine Aufnahme des PROJEKTS/VORHABENS […] ist jedoch nur dann möglich, wenn die volkswirtschaftliche Bewertung ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV ≥ 1) ausweist .“ Das BMVI berichtet gemäß den in der BUV enthaltenen Regelungen zu den Verfahrensabläufen dem Deutschen Bundestag über neu zu verwirklichende Projekte/Vorhaben, bei denen die Leistungsphasen 1 und 2 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) durchgeführt sind (Parlamentarische Befassung gem. § 5 BUV).22 Die BUV sieht diesen Schritt vor, weil der Bundestag in Einzelfällen Beschlüsse fassen möchte, die für die Realisierung von Schienenstrecken zusätzliche Maßnahmen beinhalten, die über das gesetzlich geforderte Maß hinausgehen.23 Die Berichterstattung soll hierfür eine Grundlage bilden , die stattfindet nach der frühen Bürgerbeteiligung gemäß § 25 Absatz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und vor der Entwurfsplanung zur Vorbereitung der Planfeststellungsverfahren .24 20 Die Bedarfsplanumsetzungsvereinbarung vom 25.07.2017 ist als Download bei BMVI abrufbar unter https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/Schiene/bedarfsplanumsetzungsvereinbarung .html. 21 Auch dies ergibt sich aus der o.g. Antwort der Landesregierung Niedersachen auf eine Kleine Anfrage, wonach der Vermerk des Verkehrsministeriums vom 09.03.2018, Aktenzeichen 23.32.03 dem Verkehrsausschuss des dortigen Landtages zur Kenntnis gegebenen worden sein, Niedersächsischer Landtag, Drucksache 18/3313. 22 Stellungnahme des BMVI vom 25.3.2019 gegenüber den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages auf hiesige Anfrage vom 13.3.2019. 23 Vgl. Bundestagsdrucksache 18/7364. 24 Stellungnahme vom BMVI vom 25.3.2019 gegenüber den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages auf hiesige Anfrage vom 13.3.2019. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 036/19 Seite 10 Laut BMVI beinhaltet der Bericht an den Deutschen Bundestag für die jeweiligen Projekte und Vorhaben25: - die empfohlene BHO-konforme (wirtschaftliche) Vorzugsvariante und die auf Grundlage einer Gesamtwertprognose ermittelten Kosten des Projekts/Vorhaben, - Alternativvarianten mit Erläuterungen insbesondere zu Forderungen aus der Öffentlichkeitsbeteiligung , deren Auswirkungen auf die Kosten und die volkswirtschaftliche Bewertung sowie die Stellungnahme der EIU zur technischen und rechtlichen Umsetzbarkeit nebst Auswirkungen auf die Betriebswirtschaftlichkeit sowie - Darstellung der möglichen Auswirkungen der Varianten auf die Haushalts- und Finanzplanung sowie ggf. die Priorisierung im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.26 Im Rahmen der Darstellung einzelner Alternativvarianten unterrichtet das BMVI den Deutschen Bundestag auch über eventuell über das gesetzliche Maß hinausgehende Forderungen. Gemäß § 5 Absatz 1 Spiegelstrich 2 BUV kann der Bund die Auswirkungen sowie Erläuterungen zur volkswirtschaftlichen Bewertung und zur technischen und rechtlichen Umsetzbarkeit einzelner Alternativvarianten im Bericht zur parlamentarischen Befassung darstellen.27 In § 5 BUV ist weiterhin vereinbart, dass, sofern der Deutsche Bundestag keine wesentlichen Änderungen der empfohlenen Vorzugsvariante fordert, das jeweilige Projekt/Vorhaben mit der Vorzugsvariante in die Sammelvereinbarung Leistungsphase 3 / 4 aufgenommen werden soll (§ 5 Absatz 2 BUV), um die Planfeststellungsverfahren vorzubereiten. Die Sammelvereinbarung Leistungsphase 3 / 4 ist eine Finanzierungsvereinbarung. Sofern der Deutsche Bundestag im Rahmen eines Entschließungsantrags wesentliche Änderungen der Vorzugsvariante oder die Umsetzung einer Alternativvariante beschließt, stimmen sich der Bund und die EIU zur Ausgestaltung der wirtschaftlichsten Lösung der vom Deutschen Bundestag geforderten Variante ab. Dabei kann auch eine Neuplanung im Rahmen der Leistungsphase 1 und 2 HOAI erforderlich werden.28 6. Wahrung der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit Laut BMVI haben die Vertragspartner der BUV dem verfassungsrechtlich vorgegebenen und in der BHO konkretisierten Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit (Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, § 6 HGrG, § 7 BHO) damit Rechnung getragen, indem sie vereinbart haben, dass eine Aufnahme des Projekts/Vorhabens in die Sammelvereinbarung 3 und 4 nur dann möglich ist, wenn 25 vgl. § 5 Absatz 1 BUV. 26 Stellungnahme vom BMVI vom 25.3.2019 gegenüber den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages auf hiesige Anfrage vom 13.3.2019. 27 Stellungnahme vom BMVI vom 25.3.2019 gegenüber den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages auf hiesige Anfrage vom 13.3.2019. 28 Stellungnahme vom BMVI vom 25.3.2019 gegenüber den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages auf hiesige Anfrage vom 13.3.2019. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 – 036/19 Seite 11 die volkswirtschaftliche Bewertung ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis ausweist (§ 5 Absatz 3 BUV).29 Damit erscheint der haushaltsrechtliche Bezug hergestellt. Eine Aussage, wonach der NKV von Verkehrsprojekten zwingend über 1 liegen muss, um eine Realisierung mit Mitteln des Bundeshaushaltes zu ermöglichen, war nicht mit einer speziellen Rechtsvorschrift belegbar. Letztlich dürfte sie sich aber in den gesetzlichen Vorgaben zur Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit (Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, § 6 HGrG, § 7 BHO) begründen. Vor dem Hintergrund der grundsätzlich nur politischen Bindungswirkung von Bundestagsbeschlüssen 30 könnte die Frage aufgeworfen werden, ob ein solcher Beschluss allein für die Finanzierung von übergesetzlichen Lärmschutzmaßnahmen als ausreichend zu betrachten wäre und es nicht vielmehr einer konkreten Ausweisung von Mitteln im Haushaltsgesetz bzw. Haushaltplan bedürfte, um eine Rechtsverbindlichkeit zur schaffen. Das BMVI hat allerdings hierzu erklärt: „Falls der Deutsche Bundestag in einem Beschluss zu einem Vorhaben über die Regelungen der BUV hinausgehend die Grundlagen für weiteres (haushaltrechtliches ) Handeln schaffen sollte, vergleichbar dem Rheintalbeschluss (BT-Drs.18/7364), beabsichtigt das BMVI diese Regelungen im Rahmen des Zuwendungsrechtes als bindend zu betrachten .“31 *** 29 Stellungnahme vom BMVI vom 25.3.2019 gegenüber den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages auf hiesige Anfrage vom 13.3.2019. 30 Zur rechtlichen Einordnung eines Beschlusses zu übergesetzlichem Lärmschutz, WD 3 - 3000 - 057/19 vom 12.3.2019. 31 Stellungnahme vom BMVI vom 25.3.2019 gegenüber den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages auf hiesige Anfrage vom 13.3.2019.